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Bärbel Bas, die Präsidentin des Deutschen Bundestags hat Klartext geredet: „Euer Verhalten widert die Leute an“. Ihren Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen hat sie das kürzlich ins Stammbuch geschrieben. Immer wieder bekomme sie Zuschriften von Bürgern. Und die beschwerten sich darüber, dass sich manche Mitglieder im sogenannten Hohen Haus aufführten wie Halbstarke auf dem Pausenhof. Bas möchte nun erreichen, dass die Geldbußen für Pöbeleien und persönliche Beleidigungen im Parlament drastisch erhöht werden.
Dabei spiegeln die Umgangsformen mancher Abgeordneter ja nur wider, was sich seit ein paar Jahren überall zeigt. Leider! Man muss nur in Internetforen schauen. Im Bus den Leuten zuhören. Sich manche Slogans anschauen, die auf Demoplakaten herumgetragen werden. Natürlich darf ich aussprechen, was mich ärgert. Und wenn ein anderer in meinen Augen etwas falsch gemacht oder gesagt hat, dann darf ich ihm das auch sagen. Die Frage ist bloß, wie ich das tue. Und da ist auch mein Eindruck – nicht nur im Parlament – dass der Ton immer öfter verroht. Dass es gar nicht um die beste Lösung zu gehen scheint, sondern darum, den anderen abzukanzeln. Als minderbemittelt, gestört oder gleich als kriminell. Das Wort „Volksverräter“ für Politiker, die anders denken als man selbst, ist ein trauriger Tiefpunkt.
Klar, die Vorstellung, dass ICH auch falsch liegen könnte, nicht genug nachgedacht habe, ist schon schwer zu ertragen. Trotzdem soll es ja vorkommen, dass auch ein Anderer mal recht hat. Wer das dann auch zugeben kann, hat immerhin eine wichtige christliche Tugend gelernt. Sie heißt Demut. Der große Papst Johannes XXIII. hat das einmal wunderbar zum Ausdruck gebracht, als er zu sich sagte: „Johannes, nimm nicht dich nicht so wichtig.“ Ich darf mich ernst und auch wichtig nehmen. Bloß sollte ich dabei nie vergessen, dass ich nicht den Stein der Weisen habe, nicht schlauer oder besser bin als die meisten anderen. Ja, dass sogar das, was andere sagen, manchmal ernst und wichtig sein kann.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38844Eine Bekannte erzählt mir, dass sie bald Oma wird. Sie freut sich riesig auf das Enkelkind, fast so wie die werdenden Eltern. Aber dann erzählt sie mir, dass die jungen Eltern sich auch bohrende Fragen stellen. Ob das bei aller Vorfreude auf das Kind nicht irgendwie auch verantwortungslos ist. Ein Kind in eine Welt zu setzen, die scheinbar jede Woche mehr aus den Fugen gerät. Eine Welt, in der Krieg auch hier bei uns wieder vorstellbar wird. Eine Welt, bei der nicht mehr so ganz klar ist, ob sie klimatisch in fünfzig Jahren überhaupt noch bewohnbar sein wird. Was für eine Zukunft wird ein Kind erwarten, für das Eltern doch immer das Beste wollen.
Ich kann die jungen Leute verstehen. Ihre Fragen richten sich indirekt ja auch an mich und meine Generation: Was habt ihr damals eigentlich getan, um eine lebenswerte Welt zu hinterlassen? Und nun schaut euch an, was für eine Welt ihr uns stattdessen übergeben habt!
Ich bin mir sicher: Auch diese jungen Eltern werden Fehler machen, so wie wir auch. Auch sie werden am Ende nicht alles Menschenmögliche getan haben, um die Erde zu einem friedlichen, lebenswerten Ort zu machen. Aber ich bin mir auch sicher, dass sie kaum etwas Besseres tun können, als ein Kind in diese Welt zu setzen. Eine Welt die Hoffnung und Zuversicht so dringend braucht. Wir sind ja nicht nur Opfer der Verhältnisse. Wir können die Welt gestalten. Und in jedem Kind schlummert die Chance auf eine bessere Zukunft. Und deshalb wünsche ich diesen jungen Eltern auch, dass sie ihrem Kind genau das fürs Leben mitgeben können. Die felsenfeste Hoffnung, dass es immer möglich ist, etwas zum Besseren zu verändern, auch wenn es noch so unwichtig und unscheinbar erscheint. Im eigenen Umfeld, dem Ort, in dem ich lebe, in der Kirche. Verbunden mit der Zuversicht, dass das nicht nur theoretisch möglich ist, sondern dass es wirklich gelingen kann.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38843Beziehungen enden nicht mit dem Tod. Wer sich liebhat, hört damit nie auf. Tod und Sterben, Abschied und Trauer sind bitter, aber sie können eine herzinnige Beziehung nicht zerstören. Wer in eine Trauer gefallen ist, weil ein Mensch nicht mehr lebt, dem haben die Leute meist einreden wollen, es käme jetzt darauf an, loszulassen, den Verstorbenen endgültig zu verabschieden. Wenn sie das endlich geschafft hätten, dann würden sie auch ihre Trauer los. Stattdessen hat sie das eher trostloser gemacht. Unendlich viel Leid und Schmerz haben Menschen zusätzlich zu dem schweren Verlust ertragen, weil sie sich vergeblich darum bemüht haben, genau dieses Lernziel zu erreichen.
Loslassen konnten sie aber nie. Wie auch? Beziehungen mögen nicht für immer sein, aber sie sind ewig, wenn sie aus Liebe sind. Darum ist es so wertvoll und wunderbar, dass Jesus selber auch genau das so gesagt hat. Als er sich nämlich hat verabschieden müssen aus diesem Leben, da hat er zu seinen Freundinnen und Freunden nicht gesagt: Ihr müsst mich jetzt halt loslassen. Schön war die Zeit… Sondern er hat ihnen erklärt, dass er jetzt schon einmal vorgeht, hinüber wechselt in die andere Welt, auf die andere Seite der Wirklichkeit Gottes, um alles für sie vorzubereiten. Es gäbe viele Wohnungen im Reich seines himmlischen Vaters, hat er gesagt. Da wäre Platz genug für alle, die nachkommen. Und er wolle dafür sorgen, dass das Himmelsbett schon gemacht ist, wenn wir kommen. „Damit ihr seid, wo ich bin!“ hat er gesagt. Es geht nicht ums Loslassen, sondern um das Überlassen, um das Anvertrauen. Trauer und Liebe lassen nicht los, sondern bleiben in Beziehung über den Tod hinaus. Wir räumen die Nähe derer, die wir lieben nicht aus, sondern ein, wir geben ihnen ihren Platz in unseren Herzen für immer und ewig. Wir bleiben in Beziehung und sind darum ziemlich himmelreich.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38794Fernbeziehungen sind spannend. Mit Leuten in Kontakt zu bleiben, die man selten sieht, das lohnt sich. Da gibt es Freundschaften aus der Kindheit, aus der Schulzeit, der Ausbildung, dem Urlaub, dem Tanzkurs oder wo auch immer wir Menschen kennengelernt haben und dann unsere Wege gegangen sind. Freundschaften enden oft, weil man sich nicht mehr sieht. Unser Leben findet anders als das unserer Vorfahren nicht stabil nur an einem Ort statt. Wir sind Wandervögel, ziehen hier hin und da hin, je nachdem, wo es Arbeit und Wohnung gibt, und schon gehen uns Menschen verloren. Das passiert auch heute trotz digitalem Netz und modernster Kommunikation. Es passiert ganz ohne bösen Willen meist. Und doch gibt es ganz alte Methoden in Kontakt zu bleiben. Per Fernwärme sozusagen. Die hat schon in der Bibel funktioniert. Und ist doch aktuell und modern. Ich meine das Briefe schreiben. Die gute alte Methode mit einem Blatt Papier und einem Stift. Das erfüllt immer noch seinen Zweck. Wenn auch immer seltener.
Unverzichtbar ist es für die ersten Christen gewesen. Da hätte es ohne regelmäßigen Briefkontakt keine Gemeinden gegeben. Die Bibel berichtet ausführlich, wie der Apostel Paulus auf Missionsreisen christliche Gemeinden gegründet hat. Aber er konnte ja nicht ewig an einem Ort bleiben, musste weiterziehen, heute hier, morgen dort sein. So blieben die gerade getauften Leute bald sich selbst überlassen. Und schnell kamen Fragen und Zweifel und allerlei Streit natürlich, wie man das macht, ein christliches Leben zu führen.
Da hat Paulus sich hingesetzt und angefangen jede Menge Briefe zu schreiben. Nach Rom, nach Korinth, nach Ephesus, nach Tessalonike. Hat so versucht zu ermutigen, zurecht zu weisen, aufzuklären, anzuleiten. Seine Brieffreundschaften haben die ersten Gemeinden stark gemacht. Wer schreibt, der bleibt…. Probieren Sie es ruhig mal wieder aus. Überraschen Sie ihre Freundinnen und Freunde mit einem Brief. Sie werden erfahren, wie das wirkt. Fernbeziehungen sind spannend - und warten auf Post.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38793Vor ein paar Jahren habe ich einen damals jungen Haflinger kennen gelernt. Im Vorübergehen habe ich ihn in seinem Stall stehen sehen. Bin zu ihm gegangen und habe seine unbedingte Nähe gespürt. Er ist damals mit seinem Kopf unter meinen Arm geschlüpft und hat mich so unmissverständlich wissen lassen, dass er Hilfe braucht. Als ich dann erfahren habe, dass das Schlachthaus auf ihn wartet, weil er bei einer Prüfung durchgefallen war und deshalb für die Zucht als nicht geeignet galt, da habe ich ihn spontan zu meinem Pferd erklärt und gekauft. Tiere wissen auch, was Beziehung ist. Sie können sich sehr gut auf uns Menschen einlassen. Manche Leute verstehen sich sogar mit Tieren besser als mit Menschen. Unzählige Haustiere begleiten einsam Menschen wunderbar. Zarte Aufmerksamkeit, Wärme und Nähe können sie schenken. Die Bibel unterstreicht die große Bedeutung zwischen Mensch und Tier auch. Ganz am Anfang schon weist sie darauf hin, dass Gott der Schöpfer die Menschen damit beauftragt, den Tieren ihre Namen zu geben. Das schafft eine besondere Bindung. Das adelt die Beziehung zu einem einmaligen Bündnis.
Erst nachdem ich meinen jungen Haflinger gekauft hatte, habe ich dann erfahren, dass er noch keinen Namen hat. Da wollte ich ihn Anton nennen. Anton hat einfach gepasst. Aber der Züchter hat mich aufgeklärt, dass ich mich da an bestimmte Regeln halten müsse. Und in dem speziellen Fall hätten alle männlichen Vorfahren einen Namen mit ST am Anfang gehabt hätten also Steinadler und Stuart geheißen. Da habe ich nicht lange überlegt, sondern kurzerhand beschlossen, dass ich den Anton jetzt heiligspreche. Und so hat er den Namen St. Anton bekommen. Und auf diesen Namen hört er bis heute, wenn er will. Wir sind längst gute Freunde fürs Leben geworden. Und das versprechen wir uns jeden Tag. Hoch und heilig!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38792Heute ist Buß-und Bettag. Das war eigentlich mal ein Feiertag. Aber weil er niemandem so richtig feierlich war, konnte er uns scheinbar weitgehend schmerzfrei gestrichen werden. Dabei meint Buße ja einfach nur ehrliche Reue und das Bewusstsein dafür, was wir uns so alles antun können in unseren Arten und Weisen in Beziehung zueinander zu stehen.
Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht doch einen Feiertag wert wäre. So einen Gedenktag für das, was uns im Laufe des Jahres so alles passiert im Umgang miteinander. So ein Recycling-Tag für angeschlagene Beziehungsweisen. Was wir eben zu bereuen hätten womöglich. Buße tun, deswegen und dafür- unter Anderem:
Für das Lächeln, das verächtliche, du weißt schon wie…
Für das Stirnrunzeln, das neunmalkluge, du weißt schon wann…
Für die zwei verschlossenen Ohren, die gehörig verstopften. Du ahnst schon was…
Für den Geschmack, auf den man kommen kann, ich weiß nicht wie,
wenn es sich auf Kosten anderer, ganz gut leben lässt.
Für das eine Wort zu viel- Du weißt schon, ich weiß es auch….
Für den Moment, den falschen, der Himmel weiß warum…
Für die Verletzung, die lebensgefährliche. Niemand weiß das besser!
Für die Härte, die gnadenlose, wer weiß, wie oft…
Für die kalte Schulter, die gezeigte, wer weiß, wie tief gefroren…
Für die kleinen Fluchten, die gejagten. Ich weiß von nichts…
Für dieses Grinsen, das breite. Ich weiß etwas, was du nicht weißt…
Für das Vertrösten, das billige. Wie man weiß…
Buße tun, Reue spüren - Wofür? Dafür.
„HERR vergib uns, denn wir wissen doch, was wir tun.“
Sie haben sich schon im Mutterleib gekappelt. Die Zwillinge Jakob und Esau. Die Bibel erzählt, dass sie sich schon bei der Geburt auf den Fersen waren. und Jakob den erstgeborenen Esau daran festhielt, weil er als Erster auf die Welt kommen wollte.
Aber Esau hat sich durchgesetzt. Und der Zweikampf hat sich dann auch so fortgesetzt. So verschieden die Beiden wohl auch gewesen sind. Esau ein struppiger Jäger und herumstreunender Sammler, und Jakob der sesshafte Hirtenjunge und Mamas Liebling. Zwei Welten, Zwei Menschen- wie das so ist. Kurz vor dem Tod des Vaters Isaak passiert dann der Skandal. Jakob gibt sich mit Mamas Hilfe gegenüber dem inzwischen blinden Vater als der erstgeborene Sohn aus und bekommt darum den väterlichen Segen, der eigentlich seinem Bruder zusteht. Aber auf Lug und Betrug ruht eben kein Segen. Im Gegenteil! Streit und Neid und Herzeleid sind die Folge. Zorn und Rache und Flucht obendrein. Esau schwört auf Rache und Jakob rennt um sein Leben davon. Und es vergehen mühselige Jahre, bis Jakob sich wieder nachhause traut.
Auf seinem weiten Weg zurück schickt er vorsichtshalber Gastgeschenke voraus, die seinen betrogenen Bruder wohl besänftigen sollen. So groß ist sein schlechtes Gewissen. Jede Menge Ziegen und Schafe, Kamele, Kühe und Esel von denen er selber wohl der größte ist.
Und das weiß er. Und darum hat Jakob Angst vor dem Wiedersehen. Und Esau kommt ihm tatsächlich entgegen. Er bringt auch seine Familie mit, seine Kinder, seine Frauen, das ganze Aufgebot. Das zeigt, dass auf sein Leben doch auch Gottes reicher Segen gefallen ist. Und das hat wohl den Bann aller Vorbehalte und Verbitterung gebrochen. Schließlich weinen sie Beide bittere Tränen. Weil Versöhnung eben so herzzerreißend und gewaltig ist.
Eine gescheiterte Beziehung zurück zu gewinnen, das ist wahrscheinlich das Größte, was wir uns überhaupt antun können. Und es ist möglich- beziehungsweise - alle Mühe wert!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38790Als Kind war ich viel bei uns im Dorf unterwegs. Zusammen mit den andern Kindern. Wir hatten viel Spaß auf der Gass. Überhaupt hat sich das Leben viel mehr vor der Tür auf den Straßen und Plätzen abgespielt. Die Leute waren zugange im Hof und im Garten, waren auf dem Weg ins Feld oder um etwas anderes zu erledigen. Und wer nicht draußen war, stand zumindest am offenen Fenster, um Anteil zu nehmen an dem Treiben und Kommen und Gehen. Und da hat man sich natürlich auch getroffen und gegrüßt und den Hut gezogen und ausgefragt. Mich haben die älteren Leute dann manchmal neugierig angeschaut, sich zu mir herunter geneigt, was man vielleicht auch Zu-neigung nennen könnte und dann interessiert gefragt: „Wem gehörst denn DU?“ Dann habe ich brav geantwortet, wie sich das gehört und gesagt: „Den Burgdörfers!“ Mehr oder weniger zufrieden haben sie mich dann meines Weges weitergehen lassen Und ich habe immer besser verstanden, dass es wohl für die Imagepflege in der Dorfgemeinschaft von Bedeutung sein könnte, dass man jemandem gehört. Nicht auszudenken jedenfalls, wenn ich hätte sagen müssen: „Ich gehöre niemandem!“ Und so habe ich schon ganz früh gelernt, dass ich nicht nur mir gehöre. Dass es gut und wichtig ist, zusammen zu gehören.
Man spricht ja auch von „den Angehörigen“, wenn man seine Familie meint. Es ist womöglich der wirklich wahre Sinn unseres Lebens, dass wir zueinander gehören, dass wir in Beziehungen leben und eine Gemeinschaft sind. Das mag manchmal mühsam sein und stressig auch, aber wenns drauf ankommt, sind wir zum Glück zusammen und stehen so manche Tiefen miteinander durch und teilen die Hoch-Zeiten mit Freude zusammen. Kein Solist zu sein, nicht ganz und gar isoliert und allein, das gibt uns Halt und Kraft und schenkt uns Geborgenheit. Und weil Gott will, dass wir das spüren und genießen, will auch er in Beziehung zu uns stehen. Und sagt zu Jedem und Jeder: „Hab keine Angst! Fürchte Dich nicht! Du, mein geliebtes Gotteskind! Du gehörst zu mir. Hast Du das gehört?“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38789In diesen Novembertagen besuchen viele die Gräber von Menschen, die sie vermissen: Die Ehefrau, den Vater, den Freund oder die Oma. Und an den Gräbern erinnern sich viele an die Verstorbenen: Wie sie so waren. Was sie mit ihnen erlebt haben. Was sie ihnen heute gern noch erzählen würden.
Und viele Fragen gehen durch den Kopf. Über das Sterben und den Tod. Keiner von uns weiß ja, wie das einmal sein wird am Ende unseres irdischen Lebens.
Bei der letzten Trauerfeier, die ich geleitet habe, war das ganz ähnlich. Ich habe die Verstorbene gekannt. Eine sehr nette Frau, immer adrett gekleidet, äußerst höflich und an allem und jedem interessiert. Zusammen mit ihren Angehörigen konnte ich auf ein langes Leben zurückblicken. Und an eine Frau denken, die immer ein gutes Wort auf den Lippen hatte, gerne gelacht hat und einen tiefen Glauben in sich trug. Davon hat sie gerne erzählt. Und das drückte auch das Lied aus, das sie selbst noch zu Lebzeiten für die Trauerfeier ausgewählt hatte: „Wir sind nur Gast auf Erden“. Alle konnten von der Hoffnung hören und selbst davon singen, was die Verstorbene in ihrem Leben erfüllt hat. Trotz aller Beschwerden hat sie darauf vertraut, dass sie am Ende ihres Lebens zu Gott findet. Dass sie heimfindet, wie es im Lied heißt.
Die alte Frau hat gerne gefeiert. Und ich hatte den Eindruck, sie wollte, dass auch ihre Verwandten und Freunde in der Trauer feiern. Dass unser irdisches Leben nicht alles ist. Dass es nach dem Tod weitergeht. Anders sicher, als wir es kennen. Aber ganz nah bei Gott. Wie der christliche Glaube es verheißt.
Die Lieder und die Texte einer Trauer-Feier beantworten nicht alle Fragen, die am Grab eines lieben Menschen aufkommen, aber sie können Hoffnung verbreiten. Eine Hoffnung, die trösten kann.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38772Ich bin etwas genervt, weil ein Zug Verspätung hat und ich ziemlich lange auf den nächsten warten muss. Wenigstens habe ich einen Platz auf einer Bank im Wartebereich ergattert und kann sitzen. Während ich noch auf mein Handy schaue, muss sich eine Mutter mit einem Kind neben mich gesetzt haben. Ich nehme sie erst wahr, als ich mich etwas beruhigt habe. Aber dann bin ich einfach nur fasziniert. Die Mutter hält ihre schlafende Tochter auf ihrem Schoß. Ein Arm stützt den Kopf des Kindes, ein anderer den Rücken. Die Augen der Mutter ruhen auf ihrem Kind. Das Kind atmet ruhig und schläft tief und fest. Rundherum ist jede Menge Trubel. Leute, die hektisch zu den verschiedenen Gleisen laufen. Durch den Lautsprecher der Bahn dröhnt die Ansage von der Einfahrt der nächsten Züge.
Und neben mir dieses schlafende Kind im Schoß der Mutter. So friedlich, entspannt und geborgen. „Wie gut es ihr Kind hat!“, sage ich, als die Mutter bemerkt, dass ich die beiden beobachte. Sie lächelt und nickt. Und antwortet mir in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Aber das ist egal. Ich kann ahnen, was sie meint.
In den ganz alten hebräischen Texten der Bibel steht das Wort Mutterschoß immer dort, wo in der deutschen Übersetzung das Wort Barmherzigkeit steht. Mich berühren diese beiden Worte und die Deutung, die ich darin entdecke: Ohne den Mutterschoß gibt es kein Leben. Und auch ohne Barmherzigkeit gibt es kein Leben.
Am Anfang jedes Menschenlebens steht die Barmherzigkeit. Wie ein Geschenk, das wir im Leben weitergeben können. Den Gedanken nehme ich heute gerne mit in den Tag. Und das friedliche Bild des Kindes auf dem Schoß der Mutter auch.
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