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28JAN2024
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Manchmal da möchte man doch Gefühle oder Momente am liebsten einschließen. Für immer darin leben. Dann, wenn man voller Glück ist, ganz mit sich im Reinen, es keinerlei Störfaktoren gibt. Diese Situationen und Augenblicke dauerhaft zu konservieren – das wäre es! 

So einfach geht das leider nicht. Die Hochs des Lebens sind flüchtig. Einfrieren und auftauen, wann man möchte, kann man solche Glücksmomente leider nicht. Oft muss man wieder quälend lange sie warten. 

Für mich ist Weihnachten so ein Moment, den ich gerne festhalten würde. Klar, nicht alles an Weihnachten ist perfekt. Aber trotzdem: Ich finde an Heiligabend und den nachfolgenden Feiertagen legt sich immer so eine Ruhe übers Land. Familie und Freunde treffen sich. Über die Weihnachtstage ist alles andere unwichtig. Weihnachtsstimmung breitet sich aus. Ich habe jedes Jahr den Eindruck: Das tut uns gut. 

Heute wird in vielen Kirchen nochmals an Weihnachten erinnert. Denn in einigen Traditionen endet die Weihnachtszeit erst am 2. Februar. In vielen evangelischen Kirchen wird dabei über einen Abschnitt aus dem 2. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth gepredigt. Paulus macht den Leserinnen und Lesern Mut:

Wir stehen von allen Seiten unter Druck, aber wir werden nicht erdrückt. Wir sind ratlos, aber wir verzweifeln nicht. Wir werden verfolgt, aber wir sind nicht im Stich gelassen. (2Kor 4,8) 

Paulus erinnert an die Kraft, die durch Jesus in die Welt gekommen ist. Er schreibt seinen Brief Jahrzehnte nach Jesu Tod. Aber Jesus Botschaft hat weitergelebt und die Menschen ermutigt und gestärkt. Das ist bis heute so. Deshalb feiern wir immer noch Weihnachten, die Geburt Jesu. Da kommt eine Kraft in unser Leben, die uns stützt und trägt. 

Die Weihnachtsstimmung lässt sich vielleicht nicht einschließen. Aber Weihnachten wirkt weiter. Das Fest ermutigt. Und wenn ich mich an diese friedlichen, fröhlichen, erfüllenden Weihnachtsmomente zurückerinnere, zieht mich das hoch, wenn ich ratlos oder verzweifelt bin. 

 

     

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21JAN2024
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Das Gefühl, dass Zeit begrenzt ist und immer knapper wird, kennen viele. Nicht nur aus dem Job. Da steht eine Prüfung, ein großes Fest oder ein Umzug bevor. So vieles muss vorher noch erledigt werden. Hab ich auch an alles gedacht, wirklich nichts vergessen? Wird am Ende alles auch so klappen, wie ich mir das ausgedacht habe? Und immer sitzt einem dabei diese Zeit im Nacken, die immer kürzer zu werden scheint. Mir macht sowas mächtig Stress.

Dass die Zeit begrenzt ist und abläuft, das war für die ersten Christinnen und Christen tatsächlich eine Art Grundgefühl. Nur als stressig scheinen sie das damals gar nicht empfunden zu haben. Ganz im Gegenteil. Weil sie damals noch gehofft haben, dass Jesus bald wiederkommen und Gottes neue Welt dann endlich voll und ganz da sein wird. Denn darauf hat auch Jesus selbst ganz fest gehofft. Es spiegelt sich in der Geschichte, die heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist. Da wird erzählt, wie Jesus beginnt, als Wanderprediger durch Galiläa zu ziehen. Und der Kern seiner Botschaft heißt: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt!“ (Mk 1,15) Er war sich sicher: Gottes neue Welt steht kurz bevor. Und die Menschen können ihr entgegengehen, wenn Sie sich besinnen und ganz auf diesen Gott setzen.

Bis heute beten Christinnen und Christen in jedem Gottesdienst den Satz „bis du kommst in Herrlichkeit“. Das ist nicht nur eine Erinnerung an ganz Früher. Der Gedanke, dass die Zeit unserer Welt begrenzt ist, gehört zum Christentum. Oft wird das einfach wie selbstverständlich gesagt. Doch wenn ich in Ruhe darüber nachdenke, dann ist der Satz ja ungeheuerlich. Und zugegeben, wie das gehen soll mit einem Ende der Zeit, das weiß ich auch nicht. Was ich mir aber sehr wohl vorstellen kann, je älter ich werde umso mehr: Dass meine eigene Zeit zu Ende geht. Dass ich mich immer öfter mal frage, wie meine Lebensbilanz wohl am Ende aussehen wird. Sicher, das könnte mir völlig egal sein. Nach mir die Sintflut. Ist es aber nicht. Weil ich als Christ eben glaube, dass ich das nicht nur vor mir selbst, sondern auch mal vor Gott vertreten muss. Angst macht mir das nicht. Aber es macht mir klar, dass auch Zeit endlich und kostbar sein kann. Und dass es deshalb nicht gleichgültig ist, was ich daraus mache.

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14JAN2024
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Ich muss so sieben, acht Jahre alt gewesen sein. Ich erinnere mich, in bin mehr oder weniger gerannt an der Hand meiner Mutter – zu irgendeinem Treffpunkt meiner Schulklasse für einen Ausflug. Meine Mutter ist so gelaufen, dass sie sich eine blutige Blase an der Verse geholt hat – ihr Kind sollte den schönen Ausflug doch nicht verpassen. Und mir selbst, an der Hand meiner Mutter, ist damals total die Puste ausgegangen. Und – ich weiß noch – ich hatte ganz weiche, wacklige Knie vom Laufen. Fast hätte ich geheult, und am liebsten hätte ich aufgegeben.

Wie scheußlich sich das anfühlt – die Kraftlosigkeit, Atemlosigkeit, der Wusch, einfach aufzugeben - das ist mir wieder eingefallen, als ich einen Blick auf den Bibeltext geworfen habe, der heute in vielen evangelischen Gottesdiensten in der Predigt dran ist. Es ist eine Stelle aus dem sogenannten Hebräerbrief, und da heißt es sinngemäß:

Stärkt die müden Hände und die wackligen Knie. Tut sichere Schritte mit euren Füßen, damit niemand ins Stolpern gerät… Jagt dem Frieden nach mit allen Menschen und sucht nach Heiligkeit. (frei nach Hebr. 12, 12-14)

Dem Frieden nachjagen – hier in Mitteleuropa hatten viele wirklich gehofft, dass wir da ein Stück weiter wären. „Nie wieder Krieg“ hatte es nach dem Zweiten Weltkrieg geheißen. So viele Menschen haben sich eingesetzt und engagiert für Frieden, für Abrüstung und Völkerverständigung – und jetzt? In der Ukraine, in Armenien, im Nahen Osten? Warum hat der Frieden da nicht gehalten? Und warum rumort es auch in unserer Gesellschaft so aggressiv, dass es einem mulmig werden kann? Wir haben uns doch so bemüht, sind gelaufen und haben anscheinend doch nur Blasen an den Füßen, die Knie geben nach und manchmal möchte man den Glauben verlieren und einfach aufgeben.

Nein, sagt da der Autor und Schreiber des Hebräerbriefes in der Bibel. Dazu habt ihr kein Recht. Stärkt eure Knie. Schaut zu, dass ihr ordentlich vorankommt. Schluss mit dem Rumgestolpere und weg mit dem Gedanken ans Aufgeben! Gebt den Glauben und das Vertrauen nicht auf. Ihr glaubt ja an Gott und nicht einfach nur an die Kraft der eigenen Beine. Daran, dass Gott für seine Welt Frieden will. Und dass Jesus an Weihnachten geboren wurde, damit dieser Wille für uns greifbar wird! Dass wir Menschen heilig sein können! Und dass Jesus Christus mit uns mitläuft und rennt – und uns mitzieht. Also auf. Mit neuer Kraft: dem Frieden hinterher und der Heiligkeit.

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07JAN2024
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Für mich ist es jedes Mal ein bewegender Moment. Ich stehe als Seelsorgerin am Grab eines Menschen. Gerade wurde die Urne oder der Sarg in die Erde gelassen, und dann nehme ich Weihwasser und spreche die alten Gebetsworte: „Im Wasser und im Heiligen Geist wurdest Du getauft. Der Herr vollende an dir, was er in der Taufe begonnen hat.“

Für mich ist das zutiefst tröstlich. Denn diese Worte bedeuten: Durch die Taufe ist ein Mensch so eng mit Gott verbunden, dass selbst der Tod diese Verbindung nicht zerstören kann. Und sogar noch mehr, dass Gott das Leben vollendet. Dass er alles, was im Leben dieses Menschen kostbar gewesen ist, aufnimmt, und das, was unfertig oder zerbrochen war, ergänzt und heilt.

 

Wenn heute in katholischen Gottesdiensten das Fest „Taufe des Herrn“ gefeiert wird, dann ist die biblische Erzählung von Jesus zu hören, in der er im Jordan getauft wird. Eine Stelle voller Symbolkraft. Jesus kommt zu Johannes dem Täufer und steigt ins Wasser. Vielleicht sogar an eine der tiefsten Stellen im Jordan. Dahin, wo es schlammig ist, wo man stecken bleiben, ausrutschen oder gar untergehen kann. Ein Ort, der symbolisch für das stehen kann, was mich manchmal runterzieht, ein Ort der Ängste und Sorgen. Vielleicht auch ein Ort, der für die Momente steht, in denen ich mit anderen nicht umsichtig umgegangen bin oder in denen ich nachlässig mit meinem Körper war. Momente, in denen ich danach gemerkt habe: so kann es nicht weitergehen. Zu viel dies, zu wenig das.

 

Genau dorthin geht Jesus. Und dort, am tiefsten Punkt, da begegnet mir Gott mit seiner Liebe. In der Bibel heißt es, dass sich der Himmel öffnet und „eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ (Mk 7,11)

Eine göttliche Liebeserklärung. Und sie verändert Jesus: Danach beginnt er, öffentlich aufzutreten, und die Menschen spüren etwas von diesem himmlischen Liebesband.

In diese Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Jesus, sind Menschen mit hineingenommen - vor allem durch die Taufe, aber auch wenn sie eine Sehnsucht nach dieser Verbindung spüren. Eine Verbindung, die Kraft zum Leben und auch zum Sterben gibt.

Für mich sagt Gott zu jedem Menschen: Du, Mensch, bist gut. So wie Du bist. Du bist meiner Liebe wert. Es gibt Dinge, die Dein Leben gefährden. Die dich runterziehen in die Tiefe. Aber ich bin bei Dir. Und auch am tiefsten Punkt Deines Lebens, im Tod, da führe ich Dich zum Leben.

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06JAN2024
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Legendär ist er, König Salomo, von dem die Bibel erzählt. König in Jerusalem, berühmt für seine Klugheit. Sein Vertrauen setzt er auf Gott und regiert sein Land mit großer Weisheit. Und die Pracht an seinem Hofe! Da können die Royals von heute einpacken – und wenn sie auf den Fotos der Illustrierten noch so sehr lächeln und strahlen. Aber ob er wohl wirklich der „perfekte“ Herrscher war? Die Illustrierten von heute hätten sicher versucht, irgendeinen Skandal über Salomo auszugraben. Und sie hätten es sich sicher nicht nehmen lassen, von DEM Staatsbesuch des Jahres zu berichten, den Salomo einmal empfangen hat.

Keine Geringere als die Königin von Saba war angereist – nur um den legendären, unglaublich klugen und perfekten Salomo selbst zu sehen. Und sie macht gleich Ernst, als sie bei ihm eintrifft. In der Bibel wird erzählt, dass sie dem König Salomo Rätselfragen stellt. Am Ende ist sie aber überzeugt: Kein Haar in der Suppe zu finden. Salomo wird seinem legendären Ruf gerecht.  „Das alles sah sie, und es verschlug ihr den Atem.“, so formuliert es der Bibeltext, über den heute in vielen evangelischen Gemeinden gepredigt wird.

Ich finde es bemerkenswert, wie sie dann reagiert. Sie beglückwünscht den König zu seiner Weisheit, spricht davon, dass auf ihm wahrlich Gottes Segen liegt und beschenkt ihn dann mit 4000 Kilogramm Gold. Wenn ich da an die Illustrierten von heute denke oder die Art, wie in der Politik der eine die Schwachstelle des anderen sucht, dann wäre die normale Reaktion auf einen so weisen und mächtigen König viel eher, nach seinen Schwachstellen zu suchen und im besten Falle Profit daraus zu schlagen. Von nichts davon ist hier die Rede. Die Königin reagiert nur mit neidloser Anerkennung. Voller Ehrfurcht. Ganz ähnlich wie die heiligen drei Könige, die viele Jahrhunderte später in der Geschichte von Jesus Geburt auftauchen. Die Weisen aus dem Morgenland, wie sie in der Bibel eigentlich genannt werden, können genau wie die Königin und Saba neidlos bewundern.

Sie können anerkennen, was Anerkennung verdient. Staunen, ohne zu überlegen, ob da nicht doch auch ein Makel ist.

Der Königin von Saba verschlägt es den Atem, sie staunt und dann dankt sie dem Gott Salomos für die Weisheit des Königs. Neidloses Staunen und Danken – ich finde, das ist ein gutes Motto, um Menschen zu begegnen. Auch dann, wenn es keine Könige sind.

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31DEZ2023
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Was für ein Titel: Fest der „Heiligen Familie“. In diesem Jahr fällt in der Katholischen Kirche der letzte Tag des Jahres mit diesem Fest zusammen. Und die Pfarrer, die predigen müssen, haben ein Problem, weil von dem nicht mehr viel übrig ist, was man traditionell so unter Familie und heilig versteht. Ehen werden geschieden, Paare heiraten erst gar nicht - kirchlich sowieso kaum noch. Mit der Autorität der Eltern ist es nicht mehr weit her. Viele Menschen bleiben lieber Singles. Und auch, dass die Rollen und Geschlechter klar in Mann und Frau eingeteilt sind, kann man beileibe nicht mehr behaupten. Wer also nach dem bürgerlichen Ideal von Familie sucht und meint, das sei heilig, der wird enttäuscht sein. Auch von mir, weil ich etwas in der Art auch in der Bibel so nicht finde. Obwohl die Auswahl der Texte, die an diesem Sonntag im Gottesdienst vorgetragen werden, zumindest den braven Schein aufrecht erhalten wollen. In einer Lesung heißt es nämlich: Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt![1] So einen Gedanken findet inzwischen sogar meine Mutter komisch; und die ist über achtzig und in ziemlich traditionellen Rollenmustern aufgewachsen.

Was steckt aber dann an Familie und Heiligkeit in so einem Satz? Und was bringt das für heute? Dass Frauen sich unterordnen, ist vorbei. Gottlob! Aber es bleiben Situationen, wo in einer Familie eine das Sagen hat und der andere folgen muss. Hoffentlich sind die Aufgaben dabei gut verteilt und die Rollen wechseln. Hoffentlich gibt es dann neben dem Sagen und Unterordnen, auch das einander Respektieren und Lieben. Das war schon in der Familie so, die dem Fest heute seinen Namen gibt. Maria wird unter seltsamen Umständen schwanger und setzt sich trotzdem ihrem Verlobten gegenüber durch. Der, Josef, muss sich erst in seine Vaterrolle hineinfinden. Und das Kind interessiert sich bald mehr für Dinge außerhalb seiner Familie, was den Eltern einiges an Kopfzerbrechen bereitet hat.

Familie ist heute anders als früher, komplizierter und vielfältiger, als viele das wahrhaben wollen. Aber im Grunde ist es ganz einfach. Familie ist dort, wo Menschen Leben weitergeben, ein gutes Vorbild und Begleitung sind für die, die nachkommen. Und heilig ist Familie überall da, wo in ihr etwas von Gottes Liebe aufblitzt.

 

[1] Kolosserbrief 3,18

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26DEZ2023
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Schenken und beschenkt werden. Das war eine der Hauptbeschäftigungen in den letzten Tagen. Und vielleicht gibt es ja heute sogar noch ein paar Geschenke… Ich würde nicht Nein sagen!

Was ich an Weihnachten toll finde: Es ist keine Einbahnstraße. Man schenkt und wird beschenkt. Geben und Nehmen.

Darum geht es auch im 2. Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth. Paulus erinnert die Menschen in dem Brief an das, was wir auch an Weihnachten feiern: Jesus ist zu euch gekommen. Dieses kleine Baby in der Krippe hat die Welt verändert. Er hat von der Gnade Gottes erzählt und davon, wie wir respekt- und liebevoll zusammenleben können. Paulus sagt: Jesus hat euer Leben verändert, er hat es reicher gemacht. Was für ein Geschenk! (2Kor 8,7-9)

Aber Paulus will auch etwas: nämlich Geld! Er sammelt Spenden ein, für Menschen und Gemeinden, die es benötigen. Geben und nehmen. Weil ihr so reich beschenkt wurdet, könnte ihr auch etwas abgeben, sagt Paulus. Geld für Gottes Liebe? Wie eine Art Tauschgeschäft?

Nach den Feiertagen fangen viele Beschenkte ja auch mit Tauschgeschäften an. Falls Sie es gerade nicht auf dem Schirm haben: Morgen ist Mittwoch. Ein Werktag. Häufig dient dieser 1. Werktag nach dem Weihnachtsfest dazu, unliebsame Geschenke einzutauschen. Geld gegen Ware bzw. Ware gegen Geld. Ein wirtschaftlicher Handel. Irgendwie auch ein Geben und Nehmen. Und doch etwas ganz anderes als Schenken und beschenkt werden.

Auch Paulus hatte keinen Handel im Sinn. Er hat nicht gesagt: Gottes Gnade muss man sich erkaufen. Oder: Jesus verlangt so und so viel.

Vielmehr argumentiert er so: Wer reich beschenkt ist, kann etwas abgeben. Wer beschenkt ist, den drängt es geradezu dazu, andere zu unterstützen, weniger Privilegierten etwas abzugeben – dadurch gibt man, so Paulus, auch etwas von der Gnade Gottes weiter. Ohne dass ich dafür eine Gegenleistung fordern muss. Denn ich bin schon beschenkt.

An Weihnachten wird uns Gott geschenkt. Er wird Mensch und macht dadurch unser Leben reicher.

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25DEZ2023
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Der Stall mit dem neugeborenen Kind in der Krippe. Daneben Maria und Josef. Draußen auf den Feldern die Hirten, die Wache bei ihren Tieren halten. Und über der ganzen Szene die himmlischen Chöre, die vom Frieden auf Erden singen. Die Geschichten der Weihnachtsnacht sind voll von herzerwärmenden Bildern und großen Gefühlen. Randvoll zudem mit der Sehnsucht so vieler Menschen nach Frieden, Glück und Harmonie. Doch nun ist die Nacht vorbei. Nun ist es Tag und in den katholischen Kirchen ist eine ganz andere Geschichte zu hören. Eine Geschichte, die eher philosophisch daherkommt. Die meinen Verstand ansprechen will und nicht so sehr Herz und Gemüt. Ja, die fast schon wie ein Gegensatz erscheint zur Familiengeschichte im Stall von Bethlehem. Und doch ist sie eine Weihnachtsgeschichte. Denn die ersten Verse des Johannesevangeliums erzählen von Gottes Wort, das in die Welt gekommen ist. Sie erzählen davon, dass dieses Gotteswort „Fleisch geworden“ ist in einem Menschen und dass es „unter uns gewohnt“ (Joh 1,14) hat. Im Griechischen steht dafür das Wort „Logos“. Das wird zwar meistens mit „Wort“ übersetzt. Tatsächlich aber bedeutet es viel mehr. Gott selbst, so will dieser Weihnachtstext damit sagen, ist in die Welt gekommen. In einem konkreten Menschen, in Jesus aus Nazareth, konnte man ihm begegnen.

Diese beiden so grundverschiedenen Weihnachtsgeschichten habe ich lange nur sehr schwer zusammen bekommen. Der Stall, das kleine Kind und die Hirten am einen Tag, und dann diese abstrakten Gedanken vom göttlichen Wort am andern. Heute finde ich, dass das sogar ganz gut zusammenpasst. Ein hilfloses Kind in einem armseligen Stall ist ein wunderbares Bild. Es kann mich anrühren und mir zeigen, wie das gemeint sein soll mit dem Frieden auf Erden. Aber das Bild zerbricht schnell an der brutalen Wirklichkeit, auch heute. Wo russische Truppen gezielt Kinderkrankenhäuser bombardieren und ukrainische Kinder töten. In meiner Wut und Hilflosigkeit hilft mir da der Gedanke vom göttlichen Wort, das in die Welt gekommen ist und sie nie verlassen wird. Das auch heute bei denen sein will, die unter der Gewalt anderer leiden und sterben. Und auch bei denen, die verzweifelt um den Frieden ringen. In der Ukraine, in Israel und anderswo. Wenn Kinder dort wieder unbeschwert und ohne Angst leben und aufwachsen können, dann hätte sich der tiefere Sinn von Weihnachten erfüllt.

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24DEZ2023
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Stimmt es eigentlich, dass Vorfreude die schönste Freude ist? Ich meine ja, denn jedes Jahr passiert es mir wieder: Wenn ein Urlaub näher rückt, freue ich mich wie ein Kind auf die bevorstehende Reise. Ich zähle die Tage, schaffe mir Urlaubslektüre an und sammle Rezepte aus der Küche des Urlaubslandes. Die Vorfreude wächst. Sie ist eine schöne Freude. Aber dann kommt immer auch dieser eine Augenblick, wenn wir endlich im Auto sitzen und es los gehen kann. Die Koffer gepackt und verstaut, nur noch wenige Stunden trennen uns vom sehnsüchtig erwarteten Reiseziel, und mich überkommt eine tiefe Traurigkeit, weil sich in diesem Moment das Blatt wendet: Ab jetzt sind die Urlaubstage nämlich gezählt und werden unweigerlich vorbei gehen. Die Vorfreude war riesig, die eigentliche Freude will sich nicht so recht einstellen. Verrückt, aber wahr.

Und an Weihnachten? Der vierte Advent ist der Sonntag im Kirchenjahr, der die Vorfreude bündelt und riesengroß macht. „Freut euch immerzu, weil ihr zu Gott gehört. Ich sage es noch einmal: Freut euch! Gott ist nahe! Macht euch keine Sorgen!“ So wird aus einem Brief des Paulus zitiert. Dazu singt Maria ein begeistertes Lied, außer sich vor Freude über das Kind in ihrem Bauch. Mit Blick auf die Umstände, die seine Geburt begleiten werden, könnte man auch sagen: Deine Vorfreude, Maria, ist die schönste Freude. Denn was dir bis zur Geburt noch bevorsteht, ist eine echte Zumutung: Du musst noch einen ellenlangen Weg zu Fuß nach Bethlehem zurücklegen. Dort wird es keine Unterkunft geben, und schließlich wirst du dein Kind in einem zugigen Stall zwischen Ochs und Esel zur Welt bringen müssen. Aber draußen auf den Feldern wird der Himmel aufreißen und ein Engel wird zu verschreckten Hirten sagen: „Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude!“

So viel Freude liegt heute in der Luft. Nun liegt es an uns, dass wir sie hören, ins Herz lassen und spüren. Ich wünsche Ihnen, dass alle Vorfreude sich heute in große Freude verwandelt. Fröhliche, gesegnete Weihnachten!  

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17DEZ2023
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Ein Augusttag vor fast 300 Jahren. Der Komponist Georg Friedrich Händel ist krank. Und er steckt mitten in seiner schwersten Schaffenskrise. Er weiß nicht, ob er jemals wieder Musik schreiben wird. Müde und trostlos beginnt er in dem Manuskript zu lesen, das ihm sein Freund Charles für ein neues Stück zugesandt hat. Doch das, was er da liest, fesselt ihn auf Anhieb. Er ist sich sicher: Ich bin gemeint. Diese Worte sind nur für mich. Da steht: Tröste dich mein Volk, spricht dein Gott! Vernehmt die Stimme Johannes des Täufers in der Wüste. Bereitet unserem Gott den Weg.

Händel verschlingt die biblischen Worte vom Trost und von Johannes dem Täufer. Wie in einem Rausch komponiert er in nur drei Wochen eines seiner bekanntesten Werke: den Messias. Als die Menschen später die Musik hören, sind sie tief berührt von der Kraft der tröstenden Musik. Bis heute.

Auch ich lechze nach Worten und Klängen, die mich trösten. Kriege – an so vielen Orten auf unserer Welt –, hasserfüllte Menschen, die brutal morden, Hitzewellen und Überschwemmungen. Und dazu das, was ich in meinem Umfeld mitbekomme: ein Kind, das kurz vor der Geburt im Bauch der Mutter stirbt, eine Krankheit, bei der die Ärzte nicht wissen, wie sie sie in den Griff bekommen können.

Da ist so Vieles, was das Herz bedrückt und was mich ohnmächtig und ratlos zurücklässt. Wie sehr brauche ich in solchen Zeiten Trost, der mich stärkt und meine Seele wieder aufrichtet.

Händel hat den Trost in alten biblischen Worten gefunden. Und in der Figur von Johannes dem Täufer. Von ihm ist heute, am dritten Adventssonntag, in katholischen Gottesdiensten die Rede.

Johannes ist zuversichtlich, dass Gott kommt. Darauf weist er sein ganzes Leben lang hin. Er selbst sieht sich als Wegbereiter Gottes und sagt: „Ebnet den Weg für den Herrn“ (Joh 1,23). Johannes ist überzeugt, dass sich alles zum Guten wendet, wenn Gott kommt. Dass alles Leid, alles, was uns jetzt Sorgen macht, ein Ende haben wird. Dass da einer kommt, der Heil und Leben bringt.

Auch wenn Menschen nach wie vor einander Schlimmes antun, auch wenn es weiterhin Schicksalsschläge und Naturkatastrophen gibt, so tröstlich sind für mich adventliche Gestalten, wie Johannes der Täufer. Und auch Klänge, wie die von Händels Messias. Beide lösen die Probleme nicht, aber sie richten mich innerlich auf und wärmen mein Herz. So dass ich wieder hoffen kann.

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