SWR1 Begegnungen

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01OKT2023
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Landesbischöfin Dr. Heike Springhart zu Erntedank. Ernte und Dank sind ganz „weite Felder“, für sie. Und bringen zum Denken und Handeln.

Ernte: danken und handeln

Ernte-Dank. Wird heute in vielen Gemeinden gefeiert. Im Gespräch mit der badischen Landesbischöfin Heike Springhart spür ich, was da alles drin steckt in „Ernte und Dank“. Ernte auf dem Feld oder Weinlese erlebt sie wie die meisten von uns nicht unmittelbar. Aber sie war dieses Jahr zu Fuß unterwegs auf dem Land. Hat Menschen zugehört, was sie bewegt.

Da waren etliche Landwirte dabei, die konnten zum Teil auch nur zeitweise dabei sein, weil sie gerade in der Ernte waren. Das hat mich schon beeindruckt, vor allen Dingen eine Familie, wo die - vielleicht war die 16 -  Tochter dann auch dabei war und erzählte, dass sie natürlich auch dann in die Landwirtschaft geht und warum sie das faszinierend findet.

Ich arbeite nicht mehr auf dem Feld für die Ernte, ich kaufe Lebensmittel. Für Menschen in der Stadt nimmt Erntedank Umwege. Zb. wenn im Gottesdienst Kita-Kinder Lebensmittel zum Altar bringen.

Im großstädtischen Bereich finde ich gut, wenn eher der Fokus darauf ist: die Lebensmittel, die wir haben, sind nicht selbstverständlich und das dann eine Gelegenheit ist, Spenden zusammenzutragen, die dann wiederum weitergegeben werden an Menschen, die es brauchen.

Gut, wenn „Ernte“ dankbar macht. Wie Heike Springhart bei einer Hochzeit. Sie hat gefeiert mit Menschen aus der akademischen Welt. Das war ihre, bevor sie Bischöfin wurde. Da wuchsen keine Früchte auf dem Feld, aber so was wie Ernte hat sie auch empfunden.

Da war ich einfach nochmal sehr dankbar dafür, was ich da an Früchten ernten konnte. Ja, und zu sagen, Die sind jetzt in meinem Korb und mit dem Korb gehe ich jetzt weiter. Also ich habe das Gefühl, dass ich lange Jahre in meinem Leben gesät und gehegt und gepflegt und gezogen hab und gegossen und so das Gefühl an manchen Stellen ist jetzt auch Ernte. Das sind so Momente, die mich wirklich auch einfach tief dankbar machen, weil sie berühren, mich erheben und uns zusammenschweißen.

Ernte. Dank. Was für ein weites Feld tut sich da auf: Eigentlich alles, wovon wir leben. Heike Springhart macht mir klar. Ernte-Dank: da geht es ums Ganze. Und wie man sich in die Welt einlebt. In die Schöpfung.

Wir sind in einer Welt, die Schöpfung ist, zu der wir auch gehören. Die Schöpfung ist nicht nur das andere. Dafür dankbar zu sein, dass uns das geschenkt ist und gleichzeitig damit zu verbinden: lass uns bewusst machen, wir haben dafür auch eine Verantwortung.

Im Wort „Schöpfung“ da steckt beides drin: Die Welt ist Umwelt und Mitwelt. Ich bin ein Teil davon. Und ich bin auch verantwortlich dafür. Weil wir Menschen so viel Macht darüber haben.
Heike Springhart spürt „Schöpfung“ besonders zB. am Meer: sie, umgeben von Wind, Wellen, weitem Himmel. Oder auch:

Wenn ich so die Fülle des Lebens spür. Wo man einfach lebt oder feiert, aus sich selber raus und mit anderen und nicht sich die Welt erdenkt und sie behandelt und bespricht, sondern sie unmittelbar erlebt.

Erntedank bedeutet für Heike Springhart auch für die Schöpfung sorgen. Ohne sie retten zu wollen. Heike Springhart mag den Tag heute: „Ernte-Dank“. Und die badische Landesbischöfin dankt ganz weit. Für die Schöpfung. Weil das Gute nicht selbstverständlich ist. Und vieles ist auch nicht gut, was Menschen der Schöpfung zumuten. Und die Natur den Menschen. Was haben wir dieses Jahr nicht schon für Bilder gesehen. Ich mag oft nicht mehr hingucken. Heike Springhart weiß, Bilder können fatalistisch machen. Ihr ist wichtig, wie man da positiv sein kann.

Diese Schreckensszenarien vor Augen halten, das motiviert nicht. Ich bin sehr geprägt davon, dass mein Vater uns immer weitergegeben hat. Ihr müsst positiv denken, danach fragen, was kann daraus Positives werden. Wenn ich eine positive Motivation habe, dann kann ich auch sehr radikale Änderungen angehen.

‚Radikal‘, ja. Ich merk bei mir, beim Sorgenmachen um die Schöpfung, da bin ich radikal. Nicht so radikal bin ich, mein Verhalten zu verändern. Man guckt auf die anderen und denkt: ‚Was nützt mein Mini-Beitrag, wenn andere Länder scheinbar weitermachen wie immer.‘ Aus christlicher Sicht ist es ihr darum ganz wichtig, zwei Dinge zusammenzuhalten.

Dass wir nicht die Retter der Welt sind und auch nicht sein müssen. Ich kann als Christin auch nicht davon ausgehen, dass diese Welt zerstört wird. Weil uns zugesagt ist, dass Gott sie erhält als der Schöpfer dieser Welt.
Das heißt aber für mich jetzt nicht, die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen, dann ist auch grade egal.
Und das ist, glaube ich, ein bisschen die Gefahr, dass manche irgendwie zu sagen, Na ja. Also wieviel ändert sich denn wirklich, wenn ich jetzt was ändere?

Sie ist überzeugt: gegen solche Erschöpfung hilft kein „Du musst“. Und auch nicht Menschen zu beschämen, zB. wenn sie fliegen. Sie setzt darauf: wir können grundlegend verantwortlich handeln. Aber sollten nicht meinen, wir könnten unseres Glückes Schmied sein und Weltretter. Sie setzt auf Dankbarkeit.

Wir verdanken uns dem Schöpfungshandeln Gottes. Aber wir verdanken uns eben auch den anderen, die, die vor uns waren, uns Wege geebnet haben, die uns hier und heute helfen, nicht zu verzweifeln; Freunde, Familie. Kirchengemeinden können so Orte geteilter Dankbarkeit sein. Es ist ein bisschen gegen diese Krisenstimmung, die im Moment sehr prägend ist. Dankbarkeit führt eigentlich auch zu einer Haltung von Demut.

Ich wünsche mir das für unsere Welt und unsere Gesellschaft und auch für unsere Kirche, dass wir den Blick nicht verlieren für das, was gelingt. Was Menschen miteinander teilen und welchen Mut sie haben, sich einander und Gott zu öffnen.

Heike Springhart hofft, dass wir so die Probleme gründlich anpacken, sozial- und klimagerecht. Ohne Hass und Verzweiflung. Der Hoffnung traut sie enorm viel zu. Dass sie Schwungkraft gibt. Und was frischt ihre Hoffnung auf?

Diese Welt, wie sie ist, ist nicht das letzte, Wir sind nicht die letzte Generation. Uns ist das Reich Gottes verheißen. Und das kommt noch. 
Mich lässt auch hoffen, dass ich nicht alles erledigen muss, sondern ich habe hier eine bestimmte Zeitspanne.
Was mir ganz konkret Hoffnung vermittelt, ist, wenn andere mir die Fensterchen dafür aufmachen, wo ich sie nicht habe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38516
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