Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

11SEP2022
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Bub, im Winter gehst Du aber nicht ohne Unterhemd aus dem Haus! So hat mich früher liebevoll meine Urgroßmutter ermahnt, Gott hab sie selig. Wobei sie nicht Unterhemd gesagt hat, sondern Leibchen. Sie hat immer sehr darauf geachtet, dass mein Leib schön warm gehalten wurde.

Ich muss in diesen Tagen oft an sie denken. Überlegen wir nicht alle, wie wir weniger Energie und Ressourcen verbrauchen können? Wie es uns gelingt, mit Strom, Gas, Wasser, Öl sparsamer umzugehen? Und trotzdem warm durch den Winter zu kommen. Meine Uroma hätte da keine Appelle zum Sparen gebraucht. Sie hätte es nicht so formulieren können, aber für sie war klar, dass Energie teuer ist und nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Es war selbstverständlich für sie, so wenig wie möglich zu verbrauchen. Abends ließ sie den Kohleofen ausgehen und hat ihn erst morgens wieder angezündet. Sie hat sich mit dem Waschlappen am Waschbecken gewaschen und hat zeitlebens keine Dusche benutzt. Und gelüftet wurde kurz und knackig, denn wie sie immer gesagt hat: Die Gasse draußen wird nicht geheizt.

Was mich nach all den Jahren immer noch beeindruckt: Sie hat nicht groß nachdenken müssen dabei. Sie hat auch kein Tutorial im Internet gebraucht, um Tipps zu bekommen. Es ist stattdessen eine Frage der Haltung gewesen, möglichst wenig Energie zu benutzen – und dann auch zu bezahlen. Und diese selbstverständliche, notwendige Sparsamkeit hat sie auch nicht weiter beschäftigt oder traurig gemacht. Nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, sie werde eingeengt, weil sie möglichst wenig Energie verbrauchen soll.

Viele von uns haben sich seitdem an Überfluss gewöhnt. Es gibt immer und überall nicht nur genug, sondern viel mehr als genug. Das ändert sich gerade. Es ist an der Zeit zu entdecken, dass die meisten von uns so frei sind, dass wir uns einschränken können. Das ist die neue Freiheit! Und vielleicht werden wir entdecken, dass dann immer noch genug übrig ist, um zu teilen. Wie zum Beispiel die Kohlen, die man nach dem Krieg zu den Nachbarn oder in die Kirche mitgenommen hat. Das habe ich nicht miterlebt. Aber genau im Ohr habe ich den Satz, den meine Urgroßmutter sagte: Je mehr wir zusammenrücken, desto wärmer wird es. Vor der Kälte schützen wir uns am besten gemeinsam.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36142
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