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SWR1 Begegnungen

Wolf-Dieter Steinmann trifft Leonie Klein, Schlagzeugerin der Neuen Musik, Journalistin, Konzertentwicklerin aus Karlsruhe.
Ich war hin und weg, als ich Leonie Klein gesehen habe. Schlagzeug spielen. Was alles klingt. Klar, das Drumset wie in ner Band. Aber in ihrer Neuen Musik ist das nur die Oberfläche. Der Probenraum ist übervoll mit Klangmöglichkeiten. Vom großen Marimbaphon bis zu einem Flummi. Seit sie sechs ist, spielt Leonie Klein. Mit Lust, Klänge zu entdecken.
Das is n Flummi, so n Gummiball und den habe ich in der Mitte durchgeschnitten und den dann auf eine Stricknadel aufgespießt und wenn man den jetzt über ein Fell zieht, dann ist das so ein bisschen wie ein Walgesang, könnte man sagen oder auch ein Rennauto, was irgendwie in der Kurve vorbeiflitzt.
Und das ist auch das Schöne, was geht eigentlich alles?
Wie wird daraus Musik? Schlagzeug pur ist nicht sehr melodisch. Nun, ein Komponist hat schon ein Solokonzert für sie geschrieben, mit Orchester. Und wenn sie allein spielt? Sie schafft Musik aus Rhythmus. Und aus Klängen. Stellen Sie sich einen großen Gong vor.
Die klingen natürlich sehr lange. Und jetzt ist die Frage, wenn ich den jetzt anschlage, wo es danach weitergeht mit anderen Instrumenten. Wie lange lasse ich dem die Zeit?
Es ist ja auch immer so dieses musikalische Atmen, also wann atme ich weiter? Wann sage ich ‚okay, der Klang geht jetzt über in den nächsten.‘
Manchmal geschieht es auch, dass Leonie Klein übers Schlagzeug sprechsingt.
Aber wenn man da auf der Bühne steht, vorne an der Bühnenkante und schaut ins Publikum und spricht dann, ist das ganz merkwürdig, weil man weiß, eigentlich versteht niemand, was ich da sag, aber trotzdem verstehen sie es.
Neue Musik ist uns oft fremd. Vielleicht versteht man ihr Schlagzeug deshalb leichter, weil man neugierig sehen kann, wie sie Klänge entstehen lässt mit dem ganzen Körper. Neugierig sein aufeinander, vielleicht bräuchte es das viel öfter, wenn wir einander fremd sind.
Und wenn ich auf die Bühne gehe, dann spiele ich für jemand und den interessiert es vielleicht nicht, ist der Schlag jetzt so oder so gesetzt? Sondern diese Leichtigkeit zu haben und wenn ich Spaß dran hab, dann haben die auch Spaß dran, zuzuhören.
In der Karwoche spielt Leonie Klein in Speyer im Dom. Solo, in diesem imposanten, heiligen Klangraum. Die Leidensgeschichte Jesu wird gelesen und sie wird dem Geschehen um Jesus, Gott und die Menschen ihre Schlagzeugklänge geben. Besonders spannend ist für sie Jesus: angeklagt und er schweigt.
Das ist schon so eine Schlüsselstelle, wo ich mich sehr drauf freu, das musikalisch umzusetzen. Und ich glaub so, dieses Leise und dieses Minimalistische und was passiert in dem Moment, in dem eigentlich nichts passiert.
Wie kann man diesen Moment mit Klängen füllen?
Ich ahne, was sie meint. Wenn man schweigt, kann es in einem trotzdem sehr laut sein.
Paukenschläge
Dass Leonie Klein heute so gut ist, war kein Selbstläufer: Es hat viel mit Disziplin und Verzicht zu tun. Um die Schlagzeugerin zu werden, die sie heute ist, hat sie oft verzichtet: Seit 25 Jahren, mehr als dreiviertel ihres Lebens spielt sie. Übt, jeden Tag viele Stunden. Oder: Mit 17 ist sie – neben der Schule in Wittlich – damals noch zwei Tage die Woche nach Karlsruhe gefahren, zum Vorstudium. Ohne Disziplin, unmöglich.
Ich glaub ich hab gar nicht so viel Talent, sondern bei mir war es eher der Fleiß. Also ich bin zum Beispiel jemand, der sehr sehr lange braucht, um neue Stücke zu lesen. Irgendwie denke ich manchmal, mein Kopf ist ein bisschen langsamer als bei anderen.
Aber wenn ich es dann geübt hab, dann ist es so gut, dass wenn ich irgendwie mit den Komponisten arbeite, dass sie sagen, ‚Boah, so haben wir unser Stück noch nie gehört.‘
Aufgeben wollte sie nie. Nicht mal als sie Zweifel hatte, ob sie gut genug ist. Und von einem ihrer Lehrer auch noch übel erschüttert wurde. Ich finde, jeder Lehrende, jeder Mensch sollte auf solche Sätze verzichten. Um Gottes willen und um der Menschen willen.
Wenn dann im Unterricht dann auch so Sätze fallen so: ‚ja Leonie, das kann hier jeder und wer es nicht kann, der hat hier auch nichts zu suchen.‘
Heute weiß ich, dass es Dinge waren, die so gut wie keiner kann und ich da dran irgendwie ja geübt habe und geübt habe, bis ich sie im Schlaf konnte.
So standzuhalten, finde ich bewundernswert. Vielleicht ist Leonie Klein zur Schlagzeugerin berufen. Sie sagt, es war auch Ehrgeiz, der sie stark gemacht hat. So sind sie und ihr Schlagzeug eins geworden.
Ich kann mich gar nicht dran erinnern, dass ich mal kein Schlagzeug gespielt hab. Und man schafft dann auch so diesen Sprung erst mal an ne Hochschule, das ist erstmal auch n Privileg. Und das war mir schon sehr bewusst, dass ich das irgendwie nutzen will und irgendwann war es so ein bisschen: oK, wenn ihr mir alle sagt irgendwie, es muss anders sein, jetzt mache ich es einfach, wie ich es für richtig finde.
Hat sie eigentlich einen Lieblingsdrummer aus der Rockmusik? Klar, und vermutlich ist es kein Zufall, dass der auch ziemlich eigen war. Keiner von den Drummern mit „dicken Oberarmen“.
Charlie Watts. so ein eleganter Schlagzeuger, so gentlemanlike, der irgendwie da hinten bei den Rolling Stones sitzt, er schaut sich das so von hinten an, was die anderen da vorne so treiben auf der Bühne. Ein Rockdrummer der anderen Art.
Mit Anfang 30 sieht sich Leonie Klein noch lange nicht am Ziel. Sprüht vor Zuversicht und Freude, Neues aus sich zu entwickeln. Konzerte selbst konzipieren ist ein Bild von sich, auf das sie zugeht.
Nicht nur als Interpretin auf die Bühne zu gehen, sondern eben auch zu schauen, wie kann man das, was auf der Bühne stattfindet, konzipieren. Für mich einfach neue Facetten nochmal zu entdecken.
Ich finde, Leonie Klein kann einen inspirieren: dass ein starkes Ziel Verzicht lohnt. Wie man Eigensinn bewahrt und so vielleicht zu der Person reift, die in einem steckt. Und wie sie ihr Glück schätzt.
Am Wochenende würde man nie ins Büro gehen und arbeiten, aber man geht in den Proberaum, weil es einfach Spaß macht, und es fühlt sich gar nicht wie Arbeit an. Und das ist auch das Schöne, wenn das einen so erfüllt.
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Terminhinweis:
Mittwoch 16. April 2025 19.30 Uhr
Bibel und Schlagzeug
Dom zu Speyer
Lesung Christoph Kohl
Schlagzeug Leonie Klein
SWR1 Begegnungen

Wolf-Dieter Steinmann trifft Annegret Lingenberg, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Die erste Pfarrerin in Baden „im Ehrenamt“ ist auch Oblatin einer evangelischen Kommunität. Sie lebt als evangelische Frau nach der Regel des „Heiligen“ Benedikt. „Bete und arbeite“ überzeugt sie. Warum? Weil es zu ihr passt. Eine evangelische Heilige habe ich nicht getroffen. Aber sie ist überzeugt, dass wir mit dem Heiligem in Berührung kommen. Beim Beten und Arbeiten, also im Leben. Nicht erst danach. Annegret Lingenberg, inzwischen über 80, hat einen spannenden Lebensweg. Mit fast 60 ist sie noch Pfarrerin geworden, im Ehrenamt. Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Heilig ist für sie: Gott kommt ins Spiel.
Gott kann mir überall begegnen, also wenn ich zum Beispiel hier ein Begleitgespräch habe oder ein Seelsorgegespräch, das kann zum heiligen Ort werden, wenn hier spürbar Gott dabei ist. Und das ist geschieht nicht selten. Ja, ich würde sagen, es kann jeder Ort heilig werden.
Und Menschen, die dort sind. Wobei, in der Bibel erschrecken die meisten, wenn sie vom Heiligen berührt werden. Weil das ins Leben greift.
Es wäre nicht normal, das zu wollen. Insofern bin ich auch sehr zurückhaltend, etwa zu behaupten, ‚ich will heilig werden‘. Wenn Gott mich anrührt, dann hmm; ich nehme es an und gehe damit um, aber ich strebe nicht danach.
Gott kann berühren: Mich, Sie, viele. Wichtig ist Annegret Lingenberg, dass man bei „heilig“ nicht zuerst an Moral denkt. Sie spürt das Heilige oft in einer evangelischen Kommunität in Franken. Sie lebt dort nicht fest, sondern ist Oblatin; heißt:
Ein Mensch, der sich Gott darbringt, und zwar ganz konkret, indem er sich bindet an eine benediktinische Kommunität, um zusammen mit den Schwestern, den Brüdern dieser Kommunität, diesen Weg zu gehen. In dieser Weggemeinschaft für Gott verfügbar zu sein.
Mindestens zwei Dinge an der Regel des Benedikt haben sie überzeugt. Es geht wirklich um das Miteinander mit Christus, als getaufter Christ. Und das unglaublich realistische und menschliche Maß: Es gab ja vorher auch schon Klosterregeln, die viel fordernder und viel rigider waren. Er setzt einfach voraus, was ein Mensch normalerweise leisten kann und was nicht, und verlangt nicht irgendwelche asketischen Purzelbäume.
„Bete und arbeite.” Das Gute ist, diese Regel hält beides im Gleichgewicht. Arbeit ist nie wichtiger als das Gebet. Nur arbeiten ist nicht Sinn des Lebens. Man braucht Quellen zum Leben und Zeiten, in denen man zu ihnen kommt. Tief prägend hat sie das erlebt vor Jahren, bei einer Schweigewoche in der Kommunität.
Ne Gemeindesituation, die mich sehr beschäftigt hat. Zum anderen eine Krebserkrankung. Das hab ich dann in so ner Schweigewoche durchgearbeitet und durchlebt. Und dann wieder rausgefunden, mit einem Ja zum Weitergehen. Es gibt durchaus mystische Momente, die man da erleben kann.
Ihre “Lieblingsheilige” ist Teresa von Avila. Die ist erst heilig geworden, nachdem sie aufgehört hatte, es sein zu wollen.
Die liebe ich heiß und innig. Sie war eine sehr kluge Frau, mystisch veranlagt und sie hatte viel Humor und sie hatte eine unglaublich gute Art, mit Menschen umzugehen.
Annegret Lingenberg fände schön, wenn sie das auch so könnte. Sie probiert es.
Annegret Lingenberg strahlt unaufdringliche Freundlichkeit aus. In ihrer Diele begrüßt mich ein Ikonengemälde, Thema: Gastfreundschaft. Geprägt ist sie von der Ordensregel des heiligen Benedikt: “bete und arbeite” und eng verbunden mit einer evangelischen Kommunität in Franken. Dort kann sie Heiliges spüren.
Weil sie eine sehr schöne Liturgie feiern und weil man in den Gottesdiensten wirklich etwas spürt von der Heiligkeit Gottes, um den es geht. Und ich glaube, es kommt von selber, dass auch in den Gottesdiensten, die ich feiere, ein bisschen durchscheint von der Heiligkeit Gottes und von meiner Ehrfurcht vor dem, was ich da mache.
Die zweite Säule, “arbeiten”, das ist für sie bis heute, mit über 80: Seelsorge. Menschen begleiten auch in Tiefen. Leben geistlich verstehen. Gott darin entdecken und gute Wege finden. Sie hat oft erfahren: Arbeiten und beten brauchen einander.
Die Psalmen umfassen ja so unendlich viel. Der ganze Hass, die ganze Gewalt und alles, was uns heute im Augenblick so aufregt, kommt ja alles schon, in den Psalmen vor. Indem ich Psalmen bete, bin ich mittendrin in dieser Welt, die ich vor Gott bringe.
Ja, es ist gut, dass man das Heilige ersehnen kann, erbeten. Und arbeiten? Mir ist auf einmal Oskar Schindler eingefallen, der in seiner Fabrik über 1000 jüdische Menschen vor den Nazis gerettet hat. Schindler: Lebemann, Spion, kein klarer Charakter. Bis zu dem Tag, als er gesehen hat, was die Nazis verbrechen. Ab da haben die Schindlers alles drangesetzt, jüdische Menschen zu retten. Sind sie so was wie weltliche Heilige?
Ich würde jetzt nicht sagen, also ja, ja, natürlich auch ein Heiliger, aber ich denke, Gott hat ihn auch als Werkzeug benutzt. Und er nicht mehr an Eigenes dachte, sondern wirklich an diese Unmenschlichkeit. Und vielleicht ist es ne Gottesberührung gewesen, dass er erkannt hat.
Sind Gottes Geschöpfe, mit denen kann man so nicht umgehen. Und wenn man es tut, ist es ganz furchtbar und man muss was dagegen tun.
Ich finde Oskar Schindler inspirierend. Er war nicht der Typ „moralisch gut”. Aber er hat sich aufrütteln lassen. Vielleicht sollten wir auch heute andere nicht zu schnell „moralisch“ festlegen.
Es ist für mich eben nicht das ethische Handeln Grund der Heiligkeit, sondern in der umgekehrten Reihenfolge: Angerührtsein von Gott wird sich äußern. Dann packt man an oder man geht und hilft. Und das ergibt sich oft mehr von selber. Ich glaube, manche Menschen, die uns so vorkommen, als seien sie wirklich kleine Heilige, die würden sehr erstaunt gucken, wenn man ihnen sagen würde, also ich finde, dass du heilig bist. Wahrscheinlich würden sie sagen: ‘Öh’.
Wenn man heilig angerührt wird, kommt es wohl darauf an, dass die Emotion nicht verweht, sondern Hand, Kopf und Fuß kriegt. Dass man nicht hasst oder resigniert. Annegret Lingenberg hat noch ein überraschendes Wort dafür.
Angerührt werden von Gott kann man sich vielleicht so vorstellen, als würde man angesteckt. Er berührt mich und steckt mich an mit seiner Heiligkeit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40955SWR1 Begegnungen

Ich bin schon vielen Menschen bei ihrer Arbeit begegnet. Aber so beseelt und glücklich wie Andrea Ziegler, waren, glaube ich, wenige. Sie ist Diakonin im Europa-Park. Quasi das evangelische Gesicht der Kirchen dort. Was bietet Andrea Ziegler zwischen all den Attraktionen?
Wir als Kirche im Europa Park, mein katholischer Kollege Thomas Schneeberger und ich, wir sind so ein bisschen Überraschung. Wenn man uns begegnet, dann glaube ich, bieten wir tatsächlich auch Spaß.
Von Kirche überrascht werden – das lassen sich vor allem Gäste gefallen, die mehrere Tage da sind. Oder für die der Park wie ne zweite Heimat ist. Denen kann es passieren, dass sie von ihr an der norwegischen Stabkirche angesprochen werden.
‚Habt ihr Lust auf ein Rätsel‘? Die Leute kommen, erkunden die Stabkirche und wenn sie alles richtig haben, dann haben Sie am Ende die Zahlen, um das Schatzkistlein zu öffnen und dann teilen wir natürlich unseren Goldschatz mit den Gästen und kommen gleichzeitig gut ins Gespräch.
Unterhaltung: Das ist ein Schlüsselwort für Andrea Ziegler. Weil da mehr drinsteckt, als man meint. „Unterhaltung“ ist für sie tief-sinnig.
In dem Sinne, dass wir gute Gespräche anbieten. Aber auch, dass wir etwas bieten, einen Grund, der hält, etwas unter sich zu haben, was durchs Leben trägt. Dass wir einen Gott ins Gespräch bringen können, der unser Leben unter-hält.
Darum feiern viele mit ihr und ihrem Kollegen auch Gottedienst. Über 100 mal im letzten Jahr: Da wurde geheiratet, sie haben Kinder getauft und Menschen haben auf ihr Leben geschaut. Wie ein französisches Paar, das auch noch eine Bitte hatte.
Plötzlich erzählten die, ja, sie haben heute fünfundzwanzigjähriges Ehejubiläum und sind zufällig in die Kirche gekommen. Und wenn sie jetzt noch einen Segen kriegen könnten. Natürlich habe ich das gemacht im Wikingerkostüm in schlechtem Französisch, aber es war ein unfassbar schöner Moment. Man -hat einfach gespürt:
Der Segen der streichelt die Seele der Menschen und die gehen gestärkt und gut unterhalten wieder weiter in den Tag.
Auch in Trauer ist sie da. Bei 5000 Mitarbeitenden im Park, gibt es auch Leid. Sie fragt längst nicht mehr, was soll Kirche in einem Freizeitpark? Umgekehrt wird ein Schuh draus: Kirche soll einfach da sein, wo Menschen leben.
Diese Selbstverständlichkeit zu leben und gastfreundlich alle Menschen zu empfangen, getragen vom Glauben. Ich glaube, das ist eines unserer Ziele, in ökumenischer Verbundenheit., (0.12)
Überrascht hat mich, dass es auch gelingt, Verbindungen zu schaffen über den Park hinaus, auf Insta zB.
Instagram das ist ein Ort, wo Menschen mit uns in Kontakt und in Verbindung bleiben.
Seit vier Jahren ist Andrea Ziegler das evangelische Gesicht von “Kirche im Europa-Park”. Und Sie hören es bestimmt. Es ist ihr eine Freude. Vielleicht heißt darum auch das neue Maskottchen “Joy”. Sieht sehr sympathisch aus, kuschelig, ein bisschen Hummel, ein bisschen Engel. Nen Heiligenschein hat Joy auch, auch wenn der manchmal etwas verrutscht. Und Segen.
Diesen Glitzersegen verstreut Joy, unser Maskottchen, überall und trägt ihn überall hin. Und da sagen wir immer: ‘Wenn man einmal Glitzer abkriegt oder einmal Segen abkriegt, wird man den eigentlich nie wieder so richtig los. Und wenn die nächste Portion kommt, glitzert er nur noch mehr.’
Man spürt: Andrea Ziegler ist Feuer und Flamme für ihre Arbeit. Aber das war nicht immer so. Ihr Vorgänger hat sie überreden müssen, dass sie die Richtige sei. Ich würde sagen: Sie ist be-rufen worden. Ist das nicht Glück, wenn man gefunden wird?
Ich empfinde es inzwischen als große Ehre, dass ich hier arbeiten darf. Es ist weltweit einmalig, eine solche Kooperation zwischen evangelischer katholischer Kirche und einem Freizeitpark. Und es macht mir einfach unglaublich Spaß, mit diesen ganzen Menschen, mit den Ideen, die ich hier einbringen kann.
Sie wünscht sich, dass das, was sie beflügelt, insgesamt Kirchen und Gemeinden inspiriert. Vor allem die ökumenische Zusammenarbeit. Sie bedauert – mit ihren Anfang 40 – dass sie nicht immer schon so gearbeitet und gefragt hat.
Wo kann man gemeinsam Dinge angehen, die vielleicht jetzt gerade jeder für sich macht? Es kommt weniger drauf an, ob ich evangelisch oder katholisch bin.
Ich bin der Überzeugung: Ein Erfolgsrezept für eine gelingende Arbeit ist ein gutes Team. Wenn ich Menschen finde, mit denen ich mich vielleicht auch gut ergänzen kann.
Sie lernt auch von Mitarbeitenden im Park: Professionalität und Liebe zum Detail können gute Arbeit besser machen. Auch bei Kirchens. Es inspiriert sie, wenn Parkmitarbeitende sagen: ‘Wir arbeiten sehr gern’ und auch deren Haltung: ‘Wir wollen Erwartungen von Gästen über-erfüllen.’ Andrea Ziegler spornt das an. Wobei übererfüllen, ja nicht ‘immer mehr’ bedeuten muss.
Auch der Überraschungsmoment kann übererfüllend sein, wenn ich damit nicht gerechnet hätte. Also einfach mal denken, out of the Box, ganz anders denken und gucken, was kommen denn da für Ideen, und dann auch den Mut haben, es einfach mal zu probieren.
Ich bin sicher, Andrea Ziegler wird weiterhin Menschen überraschen: Mit Segen und Glanz. Die kommen einem ja immer mal abhanden. Aber Auffrischung ist möglich. Im Park und draußen.
Eigentlich ist das gar nicht so kompliziert, hier zu heiraten oder das Kind taufen zu lassen. Man meldet sich.
Heiraten kann man ja auch ökumenisch. Dann sind sogar wir beide anwesend. Und dann nimmt das Ganze seinen Lauf.
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Prof Thorsten Dietz.
Der evangelische Theologe ist medial kreativ. Als Autor, Podcaster und
in Videos inspiriert er zum Denken und Glauben. Seit August 2022 am
"Fokus Theologie" im „REF(ormierten)-LAB(oratorium)“ in Zürich.
Das Christentum ist alt geworden. Hat er auch mal gedacht. Inzwischen hält er es für möglich, dass es seine Zukunft noch vor sich hat. Und das hat für Thorsten Dietz viel mit seinem ‚persönlichen‘ Pfingsten zu tun. Mit der Lebensenergie, die ihn angesprungen hat, als er Bibel gelesen hat. Erst distanziert, wie ein Zuschauer auf den hinteren
Plätzen. Aber dann:
Ich war völlig verstört, aber auch zunehmend ergriffen, mit welcher Leidenschaft in der Bibel gelebt wird. Und habe gelernt, mir zuzugestehen: Ich brauche so etwas eigentlich auch. Dieses ‚Gott hat mich lieb, sieht mich, hört mir zu.‘ Das war eine Lebenswende. Diese Geborgenheit, bei einem DU zu finden, was ich nicht beweisen und begründen kann. Was ich aber spüre, wenn ich mich dafür öffne.
Da war er schon erwachsen, als er Christ geworden ist. Zuvor Atheist. Heute mit gut 50 ist er überzeugt. In Pfingsten steckt ein großer Traum für Menschheit und Erde.
Dieser Traum eines gemeinsamen Lebens, wo diese ganzen Mauern niedergebrochen werden; die von ‚drinnen und draußen‘ und die von ‚oben und unten‘ und wir gemeinsam verbunden werden durch etwas, was uns heilig ist.
In der Bibel wird erzählt, wie Menschen das vor 2000 Jahren erlebt haben: Jesu Traum von einer besseren Welt schien am Kreuz gestorben. Dann haben einzelne gesagt: Jesus sei nicht tot, Gott habe ihn und seinen Traum neu zum Leben erweckt.
Dann machten sie gemeinsam die Erfahrung wie sie das begeistert, wie es sie ergreift und wie es sie zusammenfügt. Und sie haben dann gesagt: ‚Es war das Gefühl, als hätte Gott uns erfüllt mit seinem Geist, mit Mut, mit Kraft, mit Freude‘.
‚Heiliger Geist‘. Thorsten Dietz weiß, das klingt speziell. Aber der ist nicht nur für Religiöse. Im Gegenteil. Geist ist Lebenskraft in allem.
Grade im Alten Testament wird uns Geist, ruach, Windhauch, Geistkraft gezeigt als etwas ungeheuer Dynamisches, was jedem Lebewesen innewohnt, im Atem.
Darum ist für ihn klar: Kirchen und Christenmenschen haben diese Kraft nicht für sich.
Wir werden ab und an freundlich ergriffen und berührt und dürfen staunen und können versuchen, davon etwas zu sagen, in Predigt und Theologie. Das ist es dann aber auch. Er gehört allen.
Es entspricht Gottes Geist auch nicht, wenn wir Menschen uns abgrenzen in „wir drinnen- die draußen“. An Pfingsten sollte man diesen Traum feiern. Indem soziale Grenzen durchlässig werden, wir Fremde erkennen, unser Wirgefühl weiten.
Wo wir vielleicht lieber denken sollten an Freundinnen und Freunde, an Gemeinschaften, an Netzwerke. es wäre das Freundschaftsfest schlechthin. Geistkraft Gottes ist sehr eventfreundlich und das sollten wir feiern. Gott ist nicht nur auf Familien programmiert.
Pfingsten berührt Thorsten Dietz tief innen. Und lässt weit denken und
neu glauben.
Thorsten Dietz war Atheist, dann eine Lebenswende, Pfarrer im Ruhrgebiet. Professor. Heute mit gut 50 bringt er Christliches kreativ in soziale Medien. Er mag Pfingsten. Weil Gottes Geistkraft in allem Leben ist und es an vielen Orten bewegt in eine bessere Richtung. Sie wirkt frei und unverfügbar. Schafft Neues, verändert. Und das tut ja not, bei den Gegenkräften.
Wo Leben aufsteht gegen den Tod, wo Menschen Gemeinschaft knüpfen gegen Vereinsamung, wo Menschen Ungerechtigkeit entgegen treten, weil sie sagen: ‚das tötet, das engt ein, das wollen wir nicht mehr.‘ Und dafür den Sinn zu wecken, möglicherweise ist das nicht etwas, was wir uns wünschen, möglicherweise rührt sich in uns das Geheimnis des Lebens selbst.“
Und diese Kraft berührt auch ganz persönlich. Lange hat er nur „der Heilige Geist“ gesagt. Bis er begriffen hat, für viele Frauen ist das anstößig. Und dass man Gott auch sprachlich nicht einsperren kann.
Ich möchte lernen, neue Worte zu finden, für alte Erfahrungen, die mir lieb und vertraut sind. Aber auch denen neue Seiten abgewinnen, die ich mit anderen Menschen teilen kann. Ich finde, auch das ist Gottes Geistkraft, den Mut, die Offenheit zu finden, Neues zu wagen und zu entdecken.
Aus feministischer Theologie berührt und bewegt ihn Gottes Geistkraft und er findet auch: 2000 Jahre Männerkirche sind genug.
Wo Frauen aufbegehren: ‚Er ist nicht festzulegen auf ein Geschlecht. Wir lassen uns auch Gott und Glaube nicht stehlen und wir akzeptieren nicht, dass wir nicht zählen.‘ Ich lasse mich davon auch gern anstecken. Das tut mir gut.
Es ist ein Geschenk, wenn man sich immer noch ergreifen lassen kann. Auch wenn man älter ist. Ich spüre Feuer und Begeisterung bei ihm.
In unseren Kirchen fehlen ihm die oft. Wir sind ‚hüftsteif‘ geworden,‘ sagt er. Mehr Leben, mehr Geist. Christsein mit dem ganzen Körper, mehr Pfingsten. Musik kann dazu helfen und der spirit von beweglicheren Christenmenschen
zB. aus Afrika.
Die Menschen sind nicht hüftsteif, sie tanzen, sie singen. Sie umarmen einander, sie lassen sich ergreifen und berühren sich gegenseitig. Wir können uns davon inspirieren lassen.
Und ich glaube, Musik ist eine Kernsprache des Göttlichen. Wo wir uns der Musik öffnen, mitschwingen, so in Resonanz versetzen lassen. Ist immer ein guter Anfang.
Thorsten Dietz ist sicher, immer wenn ich spüre, ich bin Teil des großen Lebens auf unserer Welt. Das sind heilige Momente. In diese Richtung wünscht er Ihnen und mir noch viel Pfingstliches, heute und überhaupt.
Möge jeder etwas finden, was ihn berührt und ergreift. Und man kann an so einem Tag ja mal überlegen, ob das stimmt, was viele denken, dass sie das Christentum hinter sich haben. Vielleicht haben sie es auch noch vor sich.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37720SWR1 Begegnungen

Wolf-Dieter Steinmann trifft Désirée Binder, psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin aus Freiburg
Ostern ist existentiell
Im Auto nach Freiburg zu Désirée Binder bin ich in ne schwarze Wolkenwand geraten und hab gedacht: „Wie das Leben: Es wird nicht heller, wenn man älter wird, und unsere Welt, oje.“ Nach der Begegnung war ich heller: Die Räume, in denen die Psychologin mir begegnet ist. Und: Désirée Binder hat mir Ostern in die Seele erzählt, wie gut es tut.
Wenn so aus den Zweigen das erste Grün springt, dann springt mein Herz. Ich hab Ostern sehr, sehr gern.
Dabei kann man Ostern nicht ohne Karfreitag haben. Früher hat sie damit gehadert: warum immer Kreuz? Inzwischen macht genau das für sie Ostern lebensnah: Jesus ist auch dort gewesen, wo wir alle hingehen. Tot. Und er ist da durch. Das lässt hoffen.
Dass G_tt aus dem, was wir uns am wenigsten wünschen. Krankheit, Gewalt. Tod; dass G_tt aus diesem Schlimmen was Gutes wachsen lassen kann. Und dass es dann nichts mehr gibt, das in unserem Leben verloren ist. Eine Freundin, die hat über ihre tiefste Lebenskrise mal gesagt: ‚das wollte ich nie noch mal erleben müssen, aber ich wollte es auch nicht missen.‘
Ostern, also dass Jesus neu lebendig ist, wirkt weit über die Feiertage hinaus. Sie erlebt das auch in der Arbeit als psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin. Oft kommen Menschen zu ihr, die feststecken.
Wenn es dann gelingt, wieder dort anzuknüpfen, wo Menschen stark sind, wo sie ihre Lebendigkeit spüren, vielleicht auch im Ärger, auch im Widerstand gegen ne Situation, die ihnen zu schaffen macht und dann Vertrauen finden, es gibt da vielleicht einen Weg, dann ist es so ein bisschen was wie ne Ostererfahrung.
Was hilft, aufzustehen in Krisen und durch Täler zu kommen? Désirée Binder setzt darauf: tiefe menschliche Begegnungen wirken heilsam. Darum: bitte pflegen.
Ich glaube, wir müssen in Zeiten, in denen wir nicht im Tief sind, anfangen, uns einfach zu gönnen, ein Stück Leben zu teilen. Das kann helfen, in Situationen, in denen wir wirklich jemanden brauchen, darauf zurückzugreifen und zu sagen, da war doch mal jemand.
Die Erfahrung, ich bin nicht allein, die macht jede Situation weniger ausweglos.
Das geht auch per Telefon: Wenn Seelen sich einander öffnen und heilsam zusammen schwingen. Manchmal wird dabei auch klar, es ist jetzt dran, was aufzugeben. Sie nennt das ‚heilsam kapitulieren.‘ - Wenn ich endlich aufgeben kann, einen vertrauten Irrweg immer zu wiederholen. Dann kann Neues wachsen.
Es ist immer schön, wenn jemand sich einladen lässt, das Selbstbild mal upzudaten, zu sagen, ‚eigentlich bin ich da schon ein paar Schritte weiter, ich hab es nur noch nicht gemerkt.‘
Für Désirée Binder durchzieht Ostern das ganze Leben. Dabei ist manchmal auch ein „unbekannter“ Dritter im Spiel.
Désirée Binder mag Ostern. Erstaunlich. Hat sie doch schon früh wichtige Menschen verloren. Mutter, Großeltern. Das hat ihr Leben tief erschüttert. Und doch dieses Vertrauen in sie gelegt: Am Ende ist Licht. Anderen geht das ähnlich.
Ein Freund von uns, der hat es beim Verlust seiner Frau mal so ausgedrückt. ‚Ich bin zugrunde gegangen. Und an den Grund gekommen, der mein Leben trägt.‘
Den er Gott nennt. Und es war so, dass ich diesen Urgrund auch gespürt hab. Jetzt könnte passieren, was will, mich würde nichts mehr so tief erschüttern.
Dazu passt eine ihrer Lieblingsostergeschichten aus der Bibel: von zwei Freunden Jesu. Nach seinem Tod sind sie erschüttert, bodenlos. Sie fliehen aus Jerusalem. Auf einmal geht einer mit ihnen: ein „unerkannter“ Bekannter.
Sie erkennen ihn nicht. Und das Großartigste ist, dass sie ihn erkennen, als er mit ihnen isst. Das gemeinsame Essen. Das Brot teilen. An diesem Vorgang erkennen sie ihn.
Schon in der Bibel wird also erzählt: G_TT ist nicht einfach unübersehbar da. Man kann G_TT nicht ‚haben‘. G_TT erscheint eher für Menschen und dann können Gebeugte aufstehen. Désirée Binder glaubt an G_TT als ein großes Du.
Wenn ich dieses große Du anspreche. Dass das nicht ohne Resonanz bleibt. Dass es irgendwas gibt, was mich nicht als die gleiche zurücklässt. Ich ahne mehr, als ich weiß.
Das genügt. Dass man Gott nicht sicher weiß, sondern glaubt und hofft, ist kein Mangel. Es gibt „Sachen“ mit Geheimnis: Wie den Tod.
Aber ich finde, sie hat da eine schöne Hoffnung.
Ich habe so das Bild, dass Christus den Weg vorausgegangen ist und an dem anderen Ufer sozusagen wartet. Und dann die Hand, die ich loslasse, ablöst und mir ne Hand gibt und mich rüber holt.
Ich glaube, hoffen macht frei. Heute z.B., wenn man schön feiert. Für Désirée Binder gehört dazu: Die Auferstehungsfeier morgens um sechs.
Einander zurufen: ‚Christus ist auferstanden‘. Ein Osterfrühstück. Und was für uns unbedingt dazu gehört, ist, dann rauszugehen, uns Ostergeschichten zu erzählen, zu lachen.
Vielleicht überrascht es Sie, aber als sie das gesagt hat, hab ich an Alexej Nawalny gedacht. Wie er vor seinen Richtern steht, aufrecht, mit Humor. Trotzt der Gewalt und irgendwie auch dem Tod. Désirée Binder bestätigt, Ostern ist auch politisch existentiell.
Uneingeschränkt Partei ergreifen für die Menschenwürde und das Lebensrecht aller Beteiligten. Und ich hoffe, dass Gott nen Weg für uns hat.
Und so kleine Osterzeichen sind für mich wirklich so Friedensinitiativen.
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Cheyenne Dziurczik aus Mainz, ehrenamtliche Hospizbegleiterin.
Mitten im Gespräch mit Cheyenne Dziurczik ist mir dieser Satz eingefallen: „Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.“ Stimmt, sie hat auch was von nem Engel: geerdet, himmlisches Lachen, Lebensfreude und Hingabe zu Menschen.
Beim ambulanten Hospizdienst in Mainz engagiert sich Cheyenne Dziurczik ehrenamtlich, schenkt ihre Zeit. Z.B. einem noch gar nicht so alten Mann.
Er ist jetzt 65. Leider an Krebs erkrankt. Wir halten telefonisch regelmäßig Kontakt und ja, trinken auch des Öfteren mal einen gemeinsamen Tee zusammen.
Sie ist noch keine 30 Jahre alt. Trotzdem macht sie das und sie würde auch ins stationäre Hospiz mitgehen, wo Sterbende in den letzten Wochen begleitet werden. Leben solle auch dort spürbar sein.
In meinen Begleitungen geht es ganz, ganz viel um das Leben, gar nicht mal extrem viel um den Tod oder das Sterben an sich. Das ist natürlich auch Thema. Ich denke, das ist auch für die Verarbeitung sehr wichtig, dass man auch auf die lustigen und schönen Dinge im Leben zurückblicken kann. Es wird schon sehr viel gelacht.
Und lacht dabei. Das Leben soll immer wieder blühen. -
Damit man als Ehrenamtliche reflektiert begleiten kann, durchläuft man bei der Mainzer Hospizgesellschaft einen Grund- und Aufbaukurs. Weit über 100 Stunden.
Wie gehe ich mit den Sterbenden um, wie ist die Kommunikation, aber auch, warum entscheide ich mich dafür, ehrenamtlich in diesem Bereich tätig zu sein? Wo sind meine eigenen Grenzen?
Ihr erster Freund ist ums Leben gekommen, da war sie 15. Das war traumatisch. Aber nicht traumatisierend. Cheyenne engagiert sich auch, weil sie menschlich wachsen will, und aus Neugierde.
Was passiert noch mal am Lebensende und was sind auch noch mal Ziele oder Gedanken von den Menschen.
Dadurch, dass ich da sehr, sehr viel mit mir selbst dann auch irgendwie erarbeitet habe, war das dann so der Weg.
Sie will begleiten, Angehörige entlasten, und auch mal ein bisschen ablenken. Die Krankheit soll nicht alles beherrschen.
Ja, die Krankheit, das ist einfach Scheiße. Da steht die Welt erstmal komplett auf dem Kopf. Aber es gibt eben auch am Lebensende noch schöne Seiten. Das zu zeigen, mitzugeben. Das ist viel mehr die Intention dahinter als den Leuten zu helfen, weil das kann ich nicht.
Sie gibt Zeit und Lebensfreude, damit auch diese Phase des Lebens, ja, „gefeiert“ wird. Das Leben geehrt. Aber dann muss ich sie doch auch fragen: Kriegt sie auch was zurück? Ja, sagt sie, viel Dankbarkeit.
Und noch mal ein anderes Lebensgefühl. Weil man einfach noch mal geerdeter wird: Diese kleinen Alltagssituationen, über die man sich banal aufregt, die sind nach den Begleitungen verpufft. Das Leben ist eigentlich so schön. Man kann dankbar sein für das, was man hat.
Ich bin sicher: Cheyenne Dziurczik tut Menschen gut. Wenn sie mit Schmerzen zu ihr, als Physiotherapeutin, kommen. Demnächst wird sie andere dazu auch ausbilden. Mit noch nicht mal 30.
Und auch ehrenamtlich tut sie gut: begleitet Sterbende ambulant über die Mainzer Hospizgesellschaft. Kraft dafür geben ihr die Supervision dort und sie hat Rückhalt im Netzwerk ihrer großen Familie. Das trägt. Vor 50 Jahren sind ihre Großeltern aus Polen gekommen.
Kraft nehme ich tatsächlich viel aus meinem familiären Umfeld, aber auch der Rollendefinition.
Ich fühle als Cheyenne sehr mit, hab am Sterbebett auch geweint. Aber ich trauere danach auch nicht weiter. Es ist dann ein Abschluss, den man finden muss, dann hat man eben auch wieder Energie für was Neues.
Vermutlich kann man sich auf neue Begegnungen nicht ganz einlassen, wenn man nicht Abschied nehmen konnte. Und dazu spielt auch der Kopf eine wichtige Rolle: Welchen Sinn sieht man für die, die uns vorausgehen.
Tatsächlich ist es so für mich, dass alle irgendwie in den Himmel kommen. Für mich gibt es keine Hölle. Und ab und zu hab ich auch den Eindruck, dass in verschiedenen Situationen dann wirklich auch kleine Schutzengel draus werden. Und man so Situationen als Angehöriger auch ein Stück weit besser verkraften kann.
Diese umfassend lebensbejahende Einstellung hilft wohl, dass sie ihrem Anspruch gerecht werden kann: Ganz da zu sein für Angehörige und Gehende. Sie will dem gerecht werden, dass auch das Lebensende individuell ist und das auch mit ermöglichen.
So sein, wie man ist. Ohne irgendwie die Menschen versuchen wollen, in eine Richtung zu lenken. Alles fühlen zu lassen, was irgendwie an Emotionen aufkommt, es ist alles erlaubt. Dass keiner wirklich alleine ist, da sein und zuhören.
Sie erlebt, dass sie dabei auch selbst sehr viel bekommt. Sie hatte Sorge, gibt sie zu, als sie zum ersten Mal im Hospiz dabei war in der letzten Stunde. Aber es muss gut gewesen sein.
Weil das ein unheimlich friedlicher Moment war. Da habe ich das erste Mal so die Ehrfurcht gespürt und ganz tiefe Dankbarkeit. Dass ich einfach diesen Moment miterleben durfte.
Zum Abschluss gibt mir Cheyenne Dziurczik noch etwas ganz Praktisches mit. Klingt beinahe wie eine Kleinigkeit. Aber vielleicht ist es in Wahrheit doch auch fundamental, wie es uns gelingen kann, einander menschlich loszulassen.
Immer sich verabschieden. Wenn es nur gerade mal eine Kaffeetasse oder, ja, mal ein Toilettengang ist, sollte man sich vorher verabschieden.
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SWR1 Begegnungen

Wolf-Dieter Steinmann trifft Pfarrerin Heike Reisner-Baral
Auf dem Weg zu Heike Reisner-Baral nach Pforzheim ist mir klar geworden. Ich mag den Advent. Weil ich einfach nicht aufhören kann, mir die Welt heller zu wünschen. Ich kann verstehen, wenn Sie das nicht mehr können. Aber mir geht es wie Heike Reisner-Baral. Bei ihr steht der Advent auf der Beliebtheitsskala zwischen 0 und 10 weit oben.
Im Laufe meines Lebens ist die Skala gewachsen und ich bin bei 8 gelandet. Ich liebe den Advent und ich kann es dann, wenn November wird, kaum erwarten, dass es beginnt und losgeht.
Manches daran kann auch nerven. Es ist ihr manchmal zu viel Halligalli. Und wie viele hat sie - als Pfarrerin - ja auch Stress. Trotzdem engagiert sie sich für ihr „Advent anders“. Sonntagnachmittags ist in der Pforzheimer Schlosskirche Zeit zum Aufatmen.
Wir liegen in der unmittelbaren Nähe zum Mittelaltermarkt und zum Weihnachtsmarkt. Wir haben also auch fußläufiges Publikum und wir legen Wert darauf, dass wir immer besondere Musik haben, Folkmusik, wir haben Jazz, wir haben Gospel und es gibt dazu kurze Impulse. Es gibt 2 Gebete, das Vaterunser und den Segen.
Und die Kirche ist voll. Ich habe auch dieses Bedürfnis nach Segen. Das Leben und die Welt kosten Kraft. Ich glaube, viele spüren das. Heike Reisner-Baral auch.
Ich hab den Eindruck, dass wie so ne Glocke über diesem Advent schwebt. Ja auch ne Traurigkeit. Aber ich spür auch, dass die Menschen und auch ich selber viel sehnsüchtiger auf das warten, was da kommen wird. Und dieser Bibelspruch: ‚Das Volk, das im Dunkeln wandert, sieht ein helles Licht.‘
Ich merk, es fasst mich an, aber nicht nur mich, sondern auch die Menschen sehnen sich und möchten auch Hoffnungsworte mit nach Hause nehmen.
Es hat wohl auch mit dem Älterwerden zu tun. Mehr Lebensjahre bringen auch mehr Risse und Brüche. Mit 50 60 kann man mehr Advent gut brauchen.
Dass viele Schicksalsschläge auch da sind: Also Freunde, Freundinnen, die sterben, Eltern, die alt werden, Dinge, die sehr viel tiefer gehen. Und da nimmt auch die Sehnsucht zu und ich wünsch mir, dass das wieder ganz wird. Oder dass es irgendwo aufgehoben ist.
Hoffentlich gelingt das bei vielen. Auch beim Singen heute. Sie freut sich auf die Kirche im Farbenrausch. Auf neue und alte Lieder. Die singen sie übrigens via QR-Code vom Handy. Viele suchen das gemeinsame Singen: Da ist auch ein falscher Ton gut aufgehoben und miteinander hofft es sich leichter als allein.
Du guckst in strahlende Augen und Mann und Frau ist glücklich. ‚Oh du fröhliche, es ist ein Ros entsprungen, stille Nacht‘ das ist eine Sprache, die alt ist, aber die sich weitervererbt. Ich mach die Erfahrung, dass die Menschen Wert darauflegen, dass das nicht ausstirbt und dass sie in dieser Sprache alles ausdrücken können.
Heike Reisner-Baral liebt es aber nicht nur klassisch. Es gibt ja auch neue Weihnachtslieder. Sogar gute. Früher war Advent nicht so ihrs. Inzwischen kann Heike Reisner-Baral ihn kaum noch erwarten. In ‚ihrer‘ Schlosskirche in Pforzheim – da ist sie Pfarrerin – ist jeden Sonntag „Advent anders“. Heute: großes Singen.
Sie hat zwei Lieblingslieder. Das eine 400 Jahre alt, das andere 50. Verrückt, dass beide so viel gemeinsam haben. Stehen auf gegen Elend und für Frieden.
„Oh Heiland reiß die Himmel auf“, das schreit förmlich, dass endlich was passiert auf dieser Erde. ‚Wo bleibst du Trost der ganzen Welt?‘ Ich mag das, dieses Jahr viel mehr noch als sonst.
Und das andere Lied, das ist Happy Christmas. (flüstert). Also ‚Happy Christmas‘ von John Lennon. Das ging eigentlich als Antikriegslied gegen den Vietnamkrieg. Ich krieg jedes Mal Gänsehaut, feuchte Augen. Ich krieg gleichzeitig gute Laune, ich könnte tanzen, weinen, singen, alles in einem. Und da wird Weihnachten.
Kenn ich. Aber hat Weihnachten nicht auch was Komisches? Dieses ‚alle Jahre wieder‘. Als ich jung war, haben mich diese Rituale aufgeregt. Heute suche ich das Verlässliche, weil sich eh alles ändert. Sie ist auch froh für ‚immer-wieder-Dinge‘: Herrnhuter Stern, Krippe, Plätzchen. Die backt ihr Mann.
Er backt nicht nur, das ist schon ein Festival des Backens. Er in der Küche steht und ich irgendwo am Laptop sitz und der Duft durch die Wohnung zieht.
Und dann „der Baum“: Noch so ein „alle Jahre wieder Ding“ bei vielen. Auch das ist bei Reisner-Barals sein Job.
Dann zieht er los mit dem Herz in der Hand, weil er gespannt ist auf das Urteil seiner Frau, ob er einen schönen Baum ausgesucht hat und ich glaube, das ist auch ein Ritual, dass es ein schöner Baum sein muss.
Im Zweifel kann man ihn auch schönreden. Wäre das dann Lüge? Ne. Vielleicht ist das auch Weihnachten: Dass wir uns selbst und unserer Welt Schönes zutrauen. Mehr Güte, Frieden.
Ja, ich weiß, Weihnachten kann auch weh tun. Man spürt, was fehlt. Heike Reisner-Baral findet trotzdem wichtig, dass Weihnachten sichtbar bleibt. Auch in ihrer Stadt. Muslime feiern, Atheisten.
Jeder macht was, jeder nimmt was mit. Und jeder gibt irgendwo auch was zurück. Und ich find es wichtig, dass das stattfindet und sichtbar stattfindet in einer Stadtgesellschaft.
Sie kann den Sinn des Festes in zwei Messages packen. Eine: „Weihnachten ist der Beginn einer wunderbaren Liebesgeschichte zwischen Gott und Mensch.“ Die zweite:
Was von vielen so unterschwellig beklagt wird, dass Menschsein verloren geht, diese Menschlichkeit und da find ich sehr schön: ‚Mach es wie Gott und werde Mensch.‘
Damit wir uns auch in der Woche bis Heiligabend als Mensch spüren können, rät sie: ‚Auszeiten schaffen.‘
Ich gehe jedes Jahr kurz vor Heiligabend zum Friseur. Und dann bin ich total im Glück, weil ich eine Atempause habe. Nehmt euch tatsächlich Zeit, auch wenn ihr innerlich aufjault: ‚das geht überhaupt nicht‘, tut‘s.
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Landesbischöfin Dr. Heike Springhart zu Erntedank. Ernte und Dank sind ganz „weite Felder“, für sie. Und bringen zum Denken und Handeln.
Ernte: danken und handeln
Ernte-Dank. Wird heute in vielen Gemeinden gefeiert. Im Gespräch mit der badischen Landesbischöfin Heike Springhart spür ich, was da alles drin steckt in „Ernte und Dank“. Ernte auf dem Feld oder Weinlese erlebt sie wie die meisten von uns nicht unmittelbar. Aber sie war dieses Jahr zu Fuß unterwegs auf dem Land. Hat Menschen zugehört, was sie bewegt.
Da waren etliche Landwirte dabei, die konnten zum Teil auch nur zeitweise dabei sein, weil sie gerade in der Ernte waren. Das hat mich schon beeindruckt, vor allen Dingen eine Familie, wo die - vielleicht war die 16 - Tochter dann auch dabei war und erzählte, dass sie natürlich auch dann in die Landwirtschaft geht und warum sie das faszinierend findet.
Ich arbeite nicht mehr auf dem Feld für die Ernte, ich kaufe Lebensmittel. Für Menschen in der Stadt nimmt Erntedank Umwege. Zb. wenn im Gottesdienst Kita-Kinder Lebensmittel zum Altar bringen.
Im großstädtischen Bereich finde ich gut, wenn eher der Fokus darauf ist: die Lebensmittel, die wir haben, sind nicht selbstverständlich und das dann eine Gelegenheit ist, Spenden zusammenzutragen, die dann wiederum weitergegeben werden an Menschen, die es brauchen.
Gut, wenn „Ernte“ dankbar macht. Wie Heike Springhart bei einer Hochzeit. Sie hat gefeiert mit Menschen aus der akademischen Welt. Das war ihre, bevor sie Bischöfin wurde. Da wuchsen keine Früchte auf dem Feld, aber so was wie Ernte hat sie auch empfunden.
Da war ich einfach nochmal sehr dankbar dafür, was ich da an Früchten ernten konnte. Ja, und zu sagen, Die sind jetzt in meinem Korb und mit dem Korb gehe ich jetzt weiter. Also ich habe das Gefühl, dass ich lange Jahre in meinem Leben gesät und gehegt und gepflegt und gezogen hab und gegossen und so das Gefühl an manchen Stellen ist jetzt auch Ernte. Das sind so Momente, die mich wirklich auch einfach tief dankbar machen, weil sie berühren, mich erheben und uns zusammenschweißen.
Ernte. Dank. Was für ein weites Feld tut sich da auf: Eigentlich alles, wovon wir leben. Heike Springhart macht mir klar. Ernte-Dank: da geht es ums Ganze. Und wie man sich in die Welt einlebt. In die Schöpfung.
Wir sind in einer Welt, die Schöpfung ist, zu der wir auch gehören. Die Schöpfung ist nicht nur das andere. Dafür dankbar zu sein, dass uns das geschenkt ist und gleichzeitig damit zu verbinden: lass uns bewusst machen, wir haben dafür auch eine Verantwortung.
Im Wort „Schöpfung“ da steckt beides drin: Die Welt ist Umwelt und Mitwelt. Ich bin ein Teil davon. Und ich bin auch verantwortlich dafür. Weil wir Menschen so viel Macht darüber haben.
Heike Springhart spürt „Schöpfung“ besonders zB. am Meer: sie, umgeben von Wind, Wellen, weitem Himmel. Oder auch:
Wenn ich so die Fülle des Lebens spür. Wo man einfach lebt oder feiert, aus sich selber raus und mit anderen und nicht sich die Welt erdenkt und sie behandelt und bespricht, sondern sie unmittelbar erlebt.
Erntedank bedeutet für Heike Springhart auch für die Schöpfung sorgen. Ohne sie retten zu wollen. Heike Springhart mag den Tag heute: „Ernte-Dank“. Und die badische Landesbischöfin dankt ganz weit. Für die Schöpfung. Weil das Gute nicht selbstverständlich ist. Und vieles ist auch nicht gut, was Menschen der Schöpfung zumuten. Und die Natur den Menschen. Was haben wir dieses Jahr nicht schon für Bilder gesehen. Ich mag oft nicht mehr hingucken. Heike Springhart weiß, Bilder können fatalistisch machen. Ihr ist wichtig, wie man da positiv sein kann.
Diese Schreckensszenarien vor Augen halten, das motiviert nicht. Ich bin sehr geprägt davon, dass mein Vater uns immer weitergegeben hat. Ihr müsst positiv denken, danach fragen, was kann daraus Positives werden. Wenn ich eine positive Motivation habe, dann kann ich auch sehr radikale Änderungen angehen.
‚Radikal‘, ja. Ich merk bei mir, beim Sorgenmachen um die Schöpfung, da bin ich radikal. Nicht so radikal bin ich, mein Verhalten zu verändern. Man guckt auf die anderen und denkt: ‚Was nützt mein Mini-Beitrag, wenn andere Länder scheinbar weitermachen wie immer.‘ Aus christlicher Sicht ist es ihr darum ganz wichtig, zwei Dinge zusammenzuhalten.
Dass wir nicht die Retter der Welt sind und auch nicht sein müssen. Ich kann als Christin auch nicht davon ausgehen, dass diese Welt zerstört wird. Weil uns zugesagt ist, dass Gott sie erhält als der Schöpfer dieser Welt.
Das heißt aber für mich jetzt nicht, die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen, dann ist auch grade egal.
Und das ist, glaube ich, ein bisschen die Gefahr, dass manche irgendwie zu sagen, Na ja. Also wieviel ändert sich denn wirklich, wenn ich jetzt was ändere?
Sie ist überzeugt: gegen solche Erschöpfung hilft kein „Du musst“. Und auch nicht Menschen zu beschämen, zB. wenn sie fliegen. Sie setzt darauf: wir können grundlegend verantwortlich handeln. Aber sollten nicht meinen, wir könnten unseres Glückes Schmied sein und Weltretter. Sie setzt auf Dankbarkeit.
Wir verdanken uns dem Schöpfungshandeln Gottes. Aber wir verdanken uns eben auch den anderen, die, die vor uns waren, uns Wege geebnet haben, die uns hier und heute helfen, nicht zu verzweifeln; Freunde, Familie. Kirchengemeinden können so Orte geteilter Dankbarkeit sein. Es ist ein bisschen gegen diese Krisenstimmung, die im Moment sehr prägend ist. Dankbarkeit führt eigentlich auch zu einer Haltung von Demut.
Ich wünsche mir das für unsere Welt und unsere Gesellschaft und auch für unsere Kirche, dass wir den Blick nicht verlieren für das, was gelingt. Was Menschen miteinander teilen und welchen Mut sie haben, sich einander und Gott zu öffnen.
Heike Springhart hofft, dass wir so die Probleme gründlich anpacken, sozial- und klimagerecht. Ohne Hass und Verzweiflung. Der Hoffnung traut sie enorm viel zu. Dass sie Schwungkraft gibt. Und was frischt ihre Hoffnung auf?
Diese Welt, wie sie ist, ist nicht das letzte, Wir sind nicht die letzte Generation. Uns ist das Reich Gottes verheißen. Und das kommt noch.
Mich lässt auch hoffen, dass ich nicht alles erledigen muss, sondern ich habe hier eine bestimmte Zeitspanne.
Was mir ganz konkret Hoffnung vermittelt, ist, wenn andere mir die Fensterchen dafür aufmachen, wo ich sie nicht habe.
SWR1 Begegnungen

Wolf-Dieter Steinmann trifft Sabine Goetz, Sängerin und Gesangspädagogin in Mannheim.
Stimme haben, mögen und üben
Sie hat was, was fast alle haben: Stimme. Eine schöne, finde ich. Aber sie hat vielen von uns etwas voraus. Viele fremdeln mit der eigenen Stimme. Sabine Goetz mag ihre. Vielleicht, weil sie sie nicht mehr bewertet. Sie arbeitet mit ihr. Als Sängerin ist die Stimme Instrument und Werkzeug.
Wenn ich mich gut fühle in meinem Körper, genug Luft habe, die Stimme gut anspricht und nicht äääh oder so was macht, dann bin ich oK. mit meiner Stimme. Und wenn ich das mal nicht bin, dann habe ich gelernt, das zu akzeptieren als Momentaufnahme, die sich wieder zum Besseren hin verändern lässt, entweder durch Abwarten, Gesundwerden oder durch Üben.
Klingt fast wie bei Sportlern. Und so meint sie es auch. Ohne Übung springt man vielleicht 3, 4 Meter weit. Was möglich ist, entdeckt man, wenn man trainiert.
Die Stimme, die ihr habt, ist nicht so wie sie ist. Und wenn ihr die nicht mögt, so wie sie ist, dann verändert was daran, weil das ist ziemlich gut und ziemlich schnell machbar.
Und dann lässt sie mich teilhaben an ihrem Stimmaufwärmprogramm. Eine Minute von so etwas reicht.
mmmmm (singt)
Sabine Goetz macht klar: Sie ist nicht als Sängerin vom Himmel gefallen. Die Möglichkeiten ihrer Stimme und die Liebe zu ihr sind gewachsen. Übers Chorsingen an der Schule in Bingen. Dann hat ihre Lehrerin sie ermutigt zum Solo-Vorsingen.
Da hat zum ersten Mal jemand für mich Klavier gespielt und nur meine Stimme mit dieser Klavierbegleitung waren in diesem Raum. Das war ne wunderbare Erfahrung und ich hatte auch keine Angst.
Ich verstehe sie so: Auch wenn man nicht zum großen Sprechen oder Singen begabt ist. Die Stimme entdecken als Ausdruckswerkzeug, ihr mehr zutrauen. Das sollten wir. Eine Idee von ihr dahin: per Selfie-Video am Morgen die Stimme begrüßen.
‘Guten Morgen, wie war denn die Nacht. Naja geht so. Ich bin eigentlich noch total müde und fühlt sich noch kratzig an.‘ Einfach machen und am nächsten Tag aber wieder machen und nochmal machen. Und dann auch noch mal anhören: ‚aha, die Stimme ist im Wandel.‘
Immer wieder dieses Zusammenspiel üben: Aus Stimmbändern, Kehle, Zunge und so vielem mehr. Und wie verschieden man klingen kann.
Was hat das mit der Atmung zu ,tun, was hat das mit der Körperhaltung zu tun? Wie betrachte ich Sprache? Am Anfang von ‚Sonne‘ steht ein stimmhaftes „S“. Diesen kleinen Konsonanten mal auszukosten und sich dem zu widmen: ‚Sonne, Sahne, süß‘.
Ja, denke ich, singen wie sie, ist nur wenigen gegeben. Aber es ist ein Segen, dass wir Mensch werden können, wenn wir Gaben entwickeln, auch die Stimme.
Ich denke, der Mensch kommt beschenkt auf die Welt. Ob man das Gottesgeschenk nennt oder Schicksalsgeschenk. Es ist auf jeden Fall ein Geschenk.
Sabine Goetz ist Sängerin. Besonders Mozart liebt sie. Und sie überrascht mich: Ich hätte gedacht, das Schönste sei, singen vor vielen Menschen. Ja, sagt sie, das ist auch ein unfassbar starker Antrieb. Und es war schrecklich in der Pandemie, das nicht zu dürfen. Noch erfüllender als öffentlich zu singen, ist für Sabine Goetz das gemeinsame Singen.
Ich würde aber sagen, dass für mich das halb öffentliche Singen noch kostbarer ist, nämlich Probenarbeit. Die anderen sind schon bei mir, die Kollegen, das Orchester. Wir unterbrechen auch, wenn wir was noch schöner machen wollen.
‚Diva sein‘, ne, ich glaube, das braucht sie nicht. Dazu passt auch, wie sie damit umgeht, wenn sie mit einem Auftritt unzufrieden ist.
Und es ist auch wieder so eine pragmatische Haltung, die ich entwickelt habe. Es hilft mir ja nichts, wenn ich’s schlecht finde. Es wird ja davon nicht besser.
So klug: Unperfektes akzeptieren und neu üben, schafft Perspektive. - Sabine Goetz singt besonders gern Mozart. ZB. das ‚Er ist Mensch geworden‘ aus der großen c-Moll Messe.
Man muss viel Kraft haben – das Orchester ist nicht so klein – aber auch sehr feine Töne singen können. in der Vorbereitung auf eine Aufführung mit diesem Stück, da wächst die Stimme auch jedes Mal ein bisschen über sich hinaus.
Auch inhaltlich bedeutet ihr die Arie viel: Da wird Jesus gelobt und Maria. Das verbindet sie mit ihrer Oma. Die war gut katholisch und aufrecht. Trotz ihres harten Lebens in der Landwirtschaft.
Ich habe dieses Marienverständnis grade unter den Frauen als was Positives kennengelernt: ‚Die Maria das ist eine von uns. Die hat für dieses Kinde gesorgt. Naja, sie hat sich dem Willen Gottes unterworfen. Hat gesagt: ‚Mir geschehe, wie Du gesagt.‘ Maria ist ne interessante Figur.
Sie freut sich, wenn sie das mal wieder singen darf. Und ist dankbar, dass Corona ihr etwas ganz neu stark gemacht hat: Die Sehnsucht zum gemeinsamen Singen.
Zu viert, zu dritt, zu hundert, egal. Ich bin dann auch auf ne Chormesse gefahren. Obwohl, ich bin ja keine Chorleiterin. Aber ich bin inzwischen zu einer geworden. Weil ich gemerkt habe, dass die Chormusik und das Vokalensemblesingen so ein zentrales Bedürfnis in mir nähren und befriedigen. Ich biete jetzt Stimmbildung im Vokalensemble an. Das hat mir die Pandemie eigentlich gebracht und geschenkt.
Und an diesem Guten will sie uns teilhaben lassen: ‚Entdecke, dass Du eine Stimme hast. Mach es zu Deinem Projekt. Such Möglichkeiten, zu singen.‘
Und wenn das Glücksgefühl nicht sofort kommt?
Haben Sie Geduld. Gehen Sie nicht nur in eine Chorprobe. Und wenn da die Nachbarin doof ist, hören sie nicht auf zu singen. Machen Sie es immer wieder.
Eins muss ich von Sabine Goetz noch wissen: Gibt es Popsongs, bei denen sie gern mit auftreten würde? Ja, mit Freddie Mercury, wenn das noch ginge. Oder:
Mit John Miles würde ich singen: ‚music was my first love.‘ ja. Oder: mit den Weather Girls : ‚it’s raining men‘.
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Sabine Goetz in der c-Moll Messe hören wollen und downloaden
Mehr von und über Sabine Goetz
https://www.sabine-goetz-sopran.de/
Gesangssommerkurs 2023
https://www.sabine-goetz-sopran.de/sommerkurs-l-escala-canta/
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Große Messe in C-Moll KV 427
Live-Mitschnitt vom Sonntag, 7. Mai 2023 aus der Klosterkirche in Weißenau
Konzertchor Oberschwaben, Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben
Sabine Goetz, Sopran
Leitung: Gregor Simon
SWR1 Begegnungen

Wolf-Dieter Steinmann trifft Dr. Klaas Huizing. Romanautor und Professor für evang. Theologie in Würzburg. Das Kreuz, das Symbol des Karfreitags, kann „Positives“ zum Leben lehren.
Karfreitag lehrt Leben
Karfreitag ist nicht mehr, was er mal war. Unsere Eltern haben noch schwarz getragen: Den Tod Christi begangen, der uns Menschen erlösen muss von unserer Sünde. Erlöst gewirkt haben sie eher nicht.
Klaas Huizing will Sünde und Kreuz nicht vergessen. Aber als evangelischer Theologe in die Bibel schauen, mit frischem Blick.
Das Schöne am Protestantismus ist ja immer: wir sind diejenigen, die immer wieder auf die Texte zurückgehen und dann kommt man zum Teil zu ganz anderen Einschätzungen.
In Gott sieht er nicht den, der versöhnt werden muss. Er ist sicher, biblische Texte weisen hin, wie gutes Leben möglich ist, auch angesichts von Tod und Gewalt. Beide verschwinden ja nicht aus der Welt, indem man sie ausblendet. Vielleicht kann man Gewalt unterbrechen.
Und zwar ist mir ganz wichtig die berühmte Stelle, wo Jesus selbst noch sagt:
‚Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.‘ Spannend ist daran, dass für Gewaltverzicht plädiert wird. Also es ist ein Rachestopper.
Rache, Vergeltung halten Gewalt am Kochen. Vergeben kühlt ab. Wie beide wirken, sieht man auch an Jesus. Er ist Opfer von Gewalt geworden, weil er den Machtfrieden gestört hat. Propheten machen leicht aggressiv. Auch heute, wenn sie Veränderung fordern. Hoffentlich führt da Klugheit weiter.
Wir brauchen schon das Prophetische, wo auf Missstände hingewiesen wird. Aber wir brauchen auch das Weisheitliche, um zu sagen: ‚Wie können wir die Menschen mitnehmen und eine Atmosphäre aufbauen, wo es leichtfällt, das zu tun, was nötig ist.
Sich auseinandersetzen und verzeihen. So eine Atmosphäre eröffnet Leben. Aber Klaas Huizing macht klar: Zwischen Menschen kann man verzeihen nicht einfordern. Manche Verletzungen gehen zu tief.
Der Andere, das Opfer, muss dem Täter nicht in jedem Fall verzeihen. Das kann man auch runterbrechen auf so alltägliche Situationen.
Von Gott darf man denken, dass ER vergibt. Und die Bücher der Bibel zeichnen nach, wie Menschen das zunehmend erkannt haben.
Es wird immer klarer - wenn man sich die Biographie Gottes genug angeschaut hat - dass die zentrale Emotion die Liebe ist. Es ist eine Atmosphäre idealer Liebe und in der ist alles möglich.
Gott ist Gewaltstopper schon im Alten Testament. Weise lehrend geht er auf Menschen zu. Sogar für Kain, der seinen Bruder Abel umbringt, hat er zwei Botschaften.
„Ja, er ist ein Mörder, geh mir bitte aus dem Blick, aber Du bist mein Geschöpf. Die Würde bleibt dir erhalten. Dieser Unterschied zwischen Würde und Tat, das ist eine weisheitliche Erfindung.
Und der sagt eben nicht, `alle Menschen sind böse,` sondern der sagt: `Herrsche über die Sünde`. Nein. Man kann was tun, sich entwickeln.
Klaas Huizing liebt Filme, Fussball, Literatur. Auch die der Bibel. Er treibt Theologie als „Lebenslehre für heute“. Das Kreuz z.B. deutet er nicht so, dass Jesus sterben musste als Sühnopfer. Nein, Gott liebt ohne Opfer. Und wir Menschen sind gerade nicht böse an sich. Siehe Kain in der Bibel.
Kain ist an sein Selbstbild gefesselt, kann sich damit auch nicht ändern. Dh. Sünde ist zunächst einmal: ‚Sind wir hinterfragbar oder leben wir - modern gesagt - in bestimmten Echokammern und lassen uns immer unser Selbstbild bestätigen? Dass man sagt: ‚Ja, wir lassen uns nicht hinterfragen: weder von Nachbarn noch von guten Mächten.
Zur Sünde fähig, das bin ich. Wenn ich mich nicht mal von guten Mächten bremsen lasse. Drei Lebenshaltungen können Gewalt bremsen: Gewaltverzicht, Gewaltopfern beistehen und Gewaltprävention.
Wir müssen auch diejenigen sein, die auf die Genese von Gewalt aufmerksam machen. Dort bereits arbeiten. Es wäre ja immer besser, wir kommen nicht in Schuld - und Sündesituationen.
In der Seelsorge z.B. nicht erst verletzten Seelen helfen, sondern präventiv gegen Gewalt wirken. Oder in der Politik? Auch da gibt es im Alten Testament differenzierte Einsichten. Z.B. dass Gewalt in der Regel kein Mittel der Politik sein solle.
Aber selbstverständlich gebe es das Recht zur Verteidigung und auch denjenigen beizutreten, die überfallen werden. Was ich schwierig finde, ist momentan, dass man ab und zu richtig Kriegsbegeisterung hört.
So verstanden, kann Karfreitag Leben lehren. Aber ein Stachel bleibt, dem will Klaas Huizing sich stellen. Der Tod ist gewaltsam an sich.
Gott ist der Geber des Lebens, das meint Lebendigkeit, meint Kreativität, das meint Entwicklungsfähigkeit. Und der Tod, gerade auch wenn er zu einer Unzeit kommt, schreibt dieses Leben fest und dann lässt es sich auch nicht mehr ändern.
Er nimmt uns die Freiheit. Er ist auch kein Gleichmacher: Fast alle Menschen werden vergessen, erinnert nur wenige. Und finden Sie es erträglich, wie ungerecht Lebensmöglichkeiten verteilt sind auf der Welt? Für einen philosphisch denkenden Menschen sind das existentielle Stachel.
Wir brauchen so etwas wie ein großes Gedächtnis, wo wir drin aufgenommen werden dann, und vielleicht auch die Idee einer Lebendigkeit wieder und auch die Idee der ausgleichenden Gerechtigkeit. Das ist mir doch wirklich wichtig. Das ist ein alter Stachel, den wir als Philosophen nicht lösen können.
Und die Frage ist, ob nicht zum Leben dazu gehört, eine positive Rundung.
Wir brauchen eine Erlösung aus der Geschichte.
Ihn bewegt, was Jesus gesagt hat, am Kreuz: „Heute wirst Du mit mir im Paradies sein“. Und so wagt Klaas Huizing, über den Tod hinauszufragen.
Vielleicht gibt es solch ein Phänomen, um zu sagen: ‘ ja, es bleibt der Leib - als spürender Leib - identisch und es gibt so etwas wie Unsterblichkeit.
Lesetipp: Klaas Huizing, Lebenslehre
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37406
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