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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28FEB2023
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„Wir haben das Geheimnis des Lebens gefunden.“ Diese Worte haben Francis Crick und James Watson heute vor siebzig Jahren beim Mittagessen in einem Lokal in Cambridge gerufen.

Die beiden haben damit ihr Modell der Doppelhelix gemeint, ein doppeltes Band von in sich gedrehten Molekülen, aus denen unser Erbgut besteht - bitte fragen Sie mich nicht nach Details! Sie hatten so lange an Modellen aus Metall oder Pappe gebastelt, bis alle Informationen zusammenpassten.

Besonders tief in die Materie eingestiegen waren die beiden nicht. Sie nutzten die Vorarbeiten und Ergebnisse anderer, besonders von Rosalind Franklin, einer Forscherin, deren Resultate sie ungefragt verwendeten. Und dann probierten sie immer wieder, wie die Moleküle im wahrsten Sinn des Wortes zusammenhängen könnten.

Wir heute verstehen viel besser als früher, wie Leben weitergegeben wird. Forscher würden sagen: Wie es reproduziert wird. Wissenschaftlich ist das ein Quantensprung. Zugleich ist das sehr technisch. Denn es geht nur darum, wie biologisch Leben aus Leben entsteht.

Ob es wirklich das ist, was die Welt im Innersten zusammenhält?
Das Leben ist jedenfalls kein bisschen weniger geheimnisvoll als früher. Wer könnte alle Wendungen, alle Irrungen und Wirrungen, die wir Menschen im Laufe eines Lebens gehen, ergründen? Wer könnte die Frage nach dem Sinn des Lebens ganz und gar beantworten? Das alles ist mindestens so kompliziert wie eine Doppelhelix und keiner kann sagen, dass er das restlos für sein Leben entschlüsselt hat.

Der Apostel Paulus schreibt in der Bibel dazu: Jetzt sehen wir alles nur wie in einem Spiegel und wie in rätselhaften Bildern… Wenn ich jetzt etwas erkenne, erkenne ich immer nur einen Teil des Ganzen. (1. Korinther 13,12)

Ob jemals der Tag kommt, an dem ein Mensch zum Mittagessen ins Restaurant stürmt und begeistert ausrufen wird: Ich habe das Geheimnis meines Lebens erkannt? Ich glaube, wir leben davon, dass dieses Geheimnis in Gottes Liebe gut aufgehoben ist.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27FEB2023
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„Bub, jetzt sind wir mal ganz ruhig und beten für die, die in dem Feuer drin sind.“

In diesem Satz steckt eine ganz intensive Erinnerung meines Vaters, die ihn nie wieder losgelassen hat.

Heute vor 78 Jahren wurde Mainz im Zweiten Weltkrieg von 435 Bombenflugzeugen angegriffen. In sechzehn Minuten warfen sie 1.500 Tonnen Bomben auf die Stadt. Danach brannte die ganze Stadt lichterloh und 1.209 Menschen starben.

Mein Vater war damals bei seinem Großvater. Die beiden sahen den Angriff von der anderen Rheinseite aus. Mein Vater war neun Jahre alt und ganz aufgeregt, weil er versuchte, die Flugzeugtypen zu identifizieren. Sein Großvater hat ihn dabei unterbrochen. Nicht unfreundlich, aber bestimmt: Auf der anderen Seite tobte ein Feuersturm durch die zerbombte Stadt. Der alte Mann war ein frommer Mann und tat mit dem Enkel das Einzige, was man noch tun konnte in dieser Situation – sonst war nichts übriggeblieben in diesem Schrecken:

„Bub, jetzt sind wir mal ganz ruhig und beten für die, die in dem Feuer drin sind.“

Für meinen Vater war das eine ernste Lektion, die er da gelernt hat. Die ihm vom Großvater durch dessen eigenes Verhalten vorgelebt wurde: Schau nicht über das Leid anderer Menschen hinweg.

In Mainz denken die Menschen heute in der Ruine der damals zerstörten Kirche St. Christoph an das, was 1945 bei dem Bombenangriff geschah. Aber wir können uns gar nicht daran erinnern, ohne an das zu denken, was Menschen an Leid und Schmerz bis heute widerfährt. Wir können nicht an die Opfer damals denken, ohne zu sehen, was seitdem immer wieder und wieder geschieht: Krieg in der Ukraine und an vielen anderen Orten der Welt. Mehr als zwei Dutzend gewaltsame Konflikte gibt es derzeit auf unserer Erde.

Ich weiß nicht, was Großvater und Enkel damals gebetet haben. Nachher in St. Christoph werden wir die Worte Jesu hören: Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Und wir werden darum beten: Gott, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Hildegards Leben beginnt sehr rheinland-pfälzisch: sie wird in Bermersheim vor der Höhe oder in Niederhosenbach, so genau weiß man es nicht, geboren. Das zehnte Kind ihrer Eltern. Mit acht wird sie deshalb von ihren Eltern weggegeben und auf ein Leben als Nonne vorbereitet, mit vierzehn kommt sie ins Kloster auf den Disibodenberg. Dort soll sie eigentlich bleiben. Es ist nicht vorgesehen, dass sie dieses Kloster jemals wieder verlässt. Hier soll sie beten und arbeiten.

Bis zu diesem Punkt scheint alles klar und vorgezeichnet. Besondere Vorkommnisse sind nicht eingeplant. Besondere Bedürfnisse und besondere Fähigkeiten auch nicht. Doch Hildegard hat Ausstrahlung und ist klug. Und sie hat Visionen, also Offenbarungen Gottes. Damit wird man in ihrer Zeit nicht zum Arzt geschickt, sondern als von Gott ausgezeichnet betrachtet. Nach und nach, Stück für Stück erkämpft sich Hildegard ein Leben, das zu ihrer Zeit außergewöhnlich ist – wir schreiben schließlich das zwölfte Jahrhundert, müssen also achthundertfünfzig Jahre zurück. Zu ihren Visionen kommt etwas ganz Entscheidendes dazu: Der Wille einen eigenen Weg im Leben zu gehen:

Hildegard gründet ihr eigenes Kloster und zieht vom Disibodenberg nach Bingen um. Und Klosterorganisation ist nicht ohne! Sie sammelt das naturkundliche Wissen ihrer Zeit. Sie beginnt zu schreiben, aber da ihr Latein nicht so gut ist, beschäftigt sie einen Ghostwriter. Sie beginnt zu komponieren. Sie ist eine ausgewiesene Netzwerkerin, korrespondiert mit Kaiser und Papst. Und, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, bricht sie von Bingen aus in alle vier Himmelsrichtungen zu Predigtreisen auf. Als Frau. Und die Menschen strömen zu ihr und hören ihr zu.

Das war ihr nicht an der Wiege gesungen worden. Was vermeintlich festgelegt und vorgegeben scheint, das erweist sich mit einem Mal als zu eng. Als viel zu kurz gedacht. Aus einer Jungfrau hinter Klostermauern wird eine selbstbewusste Frau, die die Öffentlichkeit sucht. Eine frühe Rheinland-Pfälzerin, die bis heute weltweit verehrt wird.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

16SEP2022
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Johannes der Täufer ist ein richtiger, echter Prophet. Genau so, wie man sich das vorstellt. Seine Worte haben Saft und Kraft. Otterngezücht nennt er seine Zuhörerinnen und Zuhörer. Er ist überzeugt: Sie werden einem zukünftigen Strafgericht nicht entkommen. Johannes fasst es sozusagen nur noch einmal zusammen, damit es auch jeder versteht. Und er stellt fest: Das habt ihr euch selbst zuzuschreiben. Ich habe es euch doch gesagt. Wer nicht hören will, muss fühlen.

Doch dann geschieht etwas Überraschendes: die Menschen, die ihm zuhören, lässt seine Botschaft alles andere als kalt. Wenn das so ist, wie Johannes es prophezeit – was sollen wir denn dann tun? Und zwar jetzt, wenn wir etwas ändern wollen.

Da muss nun Johannes der Täufer erst einmal nachdenken. Es ist eine Sache, den Menschen immer wieder konsequent mit dem Zorn Gottes und ihrem Untergang zu drohen. Eine andere Sache ist es zu überlegen, wie sich der Untergang abwenden lässt: Was muss sich denn überhaupt ändern? Geht das überhaupt und passt das zusammen, wenn jeder und jede eigene falsche Wege korrigiert, wo doch das eigentliche Problem bei der ganzen Menschheit liegt?

Doch, das geht, ist sich Johannes schließlich sicher. Jeder einzelne kann einen Beitrag zu einem guten, verantwortlichen Miteinander leisten. Und das Schöne dabei ist: es muss gar nicht spektakulär zugehen. Keiner muss in der Wüste leben wie Johannes selbst und in Kamelfell gekleidet nur noch Heuschrecken essen. Seine Vorschläge für einen Neuanfang klingen alle ziemlich machbar:

Kleidung und Nahrung teilen.
Ehrlich sein im Beruf und niemanden über’s Ohr hauen.
Bescheiden bleiben und definitiv keine Gewalt.

Vielleicht ist der Weg vom Otterngezücht zum Mitmenschen gar nicht so weit. Wenn es drunter und drüber geht, wenn der Boden zu wackeln beginnt, wenn unsere Fehler uns einholen, dann ist immer noch Gelegenheit, einfache, gute Dinge zu tun, mit denen man schon längst hätte anfangen können. Irgendwann mag es zu spät sein. Aber noch ist Zeit.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15SEP2022
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In der Bibel spielen Farben praktisch keine Rolle. Ja, Licht und Finsternis, die kommen vor, es wird hell oder dunkel, aber farbig oder gar bunt – Fehlanzeige. Kein Thema für die Bibel. Klar, damals waren Farben wertvoll und teuer, keine Chance für normale Leute, so etwas zu bekommen; man konnte höchstens einmal in den Häusern der Reichen einen Blick darauf erhaschen. Also alles schwarz-weiß, wie ein ganz früher Film? Ja, fast, aber nicht ganz. Denn eine Geschichte, die fällt heraus aus der Farblosigkeit. Sie ist alles andere als blass, sondern macht es bunt für alle:

Gerade erst hatte eine verheerende Flut das Land unter Wasser gesetzt. In einem großen Kasten, der Arche, ist das Leben von Menschen und Tierwelt gerettet worden. Nun steigt das Wasser nicht weiter, sondern geht zurück. Die Arche strandet auf einem hohen Berg und Gott lädt ihre Besatzung, Noah und seine Familie, zu einer Gipfelkonferenz ein. Dabei vereinbart Gott mit den Menschen, dass die Erde weiterbestehen soll. Frost und Hitze, Saat und Ernte, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Zum Schluss soll die Vereinbarung noch mit einem besonderen Zeichen besiegelt werden, damit sie nicht vergessen geht. Und das ist der Regenbogen. Eine himmlische Garantie, dass uns der Himmel nicht auf den Kopf fallen soll. Der bunteste Bibelvers von allen. Alle Farben des Spektrums sind vertreten. Rot, orange, gelb, grün, blau, violett. Die Garantie für die Erde ist bunt und nicht schwarz-weiß. Der Regenbogen in der Bibel sticht farblich heraus. Mehr geht nicht.

Dabei ist der Regenbogen keine Garantie, dass die Menschheit sich schon am Riemen reißen wird und ab sofort nichts Schlimmes mehr geschehen wird. Aber der Regenbogen ist ein Zeichen der Hoffnung, dass es nicht zum Äußersten kommen wird. In der einzigen Geschichte der Bibel, in der es richtig farbig wird. Damit es Gott am Ende nicht zu bunt wird mit allem, was die Menschen anstellen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

14SEP2022
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Wenn wir früher im Schulhof mit einem Kieselstein gekickt haben, wären wir alle liebend gern ein berühmter Fußballer gewesen. Und besonders gern Günter Netzer. Heute hat er Geburtstag und wird 78 Jahre alt. Günter Netzer ist der mit den schulterlangen Haaren, offensiver Mittelfeldspieler, der traumhafte Pässe aus der Tiefe des Raumes schlug, wie es so schön heißt. Aber die schönste Geschichte hat sich in einem Pokal-Endspiel zwischen Mönchengladbach und Köln ereignet.

Es wäre Netzers letztes Spiel für seinen Verein gewesen. Denn er wollte ins Ausland. Sein Trainer aber hat ihn nicht aufgestellt. Er sollte nicht spielen und saß nur auf der Reservebank. Doch als es dann lange 1:1 unentschieden stand, da sollte er dann doch. Aber da wollte Netzer nicht mehr und hat sich geweigert. Beleidigte Leberwurst nennt man das. Das muss zugleich sehr viel Selbstbeherrschung gekostet haben für jemanden, der so gern Fußball spielt; und als das Spiel dann unentschieden in die Verlängerung ging, hat er es nicht mehr ausgehalten. Trainer hin, Trainer her: Günter Netzer hat sich schließlich selbst eingewechselt. Und sprach dazu die Worte: Ich spiel dann jetzt. – Offensichtlich genau im richtigen Augenblick. Drei Minuten später hat er das Siegtor geschossen. Und dann dazu gesagt: Alle Glückszustände der Erde auf eine Sekunde zusammengefasst.

Was mich fasziniert: Dass ein kurzes Glück von wenigen Minuten genauso wichtig und groß sein kann wie viele Spiele. Zeit ist offenbar nicht entscheidend, wenn es um Glück geht.

Und was ich genauso wichtig finde: Da schmollt einer, ist unzufrieden, in Gedanken ganz woanders. Aber dann kommt er raus aus seiner Ecke, springt von der Ersatzbank, ändert seine Meinung und ist ganz da. Wie schön, wenn dafür Raum ist. Dass man es sich auch anders überlegen kann und dabei sein kann, egal, wie man sich vorher angestellt hat. Komm, mach mit, du kannst auch anders – oder in den Worten von Günter Netzer: Ich spiel dann jetzt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13SEP2022
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Vergangene Woche hat die Mainzer Synagoge ihre Bat Mizwa gefeiert. Mit der Bat Mizwa oder Bar Mizwa werden Mädchen und Jungen in die jüdische Gemeinde aufgenommen und religionsmündig. Das ist vergleichbar mit Konfirmation und Firmung in den christlichen Kirchen. Ich habe so eine Feier einmal in Jerusalem an der Klagemauer erlebt. Ein junger Mensch durfte ein Stück aus der Bibel vortragen, alle umringten ihn und freuten sich riesig.

Bat mizwa – natürlich geht das bei einer Synagoge nur mit einem Augenzwinkern. Aber so ganz falsch ist es nicht. Denn die Mainzer neue Synagoge ist mit zwölf Jahren noch ganz schön jung. Und macht doch auch in jungen Jahren schon was her: An kaum einem anderen Ort sitzt man – ich weiß gar nicht, ob das Wort es ganz trifft: so schön im Angesicht Gottes wie hier. Holzgestühl, Luft und Licht nach oben, goldfarbene Wände mit hebräischen Bibelzitaten. Der Rabbiner hat ihr für ihre Bat Mizwa als Bibelstelle Psalm 84 ausgesucht. Dort wird wunderbar beschrieben, wie ein Haus Gottes beschaffen sein muss:

Es ist ein Ort, nach dem man sich sehnt. Für Mensch und Tier. Auch Vögel dürfen dort nisten. Ein Tag dort ist besser als sonst tausend. Und besser ein Türhüter im Haus Gottes sein als anderswo eine große Nummer. Denn hier passt Gott auf die Menschen auf. Er ist ein Licht für sie und er schützt sie.

So muss ein Haus sein, wenn es Gottes Haus sein will. Der Rabbiner hat diese Verse vorgetragen, die Synagoge hat zugehört. Und die ganze Zeit waren ganz viele Menschen da, die sich gefreut und mitgefeiert haben.

Das scheint mir das Allerwichtigste zu sein: Das wir feiern und zusammenkommen. Einige mahnende Worte werden dabei sicher auch gesprochen. Dass wir nicht aufhören dürfen, aufeinander achtzugeben. Dass Synagogen leider immer noch zu oft Polizeischutz brauchen. Aber lasst uns feiern. Um Gottes Willen lasst uns fröhlich sein in den vielen Häusern Gottes, in denen Menschen zusammenkommen mit allem, was sie bewegt. Mazel tov, neue Synagoge! Wie gut, dass es dich gibt!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12SEP2022
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Heute hat das Rauhe Haus in Hamburg Geburtstag. Das ist eine Stiftung, die sich auf unterschiedliche Weise für Menschen einsetzt, die Unterstützung brauchen – Kinder, Jugendliche, Kranke, Alte. Als das Rauhe Haus gegründet wurde, war es eine Antwort auf unglaubliche Armut, große Not und fehlende Bildung. Denn wer damals als Kind und Jugendlicher in Hamburg mit dem Gesetz in Konflikt kam oder einfach nur als verwahrlost betrachtet wurde, der kam ohne Chance auf Unterstützung in eine so genannte Strafklasse oder gleich ins Zuchthaus. Das wollten fromme Hamburger Bürger ändern. Deshalb haben sie ein ehemaliges Lokal in einer Bauernkate vor den Toren der Stadt gekauft.

Was mich bis heute beeindruckt: Es ging ihnen offenbar überhaupt nicht ums Geschäft und sie sind auch nicht auf Profit aus gewesen. Sie sind nicht nur geschäftstüchtig gewesen, sondern auch fromm und engagiert. Ja, solche Leute hat es damals gegeben und es gibt sie bis heute. Unternehmer, die einfach etwas Gutes für die Gemeinschaft tun wollen, die eine Stiftung gründen oder Mäzen und Förderer sind – aus Liebe zu den Menschen und vielleicht auch aus Liebe zu Gott.

Geschäftstüchtige Leute – Jesus hatte Respekt vor ihnen. Und oft hat er auch Gott mit einem superreichen Geschäftsmann verglichen, dem es aber eigentlich um etwas ganz anderes geht, nämlich um das Miteinander. Und darum ging es den Stiftern in Hamburg damals auch. Sie hatten verstanden, dass es ein Fehler ist wenn die Bildung und Begleitung von Kindern vor allem als Kostenfaktor gesehen wird. Wo bleibt da der Blick für die Zukunft und für das, was in jedem Leben wartet.
Es ist ein riesiger Gewinn für das Gemeinwohl, wenn Menschen dann nicht warten, bis die Regierung oder andere etwas tun, sondern selbst Zeit, Kraft und vor allem Geld bereitstellen. Was für eine Wachstumsrate an Barmherzigkeit!
Im Lauf der Jahrzehnte entstand aus dem kleinen Hof für Kinder und Jugendliche eine große Stiftung. Und hat viele Nachahmer gefunden! Danke dafür und herzlichen Glückwunsch, Rauhes Haus!

 

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Anstöße sonn- und feiertags

11SEP2022
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Bub, im Winter gehst Du aber nicht ohne Unterhemd aus dem Haus! So hat mich früher liebevoll meine Urgroßmutter ermahnt, Gott hab sie selig. Wobei sie nicht Unterhemd gesagt hat, sondern Leibchen. Sie hat immer sehr darauf geachtet, dass mein Leib schön warm gehalten wurde.

Ich muss in diesen Tagen oft an sie denken. Überlegen wir nicht alle, wie wir weniger Energie und Ressourcen verbrauchen können? Wie es uns gelingt, mit Strom, Gas, Wasser, Öl sparsamer umzugehen? Und trotzdem warm durch den Winter zu kommen. Meine Uroma hätte da keine Appelle zum Sparen gebraucht. Sie hätte es nicht so formulieren können, aber für sie war klar, dass Energie teuer ist und nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Es war selbstverständlich für sie, so wenig wie möglich zu verbrauchen. Abends ließ sie den Kohleofen ausgehen und hat ihn erst morgens wieder angezündet. Sie hat sich mit dem Waschlappen am Waschbecken gewaschen und hat zeitlebens keine Dusche benutzt. Und gelüftet wurde kurz und knackig, denn wie sie immer gesagt hat: Die Gasse draußen wird nicht geheizt.

Was mich nach all den Jahren immer noch beeindruckt: Sie hat nicht groß nachdenken müssen dabei. Sie hat auch kein Tutorial im Internet gebraucht, um Tipps zu bekommen. Es ist stattdessen eine Frage der Haltung gewesen, möglichst wenig Energie zu benutzen – und dann auch zu bezahlen. Und diese selbstverständliche, notwendige Sparsamkeit hat sie auch nicht weiter beschäftigt oder traurig gemacht. Nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, sie werde eingeengt, weil sie möglichst wenig Energie verbrauchen soll.

Viele von uns haben sich seitdem an Überfluss gewöhnt. Es gibt immer und überall nicht nur genug, sondern viel mehr als genug. Das ändert sich gerade. Es ist an der Zeit zu entdecken, dass die meisten von uns so frei sind, dass wir uns einschränken können. Das ist die neue Freiheit! Und vielleicht werden wir entdecken, dass dann immer noch genug übrig ist, um zu teilen. Wie zum Beispiel die Kohlen, die man nach dem Krieg zu den Nachbarn oder in die Kirche mitgenommen hat. Das habe ich nicht miterlebt. Aber genau im Ohr habe ich den Satz, den meine Urgroßmutter sagte: Je mehr wir zusammenrücken, desto wärmer wird es. Vor der Kälte schützen wir uns am besten gemeinsam.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11JUN2022
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Ich kann nur staunen, wie intensiv Menschen über ihre Aufgaben nachdenken. Und darüber, wie ihr Glaube an Gott damit vereinbar ist. Zum Beispiel ein Soldat, den ich neulich kennengelernt habe. Gerade in diesen Tagen spürt der Soldat seine Verantwortung besonders. Er mag keine Gewalt. Aber er wäre bereit, Gewalt einzusetzen, um seine Mitmenschen zu verteidigen. Und er ist sich nicht immer sicher, ob der Glaube an Gott und seine Arbeit zusammenpassen. Aber er hofft auf Gott. Und auf den Himmel, auch für sich persönlich. Einer biblischen Figur fühlt er sich besonders verbunden: Immer wieder denkt er an Johannes den Täufer, der draußen in der Wüste stand und die Fragen der Menschen beantwortete, die zu ihm kamen. Auch Soldaten waren darunter, so erzählt es die Bibel. Geht das, Soldat sein und an Gott glauben? Zu ihnen sagt Johannes: Begeht kein Unrecht!

Daran hält sich der Soldat. Denn das ist sein Thema: Gerechtigkeit. Darum geht es ihm, nicht um Waffen. Es soll gerecht zu gehen. Das Recht soll gelten. Die Schwachen sollen geschützt werden. Und Gewalt soll am besten erst überhaupt keine Chance bekommen. In diesen Tagen, während Krieg ist in Europa, merkt er besonders, wie weit der Weg zum Himmel auf Erden ist. Er sehnt sich nach Gottes Friedensreich. So versteht er seinen Beruf als Aufgabe. Aber so eine Aufgabe ist manchmal ganz schön anstrengend. Dem Soldaten hilft dabei sein Glaube. Er meint: Wir müssen selbst zurechtkommen. Jeder und jede da, wo sie steht. Da, wo Gott ihn oder sie hingestellt hat. Aber Jesus will uns dazu stärken und vorbereiten. Wir sind nicht allein, niemals allein. Wir dürfen uns an ihm orientieren. Liebe ist das, was zählt. Gerechtigkeit, darauf kommt es an. Daran orientiert sich der Soldat, das gibt ihm Halt. Und ich finde er hat recht: egal wo wir stehen im Leben – was immer wir sind: Pfarrer, Koch, Soldat und so viel anderes mehr - wir brauchen nicht klein von unserer Aufgabe zu denken. Wir können da wo wir sind mit bauen am Reich Gottes. Und wo wir so auf unsere Arbeit schauen wird aus dem Beruf eine Berufung.

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