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03APR2024
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Ab der kommenden Woche fahre ich ein E-Auto. Vollelektrisch und mit Strom von meinem Hausdach, wenn die Sonne scheint. Das ist ein gutes Gefühl, auf das ich mich schon seit einer Weile freue. Klar, dass ich im Vorfeld immer wieder mit anderen gesprochen habe, die schon so ein E-Auto fahren. Was das für ein Fahrgefühl ist, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Alle sagen, das sei schon eine Umstellung. Und manche erzählen mir von einem Phänomen, das typisch fürs elektrische Autofahren sei. Es heißt: „Reichweitenangst“. Damit ist gemeint, dass man mit einem E-Auto nicht so weit kommt, wie mit einem Benziner oder Diesel und es nicht überall eine Ladesäule gibt, um den Speicher wieder aufzufüllen. Man muss deshalb eine weite Reise genau planen, um unterwegs nicht liegen zu bleiben. Werde ich das gut hinkriegen?

Übertrieben ängstlich bin ich eigentlich nicht. Aber ich behalte schon gerne die Kontrolle und mache Pläne, damit ich ohne größere Probleme durch den Alltag komme. Von den Nudeln, die ich bevorrate und der Menge an Sprudel und Saft könnte eine Familie gut und gerne einen Monat lang leben. Manchmal frage ich mich deshalb, ob mein Vertrauen groß genug ist, ob ich mich im Gleichgewicht befinde. In einer Balance zwischen dem, wo es klug ist loszulassen, und dem anderen, wo es besser ist festzuhalten. Dabei geht es nicht nur um den Vorrat an Lebensmitteln, sondern auch darum, ob ich bei jedem Wehwehchen gleich ans Schlimmste denke. Ob ich es mir erlaube, mein Leben zu genießen neben dem, was Arbeit ist. Es geht auch um die große Angst vor dem Tod. Ich glaube, diese Balance ist wichtig, damit es mir gut geht, um nicht allzu unbekümmert in den Tag hinein zu leben, aber auch nicht von Sorgen aufgefressen zu werden. Wo muss ich mich kümmern, wo lasse ich etwas auf mich zukommen? Oft steht eine Angst ja eher unbewusst im Raum. Ich werde nicht verhungern, kann Nudeln nachkaufen. Ich bin auch was wert, wenn ich keine 100% abliefere.

Der Speicher in meinem neuen Auto soll mindestens für 400 Kilometer reichen. Mal sehen, ob stimmt, was der Hersteller behauptet. Damit werde ich in der ersten Zeit meine Erfahrungen sammeln. Auch mal austesten, wie weit ich komme, ohne dass ich allzu nervös auf dem Fahrersitz werde. Und dann bestimmt auch lächeln - über die sprichwörtliche „Reichweitenangst“.

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02APR2024
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Ich besitze zu viel. Mehr als genug. Und ich bin nicht der Einzige. Es ist offensichtlich, dass viele von uns zu viel haben. Nur scheint es sich immer noch zu steigern, das Wegwerfen und das Besitzen-Wollen, also das Konsumieren. Und es lässt sich mit Zahlen belegen. Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, dass ein deutscher Haushalt im Durchschnitt 10.000 Gegenstände besitzt. Vor hundert Jahren waren es noch 180. Wenn ich mich bei mir zu Hause umschaue, fürchte ich: Das stimmt. Und noch mehr befürchte ich, dass es bei mir sogar noch mehr ist, was sich da im Laufe der Zeit angesammelt hat. Bücher, Tupperdosen, Krawatten, elektronische Geräte. Undsoweiter. Keine Frage, dass ich das nicht alles brauche.

Aber wieso hab ich’s dann und kaufe weiter? Ich vermute, dafür gibt es etliche Gründe. Sie haben mit geschickter Werbung zu tun und damit, gerne was Neues besitzen zu wollen, weil ich das Alte nicht mehr sehen kann. Aber ein Argument gegen übermäßigen Besitz macht mir besonders zu schaffen. Weil es sich an mich als einen richtet, der an Gott glaubt. Das Argument stammt von Jesus und steht in einer Predigt von ihm, in der er das zusammengefasst hat, was ihm besonders wichtig war. Dort sagt er: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon[1]. Das aramäische Wort Mammon meint den schnöden Besitz, das Materielle, dem Jesus ganz bewusst Gott gegenüberstellt. Er provoziert damit eine Entscheidung. Wer an Gott glaubt, wer Gott für wichtig hält, der muss darauf achtgeben, ob ihm anderes dabei nicht in die Quere kommt. Und das Haben-Wollen, das Anhäufen von Besitz sei dabei besonders gefährlich.

Mein Auto zum Beispiel. Ich habe es nicht, um damit zu protzen und andere damit in den Schatten zu stellen. Auch nicht, um jede Macke so ernst zu nehmen, als wäre es nicht einfach nur ein Fortbewegungsmittel. Sich zu vergleichen und mehr zu haben als andere, macht auf die Dauer unglücklich, sagt Jesus in der besagten Predigt. Wörtlich: Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz[2]. Und empfiehlt mir die Schätze im Himmel. Was er wohl damit meint? Gut zu anderen sein. Mir die Sorgen anhören, wenn mir jemand sein Herz ausschüttet. Frieden stiften, wo einer auf den anderen losgeht. Und eben auch … das Materielle nicht so wichtig zu nehmen.

[1] Matthäus 6,24

[2] Matthäus 6,21

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30MRZ2024
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Ein paar Frauen auf dem Weg zum Friedhof. So beginnt die Geschichte von Ostern. Vielleicht fällt mir deshalb heute die Stimme meiner Mutter ein, wie sie abends ruft: „Ich geh noch auf den Friedhof!“ An unendlich vielen Abenden hat sie einen Spaziergang zum Friedhof gemacht. Es sei denn, meine Tante von nebenan hat gesagt: „Ich gieß die Oma heute mit“. Jahrzehntelang haben meine Eltern die großen Familiengräber ihrer Eltern gepflegt. Und die Gräber von kinderlos verstorbenen Onkeln und Tanten gleich mit. Mehrmals im Jahr frisch bepflanzt, geharkt und gegossen.

Weder mein Bruder noch ich wohnen noch im Dorf unserer Kindheit. Auch meine Cousinen und Cousins sind in alle Welt verstreut. Keine von uns wird an heißen Sommerabenden Gräber gießen gehen. Deshalb haben meine Eltern beschlossen, dass sie einmal in einem Urnengrab beigesetzt werden möchten. Auf einem frisch angelegten Gräberfeld, das aussieht wie ein kleiner Park. Möglichkeiten zur individuellen Grabgestaltung gibt es dort kaum. Aber es ist schön da. Ich bin froh, dass meine Eltern sich darüber Gedanken gemacht haben, wie sie einmal bestattet werden möchten. Und dass sie mit uns Kindern darüber gesprochen haben. Auch ich selbst denke immer mal darüber nach, wie ich mir das einmal vorstelle. Ich möchte zum Beispiel auf keinen Fall, dass mein Leichnam einmal verbrannt wird. Feuer war auch zu Lebzeiten nicht mein Element. Und gerade habe ich von einer ganz neuen Möglichkeit gehört, die nennt sich „Reerdigung“. Da wird der tote Körper in einem eigens dafür ausgestatteten Behältnis auf Heu und Stroh gebettet, so wie das Jesuskind in seiner Krippe. Durch die Zugabe bestimmter Mikroorganismen dauert es nur 40 Tage und Nächte, bis der Körper auf natürliche Weise wieder zu Erde geworden ist. Und in dieser ganzen Zeit wird er sanft hin- und hergeschaukelt. Wie in einer Wiege. Wie in dem Lied “Swing low, sweet chariot, coming for to carry me home:” Fahr vorsichtig, schaukle mich sacht, du lieber Himmelswagen, der mich nach Hause bringen wird. Eine schöne Vorstellung für mich. Nach 40 Tagen kann die Erde dann in einem Grab beigesetzt werden. Wo das einmal sein wird, weiß ich noch nicht. Aber ich hoffe, es ist dann jemand in der Nähe, der es gießt.    

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29MRZ2024
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Jedes Jahr in der Passionszeit suche ich mir ein Bild von einem Kreuz oder einen Gegenstand in Form eines Kreuzes. Der begleitet mich dann durch die Tage bis zum Karfreitag und soll mir helfen, diesen Tag zu begreifen, im wahrsten Sinne des Wortes. Am Karfreitag ist Jesus am Kreuz gestorben. Und was das mit Gott zu tun hat und mit meinem Glauben macht, das muss ich mir immer wieder neu erschließen. Denn es ist schwer.

Diesmal habe ich mein Kreuz in einem Ölgemälde entdeckt, das mich beschäftigt. Gemalt vor ungefähr 200 Jahren, der Künstler ist nicht bekannt, die Darstellung des Gekreuzigten sieht aus wie viele andere. Das Besondere an diesem Bild ist, dass es beschädigt ist. Es hat Löcher und Einstiche von einer Messerattacke. Jemand hat versucht, das Bild mit Gewalt zu zerstören. Ganz mit Absicht ist es danach nicht restauriert worden. Es soll genau so aussehen. Und davon erzählen, was sich im Oktober 1938 ereignet hat: In einer Zeit, in der Adolf Hitler sich als „Führer des Deutschen Volkes“ hat feiern lassen. Da hat der Wiener Kardinal Theodor Innitzer eine Predigt im Stephansdom mit den Worten beendet: „Wir wollen uns zu Christus bekennen, unserem Führer!“ Was sich wie ein ganz normales christliches Bekenntnis anhört, hat 1938 eine unmissverständliche Botschaft: Und die heißt: Wir Christen erkennen den nicht an, der sich hier seit neuestem Führer nennt. Wir haben einen anderen Herrn. Der Einspruch eines Christen gegen den Führerkult der Nationalsozialisten kommt an. Die Botschaft zwischen den Zeilen wird verstanden und sie macht Mut. Tausende junge Leute skandieren sie nach der Messe auf dem Platz vor der Kirche. Aber die Reaktion lässt auch nicht lange auf sich warten: Tags drauf stürmt eine aufgeheizte Truppe von SA-Leuten und Hitlerjugend das erzbischöfliche Palais und wütet wild. Dabei kommt auch das Ölgemälde zu Schaden. Der gekreuzigte Christus ist eine Gefahr. Dieser Ohnmächtige hat anscheinend so viel Macht, dass man ihn noch einmal zerstören muss. Das Bild und seine Geschichte berühren mich. Die Kraft, die von dieser gequälten Gestalt am Kreuz ausgeht: Gott auf der Seite derer, die Gewalt erleiden. Gott in der Hölle der Gottlosigkeit. Trotz aller menschlichen Versuche nicht totzukriegen. 

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28MRZ2024
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Unsere Füße sind das Körperteil, das am weitesten von unserem Kopf entfernt ist. Ob wir sie deshalb oft so sträflich vernachlässigen? Das meint jedenfalls die Berliner Schriftstellerin Katja Oskamp. Notgedrungen hat sie eine Zeitlang als Fußpflegerin gearbeitet und darüber ein wunderbares Buch geschrieben. Darin behauptet sie: „Ob Polier vom Bau oder Ganzkörpertätowierter, ob Schwangere oder Greisin, ob geistiger Tiefflieger oder Akademiker – wirklich jeder entschuldigt sich, wenn er im Fußpflegeraum zum ersten Mal Schuhe und Socken abstreift, für seine Füße. Es spielt überhaupt keine Rolle, in welchem Zustand sie sind. Die Sache ist neu und ungewohnt, die Begegnung ein bisschen zu intim, Peinlichkeit entsteht.“ Ist die aber erst einmal überwunden und abgebaut, dann entwickeln sich im Fußpflegeraum beim Berühren, Pflegen und Massieren von Füßen ganz wunderbare Gespräche und Geschichten.

Auch Jesus hat die Scheu seiner Jünger erst überwinden müssen, als er nach einem gemeinsamen Essen plötzlich aufgestanden ist, sich eine Schürze umgebunden und angekündigt hat, dass er ihnen nun die Füße waschen wird. So erzählt es der Schriftsteller Johannes in seinem Evangelium. Die Angesprochenen zieren sich, die Sache ist neu und ungewohnt, die Begegnung ein bisschen zu intim, Peinlichkeit entsteht. Eine demütige Geste von Jesus und eine Wohltat für seine Anhänger. Denn wer sich erst einmal drauf einlassen kann, die Füße gepflegt zu bekommen, kann erleben, wie angenehm diese Berührungen sind. Wie sie den ganzen Körper beleben, bis in die Haarspitzen hinein. Nach diesem ersten Mal hat Jesus seine Jünger sogar dazu aufgefordert, es immer wieder zu tun: sich gegenseitig die Füße zu waschen.

Leider hat sich so eine Fußwaschung als gängiges Ritual in der Glaubenspraxis der Christen nicht durchgesetzt. Eigentlich schade, denn ich glaube, dass für beide Seiten wirklich Potenzial in dieser Erfahrung steckt. Was würden wir wohl gewinnen, wenn wir uns darauf einließen?  

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27MRZ2024
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Vor kurzem habe ich einebeeindruckende Persönlichkeit kennengelernt: den ehemaligen Landesrabbiner Joel Berger. Die Stimme von Joel Berger kennen Sie wahrscheinlich auch. Seit über 50 Jahren spricht er im Radio über seinen jüdischen Glauben. Und wer seine Beiträge noch einmal in Ruhe nachlesen möchte, der findet sie im Internet auf unserer Homepage www.kirche-im-swr.de. Das ist ein Stück unkomplizierter religionsübergreifender Zusammenarbeit. Denn Joel Berger meint: „Wir gottesgläubigen Menschen werden in Zukunft noch mehr zusammenhalten müssen.“ Weil die Gesellschaft immer säkularer wird. Aber auch, weil seit dem Terroranschlag der Hamas auf israelische Bürgerinnen und Bürger antisemitische Übergriffe massiv zugenommen haben. Auch bei uns in Deutschland. Deshalb möchte ich heute an Sätze von Martin Niemöller erinnern. Der evangelische Pfarrer hat in den 1920er und 30er Jahren zunächst mit vielen Ansichten der Nationalsozialisten sympathisiert und rechtsradikale politische Bewegungen unterstützt. Aber nachdem Adolf Hitler 1933 an die Macht gekommen war, hat er die Einmischung Hitlers in die evangelische Kirche offen kritisiert. Von 1937 bis 1945 saß er deshalb im Gefängnis und im Konzentrationslager. Seine Mahnung ist deutlich:

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

Lassen wir es nicht wieder so weit kommen!

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26MRZ2024
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Seit neuestem habe ich die Oper für mich entdeckt. Als ich meinem Sohn davon erzählt und nebenbei erwähnt habe, was eine Eintrittskarte kostet, hat er die Augen weit aufgerissen: Hundertzwanzig Euro für einen Platz im hinteren Parkett? Dafür hätte er ja zehn Mal bei bester Sicht ins Kino gehen können! Mein Sohn ist Student; sein finanzielles Budget ist begrenzt, und er geht sowieso lieber ins Kino. Ich und mein Mann, wir verdienen beide und gönnen uns schon mal ein kulturelles Highlight. Klar, dass wir ganz unterschiedlich rechnen, was uns wie viel wert ist. Wahrscheinlich haben viele Menschen ihre persönlichen Rechensysteme, nach denen sie den Wert einer Sache bemessen. Ich nenne sie die inneren Währungen, und es lohnt sich, ihnen einmal auf die Spur zu kommen. Mein Sohn, der den Wert von Theaterkarten in Kino-Besuche umrechnet. Oder meine Freundin, die über den aufgestockten Bundeswehretat schimpft und mir vorrechnet, wie viele Schulen im Land man mit so einem „Sondervermögen“ komplett renovieren könnte! In den Osterferien wird sie stattdessen mit ein paar nimmermüden Eltern und Lehrerkollegen freiwillig Klassenzimmer streichen.

Auch die Jünger von Jesus haben ihre inneren Währungen. Die Bibel erzählt, wie sie einmal in gepflegter Männerrunde zusammensitzen, als eine unbekannte Frau den Raum betritt. Zielgerichtet und unerschrocken geht sie auf Jesus zu und gießt aus einem kleinen Fläschchen ein kostbares Öl auf seine Stirn und sein Haupt. So wie man früher Könige gesalbt hat. Eine Geste voller Ehrerbietung. Ein wunderbarer Duft breitet sich aus. Als er den Jüngern in die Nase steigt, ist ihr erster Gedanke: Das war aber kein billiges Parfum! Und der zweite: Was für eine Verschwendung! Das kostbare Salböl hätte man doch teuer verkaufen und den Erlös den Armen geben können! So zu rechnen haben sie von Jesus selbst gelernt: Hungernde speisen, Bedürftige kleiden, Elend lindern. Aber auf keinen Fall Geld für unnötigen Luxus zum Fenster rausschmeißen. Die Jünger rechnen damit, dass Jesus ihnen beipflichtet. Aber der reagiert überraschend anders. Er lässt sich die Zuwendung dieser Frau gefallen und genießt sie. Er rechnet nicht in andere Münze um. Denn er versteht: Für diese Frau ist es wertvoll, ihm etwas Gutes zu tun. Und wie kostbar diese Zuwendung ist!

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25MRZ2024
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Wenn manche Leute den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen sind, dann befällt sie irgendwann so ein Kribbeln: der unwiderstehliche Drang, sich zu bewegen. Mich – nicht. Frischluft tanken, das Hirn lüften, den Kopf frei kriegen und wie das alles heißt: Spür ich nicht, brauch ich nicht, mich drängt da gar nichts.

Deshalb hatte ich mir für die Fastenzeit in diesem Jahr vorgenommen, sieben Wochen lang jeden Tag eine halbe Stunde spazieren zu gehen. Sieben Wochen ohne die üblichen Ausreden, mit denen ich mich normalerweise davor drücke. Und damit ich mich auch vor diesem Fastenprojekt nicht still und heimlich drücke, habe ich mein Vorhaben auf Facebook veröffentlicht. In etwa so: Ich bin grundsätzlich bewegungsfaul. Ohne Probleme kann ich abends vom Schreibtischstuhl direkt aufs Sofa wechseln. Nach dreizehn Jahren Schulsport habe ich bis heute erfolgreich jede freiwillige sportliche Betätigung vermieden. Auch kürzere Strecken lege ich gern mit dem Auto zurück. Zu einem Spaziergang überredet mich höchstens einmal die Vernunft, nie lockt das Herz. Bewegung macht mich einfach nicht an.

Von den Reaktionen auf dieses Geständnis war ich dann ziemlich überrascht. Erstaunlich viele haben in den Kommentaren geschrieben, dass es ihnen genau so geht. Auch Leute, die ich durchaus als sportlich eingeschätzt habe. So ist aus meinem einsamen Fastenprojekt eine Gemeinschaftsaktion geworden. Ich habe mich mit anderen zu Spaziergängen verabredet. Dabei neue Wege entdeckt, sogar ganz in der Nähe. Bin auch mal im Regen rumgelaufen. Jeden Tag eine halbe Stunde. Durchgehalten habe ich es aber trotzdem nicht. Nach einem starken Auftakt und ungefähr zwei Wochen mit regelmäßigen Bewegungseinheiten hat die Motivation wieder nachgelassen. Trotzdem sehe ich mein Fastenprojekt nicht als gescheitert an. Von der Einstellung „ganz oder gar nicht“ habe ich mich verabschiedet. Denn was ich viele Jahre nicht ein trainiert habe, lässt sich nicht in ein paar Wochen komplett umkrempeln. Aber ich habe schon die nächste Verabredung zum Spazierengehen – nach meiner Fastenaktion. Es geht also weiter, und ich werde dranbleiben an mehr Bewegung. Das Jahr ist ja noch jung. 

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23MRZ2024
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Morgen feiern die christlichen Kirchen Palmsonntag und erinnern an den umjubelten Einzug Jesu in Jerusalem. Auf einer Eselin ist er damals in die Stadt eingeritten, viele Menschen sind vor und hinter ihm hergegangen, haben ihre Kleider und Palmzweige auf dem Weg ausgebreitet und ihm „Hosanna – gesegnet sei er, der kommt im Namen Gottes“ zugerufen. Wie einen Helden haben sie ihn empfangen mit allem drumherum.

Dass die Stimmung damals innerhalb von wenigen Tagen gekippt ist und am Ende dieser Woche derselbe Jesus verurteilt am Kreuz stirbt, ist schwer zu begreifen und doch eine historische Tatsache, an der nicht zu rütteln ist.

Was ist passiert, dass die Passion im Sinne von Leidenschaft Jesu zu der Passion – seinem Leiden am Kreuz wurde?

Vielleicht geht es zunächst einmal darum zu schauen, was denn eigentlich die Leidenschaft Jesu war, wofür hat er gelebt und gebrannt?

Sehr verkürzt und vereinfacht: Für einen Gott, der die Menschen liebt, der barmherzig ist und niemanden aufgibt. Für einen Gott, der sich auf die Seite der Armen und Schwachen in der Gesellschaft stellt und betont, dass das Gesetz für den Menschen da ist und nicht andersherum.

Der Priester und Schriftsteller Lothar Zenetti beschreibt Jesus so:

„Wo er war begannen Menschen freier zu atmen

Blinden gingen die Augen auf

Gedemütigte wagten es zum Himmel aufzuschauen

und Gott ihren Vater zu nennen…

…Er stand dafür ein

dass keiner umsonst gelebt

keiner vergebens gerufen hat

dass keiner verschwindet namenlos

im Nirgends und Nie

dass der Letzte noch

heimkehren kann als Sohn …“

 

Dass Jesus dabei im Namen seines Gottes spricht und handelt - davon war er überzeugt und nicht bereit auch nur ein Jota davon abzuweichen.

Dass das wiederum den gesetzestreuen Machthabern nicht passte, verwundert nicht weiter. Dass er Widerstand provoziert hat, auch nicht. Das hat ihn nicht weiter erschüttert. Er ging dem Konflikt nicht aus dem Weg und ist sich und seinem Gott treu geblieben. Hat den aufrechten Gang gewagt – das hat er letztlich mit seinem Leben bezahlt.

Dass er sich so treu geblieben ist, dieser Jesus von Nazareth, ist das, was mich mit am meisten an ihm fasziniert.

Und ich hoffe, dass auch ich nicht müde werde, das, was ich von seiner frohen Botschaft verstanden habe, weiter zu erzählen und zu leben.

 

Aus: Lothar Zenetti, Auf seiner Spur, Grünewald, S.134

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22MRZ2024
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An diesem Schabbat beginnen wir die Lesung des 3. Mosebuches in unseren Synagogen.  Dieses Buch von den Theologen „LEVITICUS“ genannt, weil es sich vorwiegend mit den Tempelopfergaben des alten Israels und seinen Priestern befasst.  Diese Opfer dienten dazu die Verfehlungen, die schwer auf dem Gewissen des Einzelnen, wie auch der Gemeinschaft lasteten, zu sühnen.  Seit der Zerstörung des Tempels durch die römischen Eroberer des Heiligen Landes um die Zeitenwende und nach der Vertreibung der Israeliten aus ihrem Land wurden keine Tempelopfer mehr dargebracht. An ihre Stelle traten die täglichen Gebete, - die Liturgie, die von den Rabbinern des Talmuds, der nachbiblischen Literatur, zusammengestellt und eingeführt wurden. 

Die Gebete der Zeitenwende waren nur dem Inhalt nach fixiert, aber nicht niedergeschrieben. Der Wortlaut blieb dem freien Ermessen des Vorbeters überlassen.

Die älteste Grundform der Andacht waren die Benediktionen: Das sind Segenssprüche, in denen wir G-tt rühmen und für Seine Gnade danken.  Der hebräische Ausdruck für „Segen“ heißt „Bracha“.  Das Verb, das diesem hebräischen Hauptwort zugrunde liegt bedeutete ursprünglich: „auf die Knie fallen.“  Diese klassische Gebetshaltung des demütigen Beters finden wir heute öfter in der katholischen Kirche, als in einer Synagoge... Da das jüdische Gebet nur geringfügig eine individuelle Handlung darstellt, sondern viel eher das Beten in und mit der Gemeinde ist, war es mit der Zeit notwendig geworden, dass namhafte jüdische Gelehrte Gebetssammlungen verfassten und Gebetsordnungen zusammenstellten.  Der Sinn dieser Tätigkeit war, dass sich ein jeder Anwesende am Gebet seiner Gemeinde aktiv beteiligen konnte. 

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