SWR1 3vor8

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25DEZ2023
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Der Stall mit dem neugeborenen Kind in der Krippe. Daneben Maria und Josef. Draußen auf den Feldern die Hirten, die Wache bei ihren Tieren halten. Und über der ganzen Szene die himmlischen Chöre, die vom Frieden auf Erden singen. Die Geschichten der Weihnachtsnacht sind voll von herzerwärmenden Bildern und großen Gefühlen. Randvoll zudem mit der Sehnsucht so vieler Menschen nach Frieden, Glück und Harmonie. Doch nun ist die Nacht vorbei. Nun ist es Tag und in den katholischen Kirchen ist eine ganz andere Geschichte zu hören. Eine Geschichte, die eher philosophisch daherkommt. Die meinen Verstand ansprechen will und nicht so sehr Herz und Gemüt. Ja, die fast schon wie ein Gegensatz erscheint zur Familiengeschichte im Stall von Bethlehem. Und doch ist sie eine Weihnachtsgeschichte. Denn die ersten Verse des Johannesevangeliums erzählen von Gottes Wort, das in die Welt gekommen ist. Sie erzählen davon, dass dieses Gotteswort „Fleisch geworden“ ist in einem Menschen und dass es „unter uns gewohnt“ (Joh 1,14) hat. Im Griechischen steht dafür das Wort „Logos“. Das wird zwar meistens mit „Wort“ übersetzt. Tatsächlich aber bedeutet es viel mehr. Gott selbst, so will dieser Weihnachtstext damit sagen, ist in die Welt gekommen. In einem konkreten Menschen, in Jesus aus Nazareth, konnte man ihm begegnen.

Diese beiden so grundverschiedenen Weihnachtsgeschichten habe ich lange nur sehr schwer zusammen bekommen. Der Stall, das kleine Kind und die Hirten am einen Tag, und dann diese abstrakten Gedanken vom göttlichen Wort am andern. Heute finde ich, dass das sogar ganz gut zusammenpasst. Ein hilfloses Kind in einem armseligen Stall ist ein wunderbares Bild. Es kann mich anrühren und mir zeigen, wie das gemeint sein soll mit dem Frieden auf Erden. Aber das Bild zerbricht schnell an der brutalen Wirklichkeit, auch heute. Wo russische Truppen gezielt Kinderkrankenhäuser bombardieren und ukrainische Kinder töten. In meiner Wut und Hilflosigkeit hilft mir da der Gedanke vom göttlichen Wort, das in die Welt gekommen ist und sie nie verlassen wird. Das auch heute bei denen sein will, die unter der Gewalt anderer leiden und sterben. Und auch bei denen, die verzweifelt um den Frieden ringen. In der Ukraine, in Israel und anderswo. Wenn Kinder dort wieder unbeschwert und ohne Angst leben und aufwachsen können, dann hätte sich der tiefere Sinn von Weihnachten erfüllt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38988
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