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20MRZ2025
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„Krankheit ist der Schlüssel zu vielen Türen, die uns sonst verschlossen bleiben.". Dieser Satz stammt von dem französischen Schriftsteller und Nobelpreisträger André Gide.

Seit ich ihn das erste Mal gehört habe, beschäftigt mich dieser Satz. Krankheit als Schlüssel zu Türen, die sonst verschlossen bleiben? Für mich ist Krankheit etwas Negatives. Ich hoffe, ich bleibe davon verschont. Eine Erkältung, einen Mageninfekt oder ein paar Tage Kopfschmerzen, das ist ja noch in Ordnung. Aber davon redet André Gide nicht. Er meint wirklich schlimme, manchmal unheilbare Krankheiten, die das Leben aus der Bahn werfen können. Aus Gesprächen mit Betroffenen weiß ich: Wenn so etwas geschieht, dann ist das Leben plötzlich ganz anders als vorher. Dann gibt es oft ein Vorher und ein Nachher im Leben. Bevor die Schmerzen kamen, bevor der Krebs entdeckt wurde, bevor der Herzinfarkt geschah und danach. Danach dreht sich das Leben plötzlich überwiegend um die Krankheit. Immer wieder gibt es Arztbesuche, Klinikaufenthalte, Operationen, Medikamente, Rehamaßnahmen. Das ganze Leben steht unter einem anderen Vorzeichen und ist nicht mehr so unbeschwert wie früher.

Und diese Veränderung soll ein Schlüssel sein, meint André Gide. Gibt es da einen Raum, den wir sonst nicht betreten würden? In unserer Gesellschaft geht es meistens darum, Krankheiten schnell wieder verschwinden zu lassen. Krankheiten stören das Leben.

Darum will ich nicht in den Raum der Krankheit eintreten, sondern die Tür schön zuhalten. Aber das ist eine Illusion, meint André Gide. Krankheiten können Schlüssel sein. Schlüssel zur eigenen Seele. Schlüssel zu einem Teil von meinem Leben, der mir bisher verborgen war wie ein verschlossener Raum. Vielleicht verstehe ich mich und mein Leben durch die Krankheit vielleicht besser. Vielleicht hilft es mir, dankbarer zu sein für all die kleinen guten Dinge, die ich früher nie geschätzt habe. Vielleicht ist es ein Anlass, um mich mit Menschen auszusöhnen, mit denen ich im Unfrieden lebe. Und so mancher hat erzählt, dass er in der Zeit der Krankheit auch den Glauben an Gott neu gefunden hat. Und so können Krankheiten sogar Türen zu Gott öffnen -  zu dem, in dessen Hand mein ganzes Leben liegt.

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19MRZ2025
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Es ist kaum zu glauben, was man alles nicht braucht und trotzdem kaufen kann. Bei einem großen Onlineversandhaus habe ich zum Beispiel einen Bierwärmer entdeckt. Das ist ein kleiner Stab, den man in ein Glas stecken kann und der dann das Bier im Glas warm macht. Wer braucht so etwas? Ich jedenfalls trinke mein Bier lieber kalt. - Ich könnte auch ein Grundstück auf dem Mond kaufen für den Schnäppchenpreis von 39,90 Euro. Mit Echtheitszertifikat. Ich hätte allerdings ein Problem, dorthin zu kommen und mir das Grundstück einmal anzuschauen. Und dann gibt es noch das Raumspray, das einen Duft nach gebackener Pizza verbreitet. Wenn ich diesen Duft allerdings in meiner Wohnung versprühe, bekomme ich eher das Verlangen nach einer richtigen Pizza. Wenn ich diese dann im Ofen backe riecht meine Wohnung auch ohne Spray nach Pizza. Es gibt so vieles, was ich nicht brauche – und manchmal doch gerne hätte. Und ich habe den Verdacht, dass ich auch schon vieles gekauft habe, nur weil ich es chic fand, andere damit beeindrucken wollte oder gedacht habe: Das haben alle, dann muss ich das auch haben. Und dann habe ich gemerkt: Das brauche ich nicht wirklich. Das Geld war umsonst ausgegeben.

Wenn ich ehrlich bin, dann ist eigentlich nur sehr wenig nötig für mein Leben: Ein Dach über dem Kopf, einen Beruf, der mich ernährt, liebe Menschen an meiner Seite, jeden Tag die nötige Kraft. Hoffnung und Zuversicht und Gottvertrauen.

Jesus hat einmal gesagt: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden nimmt.“ (Mk 8,36) Was soll das also, wenn ich meine, ich bräuchte alle möglichen Dinge, nur weil sie exklusiv sind oder ich andere damit beeindrucken kann? Ich möchte aufhören, jedem Trend hinterherzulaufen aus Angst, ich könnte etwas verpassen oder ich könnte mit den anderen nicht mithalten. Ich möchte nach dem schauen, was meine Seele wirklich braucht: Die Liebe und Zuwendung anderer Menschen. Ab und zu Ruhe und Stille. Hier und da gute Worte und Gedanken. Ein Bibelwort, das mich tröstet und ermutigt. Gottes Nähe und seinen Segen. Das brauch ich wirklich und davon kann ich nie genug bekommen für ein erfülltes Leben.

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18MRZ2025
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„Via dolorosa“ – das ist der Name einer Straße in Jerusalem. Sie ist knapp einen Kilometer lang und führt in der Jerusalemer Altstadt von der Resten der antiken Festung Antonia bis zur Grabeskirche. Jesus Christus soll diesen Weg zu seiner Kreuzigung gegangen sein. In der Festung Antonia soll der römische Statthalter Jesus den Prozess gemacht haben. Die Grabeskirche steht an dem Ort, an dem nach der Überlieferung die Hinrichtungsstätte Golatha war. Zwischen beiden Orten ist Jesus seinen Weg gegangen. Die Bibel erzählt davon, dass Jesus dabei einen Kreuzesbalken auf dem Rücken getragen hat, oft hingefallen ist, geschlagen wurde und Schmerzen leiden musste. Darum dieser Name: „Via dolorosa“. Das heißt: Weg der Schmerzen.

Auch heute noch gibt es viele solche Schmerzenswege. Ich kenne kaum einen Menschen, der nicht schon so einen Weg in seinem Leben gehen musste. Fast jeder hat seine eigene „Via Dolorosa“. Ein älterer Mann vermisst seine Frau, die gestorben ist. Ein Ehepaar leidet daran, dass die Ehe kinderlos geblieben ist und der Traum von einer Familie zerplatzt ist. Und eine junge Mutter hat kurz nach der Geburt die Diagnose Krebs bekommen und jetzt hofft sie, dass ihr noch genug Zeit bleibt, um ihre kleine Tochter aufwachsen zu sehen. Und ein 12jähriges Mädchen wurde jahrelang vom Stiefvater missbraucht. - Es gibt so viele Schmerzenswege. Jeder hat seine „Via dolorosa“

Ich weiß nicht, warum Gott uns davor nicht bewahrt. Aber ich glaube fest daran, dass niemand seinen Schmerzensweg allein gehen muss. Jesus hat einmal gesagt: „Sie ich bin bei euch alle Tage“. (Mt 28,20) Wenn das stimmt, dass Jesus „alle Tage“ bei uns ist, dann gilt das eben auch für die Tage der Schmerzen. Er, der in Jerusalem seinen Schmerzensweg gegangen ist, ist bei uns, wenn ein Partner stirbt, wenn Lebensträume zerplatzen, wenn wir durch Zeiten des Leid gehen müssen. Er bleibt an unserer Seite. Manchmal spüre ich das. Manchmal gibt mir das Kraft. Und es macht mir Hoffnung: Denn bei Jesus war der Schmerzensweg ja nicht das Letzte. Jesus ist gestorben und dann wird erzählt, dass er auferstanden ist in ein neues Leben. Nach dem Schmerzensweg kam Ostern. Das macht mir Hoffnung.

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17MRZ2025
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Manche Menschen haben ein „Lebensmotto“. Ich finde es aber gar nicht so einfach, so ein Lebensmotto in einem Satz zusammenzufassen. Ein Satz der auf den Punkt bringt, was mich durch alle meine Tage begleitet und mich in guten, wie in schweren Zeiten trägt.

Ein sehr gebildeter und überlegter Mann war der Pfarrer Karl Barth. Er war einer der einflussreichsten Theologen des letzten Jahrhunderts. Er hat unzählige theologische Bücher geschrieben, lehrte an der Universität und bekam die Ehrendoktorwürde verliehen von Universitäten wie Chicago und Oxford, von Glasgow und Genf, von Straßburg und Paris. Als er alt geworden war, wurde auch er einmal gefragt, ob er sein Lebensmotto in wenigen Worten zusammenfassen könnte. Das hat Karl Barth getan – ausgerechnet mit den Worten eines Kinderliedes aus dem Gesangbuch:

»Weil ich Jesu Schäflein bin, freu' ich mich nur immerhin über meinen guten Hirten, 
der mich wohl weiß zu bewirten.  Der mich liebet, der mich kennt und bei meinem Namen nennt.« (EG 652). Das war sein Motto. Nach vielen Jahren als Pfarrer und Theologe, nach unzähligen theologischen Büchern, nach einem Leben als einer der klügsten Professoren in seinem Fachbereich, waren diese Worte für Karl Barth das Wichtigste seines ganzen Lebens: Sein kindliches Vertrauen, dass er Jesu Schäflein ist und Jesus sein guter Hirte.

Und ich frage mich, was eigentlich mein Lebensmotto ist und was mich durch dieses Leben trägt. Wenn ich alt werde und alle meine beruflichen Leistungen nicht mehr so wichtig sind, was bleibt dann? Was trägt mich im Leben und im Sterben? Natürlich gibt es vieles, was mir wichtig ist: Meine Familie und meine Kinder. Meine Freunde. Menschen, die mich auf meinem Lebensweg begleitet haben. Auch mein Beruf ist mir wichtig und ich bin dankbar, dass ich als Pfarrer einen Beruf habe, der mich erfüllt. Aber was bleibt, wenn das alles nicht mehr so ist? Irgendwann bin ich im Ruhestand, meine Kinder leben ihr eigenes Leben und auch meine Kraft wird im Alter weniger werden.

Das alles ist mir wichtig, aber ich bin überzeugt, das alles ist getragen von Gott, und darauf kommt es letztlich an: Dass ich zu Jesus gehöre. Dass er der gute Hirte ist, der mein Leben in seiner Hand hält und mich zum Ziel führt. Dass ich darum darauf vertrauen kann, dass mein Leben in Gottes Hand liegt.

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14MRZ2025
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Haben Sie schon mal von einer Not-To-Do-Liste gehört? Sie ist das Gegenteil von einer To-Do-Liste. Auf die kommen ja alle Aufgaben, die noch zu erledigen sind.  Auf die Not-To-Do-Liste kann ich alles schreiben, was ich eben nicht machen muss.

Ich hab die Liste auf einer Fortbildung kennengelernt. Thema war, wie man seine Arbeit gut strukturiert. Die Liste soll mir dabei helfen, dass ich lerne sinnvoll und fokussiert zu arbeiten. Also schreibe ich auf: „Ich möchte nicht mehr das Mailprogramm geöffnet lassen, wenn ich eine Aufgabe konzentriert bearbeite.“ oder „Ich möchte meine Arbeitsblätter nicht mehr zu perfektionistisch gestalten.“ Alles in allem kann mir mit so einer Liste bewusst werden, was eigentlich wichtig ist.

Den Fokus neu ausrichten und Bewusstsein für das Eigentliche schaffen. Das kommt mir bekannt vor und zwar von der christlichen Fastenzeit. Das große Thema der Fastenzeit ist nämlich „Umdenken“. Also, dass ich meine Gewohnheiten hinterfrage, mir Gedanken über mein Leben mache und den Alltag aus einer neuen Perspektive betrachte. Ich kann weglassen, was mir eigentlich gar nicht gut tut.

Also hab‘ ich meine Not-To-Do-Liste für die Fastenzeit geschrieben. Auf der Liste stehen Verhaltensmuster und Glaubenssätzen, die ich nicht mehr umsetzen oder denken möchte. Zum Beispiel: „ich möchte meinen Wecker morgens nicht fünf Mal klingeln lassen und dann in Stress geraten.“ oder „ich möchte mich nicht mehr davon unter Druck setzten lassen, was andere von mir erwarten.“ Und wenn ich dann doch wieder versucht bin, auf die Schlummertaste zu drücken, ist die Liste mein persönliches Warnsignal und ich erinnere mich: „Stimmt, eigentlich wollte ich meinen Tag ja anders beginnen.“ Und eigentlich muss ich auch nicht direkt in Stress verfallen, wenn andere scheinbar so viel von mir erwarten. Ich denke dann an die Liste und frage mich: „Erwarten die anderen wirklich so viel, oder mache ich mir selbst am meisten Druck.“

Und wenn die Not-To-Do-Liste hält, was sie verspricht, dann unterstützt sie mich dabei mehr zu mir zu finden und zu einem Leben, das so viel Gutes für mich bereithält. Wenn ich eben ein paar Dinge nicht mache und Platz schaffe. Genau dafür ist die Fastenzeit da.

Clarissa Wolk aus Mannheim von der katholischen Kirche

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13MRZ2025
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Komplimente bekommen ist einfach was Schönes. Das ist mir vor kurzem wieder aufgefallen. Da hat mir ein Schüler im Unterricht eins gemacht. Ich bin gerade durch die Reihen gegangen und habe wie immer Arbeitsblätter ausgeteilt. Und plötzlich hat Tom zu mir gemeint: „Frau Wolk, man merkt richtig, wie viel Liebe Sie in Ihre Arbeit stecken.“ Da war ich kurz überrascht. Denn von pubertierenden Jugendlichen gelobt zu werden, kommt nicht allzu häufig vor. Und ich muss sagen: Das zu hören hat richtig gutgetan. Denn es stimmt schon, ich gebe mir viel Mühe bei der Unterrichtsvorbereitung und dass jemand das auch wahrnimmt …. In dem Moment bin ich ein paar Zentimeter gewachsen.

Dieses tolle Gefühl hätte ich gerne immer wieder und ich weiß, es geht auch andersrum. Komplimente kriegen ist schön, und Komplimente machen auch. Oft genug denke ich, „Wow, das sieht ja toll aus!“, oder „Hey, das war echt `ne super Leistung“. In meinem Kopf sind die Komplimente also schon gemacht, jetzt muss ich sie nur noch aussprechen. Und das ist eigentlich so einfach: Meiner Arbeitskollegin sage ich, dass sie einen tollen Job macht und dem Kellner im Café danke ich für seinen besonders freundlichen Service. Dabei fällt mir auf: Komplimente machen tut gut. Denn es gibt mir selbst auch ein tolles Gefühl, wenn ich anderen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann.

Beim Komplimente machen, reihe ich mich auch noch in eine gute alte Tradition ein. Denn Christinnen und Christen machen das schon lange. In der Kirche nennt sich das ganze „Segen“. Wörtlich heißt segnen nämlich „jemandem etwas Gutes sagen“ – also ein Kompliment machen. Und ein Segen macht eben auch das, was ein gutes Kompliment kann. Er gibt mir ein warmes Gefühl und lässt mich - im besten Fall - ein paar Zentimeter wachsen.

Darum auch heute Abend diesen Segen für Sie:

Mögest du in deinem guten Herzen stets Erinnerungen an die schönen Dinge in deinem Leben bewahren.
Mögen die Gaben, die in dir stecken, wachsen und dir helfen, Freude zu schenken.

Möge ein freundlicher Blick in deinen aufmerksamen Augen leuchten,
Und möge Gott dich mit seinem Schutz, seinem Ohr und seiner Hand begleiten.“

Clarissa Wolk aus Mannheim von der katholischen Kirche

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12MRZ2025
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Was war das wieder für ein Riesentrubel heute Nachmittag in unserer Kirche – genauer gesagt in der Antoniuskirche in Mannheim. Immer mittwochs ist dort der sogenannte „Soziale Punkt“ geöffnet. Der ist Tafelladen und Kleiderkammer in einem. Dass es den gibt, macht zum Beispiel Ariane möglich. Sie versorgt die Gäste jede Woche mit einer heißen Tasse Kaffee. Und dabei hat sie stets ein offenes Ohr. Oder Herr Damiani, der ist immer zur Stelle, wenn es um die Kleiderausgabe geht. Egal wie schwer die Kiste oder wie unhandlich der Karton, Herr Damiani geht die Kraft und Power nie aus. Was die beiden da leisten…! Ich bin immer mal wieder bei diesen Mittwochnachmittagen dabei und denke dann oft: „Ariane, Herr Damiani und die anderen im Team haben verstanden, worauf es Jesus eigentlich ankommt.“

Jesus hat immer wieder gezeigt, was für ihn das Allerwichtigste ist. Einmal sagt er zu seinen Leuten: „Ihr seid meine echten Freundinnen und Freunde, denn „ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben.“ Die Freunde halten dagegen: „Jesus, da musst du was verwechseln. Das waren wir nicht, denn wann haben wir dich hungrig gesehen… und so weiter?“ Da bringt es Jesus voll auf den Punkt: „Immer wenn ihr für Leute da seid, die vom Rest der Welt vergessen werden, dann seid ihr auch für mich da.“

Das Statement sitzt, da gibt es nicht viel herum zu deuten. Wer anderen zur Seite steht, der steht dadurch auch an der Seite Jesu. Was Jesus da beschreibt ist Nächstenliebe. Sein zentrales Thema. Und das Schöne ist: Er lebt diese Nächstenliebe so überzeugend vor. Da werden Menschen wieder gesund, als sie auf Jesus treffen, der ihnen mit ganz besonderer Wärme begegnet. Und andere lernen ihren Groll loszulassen und können sich und anderen endlich vergeben. Jesus macht deutlich: Es gibt viele Wege wie ich Liebe, Wärme oder Menschlichkeit verbreiten kann. Ich muss nicht alles können, sondern kann schauen, was am besten zu mir passt. Und genau das tun auch Ariane, Herr Damiani und alle anderen vom Sozialen Punkt in Mannheim. Ich bin sicher, Jesus wäre stolz auf sie gewesen.

Clarissa Wolk aus Mannheim von der katholischen Kirche

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11MRZ2025
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Es gibt Momente, da fühlt man sich wieder wie ein Kind. So einen Moment habe ich vor kurzem erlebt. Johanna hat mich gefragt: „Willst du in mein Freundebuch schreiben?“. Und da hatte meine Freundin das gute Stück auch schon aus ihrer Tasche gezaubert und mir in die Hände gedrückt. Fast genauso wie früher sieht es aus. Ein ziemlich dickes Ringbuch im Querformat. Auf der Titelseite prangt in großen goldenen Lettern das Wort „Freundebuch“. Ich blättere gleich durch die Seiten und sehe: Schon einige haben sich darin verewigt.

Zu Hause hab ich erst mal in dem Buch geschmökert. Ich kenne zwar nicht alle, die drinstehen, aber es packt mich. Nathalie zum Beispiel schwärmt von ihrer Vietnamreise und Ben träumt davon einen Flickflack zu können. Auch das fühlt sich an wie früher. Wie ich schier nicht aufhören kann, zu lesen. Aber dann klappe ich das Buch wieder zu, meine Seite kann ich auch später noch ausfüllen. Immer wieder hab‘ ich mich selbst beschworen und mir gesagt: „Heute setzt du dich hin und füllst deine Seiten aus.“ Und dann habe ich es doch wieder nicht gemacht.

Als Kind war das einfacher. Ich wusste: Meine Lieblingsfarbe ist rot, ich möchte Tierärztin werden und Bibi und Tina sind meine absoluten Superheldinnen. Heute muss ich ganz andere Antworten finden. Zum Beispiel auf die Fragen: „Was ist dein größter unerfüllter Wunsch?“, „In welche Schublade stecken dich andere?“, oder „Wann hast du das letzte Mal Tränen gelacht?“ Das Freundebuch hat mich fast schon angeschrien: „Denk mal über dich und dein Leben nach!“  Und deshalb habe ich es wahrscheinlich auch so lange vor mir hergeschoben. Sich bewusst mit dem eigenen Leben zu beschäftigen, ist anstrengend.

Irgendwann habe ich mir dann doch einen Ruck gegeben und mich drangesetzt. Und dann hat es mir sogar richtig Spaß gemacht. Ich konnte in Ruhe überlegen: Was ist denn eigentlich gerade ein Wunsch von mir? Oder an welchem Ort bin ich so richtig glücklich? Das Freundebuch von Johanna hat mich nicht nur in meine Kindheit zurückversetzt, sondern mich auch wieder direkt ins heute geholt. Es war der Anstoß, den ich gebraucht hab, um endlich mal wieder meinen Träumen nachzujagen und das zu machen, wofür mein Herz schlägt. Und vielleicht kann ich damit sogar heute Abend schon beginnen. Ein kleiner erster Schritt für meine Träume, und zwar nicht die aus der Zeit als ich ein Kind war, sondern meine Träume von hier und heute.

Clarissa Wolk aus Mannheim von der katholischen Kirche

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10MRZ2025
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„Sei doch kein Thomas!“ – das habe ich vor kurzem zu meiner Freundin Anne gesagt. Es ging eigentlich nur um eine Kleinigkeit. Wir haben diskutiert, ob man in Italien nach 11 Uhr noch einen Cappuccino bestellt oder nicht. Ich war mir sicher: Nein. Aber Anne hat lieber gegoogelt, anstatt mir zu vertrauen.  Ich also: „Sei doch kein Thomas!“, und Anne hat mich mit verwirrtem Blick angeschaut. Wer ist denn jetzt Thomas?

Thomas ist ein besonders guter Freund von Jesus, und das, was eben so typisch für ihn ist, das passiert, nachdem Jesus am Kreuz gestorben ist. Alle denken: jetzt ist alles vorbei, aber dann taucht Jesus wieder auf. Er kommt also zurück in ihr Leben, obwohl er eigentlich ja tot ist. Er erscheint vielen seiner Freunde, aber nicht Thomas. Der glaubt ihnen auch kein Wort, als sie diese völlig abstruse Geschichte von der Auferstehung erzählen. Für mich voll verständlich, was Thomas dann sagt: „Erst, wenn Jesus vor mir steht, und ich mit meinen eigenen Fingern seine Wunden berühren kann, dann glaube ich, dass er lebt.“ Das lässt Jesus nicht auf sich sitzen und erscheint kurz darauf auch ihm. Nicht ohne zu bemerken: „Du kannst mich jetzt sehen, Thomas, aber besonders glücklich sind die, die auch ohne Beweise glauben.“

Das ist also der typische Thomas-Moment: Wenn ich erst glauben kann, wenn es echte Beweise gibt. Bei Anne und dem Cappuccino war es so: Sie konnte das erst glauben, als sie es im Handy quasi schwarz auf weiß hat stehen sehen. Keine große Sache erstmal.

So wie auch bei mir neulich: Ich wollte selbst unbedingt nochmal checken, wann unser Zug genau abfährt. Und meine Schwester, die mit mir unterwegs war, konnte ich nicht einfach beim Wort nehmen.

Hier geht es um Glauben, und zwar in dem Sinne, dass ich etwas nicht nachprüfen kann und muss und trotzdem vertrauen habe. Das ist manchmal wirklich schwierig. Dabei kann es so entlastend sein, wenn ich vertraue. Denn dann teile ich Verantwortung. Dann muss ich nicht alles komplett überprüfen und alleine absichern. Ich kann vielleicht loslassen und den Moment genießen.

Wenn ich jetzt also zu meiner Freundin Anne sage: „Sei doch kein Thomas“, will ich eigentlich sagen, „vertrau mir“.

Clarissa Wolk aus Mannheim von der katholischen Kirche

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07MRZ2025
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„Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ Eine Freundin von mir hat das neulich in einem Gespräch so gesagt. Ich weiß gar nicht, ob alle am Tisch mitbekommen haben, was für eine große Einsicht sie da so gelassen ausgesprochen hatte.

 „Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ –  In der Bibel heißt es, dass wir nur Gast sind auf diesem schönen Planeten, weil wir alle einmal bei Gott ankommen sollen, im Himmel, wo wir zu Hause sind, in der Ewigkeit, in der himmlischen Heimat, im Paradies, in der Gegenwart Gottes, in der Liebe, die nie vergeht. Es gibt so viele Bilder für das Ziel, auf das unser Leben hinführt. Hier und jetzt kann ich immer nur ahnen, wie das sein wird. Es gibt nur Abbilder, einen Vorgeschmack. Erst wenn ich angekommen bin, weiß ich, dass ich das Ziel meiner Sehnsucht erreicht habe.

„Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ –  Ich habe das weitergedacht: Nation, Volk, Staat, wegen mir auch „The Länd“ – das ist alles vorläufig. Das kann diese wirkliche Heimat gar nicht ersetzen!

Trotzdem versuchen es so viele. Warum verehren so viele Menschen ihr Herkunftsland so sehr? Warum müssen sie ihre „Heimat“ so hervorheben? Ja, das hat bestimmt etwas damit zu tun, dass gerade dieses Land einem so vertraut ist. Aber warum freut man sich dann nicht einfach daran? Warum soll „das Reine“ erhalten werden? Was hat es mit dem Nationalstolz auf sich? Ich erlebe das bei Menschen aus aller Welt: Ob Kameruner oder Deutscher, ob Albaner oder Schwabe – spätestens beim Fußball merkt man es deutlich. Warum soll die Heimat sogar gegen andere abgeschottet werden? Soll dieser vorläufige Ort, sollen Nation oder Volk dadurch etwas „Ewiges“ bekommen? Könnte es sein, dass darin etwas anderes, eine Sehnsucht steckt? - „Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“

Mein Heimweh vergeht nicht, wenn ich versuche, meinem vorläufigen Aufenthaltsort etwas Ewiges zu verleihen. „Es bleibt ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ 

Also nehme ich es, wie es ist. Ich muss wohl den Schmerz aushalten, dass ich nicht nur fast überall Ausländer bin, sondern überall nur auf der Durchreise - bis ich in der wirklichen, meiner himmlischen Heimat angekommen bin.

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