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„Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten geboren“. Dieser Satz steht in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Artikel eins. Am 10. Dezember 1948 hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Das war eine Sternstunde der Menschheit. Die Nationen und Völker dieser Erde haben miteinander gesagt: Wir sind überzeugt, dass jeder Mensch die gleiche Würde und die gleichen Rechte hat. Frauen und Männer. Kinder und Altgewordene, Kranke und Menschen mit einer Behinderung. Kluge Professoren und Menschen, die nie lesen und schreiben können. Menschen aller Hautfarben, aller sexuellen Orientierungen und aller Religionen.
Wie wunderbar ist diese Erklärung der UNO von 1948. Und ich kann ihr auch als Christ aus vollem Herzen zustimmen. Denn ich glaube an einen Gott und Vater im Himmel, der alle Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen hat. So steht es in der Bibel im Schöpfungsbericht. Jeder Mensch ist von Gott in seiner besonderen Art und Weise gewollt und geschaffen und als Kind Gottes geliebt. Und darum dürfen wir nie die Würde und den Wert eines anderen Menschen antasten, weil wir sonst damit Gott antasten.
Aber ich weiß natürlich auch: In der Realität geht es oft anders zu. Schon 1948 haben nicht alle Nationen der Erklärung der Menschenrechte zugestimmt. Acht Länder haben dagegen votiert. Und wenn ich mich heute umsehe, dann wird die Würde von Menschen in so vielen Ländern missachtet und mit Füßen getreten. Und auch bei uns in Deutschland müssen wir wachsam bleiben und uns auch hier dafür einsetzen, dass Menschen mit Würde und Respekt behandelt werden. Homosexuelle und queere Menschen dürfen nie wieder benachteiligt werden. Kinder nie missbraucht werden. Muslime dürfen nicht angefeindet werden, nur weil Islamisten Anschläge verüben. Und jüdische Mitbürger sollen sich bei uns sicher fühlen. Und Menschen, die aus ihrer Heimat zu uns geflohen sind vor Gewalt und Hunger und Hoffnungslosigkeit sollen keine Angst vor Anfeindungen und Gewalt haben müssen. Ich will wachsam bleiben, denn jeder Mensch hat die gleiche Würde und die gleichen Rechte. Weil jeder ein Geschöpf und Kind Gottes ist. Daran erinnert mich der heutige 10. Dezember.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41140Fußball ist ein Mannschaftssport. Das wissen auch die großen Stars der Bundesliga wie Kane, Musiala oder Wirtz. Und wenn einer von ihnen ein Interview gibt, dann danken sie oft auch ihren Mitspielern. Sie danken dem, der ihnen den entscheidenden Pass zugespielt hat. Oder dem Torhüter, der hinten den Kasten sauber gehalten hat. Und sie wissen: Dass sie ihre Leistung auf den Platz bringen können, dafür sind andere mitverantwortlich: Das Trainerteam, der Zeugwart, der für die Trikots sorgt, die Physiotherapeuten und viele mehr.
Fußball ist ein Mannschaftssport. Nur zusammen kann die Mannschaft erfolgreich sein, und auch nur zusammen können sie mit den Rückschlägen klarkommen und sich gegenseitig trösten und wieder neu motivieren.
Aber so ist das eigentlich nicht nur beim Fußball, sondern das ganze Leben hindurch.
Dass mir in meinem Leben manches gelungen ist und ich mich über Erfolge und viele schöne Momente freuen darf, das hat doch auch damit zu tun, dass da immer Menschen waren, die mich unterstützt haben: Meine Eltern, die mich ins Leben begleitet haben. Meine Lehrer an der Schule und Universität. Meine Kolleginnen und Kollegen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung mit mir geteilt haben. Freunde, zu denen ich gehen konnte, wenn ich einen Rat nötig hatte. Und natürlich meine Familie. Sie alle waren für mich da, haben mich auch in schwierigen Situationen getröstet und mir wieder neuen Mut zugesprochen. Ich bin für alle diese Menschen in meinem Leben sehr dankbar. Ich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin ohne sie.
Übrigens ist auch der Glaube ein Mannschaftsspiel. Es gibt viele Christen, die mir geholfen haben, den Glauben an Gott zu finden und mir gezeigt haben, wie man den Glauben lebt. Ohne sie, die mich auch immer wieder ermutigt und in schweren Zeiten für mich gebetet haben, hätte ich meinen Glauben an Gott wohl längst verloren.
Manchmal denke ich etwas überheblich, es sei doch allein mein Verdienst, was mir in meinem Leben gelungen ist. Aber in Wahrheit stimmt das nicht. So viele Menschen haben mir geholfen bei meinem Leben und meinem Glauben. Heute will ich an sie denken und Gott danke sagen für diese Menschen. Und ganz bestimmt fallen Ihnen mit Blick auf Ihr Leben auch solche wertvollen Menschen ein. Sagen Sie doch auch dafür einfach mal danke.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41139Wenn der Nikolaus kam, hatte ich als Kind ziemlich Angst.
Wie er vor mir und meinem Bruder stand. Furchterregend groß mit seiner Bischofmütze, weißen Rauschebart und seinem Bischofstab in der Hand. Streng sah er aus. Und er war nicht allein. Er hatte einen Helfer. Der machte mir so Angst, dass ich mich hinter den Beinen meiner Mama versteckt habe: Knecht Ruprecht. Mit seinem grauen Strubbelbart, in der einen Hand einen Jutesack und in der anderen die Rute, mit der er drohte, wenn gesagt worden ist, dass ich und mein Bruder nicht immer brav waren. Und das waren wir ganz sicher nicht immer. Geschlagen hat Ruprecht nie, aber gedroht. Das hat gereicht.
Ich habe erst Jahre später kapiert, dass Knecht Ruprecht eigentlich an der Seite von Nikolaus gar nichts verloren hat. Der nur Kindern Angst gemacht hat, damit sie brav sind und der Nikolaus glänzen konnte und Geschenke verteilen. Das Ergebnis bei mir war allerdings, dass ich vor beiden Angst hatte. Ich denke aber, genau das Gegenteil sollte Nikolaus erzählen. Nämlich, dass man durch ihn Zuwendung lernt, nicht Angst.
In den Geschichten von Nikolaus kommt Ruprecht zum Beispiel gar nicht vor. Eine der Bekanntesten erzählt davon, dass ein Vater so arm gewesen ist, dass er keinen anderen Ausweg mehr wusste, als seine drei Töchter in die Prostitution zu schicken. Nikolaus bekommt Wind davon und beschließt ihm zu helfen. Wirft ihnen nachts drei Goldklumpen durchs Fenster und dadurch müssen die Mädchen nicht anschaffen gehen. Und ihr Vater erfährt, dass es in größter Not Menschen gibt, die einem helfen.
Hier gibt es keinen Knecht Ruprecht. Keine Rute und keine Drohungen.
Kein Kind sollte denken: Nur, wenn ich brav bin, bekomme ich etwas vom Nikolaus. Und niemand sollte Angst vor ihm haben. Ganz im Gegenteil: Der Nikolaus ist ein Vorbild der Zuwendung, der Menschen geholfen hat, wenn sie Angst hatten. Und genau darin ist er nicht nur für Kinder da. Wie viele Menschen haben heute Angst vor ihrer Zukunft. Dass sie in Altersarmut geraten könnten oder sie einsam werden könnten. Ganz zu schweigen von den Menschen, die all das heute schon sind. Nikolaus hat sich den Menschen um sich herum zugewendet und ihnen geholfen. Er erinnert mich zum Beispiel daran, dass ich weiß, dass meine Nachbarin alt und überfordert ist. Ich möchte sie endlich wieder mal zum Kaffee einladen und sie fragen, wie ich ihr helfen kann. Denn Zuwendung hilft gegen Not und Angst.
Das hat mir Nikolaus beigebracht.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41121Elviras Sohn geht in einen inklusiven Kindergarten.
Dort sind Kinder mit und ohne Behinderungen zusammen in einer Gruppe. In einer Mischung aus Neugierde und Sorge fragt sie ihren Sohn irgendwann, wie das für ihn so ist. Ob das für ihn nicht irgendwie seltsam ist. Und ob er nicht Mitgefühl mit den Kindern hat, die eine Einschränkung haben und deshalb vielleicht nicht alles mitmachen können. Das Gespräch entwickelt sich anders als sie erwartet hatte, denn ihr Sohn versteht die Frage überhaupt nicht. „Was für Einschränkungen meinst Du, Mama?“
Elvira hat es ja gut gemeint und wollte einfach mit ihrem Sohn darüber reden. Aber es stellt sich heraus, dass ihre Frage eine reine Erwachsenenfrage ist. Ihr Sohn sieht diesen Unterschied gar nicht. Wahrscheinlich ist es für ihn so, dass alle Kinder irgendetwas besser oder schlechter können und das ist ja ganz normal. Und in dieser Wahrnehmung gibt es keine Trennlinie zwischen Kindern mit oder ohne Behinderung.
Was für ein schöner Gedanke. Was für eine schöne Art, Menschen zu sehen und wahrzunehmen. Sie nicht von ihren Schwächen her zu definieren, sondern erst einmal nur als Menschen. Diese Gemeinsamkeit in den Vordergrund zu stellen und dann erst die Unterschiede zu sehen. Und diese Unterschiedlichkeit dann nicht zu werten.
Vielleicht ist es das, was Jesus meint, wenn er einmal zu den Menschen um sich herum sagt: „Werdet wie die Kinder“. Ich verstehe diese Aufforderung genauso, wie Elviras Sohn es vorgemacht hat. Teilt die Menschen nicht ein. Schaut nicht auf ihre Schwächen und Unterschiede. Die hat jeder auf seine Art. Seht sie einfach an. Lebt mit ihnen, wie sie sind und helft ihnen, wenn sie Hilfe brauchen.
Natürlich weiß ich auch, dass Kinder ganz schön grausam sein können. Sich mobben und ausgrenzen. Aber vor allem kleine Kinder haben noch diese wundervolle Gabe, nicht alles einzuteilen. Vielleicht kommt das daher, dass für kleine Kinder so vieles im Leben noch neu ist und dadurch einfach normal.
Ich frage mich, was passieren würde, wenn wir in diesem Sinne wirklich, wie die Kinder werden würden. Wie die Kinder sich an dem anderen Menschen neugierig zu freuen, wenn er mit einem fremden Akzent spricht oder eine ungewohnte Kleidung trägt. Und diesem dann einfach zuzulächeln. Wenn es nicht mehr die einen und die anderen geben würde, sondern erst einmal nur den Menschen mir gegenüber. Der mit mir wesentlich mehr Gemeinsamkeiten hat, als dass mich irgendetwas von ihm trennt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41120Still zu sein ist gar nicht so einfach. Eine Bekannte hat mir vor kurzem lächelnd erzählt, dass sie maximal fünf Minuten am Stück schweigen kann. Mehr kriegt sie einfach nicht hin. Ich hab zurückgelächelt und gefragt: „Und wie wäre es mit einer Woche?“ Sie hat mich dann mit großen Augen angeschaut. Für sie unvorstellbar. Das hört sich jetzt so an, als wäre still sein für mich ganz einfach…ist es nicht. Trotzdem gehe ich immer wieder mal ein Woche in ein Kloster, um zu schweigen. Obwohl ich sehr gerne rede und manchmal sehr viel. Einige Freunde von mir glauben bis heute nicht, dass ich eine Woche wirklich die Klappe halten kann. Trotzdem tue ich es. Im Idealfall einmal im Jahr.
Warum? Schweigen kann ja sehr unangenehm sein. Wenn ich mich zum Beispiel mit jemandem unterhalte und plötzlich keiner von uns beiden mehr etwas zu sagen weiß. Oder wenn ein lieber Mensch verstorben ist und mir jedes Wort falsch vorkommt.
Andererseits kann nichts zu sagen auch sehr wohltuend sein. Manchmal komme ich nach einem vollen Tag nachhause und bin froh niemanden mehr sprechen zu müssen. Und ein paar Tage in einem Kloster das Handy ausgeschaltet zu lassen, kein Internet, und keine Gespräche - das kann sehr gut tun.
Eine Kollegin von mir hat einmal gesagt, dass solche Tage helfen, um zärtlicher zu werden. Mir gefällt der Gedanke. Schweigen und Stille helfen, mal einen Schritt aus dem Alltag herauszutreten. Dann darauf zu achten, was mich beschäftigt, wenn nicht unentwegt etwas auf mich einprasselt. Dass ich dadurch sensibler auf mich und meine Umwelt hin werden kann. Oder, wie sie es vielleicht sagen würde: Zärtlicher auf mich und meine Umwelt hin. Vielleicht auch auf Gott hin.
Mir ist klar: Nicht jeder hat Zeit und Muße, ein paar Tage lang zu schweigen. Doch ab und an, nur ein wenig, das hilft mir auch schon. Für mich ist der Advent dafür eine gute Gelegenheit. Ich habe mir vorgenommen, in jeder dieser vier Wochen vor Weihnachten einen Abend freizuhalten. Dabei dann mindestens eine halbe Stunde zu schweigen und einige Menschen in den Blick zu nehmen: Den guten Freunde, der krank ist. Ich hab mich vor lauter Arbeit so lange nicht bei ihm gemeldet. Ich werde ihm eine Karte schreiben. Und diesen Kollegen über den ich mich zu oft ärgere. Ich möchte eine Zeit über ihn nachdenken und für ihn beten. Vor allem das in den Blick nehmen, was er gut macht.
Dadurch soll der diesjährige Advent mir helfen, ein wenig zärtlicher zu werden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41119Wir haben bei uns in der Hochschulgemeinde eine Feedbackbox. Das ist ein kleiner Briefkasten, in den die Studierenden nach unseren Veranstaltungen Feedback abgeben können, einfach eine Rückmeldung.
Das ist echt super, weil wir so gleich wissen, wie es den Teilnehmern gefallen hat und hoffentlich besser werden.
Die Sache hat nur einen Haken, und der hat sich neulich in einer Sitzung gezeigt.
Es hat für eine Veranstaltung viel Lob und ein paar Verbesserungsvorschläge gegeben; und über Letztere haben wir hitzig diskutiert, was nächsten Mal anders gemacht werden müsste. Bis eine Studentin sich gemeldet hat und sagte: „Hey, der Abend war wirklich schön und gelungen. Aber ich hab jetzt das Gefühl, dass wir ihn schlecht reden. Das war er doch nicht…schlecht.“ Typisch: Über das Lob sind wir nur schnell drüber gegangen. Aber in den Verbesserungsvorschlägen haben wir uns völlig verzettelt. Das liegt in der Natur der Sache. Beim Guten muss ich nichts verändern, da gibt’s ja nichts zu diskutieren. Beim anderen natürlich schon. Aber ich habe oft den Eindruck: Wir wollen auch was zum Besprechen haben und dann kann es schon mal vorkommen, dass man aus der berühmten Mücke einen ziemlichen Elefanten macht. Die Dinge schlechter redet als sie waren.
Und dieses Schlechtreden geschieht nicht nur in unseren Sitzungen. Ich habe den Eindruck: Das passt gerade zu unserer gesellschaftlichen Grundstimmung. Egal, was politisch entschieden wird oder was die Regierung sagt. Über das Gute wird wenig gesprochen und über das Schlechte dafür umso mehr. Klar, mit guten Nachrichten bekommt man auch keine Schlagzeilen. Aber es gibt sie. Die guten Nachrichten.
Und bei mir fangen sie an. Ich muss sie nur sehen. Wenn mich zum Beispiel morgens jemand auf dem Weg zur Arbeit anlächelt, dann freut mich das, aber ist auch schnell wieder vergessen. Wenn ich dagegen eine Kleinigkeit falsch gemacht habe, dann grüble ich den restlichen Tag darüber nach, weil ich nicht möchte, dass mir sowas nochmal passiert.
Damit ich aber nicht nur an dem hängen bleibe, was nicht gut lief, schließe ich jeden Abend, kurz vor dem ins Bett gehen, die Augen und versuche mich daran zu erinnern, was heute gut war. Das kann so ein Lächeln auf der Straße gewesen sein, aber genauso einfach etwas Leckeres, das ich gegessen habe oder, wenn etwas heute gut geklappt hat.
Denn ich möchte nicht nur aus meinen Fehlern lernen und mich mit diesen beschäftigen. Ich will auch lernen, dass Gute mehr zu sehen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41118Ich hab ein neues Wort gelernt: Hoffnungstrotz.
Eine Studentin hat es mir vor wenigen Wochen beigebracht. Nämlich am Tag nachdem Trump in den USA gewählt worden ist und die Ampelkoalition ihr Ende bekannt gegeben hat. Mir gefällt das Wort richtig gut. Es meint: Trotz allem die Hoffnung nicht aufgeben. Trotz allem, was in der Welt geschieht, aller Unsicherheit, aller Sorgen. Nicht nur ein bisschen Hoffnung haben. Sondern so richtig. Gerade jetzt. Trotzig dagegenhalten. Hoffnungstrotz eben.
Um diese trotzige Hoffnung geht’s auch im Advent. Dass Gott da ist und mich nicht alleine lässt. Komme, was wolle. Auch, wenn ich es nicht immer spüren und glauben kann. Vielleicht ist diese trotzige Erinnerung an diese Hoffnung deswegen in solchen Zeiten umso wichtiger. Die Texte und Lieder in den Wochen vor Weihnachten erzählen durch die Bank davon.
Zum Beispiel das Adventslied: Kündet allen in der Not. Ich höre und singe das ganz gern, weil ich da ebenso eine trotzige Hoffnung heraushöre, wenn es heißt:
„Kündet allen in der Not: Fasset Mut und habt Vertrauen.
Bald wird kommen unser Gott; herrlich werden ihr ihn schauen. Und den Refrain mag ich besonders: „Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.“ Der Autor dieser Worte, Friedrich Dörr, war katholischer Priester. Er war als Seelsorger im zweiten Weltkrieg unter anderem in Frankreich und Leningrad. Ich kann mir kaum vorstellen, wieviel Not er gesehen und erlebt hat. Wenn er später trotzdem solche Texte schreiben konnte, muss er unbändigen Hoffnungstrotz gehabt haben. „Kündet allen in der Not“ .
Das ist für mich Advent. Neben Kranz, Geschenke besorgen und Glühwein. Dass ich immer wieder Lieder singe und Texte höre, die mir sagen: Hey, egal, wie verrückt die Welt gerade ist. Es gibt Hoffnung. Immer. Und manchmal reicht ein einziges Wort dafür. Ich gebe zu: Manchmal braucht es ein wenig mehr. Manchmal braucht es auch ein trotziges: Nein, es geht nicht alles den Bach hinunter. Wenn mir das jemand wieder einmal vorjammern möchte. Dieser Jammermentalität möchte ich in meinen Predigten und in persönlichen Begegnungen und Gesprächen widersprechen.
Und damit ich das nicht vergesse, habe ich mir es auf eine Postkarte geschrieben und innen an meine Haustür geklebt. Sie erinnert mich jetzt jeden Tag, wenn ich aus dem Haus gehe, egal, was in der Welt los ist, egal, wer Präsident wird oder was sonst passiert: Ich werde hoffnungstrotzig bleiben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41117Jetzt endlich kann ich anfangen, die Wohnung adventlich zu schmücken. Ich bin da sehr pingelig. Vor dem Ewigkeitssonntag gibt es für mich keine Weihnachtsdekoration, vor dem Advent noch keinen Christstollen. Mir hilft es, dass mit dem Advent etwas neues beginnt. Und das möchte ich spüren können, sehen und schmecken. Aber jetzt ist die Woche fast zu Ende, jetzt geht es los. Hier wird ein Stern aufgehängt, dort eine Kerze hingestellt, hier ein Engel und dort – schon wieder ein Stern.
Sterne sind für mich das Zeichen für Advent und Weihnachten. Und ich habe sie in unzähligen Varianten: aus Papier, aus Holz, aus Stroh, bunt und einfarbig, groß und klein, selbstgebastelt und gekauft.
Und mit vielen Sternen, die ich aufhänge, verbinde ich Geschichten: Der bunte Stern an der Haustür ist von einem guten Freund. Während der Coronazeit hat er mir diesen gebastelt und dann mit viel Herzenswärme geschenkt. Seitdem ist er für mich ein Zeichen für Nähe auch über Distanz und dafür, dass man auch in schwierigen Zeiten füreinander da sein und sich beschenken kann.
Dann gibt es den kleinen Holzstern, rau und ungeschliffen. Den habe ich vor einigen Jahren gekauft, wollte ihn noch schleifen und schön gestalten, hatte aber dafür keine Zeit. Und so erinnert er mich jedes Jahr daran, dass ich mir in der Adventszeit mehr Zeit nehmen soll. Zeit für mich, Zeit für meine Familie, Zeit für Gott, der an Weihnachten als Kind auf die Welt kommen wird.
Und dann sind da noch viele Strohsterne, alte und neue. Stroh, weil das Leben nicht immer komfortabel, einfach und bequem ist, sondern auch mal schlicht und piksig. Gott wird ja an Weihnachten auch im Stall zur Welt kommen, mit wenig Komfort, wenig Luxus, aber mit ganz vielen Menschen an der Seite, die einfach glücklich waren mit diesem Kind.
Und so hole ich nun Stern für Stern aus den Kisten und verteile sie im Haus. Und dabei summe ich das Lied: Stern über Bethlehem zeig uns den Weg. Und ich fühle, dass ich mich auf den Weg mache. Mit Zeit. Durch den Advent hin zu Weihnachten. Der Stern wird mir den Weg zeigen. So wie er diesen vor vielen, vielen Jahren auch anderen Menschen schon gezeigt hat.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41077Im November den Himmel träumen. Diesen Satz habe ich vor kurzem irgendwo gelesen. Ich weiß gar nicht mehr, in welchem Zusammenhang das geschehen ist. Aber letztlich ist es auch egal. Denn der Satz und alles, was ich damit verbinde, ist wichtig.
Im November den Himmel träumen. Das geht so gut. Gerade weil der November so dämmrig und nebelig ist. Weil ich den Himmel nicht sehe, kann ich so gut von ihm träumen. Dann stelle ich mir vor wie der Himmel im Sommer ausgesehen hat. Als ich auf dem Erdbeerfeld meinen Korb gefüllt habe. Von diesem Himmel kann ich träumen. Oder auch von dem Himmel, an dem vor kurzem noch die Vögel in V-Formation schreiend gen Süden gezogen sind.
Ich kann aber auch den Himmel träumen, von dem die Bibel berichtet. Von dem neuen Himmel, der irgendwann kommen wird und mit dem eine andere Zeit anbrechen wird. Irgendwann einmal, noch ist es nicht soweit. Und von diesem neuen Himmel kann und will ich auch träumen.
Weil dieser Himmel dann mit einer Erde verbunden ist, die so anders sein wird als die jetzige. Die kommende Erde wird friedlich sein. Ohne Krieg, ohne Streit und ohne Hass. Menschen werden ohne Hintergedanken einander helfen, Herkunft und Geld werden keine Rolle mehr spielen. Und nicht nur unter uns Menschen wird es friedlich sein, auch das Lamm wird beim Löwen liegen.
Und so schaue ich in den Novemberhimmel und träume von einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Und überlege mir dabei, was ich tun kann, damit ein bisschen von diesem Traum schon jetzt spürbar werden kann.
Und während ich noch darüber nachdenke, greife ich zum Telefonhörer und rufe jemanden an, mit dem ich vor kurzem gestritten habe. Es ging um nichts Wichtiges und trotzdem ist seitdem die Stimmung zwischen uns nicht gut. Ein Wort der Entschuldigung kann Wunder bewirken. Und ich könnte endlich mal den Besuch machen, auf den der alte Mann schon so lange wartet.
Vielleicht lädt gerade der November dazu ein, den Himmel zu träumen, weil ich ihn im Nebelgrau so schlecht sehe. Weil ich nicht genau weiß, wie er aussieht, weil er so verhangen ist. Aber ich sehne mich nach diesem neuen Himmel und träume davon. Und manchmal ist er hier ein wenig spürbar. Im Nebel. Ganz still, friedlich und verhangen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41076Vor kurzem war ich – (rhetorische Pause): nicht erreichbar! Kaum zu glauben heutzutage! Mein Handy war ausgefallen, Telefonieren ging nur über das Festnetz. Ganz altmodisch. Ich konnte nur telefonieren, wenn ich zu Hause oder im Büro war. Und ebenso konnte man mich nur telefonisch erreichen, wenn ich in der Nähe des Festnetzes war.
Es war seltsam, befremdlich. Ich muss sagen, ich war das gar nicht mehr gewohnt, nicht überall telefonieren zu können oder erreichbar zu sein.
Nach ein paar Tagen hatte ich mich daran gewöhnt. Ich bin dann einfach nur Autogefahren, habe dabei viel bewusster Dinge wahrgenommen, ich habe nicht über die Freisprechanlage telefoniert, sondern Radio gehört und die Lieder laut mitgesungen. Ich war einfach zwischendurch nicht erreichbar und hatte so mehr Zeit. Und diese Zeit habe ich für mich genutzt.
„Macht das Beste aus eurer Zeit“ (Epheser 5,15a) So lautet der Rat, den der Apostel Paulus in der Bibel seinen Mitmenschen gibt. Und ich – nicht erreichbar ohne mein Handy – habe mich gefragt, was das eigentlich für mich heißt und für meine Zeit.
Denn am Anfang war es für mich schlimm, nicht erreichbar zu sein. Ich hatte Angst, etwas zu verpassen oder jemanden zu verärgern. Ich hatte Sorge, dass ich mehr Arbeit haben könnte, weil ich ja nicht nebenbei noch was machen konnte. Aber das war nicht so. Ich habe wirklich das Beste aus dieser seltsamen Zeit gemacht. Denn ich habe alles bewusst gemacht. Wenn ich mit dem Hund im Wald unterwegs war, dann bin ich einfach nur Gassi gegangen und habe nicht noch E-Mails abgefragt. Wenn ich Autogefahren bin, dann habe ich gesungen und nicht telefoniert.
Paulus hat recht: Auch wenn nicht alles perfekt läuft, wenn ich mal nicht erreichbar bin, dann kann ich etwas Gutes aus dieser Zeit machen. Ich jedenfalls war in dieser Zeit vielmehr bei mir selbst und den Momenten, die Gott mir geschenkt hat. Das war das Beste, das ich aus dieser Zeit gemacht habe. Ich war ganz da und habe viel weniger übersehen. Weil ich nämlich kein Handy in der Hand hatte. Und irgendwie war ich so besser ansprechbar für andere.
Nicht erreichbar – das hatte auch mal etwas Gutes. Und irgendwie habe ich das Beste aus der Zeit gemacht.
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