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13JUN2025
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Vor dem Rathaus unserer Stadt steht eine uralte, riesige Linde. Jetzt im Juni duften ihre Blüten. Ich mag diesen besonderen Duft, sauge ihn in mich auf, denn er erinnert mich an mein Elternhaus, vor dem auch ein Lindenbaum wuchs. Gerne bleibe ich darum auch einmal ein paar Minuten stehen, betrachte den Baum und atme den Duft meiner Kindheit ein. - Fest verwurzelt ragt der Baum dem Himmel entgegen, gewiss zwanzig, dreißig Meter dürfte er in die Höhe ragen. Der Stamm ist knorrig, sein Umfang so groß, dass es mindestens drei erwachsene Menschen braucht, die sich an den Händen fassen, um ihn zu umarmen. 200 Jahre erzählt man, sei dieser Baum alt. Unglaublich! Was er mir wohl alles erzählen könnte, was unter seinen Zweigen passiert ist. Von Menschen, die in den Krieg gezogen sind, die sich unter ihm das erste Mal geküsst haben, Initialen in ihn geritzt haben.

Auch der Baum selbst steckt voller Leben! Große und kleine Vögel haben in seinen Zweigen Nester gebaut, Käfer krabbeln auf dem Stamm, manchmal ist der Baum in ein lautes Brummen und Surren der Bienen gehüllt, im Herbst habe ich schon Eichhörnchen durch die Zweige springen sehen - im Sommer spendet er herrlichen Schatten für Groß und Klein.

„Ich träumt in seinem Schatten gar manchen süßen Traum“, heißt es ja auch in dem alten Volkslied „Am Brunnen vor dem Tore“ über einen anderen Lindenbaum. Ich summe das Lied vor mich hin und gönne mir den einen oder anderen Tagtraum.

Schon in der Bibel gilt der Baum als Symbol für das Leben. „Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht.“ (Psalm 1,3) heißt es da. Ich wünsche mir, dass ich so feste Wurzeln wie dieser Baum hätte. Dass mich kein Lebenssturm so schnell umkippt, und ich weiß, wofür mein Herz schlägt. Von seiner Großzügigkeit möchte ich lernen: Mein Leben mit anderen zu teilen, offene Türen für die zu haben, die meine Nähe suchen. Und vielleicht meine Angst vor Veränderungen ablegen, weil immer wieder Neues wächst, auch wenn es erst einmal nicht danach scheint.

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12JUN2025
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Vor Kurzem hat es am Nachmittag bei uns an der Haustür geklingelt. Eigentlich habe ich keinen Besuch erwartet und die Post war auch schon durch. Vor der Tür standen zwei junge Frauen -offensichtlich Gesellinnen auf der Wanderschaft. „Wir suchen für die kommenden zwei Tage eine Herberge. Haben Sie vielleicht eine Idee, wo wir unterkommen könnten?“ Die beiden klangen so unglaublich freundlich, dass ich mich auf einmal selbst sagen hörte: „Klar, ihr könnt gerne bei uns bleiben, kommt rein!“ –  Ein Tee war schnell gekocht und das Sofa bezogen.

Tine und Lilly, so hießen die beiden, waren schon ein paar Monate auf der Walz. Die eine war Schreinerin, die andere Landschaftsgärtnerin - beide kamen aus Norddeutschland. Nach ihrer Lehre wollten sie nicht rein in den Trott eines geregelten Arbeitsalltags, sondern Berufserfahrung sammeln und etwas von der Welt sehen. Mal waren sie in den vergangenen Monaten jeweils allein unterwegs, mal mit anderen Wandergesellen und jetzt eben zu zweit – und das bei Wind und Wetter, Schnee, Regen oder Hitze – alles haben sie schon erlebt.

Noch nicht einmal einen Rucksack haben sie dabei. Ausgestattet allein mit dem klassischen Bündel für ihre Habseligkeiten, Wanderhut und -stock und ihrer robusten Kluft. Die beiden jungen Frauen haben bei uns die ganze Familie beeindruckt. Aus den zwei Tagen wurden vier, und wenn es nach uns gegangen wäre, hätten die beiden ruhig noch länger bleiben können. Denn Tine und Lilly waren herrlich unkompliziert. Wir haben für sie gekocht und sie für uns, im strömenden Regen haben sie fröhlich singend in unserem Garten gewerkelt und danach in warmen Wolldecken von Erlebnissen auf ihrer Wanderschaft erzählt. Drei Jahre sollen es werden. Am Ende wird man von anderen Gesellen, die man kennengelernt hat, nach Hause begleitet. In den vergangenen Monaten haben die beiden so etwas wie ein tiefes Gottvertrauen gesammelt. „Es findet sich immer alles“, meint Lilly, „ein Dach über dem Kopf, eine Schlafgelegenheit und auch Arbeit.“ „Es gibt viele freundliche Menschen; ich glaube, ich habe mit der Zeit einen Blick dafür bekommen, wen ich fragen kann“, sagt Tine.

Wo sie jetzt wohl stecken? Ich hoffe, es geht ihnen und allen anderen Gesellen auf der Walz gut.

Was ich von ihnen mitnehme? Es gibt viele freundliche Menschen, die man einfach einmal um Hilfe bitten kann.

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11JUN2025
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Freitagnachmittag, es ist schon spät, ich will unbedingt den Einkauf vor dem Wochenende noch erledigen. Meine Tochter lässt sich etwas widerwillig überreden, mich zu begleiten. Im Supermarkt sind wir ein eingespieltes Team: Ich schiebe den Einkaufwagen durch die Gänge, sie stapelt rein, was auf unserer Familieneinkaufliste steht, und dann stellen wir uns an einer der Kassen in der Schlange an. Natürlich haben wir uns wieder für die falsche entschieden. Prima, vorne findet wieder jemand seine Karte nicht. Es dauert, bis wir drankommen. Alle sind sichtbar genervt.

Jetzt beginnt der Teil, der mich zunehmend fordert: In Rekordgeschwindigkeit müssen alle Waren auf das Laufband gelegt und auf der anderen Seite der Kasse wieder in den Einkaufwagen einsortiert werden. Bloß niemand aufhalten. Alles hübsch sortieren, damit es flott geht. Fast haben wir es geschafft, da fragt die Verkäuferin plötzlich: „Wo steht eigentlich diese Limonade?“ „O, Mist“, denke ich, „jetzt fehlt auch noch der Preis“ und werde rot, weil sich in der Schlange hinter mir Nervosität ausbreitet. Also frage ich meine Tochter: "Kannst du mal den Preis für die Limo rausfinden? Du bist schneller!“ Aber die Verkäuferin lacht, sagt kurz nein, während sie fleißig weiter unsere Einkäufe scannt „den ganzen Tag ziehe ich diese Limo übers Band und frage mich, wie das Zeugs schmeckt. Steht ja „zum Mixen“ drauf.  „Die schmeckt super!“, sagt auf einmal meine Tochter, „auch ohne Alkohol, das ist ja prima!“

„Wissen Sie was?“, sage ich, und plötzlich sind mir die wartenden Freitagnachmittagsmenschen in der Schlange ganz egal, „ich hole Ihnen jetzt so eine Flasche!“

Am Ende schenken wir der Verkäuferin eine Flasche Limonade. Sie strahlt - und wir strahlen. “Wissen Sie,“ sage ich, „Sie haben mich schon oft bedient und sind immer – auch im größten Stress freundlich. Und jetzt komme ich endlich mal dazu, Ihnen danke zu sagen. 

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10JUN2025
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Bei uns in der Straße hat eine Currywurstbude aufgemacht. Die Jungs, denen sie gehört, haben in die Einrichtung viel Zeit und Liebe investiert. Die Theke, die Tische, die Böden, alles haben sie selbst gebaut und verlegt. Und was soll ich sagen? Auch ihre Currywürste sind echt lecker! Soweit alles gut. Nun kommt’s! In dieser Currywurstbude hängt neben dem Kühlschrank mit den Limos und dem Bier ein kleines Marienbild. „Boah, ist das kitschig!“, war mein erster Gedanke:  Golden gerahmt sitzt Maria mit einer Krone auf einem Wolkenthron. Auf ihrem Schoß sitzt ihr Sohn. Jesus ist noch ein kleiner Junge, trägt aber schon ein eigenes Krönchen. Mutter und Sohn lächeln freundlich. Sie strahlen, ich kann es nicht anders beschreiben, Liebe aus. Und noch etwas fällt mir bei dem Bild auf, das sicher 100 Jahre alt ist: Die beiden haben leuchtende Laternen in der Hand, die sie dem Betrachter entgegenhalten. „Hier, nimm eine!“ scheinen sie mir zuzurufen.

Maria und Jesus in einer Currywurstbude. Vor kurzem habe ich die Besitzer, als es leerer war, gefragt, was es mit diesem Bild eigentlich auf sich hat. „Nun“, hat der junge Mann am Grill gesagt, „das stammt von meiner Oma und hing schon in unserem ersten Laden in Saarbrücken an der Wand. Das Bild gehört einfach zu uns dazu. „Warum?“ „Is‘ so!“

Ich bleibe neugierig, mache mich zu Hause schlau und lerne, dass diese Darstellung von Maria und Jesus, die den Menschen Licht für ihr Leben schenken, vor hundert Jahren ein beliebtes Motiv gewesen ist. Überhaupt hingen Marienbilder in so manchen Wohnungen und auch in Gaststätten. Die Tradition ist verloren gegangen. Schade eigentlich, finde ich, denn

Licht und ein Blick voller Liebe tun mir in diesen Zeiten einfach gut – vor allem, wenn ich damit so gar nicht gerechnet habe wie in der Currywurstbude. In ihr hängen Maria und Jesus mitten im Leben. Da essen mittags Handwerker und Anwälte, da sitzt der Rocker neben der jungen Mutter mit ihrem Kind. Licht und Liebe können sie alle gebrauchen. Und warum sollen sie die nicht in der Currywurstbude finden?

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06JUN2025
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Ich möchte Ihnen ein Motto fürs Wochenende vorstellen. Es heißt: „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst“ Ein großer Kirchenlehrer hat den Satz gesagt und er passt perfekt zu Pfingsten. Das Fest erinnert an eine Geschichte aus der Bibel. Ob das Ganze in echt so passiert ist, für mich ist das Nebensache. Die Hauptsache ist, dass von einer typisch menschlichen Erfahrung erzählt wird. Und die ist zusammengefasst in diesem Satz „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.“

Und so geht sie diese Pfingsterzählung:

Es sind einige Tage vergangen seit Jesus gekreuzigt wurde. Seine Freundinnen und Freunde sitzen in Jerusalem zusammen. Sie sind immer noch fassungslos und fragen sich: „Wie geht es jetzt mit uns weiter?“ Die Freunde reden über die klugen Ratschläge, die Jesus ihnen mitgegeben hat – wie man das halt macht, wenn man sich gemeinsam erinnert. Und als sie so in Erinnerungen schwelgen, merken die Freunde wie es ihnen auf ganz einmalige Weise warm ums Herz wird. Und eine von ihnen findet die richtigen Worte und ruft: „Worauf warten wir? Erzählen wir den Leuten da draußen doch von den Ideen, die Jesus hatte.“ Und plötzlich fühlen sich die Freunde nicht mehr unsicher, sondern sind voller Tatendrang. Sie stürmen nach draußen und treffen auf den Straßen von Jerusalem Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern. Sie sprechen sie an und erzählen ihnen von Jesus. Und da passiert das eigentliche Pfingstwunder: alle verstehen sich, obwohl sie die unterschiedlichsten Sprachen sprechen.

Die christliche Erklärung, warum das funktioniert hat, lautet: Da hat der Heilige Geist geholfen. Damit ist eine besondere Kraft gemeint, die dann zu spüren ist, wenn Leute sich für eine gute Sache zusammentun, wenn Kommunikation klappt und es so nach schweren Zeiten wieder bergauf geht.

Wie auch immer diese Heilige Geist gewirkt hat, am Ende konnten alle ganz einfach erzählen und zuhören. Ohne große Übersetzungen. Jeder hat das, was die Freunde so begeistert erzählt haben, in seiner eigenen Muttersprache gehört. Also in der Sprache, die einem vertraut ist.

Das heißt für mich zweierlei: ich kann das von Gott verstehen, was ich in meiner „Herzenssprache“ höre. Wenn es mich ganz natürlich anspricht. Manchen geht das Herz auf, wenn sie von Gott als Vater hören und andere freuen sich darüber, wenn über Gott als Freundin gesprochen wird. Und es heißt auch: Erst, wenn ich aus dem Herzen, also mit ganz persönlicher Überzeugung spreche, kann das bei den anderen so richtig ankommen.

Eben wie bei meinem Motto fürs Wochenende: „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.“

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05JUN2025
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9,2 Milliarden – das ist eine Zahl mit acht Nullen. Und genau so viel Plastik wurde in den letzten 75 Jahren weltweit produziert. Und das Schlimmste daran: Das meiste davon ist mittlerweile nur noch Müll. Milliarden Tonnen von Plastikmüll.

Logisch, dass man da sofort Gedanken hat wie „Diese ganze Verschmutzung muss aufhören“. Und genau den Gedanken greift der heutige Weltumwelttag auf. Der wird am 5. Juni gefeiert und das Motto in diesem Jahr heißt: „Stoppt Plastikverschmutzung!“ Das diesjährige Gastgeberland Südkorea hat zu besonders vielen Veranstaltungen, rund um das Thema Plastikmüll eingeladen. Doch Aktionen für die Natur gibt es heute auf der ganzen Welt. An über 230 Standorten.

In Nottingham in England zum Beispiel findet eine große Strandputzaktion statt. Da verbinden die Leute das Schöne mit dem Nützlichen. Beim Strandspaziergang sammeln sie den Müll auf, der ihnen beim Gehen auffällt. Auf der griechischen Insel Kreta sind sogenannte „Edle Ritter des Recyclings“ unterwegs, sie klären auf besonders originelle Weise über Umweltschutz auf. Und in Damaskus in Syrien werden heute aus alten Plastikbechern Kunstwerke gezaubert. Dabei dürfen alle mitmachen, vom großen Künstler bis zum kleinsten Kind.

Ich hätte heute am liebsten bei allen drei Aktionen mitgemacht. Das Interesse für Umweltschutz, gehört ja quasi zur Grundausstattung einer jeden Christin mit dazu. Die Bibel sagt ja ganz am Anfang schon folgendes: Gott schenkt den Menschen die Erde, damit sie sich gut um sie kümmern. Und auch Papst Franziskus hat den Umweltschutz stark gemacht. Franziskus hat erklärt: „Die Erde ist unser gemeinsames Haus, das wir pflegen und beschützen müssen.“ Für mich haben die vielen Aktionen heute am Weltumwelttag das nochmal besonders deutlich gemacht. Wie ein großes Netz spannen sich die Veranstaltungen um die ganze Weltkugel und zeigen, dass die Menschheit dann am meisten bewegen kann, wenn alle am selben Strang ziehen. Mir macht das Mut, denn ich merke, dass der Umweltschutz bei mir öfter mal aus dem Blick gerät. Oft genug kaufe ich doch wieder das Gemüse in der Plastikverpackung oder fahre eine Strecke mit dem Auto, die ich locker hätte laufen können.

Der Weltumwelttag gibt mir da einen neuen Motivationsschub, dass auch ich mich für die Erde einsetze. Und das Schöne ist: Ich bin dabei nicht alleine, überall auf der Welt gibt es Menschen, die sich um unsere Schöpfung kümmern.

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04JUN2025
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Meine Eltern und ihr Outdoor-Frühstück! Wie ich sie dafür bewundere. Immer wenn ich fast in meiner Alltagsroutine untergehe, denke ich an die beiden und ihre ganz besondere Frühstückskultur. Wenn die Liste an Aufgaben immer viel zu lang für meinen Tag ist, dann kommen mir meine Eltern in den Sinn, wie sie dagegenhalten. Gegen Stress und Druck. Mit einer ganz wunderbaren Gewohnheit.

Sobald es draußen warm genug ist, verlegen sie ihr Frühstück nämlich so oft es geht nach draußen. Nicht etwa auf den Balkon oder die Terrasse, sondern in die Natur. Der Picknickkorb mit den wichtigsten Utensilien steht immer schon bereit. Dann werden noch schnell zwei Marmeladengläser und eine Kanne Kaffee eingepackt und es kann losgehen. Auf dem Weg ins Grüne kaufen die beiden noch Brötchen und dann heißt es nur noch genießen. Oft sitzen die beiden mit Campingstühlen an einem kleinen See – nur ein paar Kilometer weg von zu Hause – und genießen ihren Morgenkaffee.

Es ist eine kleine Flucht aus dem Alltag, denn danach geht der Tag ganz normal weiter mit Terminen und Aufgaben. Aber für diese Stunde am Morgen, halten die Zahnräder an. Denn in der Natur erinnert nichts an die herumliegende Arbeit. In diesen Momenten wird klar, dass es im Leben um mehr geht als nur Leistung bringen. Wenn ich meine Eltern besuche, genieße ich dieses Draußen-Frühstücken total, ich merke, wie ich da auftanken kann.

Immer wenn ich von meinen Eltern wegfahre, wird mir klar, dass ich so etwas wie dieses Frühstück in der Natur auch gerne für meine eigene Routine hätte. Und eigentlich gibt’s da ja schon was, an das ich anknüpfen kann: den Sonntag. Ein Tag, der so anders ist als die anderen. Die Geschäfte sind geschlossen und auch sonst kann ich keine Termine erledigen. Der Sonntag strahlt eine ganz besondere Stimmung aus. Da wird mir von außen gesagt: „Mach mal Pause!“ Und mir fällt es leicht zu glauben, dass auch Gott genau das zu mir sagt „Nimm dir dein Sonntagsgefühl. Es hilft dir. Und versuche es gerne auch mal an einem anderen Wochentag.“ Ich merke, wie mich dieses Sonntagsgefühl verändert. Dann gehe ich zum Beispiel bewusst eine Runde spazieren und lasse Revue passieren, was in den letzten Tagen war. Ich habe da Zeit für mich und auch für Gott und kann wieder Kraft sammeln. Im besten Fall hält die Erholung ein paar Tage an, bis er bald wieder kommt, der nächste Sonntag. Oder eben das nächste Sonntagsgefühl. Oder wie bei meinen Eltern: das nächste Outdoor-Frühstück.

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03JUN2025
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„So ein Mist, das hätte jetzt echt nicht sein müssen.“ Das ist oft mein erster Gedanke, wenn mir ein Missgeschick passiert, oder wenn ich etwas nicht hingekriegt habe, was mir eigentlich wichtig ist. Wenn ich meinen Kaffeebecher direkt über die wichtigen Briefe verschütte oder wenn ich versprochen habe, mich bei einer Freundin zu melden und es doch nicht eingehalten habe. Dann ist sofort dieser Satz in meinem Kopf: „Das hätte dir nicht passieren dürfen.“

Solche fiesen Sätze zu mir selbst müssen aber nicht sein. Zumindest nicht bei Sachen, die unabsichtlich schiefgelaufen sind. Es hat eine Zeit gegeben da habe ich es geschafft freundlicher zu mir zu sein.

Das war vor ein paar Jahren, als ich regelmäßig beim sogenannten „Stockkampf-Training“ war. „Stockkampf“ klingt erst mal nicht so freundlich. Ich hab mich zum Spaß bei einem Schnupperkurs angemeldet und mich selber gewundert, was das bewirkt hat: Alleine das Aufwärmen! Wir mussten in der Gruppe jedes Mal folgende Übung machen: jeder hatte einen Stock rechts und einen Stock links in der Hand und sollte die Stöcke abwechselnd in die Luft werfen und direkt wieder fangen. Mit 60 Zentimeter langen Stöcken ist das anspruchsvoll. Jetzt kommt der entscheidende Punkt. Immer wenn ein Stock auf den Boden geknallt ist, sollte man kurz innehalten und einen der folgenden Sätze laut sagen: „Juhu, der Stock ist gefallen“, „Ich schenke mir ein Lächeln.“, oder „Ich darf Fehler machen“. Ich weiß, das hört sich seltsam an und in den ersten Übungsstunden hat sich das auch echt unangenehm angefühlt. Aber je öfter ich gehörte habe, wie die Stöcke bei den anderen geknallt sind und sie dann die positiven Sätze durch den Raum gerufen haben, desto sicherer bin ich selbst geworden.

Beim Training sind mir die freundlichen Worte mit jeder Woche mehr über die Lippen gekommen. Und irgendwann war das nicht nur beim Stockkampf so. Ich habe gemerkt, was es für einen Unterschied macht, wenn ich freundlich zu mir selbst bin. Egal in welchem Zusammenhang.

Eigentlich schade, dass ich mit dem Stockkampf längst aufgehört habe. Seitdem bin ich wieder strenger mit mir selbst geworden, eben in Sachen Fehlertoleranz. Also höchste Zeit, dass ich mal kurz anhalte, erstmal was Gutes in den Raum werfe und dann erst weiter mache. Wie damals im Training als die Stöcke mal hier, mal da auf den Boden geknallt sind. Denn ich darf Fehler machen, so wie jeder andere Mensch neben mir auch.

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02JUN2025
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Ich habe in einem Tagebuch von Gott gelesen. Naja, in sowas ähnlichem. Es war ein Buch, in dem Frauen, Männer, Kinder, ihre Gedanken für Gott aufgeschrieben haben. Das klingt jetzt erst mal nicht nach einem klassischen Tagebuch. Denn hier haben ja Menschen etwas für Gott reingeschrieben und nicht Gott selbst was er erlebt hat. Das Buch hat mich aber trotzdem an ein Tagebuch erinnert. Es war ein sogenanntes Fürbittbuch.

Solche Fürbittbücher gibt’s in fast jeder Kirche und alle, die die Kirche besuchen, können sich in diesem Buch verewigen. Ich habs gesehen in der Klosterkirche in Hegne am Bodensee. Es war ein schlichtes DinA4 großes Notizbuch mit schwarzem Einband. Ich habe begonnen darin zu blättern, wobei... ein bisschen gescheut habe ich mich anfangs schon. Da sind ja so viele persönliche Sorgen oder Freuden formuliert. Aber ich hab mich dann doch getraut. Auf jeder Seite bin ich in ein neues Leben eingetaucht. Da war eine Frau, die um Erfolg bei ihren Prüfungen gebeten hat. Jemand anderes hat Gott geschrieben, dass er sich Gesundheit für seine Familie wünscht. Und ein Dritter hofft darauf nach einer schweren Zeit wieder mit seiner Frau glücklich zu werden. Aber es waren nicht nur Bitten, da gab es auch ganz viel Dankbarkeit. Zum Beispiel ein herzliches Danke für das Leben selbst. Und schmunzeln musste ich bei dem Eintrag: „Ach, ich hab einfach kein Glück mit den Männern.“ 

Da stand ich jetzt also vor diesem Fürbittbuch und habe gedacht: „Das könnte doch glatt Gottes Tagebuch sein.“ Da steht ja alles drin, was auf der Seele brennt und sonst nirgends hinkann. Und ich kann mir vorstellen wie Gott seine Botschaften wie in unsichtbaren Buchstaben dazu schreibt.

Zu jedem Eintrag hat er eine kleine geheime Botschaft, so stelle ich es mir vor.

Zwischen der ordentlichen Handschrift der nervösen Schülerin notiert Gott womöglich unsichtbar: „Du wirst das super meistern.“ und neben der graffitimäßigen Zeichnung mit dem Satz „Bitte, bitte mach meinen Opa wieder gesund…“ da kann ich in meiner Fantasie auch eine kleine Notiz von Gott erkennen: „Ich bin da. Egal was passiert.“

Natürlich meine ich das mit der unsichtbaren Handschrift Gottes nur als Bild. Als kleine Hilfe dafür, wie ich mir Gott vorstelle. Es ist Gott nicht egal wie es uns geht. Er nimmt unsere Sorgen ernst.

Am Ende habe ich auch selbst etwas in das Hegner Fürbittbuch hineingeschrieben. In dieses Fürbittbuch, von dem ich mir gut vorstellen kann es ist auch Gottes Tagebuch.

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30MAI2025
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Wie schön! Heute ist ein sogenannter Brückentag, also ein Tag, der so nach einem Feiertag liegt, dass es sich lohnt, Urlaub zu nehmen oder den Kindern einen Ferientag zu schenken.

Eine tolle Sache - solche Brückentage. Und der heute gerade jetzt nach Himmelfahrt hat für mich noch eine weitere Bedeutung.

Brücken sind ja dazu da, zwei Orte miteinander zu verbinden. Wie schwer war es früher, einen Fluss zu überwinden! Oder von einem Ort zum nächsten zu kommen - wenn ein Tal oder eine Schlucht dazwischen liegt. Ohne Brücke scheinen manche Orte unerreichbar weit weg. Obwohl sie es eigentlich gar nicht sind.

Es ist wichtig, Brücken zu bauen und Brücken zu schlagen, nämlich vor allem zwischen Menschen. Denn wir sind alle irgendwie ganz unterschiedlich, wir kommen aus verschiedenen Familien, haben unterschiedliche Wurzeln und Nationalitäten, sprechen mannigfache Sprachen und Dialekte und sind alles andere als gleich. Aber um einander zu verstehen ist es wichtig, Brücken zu bauen, in dem wir andere Sprachen lernen, fremdes Essen probieren und lecker finden, fremde Länder bereisen und Neues entdecken.

Genau das ist an Himmelfahrt passiert. Da wurde eine Brücke zwischen Himmel und Erde geschlagen. Jesus ist aufgefahren in den Himmel, nicht aber ohne eine Verbindung, eine Brücke zwischen uns und ihm herzustellen. Denn er segnet uns Menschen, verspricht uns seine Liebe und Nähe und sagt uns zu, dass er seinen Geist schicken wird. Den Geist, der uns tröstet, aufbaut, stärkt, hilft, begeistert.

Das ist ein wahrer Brückenschlag. Einer geht und geht doch nicht, wechselt die Seite, verlässt die Erde, fährt auf in den Himmel und lässt uns doch nicht alleine.

Himmelfahrt und Brückentag. Das gehört zusammen. Jesus traut uns zu, dass wir Brücken bauen können zwischen uns Menschen, dass wir es schaffen uns miteinander zu verbinden oder schneller zu erreichen. Mit seiner Himmelfahrt verbindet er Himmel und Erde, baut eine Brücke zwischen ihm und uns und Gott, beschenkt uns mit seinem Geist und seinem Vertrauen in uns.

Damit wir die Brücke, die er uns an Himmelfahrt baut, nicht so schnell vergessen, gibt es am nächsten Tag einen sogenannten Brückentag. Und vielleicht brauchen wir einfach mehr solche Brückentage? Tage, an denen wir Zeit und Mut haben, aufeinander zuzugehen und Verbindungen zu schaffen.

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