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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11FEB2022
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Als wir Kinder waren, durften wir manchmal mit Mutters Handarbeitskästchen spielen. Die Knöpfe waren das Beste, da konnte man die großen und die kleinen sortieren und ganze Familien zusammenstellen, der Größe nach.

Und Mutters Stopfei. Man lässt es in die Socke fallen, schiebt es unter die Spitze und kann dann die Löcher in der Socke  bequem stopfen. Ist etwas aus der Mode gekommen: Socken stopfen. Früher war das normal.

Das Stopfei meiner Mutter war klein, grau, mit einem Stöpsel. „Ist da was drin?“ fragten wir. „Nee, jetzt nicht mehr“, antwortete die Mutter und erst als wir älter wurden erklärte sie uns, dass das eine Handgranate gewesen war, die ihr Zwillingsbruder, mein Onkel, beim Spielen während des Krieges gefunden hatte. Erst, als klar war, dass diese Handgranate nicht mehr explodieren würde, kam sie in den Familienbesitz als Erinnerungsstück. Erst bei meiner Oma, dann bei meiner Mutter, und jetzt liegt sie bei meiner Schwester im Handarbeitskästchen.

Schwerter zu Pflugscharen *, das ist ein geflügeltes Wort, das auf die Bibel zurück geht. Da geht es um den großen Frieden Gottes für alle Völker, wenn die Menschen ihre Waffen zu landwirtschaftlichem Arbeitsgerät umschmieden: nicht mehr andere töten – damals mit dem Schwert - , sondern für essen sorgen – damals mit Pflugscharen. Ein Schlagwort war das für die Friedensbewegung in der DDR in den 1980er Jahren; es wurde später auch in Westdeutschland übernommen.

Auch heute wieder sehr aktuell. Können wir Frieden schaffen durch Waffenlieferungen? Oder tragen wir damit weiter zur Aufrüstung bei? 

Und wer wird die westlichen Waffen benutzen? Können die nicht auch in die falschen Hände kommen? Das haben wir ja im August letzten Jahres in Afghanistan mit den amerikanischen Waffen gesehen, als die Taliban sie erbeutet haben.

Es ist auch keine Lösung, sich aus den Konflikten herauszuhalten, die Frage ist aber: wie? Durch Bildung für Jungen und Mädchen. Durch medizinische Hilfen für Frauen und Männer. Ich glaube schon lange nicht mehr, dass Gewalt durch Gewalt besiegt werden kann. Deshalb bleibe ich dabei: Schwerter zu Pflugscharen, Helme zu Küchensieben und Granaten zu Stopfeiern.

 

* Micha 4,1-4

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10FEB2022
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Ich hab ein Problem, sagt Frau Müller auf der Palliativstation. Mein Sohn kommt erst nächste Woche und ich hab kein Geld und wenn ich am Wochenende ins Hospiz verlegt werde, will ich doch wenigstens etwas Bargeld dabei haben.

Sie schaut mich prüfend an. Können Sie für mich zur Bank fahren?

Ja, wenn Sie mir die ec-Karte und die PIN anvertrauen wollen.

Sie schaut mich nochmal an, dann gibt sie mir die ec-Karte. 6655.

Ok,  kann ich mir merken.

Bitte holen Sie gleich 1200 Euro und bringen Sie die Kontoauszüge mit.

Hups, das ist viel Geld. Und in der Stadt ist grade Schulschluss, die Busse verstopfen die Straßen, ich brauche 40 Minuten, bis ich wieder bei Frau Müller bin. Was soll sie denken? Dass sie zu vertrauensselig war? Ja, sie hatte grade angefangen, etwas zu grübeln. Aber dann hatte sie sich beruhigt: die Frau Peters arbeitet bei der Kirche, die ist auch hier im Krankenhaus bekannt, das wird schon gutgehen.

Ein Vertrauensvorschuss, den ich mir nicht selbst erarbeitet habe. Den verdanke ich der  katholischen Kirche. Und natürlich auch dem Eindruck, den ich bei Frau Müller hinterlassen habe: dass ich persönlich vertrauenswürdig bin.

Die katholische Kirche hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel Vertrauen verspielt.   Die sexuelle Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen, die in der Kirche verübt wurde, ist abscheulich. Und der Umgang der Oberen damit zum Teil erbärmlich. Schweigen, Ausreden, Lügen. Für manches gibt es einfach keine Worte, jedenfalls keine, die man hier aussprechen kann. Ich bin seit 42 Jahren bei der Kirche angestellt, aber jetzt bin ich fast jeden Tag neu entsetzt oder fassungslos und wirklich wütend über das, was alles ans Tageslicht kommt.  Reihenweise treten die Menschen aus der Kirche aus; vollkommen verständlich, ich nehme das niemandem übel.

Ich bin aber traurig, weil ich viele Male in meiner Arbeit als Seelsorgerin erlebt habe, wie der Glaube an Gott Menschen hilft, sie stark macht und tröstet. Wie Menschen dem Beispiel Jesu folgen und Gutes tun. Gott ist nicht das Problem, ein Teil des Bodenpersonals ist das Problem. Vielleicht hilft die umfassende öffentliche Kritik, dass in der Kirche Spreu und Weizen getrennt werden. Ich warte auf den gründlichen Neustart der Kirche, damit Gott wieder bei den Menschen ankommen kann.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

01DEZ2021
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Meine kleine Nachbarin gab mir zu verstehen, dass sie mich besuchen wollte. Die Mama hat es erlaubt und schnell noch einen Schal geholt. Dann nahm sie meine Hand und ich ging mit ihr über die Straße  in meine Wohnung. Im Flur blieb sie zögernd stehen und überlegte, wohin sie jetzt gehen sollte. Ich machte die Tür vom Wohnzimmer auf.

Elanur ist drei, sie kommt aus Syrien und lernt grade im Kindergarten die ersten deutschen Wörter verstehen und sprechen. Tschüss kann sie schon, und dazu winken, wenn jemand geht. Normalerweise spricht sie kurdisch. Das verstehe ich leider nicht, auch wenn sie es immer wieder versucht.

Sie spazierte durchs Wohnzimmer. Zeigte auf die Lampe, fand den Schalter und knipste sie an. Ich sagte „Lampe“. Sie nickte und sagte nichts.

Dann zeigte sie auf das Sofa, so etwas kennt sie von zuhause. Ich sagte „Sofa“. Sie nickte verständig. Sagte aber nichts. Auf dem Couchtisch sind in einer Schale ein paar Schokolädchen. Die erkannte sie sofort, zeigte darauf und probierte. Es schmeckte ihr offensichtlich. Wir gingen dann ins Bad, um die Hände zu waschen, dazu brauchte sie den Hocker. Aber es klappte. Dann fand sie die Fernbedienung im Wohnzimmer, drückte darauf, der Fernseher ging an. Offenbar kannte sie das; es interessierte sie nicht weiter und sie machte ihn wieder aus.

Die Leiter fand sie gut. Auf der obersten Stufe stand sie über mir und lächelte überlegen auf mich herab.

Bisher hatte sie das Klavier noch nicht gesehen. Ich klappte den Deckel hoch und zeigte ihr, wie man vorsichtig mit dem Finger die Tasten herunterdrückt. Erst versuchte sie es auch so, dann nahm sie die ganze Hand und später beide. Sie war glaube ich erstaunt, wie viel Krach sie so machen konnte, aber es gefiel ihr.

Dann reichte es ihr und sie sagte klar und deutlich: Mama.

Ok, ich brachte sie nach Hause. Die Mama war glaube ich stolz auf den ersten Ausflug ihrer Tochter in die Nachbarschaft. Eine deutsche Frau und ein kurdisches Kind – es kann so einfach sein, sich zu verständigen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30NOV2021
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Immer das Gleiche morgens. Der Wecker schellt, ich gehe nach nebenan ins Bad, koche Kaffee, dusche und such mir was zum Anziehen – typisch Frau, Kleiderschrank voll aber nix zum anziehen da...aber irgendwann findet sich doch was.

Dann ins Auto und zur Arbeit fahren. Nichts besonderes eigentlich, so ist es heute Morgen vielen gegangen.

Nicht den Menschen aus dem Ahrtal, die ich als Seelsorgerin im Containerdorf in Mendig treffe. Die überlegen gründlich, ob sie wirklich aufstehen sollen aus dem warmen Bett. Im Nachthemd ins Bad geht hier nicht, denn Toilette und Dusche erreicht man nur in den Extra-Containern. Also Tagesklamotten anziehen, dicke Jacke drüber, ein Weg über die Wiese, durch den Matsch, Schuhe dreckig, hilft ja nichts. In den Sanitärcontainern ist geheizt, aber wenn jemand die Tür nicht zugemacht hatte, merkt man das nicht mehr. Und den Matsch trägt man ja trotzdem rein, auch wenn täglich geputzt wird.

Zurück im Wohncontainer. Zwei Betten, dazwischen etwas Platz für ein Leselämpchen.

Ein Tisch mit 2 Stühlen. Zwei Spinde aus Plastik oder Metall. Ein Kühlschrank. Und die Elektroheizung. Eine Grundausstattung. Manche haben es sich etwas gemütlich gemacht, aber bei manchen sieht es auch nach 4 Monaten noch so aus. Und die Langeweile zermürbt die Menschen.

Zuhause könnte man sich im Haushalt zu schaffen machen oder im Garten winterliche Ordnung herstellen. Man könnte einkaufen fahren oder fernsehen oder walken gehen. Hier kann man ins große Zelt gehen, sich aus den Kühlschränken Brot und Aufschnitt holen und im eigenen Container frühstücken. Das Essen und die Container wurden den Menschen kostenlos zur Verfügung gestellt. Mein Nachbar, der aus Pakistan hierher kam, findet die Verhältnisse im Containerdorf durchaus erträglich: in seiner Heimat müsste nach einer Katastrophe wie im Juli im Ahrtal jeder selbst für sich sorgen, da greift keine Versicherung ein und kein Staat und es gibt nicht die Aufbauhilfen und Spendengelder, die die Menschen hier bekommen oder die zumindest bereitgestellt wurden. Ich verstehe, was er meint: gemessen an vielen Gegenden in der Welt wird das Unglück, das Menschen in Deutschland trifft, besser aufgefangen. Aber ich bin wirklich für jeden froh, der eine andere Wohnung findet.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29NOV2021
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Hinterher ist man immer schlauer und weiß, was man hätte sagen sollen. Aber in der richtigen Sekunde fällt einem keine schlagfertige Antwort ein. Jedenfalls ging es mir so. Wenn ich dann im Nachhinein drüber nachdachte, hatte ich viele gute Ideen, aber leider zu spät. Deshalb habe ich mittlerweile in meinem Kopf eine Schublade für schlagfertige Antworten angelegt. Wenn mich heute jemand in Verlegenheit bringen will, ziehe ich da schnell die passende Antwort raus und hab die Lacher auf meiner Seite. Seitdem werde ich auch nur noch selten rot.

Letztens stand ich auf einem Fest mit ein paar Herren und ein paar Bier herum und die Rede kam auf Hamburg und ob ich schon mal in der Herbertstraße gewesen sei. „Ja“, sagte ich, „ein trostloser Ort. Traurige Gestalten, die da nach den Damen Ausschau halten. Die richtig guten Männer müssen nicht zahlen, zu denen kommen die Frauen freiwillig.“     1:0 für mich.

Heutzutage wird man ja bei kurzen Begegnungen immer gefragt, ob alles gut sei: „Na, alles gut?“ Und die richtige Antwort ist: „Ja, klar, bei dir auch?“ – und dann ist die Kommunikation am Ende.

Ich habe mir angewöhnt, auf diese Frage mit „Das Meiste“ zu antworten. Darauf stutzt dann mein Gegenüber kurz und prüft und stellt fest: „Ja, bei mir auch das Meiste“. „Und das ist ja schon viel“, ergänze ich dann und ich finde, das ist schon fast wie ein richtiges Gespräch.

Schlagfertige Gedanken finde ich auch immer mal wieder bei Albert Schweitzer. „Man wird kein Christ, wenn man in eine Kirche geht. Man wird ja auch kein Auto, wenn man sich in eine Garage stellt.“ Das kennen viele und es regt zum Nach-Denken an.

Albert Schweitzer erzählte von einem Bauern, der in die Stadt kam und im Gasthaus zu Mittag aß. Er betete kurz vor dem Essen. Die Städter lachten und einer fragte: „Na, bei euch oben auf dem Berg beten wohl noch alle?“

„Ne,“ sagte der Bauer, „nicht alle, Ochs und Esel gehen ohne Dank an den Trog.“ Der hatte dann auch die Lacher auf seiner Seite und bestimmt hat der eine oder andere darüber nachgedacht.

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Anstöße sonn- und feiertags

28NOV2021
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Seit ich im Krankenhaus arbeite, bin ich notgedrungen ein „earlybird“, eine Frühaufsteherin geworden. Man gewöhnt sich daran, um 6.00 aufzustehen und ich will nicht meckern, andere müssen noch viel früher raus. Samstag ist schon besser, aber da liegen meistens private Sachen an, da steh ich dann auch auf, weil es Zeit ist. Und dann kommt Sonntag. Kein Wecker. Aus Gewohnheit werde ich wach, mache mal die Vorhänge auf, je nachdem öffne ich das Fenster weit oder mache es fest zu. Koche Kaffee. Leg mich wieder ins Bett und trinke diesen Kaffee, der besser schmeckt als der in der Woche: weil Zeit ist, ihn zu genießen.

Der Nachbar hat nicht schon um 5 Uhr sein Fahrzeug anlaufen lassen. Keine Schulkinder auf dem Weg zum frühen Bus. Um 7.00 läuten die Glocken von der Kirche.  Ich liege im Bett und freue mich und denke an die Menschen früher ohne Uhr, die vom Läuten der Glocken durch die Pflichten des Tages bis in den Feierabend geleitet wurden. Es ist ganz besonders still am Sonntag. Ich wohne ja auf dem Land, da ist es fast nie richtig laut, aber diese sonntägliche Ruhe hat etwas Andächtiges.

Die Vögel zwitschern, viele Krähen dabei. Jetzt im November singen sie  nicht mehr, um Weibchen anzulocken, sondern nur noch aus Spaß. Oder mir zur Freude?

Es gibt ja viele Leute, die Sonntage doof finden. Langweilig, nicht genug los, shoppen geht nur im Internet, zu wenig Zerstreuungsmöglichkeiten.

Aber ich bin Gott total dankbar, dass ER selber auch nach 6 Tagen Arbeit am 7. Tag geruht hat, wie es die Bibel erzählt. Natürlich glaube ich nicht, dass ER mit 6 Mal Fingerschnipsen die Welt erschaffen hat. Die Evolution war SEINE Methode. Aber diese Ordnung der Tage, die verdanken wir wahrscheinlich IHM. Napoleon hat mal versucht, eine 10-Tage-Woche einzuführen.  Er wollte mit der christlichen Zeitrechnung brechen; es gab dann zwar Monate mit 3 mal 10 Tagen, aber keinen Sonntag, sondern nur alle 10 Tage das „Fest der Vernunft“ als Ruhetag. Hat nicht lange funktioniert.

6 Tage arbeiten, ein Tag Pause. Das passt zu uns.

Ich hole mir noch einen Schluck Kaffee, aber dann drehe ich mich nochmal um und mach die Augen zu: Dankeschön, für diesen schönen freien Tag!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28AUG2021
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Mist, wieder ein Knöllchen. Normalerweise stecken die ja hinter dem Scheibenwischer an der Windschutzscheibe. In diesem Fall war es um den Fahrradlenker gewickelt.

Christoph Kleeberg aus der Gegend von Mannheim ist ein überzeugter Fahrradfahrer. Mal bringt er die Tochter im Kinderanhänger zum Kindergarten, oder er schleppt  mit dem Lastenanhänger Möbel. Dann hat er irgendwann seinen Lastenanhänger für den Sommer mit Blumen bepflanzt. Wo er das Rad abstellt, freuen sich die Bienen über den unerwarteten kleinen Garten in der Stadt.

Das Knöllchen hatte er bekommen, weil er mit Rad und Anhänger den Autos den Parkplatz wegnimmt.

Manchmal denke ich, wir Deutschen identifizieren uns komplett mit unseren Autos. Wir sagen zum Beispiel: „Ich stehe auf dem oberen Parkdeck“. Nein, stimmt nicht, das Auto steht da. Oder: „Ich brauche neue Winterreifen“. Nee, das Auto braucht die. Ich vielleicht eher neue Schuhe. Mein Auto, das ist für viele Menschen ein Stück ihrer Persönlichkeit. Es gibt genug Witze darüber, wie zärtlich manche Männer ihr Auto polieren, statt sich Frau und Kindern zuzuwenden.

Deshalb gibt es auch so viele, auch Frauen natürlich, die gegen Tempolimits protestieren.

Oder die sich  „Freie Fahrt für freie Bürger“ auf die Fahne geschrieben haben.

Ob Fahrradfahrerinnen  und Fußgänger mit Kinderwagen oder Rollator genug Platz in den Städten haben, ist ihnen möglicherweise egal.

Natürlich habe ich auch ein Auto, auf dem Land braucht man das, und natürlich nehme ich auch Parkplätze weg. Aber seit ich gesehen habe, wie schlecht man mit Kinderwagen oder Rollator an meinem Auto vorbei kommt, wenn ich mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig stehe, parke ich auf der Straße. Bei uns bekommt man auch ein Knöllchen, wenn man auf dem Bordstein steht.

Der Mann mit dem fahrbaren Blumengarten hat etwas Wichtiges in Erinnerung gerufen: ohne Autos könnte die Menschheit schon leben, aber nicht ohne die Natur. Deshalb ist es richtig der Natur nicht zu schaden, sie zu schützen und sie hochzuschätzen, und sei es in Gestalt eines kleinen Gartens auf einem Fahrradanhänger.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27AUG2021
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So doof. So langweilig! Ich musste im Frühsommer für 14 Tage in Quarantäne. Morgens noch in einer Besprechung im Krankenhaus, dann kam die Stationsleitung der Palliativstation mit ernstem Gesicht zu mir und sagte: „Wir schicken dich jetzt nach Hause. Du hast mit Herrn Schmitz gesprochen und der ist positiv getestet. Pack deine Sachen, das Gesundheitsamt schreibt dir dann.“ Ich war echt schockiert. Mal grade so um halb elf morgens aus dem Alltag rausgerissen.

Und das Gesundheitsamt hat mir geschrieben, sie würden mein Grundrecht auf Freiheit und Unversehrtheit einschränken und wenn ich mich nicht an die Auflagen hielte, könne ich bestraft werden. Das klang ziemlich bedrohlich.

Ich wohne auf dem Land, hab ein Haus mit Garten, meine Nachbarin hat mir sieben Bücher ausgeliehen, mein Partner konnte einkaufen, an manchen Tagen schien die Sonne, ich konnte mit Freunden telefonieren und in Videokonferenzen an manchen dienstlichen Terminen teilnehmen.

Und trotzdem: ich konnte nicht einfach kurz in die Stadt fahren, um mir eine neue Salatschüssel zu kaufen, als ich die alte zerdeppert hatte. Ich konnte nicht zum Orgelkonzert in Maria Laach, nicht zur Nachbarin oder beim Bäcker ein paar Brötchen besorgen. Ich durfte nicht wandern gehen, was ich gern tue.  Ich durfte fast alles. Und dieses FAST hat mich geärgert, hat mich gestört, hat mich eingeschränkt. Ich wollte nicht eingeschränkt sein, ich wollte ALLES. So wie sonst auch.

Dazu fiel mir die Geschichte aus dem dicken alten Buch von Adam und Eva ein. Die hatten auch fast alles, aber sie wollten unbedingt noch das haben, was Gott verboten hatte. Es ging ihnen super, sie durften von allen Früchten des Paradieses essen, nur einen Baum hat Gott sich vorbehalten, davon durften sie nichts essen. Wenn Adam und Eva sich mit „fast alles“ zufriedengegeben hätten, wären sie vielleicht heute immer noch im Paradies.

Und vielleicht ist es überhaupt schon das Paradies, zumindest das Paradies auf der Erde, wenn man FAST alles hat.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26AUG2021
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Machen Sie mal was über Tiere, sagen mir Leute oft. Ok. Da hab ich was Witziges im Radio gehört. Die Geschichte spielt in zwei Zoos in Tschechien im März dieses Jahres. Da wegen Corona keine Besucher kommen konnten, machte sich bei den Tieren Langeweile und Einsamkeit breit. Das Mittel dagegen: Videokonferenzen, und zwar für die Schimpansen. In deren Gehege wurde ein großer Bildschirm aufgestellt, auf dem sie im Livestream ihre Artgenossen aus einem anderen Zoo sehen konnten.

Die Tierpflegerinnen und -pfleger sagten, die Ablenkung sei bei den Affen gut angekommen. Besonders das jüngste Weibchen hätte sehr interessiert beobachtet, was die Schimpansen in dem anderen Zoo machen.  Und in diesem anderen Zoo, 150 km entfernt, war die Zufriedenheit auch groß:

 „Unsere Schimpansen gehören schon zu den Senioren, aber jede Neuheit ist für sie interessant“, sagte Schimpansen-Pflegerin Mariana Hubikova. Manchmal würden die Menschenaffen vor ihren Artgenossen mit ihrem Essen angeben – oder den Pflegerinnen und Pflegern im anderen Zoo beim Saubermachen zusehen. „Für diese sehr intelligenten Tiere ist das ein neuer und interessanter Impuls“.*

Wenn ich mir so anschaue, was manche Leute in den sozialen Netzwerken posten, sind wir Menschen von den Affen ja nicht so verschieden. Auch wir zeigen Teller mit leckeren Mahlzeiten oder sehen unseren Mitmenschen bei ihren Wanderungen oder Urlauben zu. Der Mensch stellt sich oft in den Mittelpunkt von allem.

Deshalb finde ich es richtig, dass wir nicht mehr von unserer Umwelt sprechen, der Welt um uns herum, sondern von unserer Mitwelt. Es ist nicht die Welt um uns Menschen herum, sondern es ist die Welt, in der wir mit Affen und mit Fischen und Sonnenblumen und Gewittern und Steinen leben. Ich finde es schön zu glauben, dass Gott uns nach seinem Bild geschaffen hat. Aber die ganze Schöpfung ist sein Werk, die Evolution, und wir Menschen sind auf diesem blauen Planeten und im Universum ein winziger Teil.

                                                                                                                  

 

* https://www.berliner-zeitung.de/news/gegen-die-einsamkeit-schimpansen-halten-videokonferenz-ab-li.146450

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33739
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22MAI2021
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Manchmal haben die Anderen die besten Ideen. Eine Kollegin hatte das Projekt „Farbe ins Krankenhaus“ erfunden. Sie arbeitete mit dem Kindergarten am Ort zusammen und bat darum, Bilder für kranke Leute zu malen. Die hängte sie in den Krankenhausfluren an die Wände.

Das kann ich auch, dachte ich mir, und fragte in meinem Heimatort im Kindergarten und in der Grundschule, ob die Kinder Bilder malen könnten für kranke Menschen. Kinder sind oft mitfühlende Seelen und dazu waren viele gern bereit.

So hatte ich bald 30 Bilder, die ich im Krankenhaus verteilen konnte. Ich gab den Schwestern ein paar dieser Kunstwerke, die sie Patientinnen oder Patienten schenken konnten. Die Grundschulkinder hatten sogar kleine Botschaften aufgeschrieben. Gute Besserung. Wir unterstützen dich. Die Schreibweise war teilweise etwas abenteuerlich, aber die Botschaft kam an. Und es gehört ja auch etwas Einfühlsamkeit beim Betrachter dazu, sich aus Kringeln und Linien in verschiedenen Farben die Aussage der kleinen Künstler zu erschließen.

Bunt ist meine Lieblingsfarbe, sagte mal der Architekt Walter Gropius, der Gründer des Bauhauses.  Das geht glaube ich vielen Kindern auch so: bunt ist eine super Farbe und was dann bunt gemalt ist, ist egal. Kringel, Linien, Gekritzel. Aber viele schaffen auch den Regenbogen, Farbreihenfolge frei gewählt und das sieht wunderschön aus.

Der Regenbogen ist ein besonderes Zeichen. In der Bibel ist er schon seit alter Zeit der Hinweis auf den Bund zwischen Gott und den Menschen. Gott hatte ihnen gesagt: ich setze meinen Bogen in die Wolken als Zeichen für euch, dass ich auf eurer Seite bin. Wir können uns heute die Entstehung des Regenbogens erklären, aber für mich bleibt er ein zauberhaft schönes Zeichen zwischen Himmel und Erde. Deshalb haben mir die Regenbogenbilder der Kinder besonders gut gefallen.

Und ich hatte mir genau vorgestellt, wie die Lehrerin oder die Erzieherin mit den Kindern über das Krankenhaus sprechen und wie blöd es ist, da so allein zu sein. Und wie die Kinder dann Blumen und Tiere und Bäume und Häuser gemalt haben und wer schon etwas schreiben konnte, der schrieb aufmunternde Worte dazu. Fast alle haben sich wirklich sehr gefreut, wenn sie so ein Bild geschenkt bekamen. Und ich glaube, man wird schneller gesund, wenn man die schönen großen ungeübten Buchstaben der Kinder liest: komm bald wieder nach Hause!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33173
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