Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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26MRZ2024
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Seit neuestem habe ich die Oper für mich entdeckt. Als ich meinem Sohn davon erzählt und nebenbei erwähnt habe, was eine Eintrittskarte kostet, hat er die Augen weit aufgerissen: Hundertzwanzig Euro für einen Platz im hinteren Parkett? Dafür hätte er ja zehn Mal bei bester Sicht ins Kino gehen können! Mein Sohn ist Student; sein finanzielles Budget ist begrenzt, und er geht sowieso lieber ins Kino. Ich und mein Mann, wir verdienen beide und gönnen uns schon mal ein kulturelles Highlight. Klar, dass wir ganz unterschiedlich rechnen, was uns wie viel wert ist. Wahrscheinlich haben viele Menschen ihre persönlichen Rechensysteme, nach denen sie den Wert einer Sache bemessen. Ich nenne sie die inneren Währungen, und es lohnt sich, ihnen einmal auf die Spur zu kommen. Mein Sohn, der den Wert von Theaterkarten in Kino-Besuche umrechnet. Oder meine Freundin, die über den aufgestockten Bundeswehretat schimpft und mir vorrechnet, wie viele Schulen im Land man mit so einem „Sondervermögen“ komplett renovieren könnte! In den Osterferien wird sie stattdessen mit ein paar nimmermüden Eltern und Lehrerkollegen freiwillig Klassenzimmer streichen.

Auch die Jünger von Jesus haben ihre inneren Währungen. Die Bibel erzählt, wie sie einmal in gepflegter Männerrunde zusammensitzen, als eine unbekannte Frau den Raum betritt. Zielgerichtet und unerschrocken geht sie auf Jesus zu und gießt aus einem kleinen Fläschchen ein kostbares Öl auf seine Stirn und sein Haupt. So wie man früher Könige gesalbt hat. Eine Geste voller Ehrerbietung. Ein wunderbarer Duft breitet sich aus. Als er den Jüngern in die Nase steigt, ist ihr erster Gedanke: Das war aber kein billiges Parfum! Und der zweite: Was für eine Verschwendung! Das kostbare Salböl hätte man doch teuer verkaufen und den Erlös den Armen geben können! So zu rechnen haben sie von Jesus selbst gelernt: Hungernde speisen, Bedürftige kleiden, Elend lindern. Aber auf keinen Fall Geld für unnötigen Luxus zum Fenster rausschmeißen. Die Jünger rechnen damit, dass Jesus ihnen beipflichtet. Aber der reagiert überraschend anders. Er lässt sich die Zuwendung dieser Frau gefallen und genießt sie. Er rechnet nicht in andere Münze um. Denn er versteht: Für diese Frau ist es wertvoll, ihm etwas Gutes zu tun. Und wie kostbar diese Zuwendung ist!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39578
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