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15MAI2023
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Er ist vielleicht der berühmteste Sohn der Stadt Koblenz: Clemens Wenzeslaus von Metternich. Als Staatskanzler Österreichs hat er Weltgeschichte geschrieben.

Heute vor genau 250 Jahren kam er im Herzen der Koblenzer Altstadt zur Welt, im Palais seiner Familie, dem „Metternicher Hof“ am Münzplatz. Sein Vater stand in Diensten des letzten Trierer Erzbischofs und Kurfürsten, der auch Taufpate und Namensgeber des Jungen wurde.

Metternichs fromme Mutter sorgte für eine katholische Erziehung ihres hochbegabten Sohnes. Mit gerade mal 15 Jahren ging Metternich zum Studium nach Straßburg. Dort erlebte er die Französische Revolution. Deren Gewaltaktionen stießen ihn ab. Revolution – das war nicht seine Sache. Metternich blieb ein Leben lang ein Vertreter der alten Monarchie. Das hat ihm in der Geschichtsschreibung den Ruf eines Anti-Demokraten eingetragen. Und das nicht zu Unrecht.

Dabei darf man aber nicht übersehen, dass Metternichs Außenpolitik den Ausgleich und die Verständigung unter den Nationen förderte. Das zeigte sich vor allem 1815 auf dem Wiener Kongress. Nach den blutigen Kriegen Napoleons schuf die Konferenz unter Leitung Metternichs eine stabile Ordnung für Europa. Und das für Jahrzehnte!

In einem Brief schrieb Metternich einer Freundin: „Der Krieg ist eine böse Sache. (…) Ich hasse den Krieg und alles, was er mit sich bringt: das Morden, die Schmerzen, die Schweinereien, die Plünderungen, die Leichen, die Amputierten (…) und ebenso die Vergewaltigten. Deshalb arbeite ich ungeachtet allen Geschreis der Dummen (…) für den Frieden.“1

Jetzt, wo wieder ein Krieg in Europa tobt, wirken diese Sätze bedrückend aktuell. Wann mag endlich die Stunde der Diplomatie kommen? So wie vor 200 Jahren, zu Zeiten eines Clemens Wenzeslaus von Metternich.

1: zitiert nach: Siemann, Wolfram: Metternich. Stratege und Visionär. Eine Biographie. München 2016, S. 482-482

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13MAI2023
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Träumen ist wie Glauben. Wenn wir im Schlaf diese Zwischenräume betreten, dann sind wir schon ein bisschen weiter als in der üblichen Normalität. Wir betrachten überraschende Innenansichten unseres Lebens. Wir gleiten über unsere gewohnte Realität des Alltages hinaus und sehen weiter als sonst. Wir schweben und werden leichter, sind umfangen von etwas Bedrohlichem oder Beglückendem, überschreiten schon unsere Grenzen und halten Ausschau nach dem, was größer und weiter ist als das, was wir kennen.

Kein Wunder, dass die Bibel viel davon zu erzählen weiß, dass Menschen immer wieder im Traum auch Gott begegnen. Im Reich der Träume ist das Himmelreich nicht weit, da kommt Gott mitunter seinen Menschen ganz nahe, fragt, was sie wünschen und brauchen, sucht und sendet sie, erklärt ihnen manche Rätsel und gibt Wegweisung und Rat. Gottes Welt ist für uns wohl nur traumhaft zu erahnen. Da kommen wir unwillkürlich aus unserer Enge und schauen hin zum Horizont der Hoffnung, die ein bisschen Licht in die Hinterhöfe unserer Sorgenhäuser schimmern lässt. Wenn wir uns in Gottes Nähe träumen, dann öffnet sich wohl die Himmelstür einen kleinen zarten Spalt breit. Nur ganz kurz und nur so viel, wie wir gerade noch ertragen können. Mehr wäre ein Zuviel des Guten. Wenn wir träumen, dann ahnen wir, dass es mehr gibt, als wir sehen. Dann kriegen wir einen klitzekleinen Vorgeschmack darauf, wie viel mehr hinterm Horizont auf uns wartet. Die Bibel sagt deshalb ganz vielversprechend:
„Wenn Gott seine Menschen erlösen wird,
dann werden sie sein wie die Träumenden.“

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12MAI2023
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Nicht nur Menschen – auch Tiere träumen. Das habe ich lange nicht gewusst. Bis ich Toni kennenlernen durfte. Toni ist unser Hund, ein altdeutscher Hütehund –  und wir, meine Familie und ich, sind seine Herde. Und er ist tatsächlich der Erste, dem ich beim Träumen zusehen darf. Das ist so spannend und anrührend zugleich, aber auch ein bisschen unheimlich, muss ich zugeben.

Da kann es passieren, dass wir nach einem ausgedehnten Spaziergang nachhause kommen, beide sehr müde und glücklich sind und nach Futter und Wasser legt sich der Toni hin, streckt sich aus und schläft sofort tief und fest. Schlagartig ist er in seiner Traumwelt, geht in seinem offenbar aufregenden Hundeuniversum weiter spazieren, und erlebt ungeheuer viel. Ich weiß nicht, ob er Rehe oder Hasen jagt, was ja bekanntlich verboten ist, jedenfalls scheint er rasend unterwegs zu sein, völlig verrückt, kämpft, ruft, jammert, fiebt, sein ganzer Körper vibriert, alles an ihm zappelt, seine Pfoten sind ganz zittrig und der ganze Kerl steht unter Strom. Was ist da bloß los im Hundekopf? Ich schwanke dann immer, ob ich ihn aufwecken soll, oder ob es im Gegenteil wichtig ist, ihn in Ruhe zu lassen, weil er gerade etwas ganz Wichtiges aufarbeitet. Also lasse ich ihn ganz in seiner Traumwelt, weil ich denke: Der macht eben seine ganz eigene Traumtherapie! Und ich bin dabei und staune. Darüber, dass Gott offenbar auch den Tieren eine Seele geschenkt hat.  Was für ein erfülltes Innenleben die haben. Wie viel Persönlichkeit und Tiefe. Da verwundert es doch gar nicht, dass die biblische Vision von einem himmlischen Frieden auf Erden nicht ohne die Tiere auskommt, wenn es bei Jesaja heißt:

„Dann werden Wolf und Lamm friedlich beieinander wohnen,
der Leopard wird beim Ziegenböckchen liegen.
Kälber und Rinder und junge Löwen weiden zusammen,
ein kleiner Junge kann sie hüten.“


Einfach traumhaft die Vorstellung, dass die Schöpfung mit sich selbst Frieden schließen könnte. Und die Tiere gehen mit gutem Beispiel voran.

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11MAI2023
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Je älter ich werde, umso mehr träume ich. Früher bin ich morgens aufgewacht und konnte mich an nichts Geträumtes erinnern. Ganz selten mal war das anders. Jetzt träume ich fast jede Nacht.

Und zwar immer öfter von früher. Die Bilder meines Elternhauses, Erinnerungen aus der Kindheit wiederholen sich. Die vertrauten Stimmen der Eltern und Großeltern sind verblüffend nah. Unglaublich viele Kleinigkeiten und Details sind da offenbar in mir abgespeichert. Und im Alter habe ich endlich Zeit und Aufmerksamkeit dafür, ihnen Nachts zuzuhören und zuzuschauen.

Ganz überrascht aber hat mich, dass es nicht nur Gesichter, Stimmen und Ereignisse sind, von denen ich da träume, sondern auch Gerüche. Tatsächlich habe ich geträumt, wie es bei uns zuhause immer Samstag Nachmittags so ungefähr um 4 Uhr gerochen hat. Das war nämlich die betörende Mischung von Bohnerwachs und Streuselkuchen. Unfassbar delikat und unübertroffen intensiv, dieser Cocktail aus Sauberkeit und Backofen. Und wir wissen ja schon lange, dass unser Geruchsinn ein göttliches Geschenk ist, weil es so einen erheblichen Einfluss auf unser ganzes Befinden hat. Und dieser Samstagnachmittagsduft löst bei mir eine solch tiefe Geborgenheit aus, wie damals eben, wenn am Samstag so langsam die Welt angehalten wurde. Gott sei Dank, haben wir ein Näschen für Momente des Glücks und des gut Aufgehobenseins.

Als der deutsche Astronaut Alexander Gerst nach einem halben Jahr im All wieder auf die Welt gekommen ist, da hat er gesagt: „Die Erde riecht großartig!“  Riechen heißt erinnern und sich einfinden.  Wohlvertraute Gerüche machen, dass wir zuhause sind. Sogar im Traum.  Alle Nase lang…

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10MAI2023
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Wer trauert, träumt auch oft. Wenn jemand einen lieben Menschen verloren hat, dann kann es sein, dass er nach einer gewissen Zeit den Verstorbenen in seinen Träumen sieht. Das kann atemberaubend sein und befremdlich zugleich. Mein Vater zum Beispiel hat nach dem Tod meiner Mutter immer wieder von ein und demselben Traum erzählt. Er hat sie durchs Küchenfenster auf unser Haus zukommen sehen, und ist dann im Traum ganz schnell rausgelaufen, um ihr entgegen zu gehen. Aber am Hoftor ist sie immer wieder einfach weitergegangen, ohne sich zu ihm umzudrehen. Sie hat ihn einfach stehen lassen, ohne einen Blick, eine Geste, ein Zeichen der Verbundenheit.

Das hat meinen Vater jedes Mal so dermaßen berührt, war für ihn so schön und so schrecklich zugleich. Er war meiner Mutter im Traum nochmal ganz nah, aber zur gleichen Zeit hat er erleben müssen, dass er endgültig von ihr getrennt ist. Wenn die Trauer träumt, dann ist das immer Beides gleichzeitig: es tut gut und es tut weh. Unsere Toten sind unwiederbringlich weit weg in einer für uns nicht mehr zugänglichen Welt. Und selbst wenn sie uns im Traum so nahekommen, bleibt es doch bei dieser schmerzhaften Distanz.  Das hat sich schon damals beim allerersten Ostermorgen auf dem Friedhof in Jerusalem so angedeutet.  Da trifft der auferstandene Jesus auf Maria, aber lässt sich von ihr nicht anfassen oder berühren.  Es gibt da eine bis auf Weiteres unüberbrückbare Trennung zwischen Hüben und Drüben. Diesseits und Jenseits. Wie es dort wirklich ist, das können wir uns im Traum nicht wirklich vorstellen.

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09MAI2023
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„I have a dream!“ „Ich habe einen Traum!“ So beginnt die wohl berühmteste Rede von Martin Luther King, dem farbigen Freiheitskämpfer und Prediger. Er hat sie im August 1963 in Washington gehalten, vor 60 Jahren also schon. Sie hat nur 17 Minuten gedauert, aber sie klingt bis heute nach.

Ich kenne kein eindringlicheres und gottvolleres Reden von einer besseren Welt. Mehr als 250 000 Menschen haben es damals gehört und wie ein Gebet mitgesprochen. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt und hochexplosiv. Und dahinein hat Martin Luther King dann gesagt: „I have a dream!“ Und die Worte haben sich ausgebreitet wie eine ansteckende Sehnsucht in der ganzen Welt. In der Rede heißt es mittendrin:

„Ich habe einen Traum,
 dass meine 4 kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden,
in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe,
sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird.“

Die damalige Bürgerrechtsbewegung hatte die menschenfeindliche Rassentrennung massiv angeprangert. Diese Ungleichheit darf nicht sein. Sie ist unerträglich und wir müssen sie überwinden.

Ohne diesen mutigen und gewaltfreien Appell, wären die unsäglichen Gräben zwischen Schwarz und Weiß niemals so problematisiert worden. Überwunden wurden sie trotzdem noch nicht.

Darum braucht es auch heute solche Träumer, wie Martin Luther King einer war. Wenn wir in dieser Welt jemals Gerechtigkeit, Frieden und eine lebensfähige Schöpfung erhalten wollen, dann wird es immer wieder solch charismatische Träumer geben müssen.  Menschen, die unverschämt visionär und traumtänzerisch mutig auftreten. Menschen, die in Gottes Namen allem menschenverachtenden Tun und Lassen widersprechen. Solche Träumer werden dringend gesucht. Sie sind es, die sich auf die Himmelsleiter trauen. Es muss traumhaft zugehen, wenn wir nicht untergehen.

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08MAI2023
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Können Sei sich noch an die Geschichte vom „Hans guck in die Luft“ erinnern? Das ist der zauberhafte Held aus dem Struwwelpeter, der die ganze Zeit alles übersieht, was vor seinen Füßen ist. Er hat nur Augen hat für den Himmel, für Dächer, Wolken und Schwalben. Und deshalb kommt er den ganzen Tag aus dem Stolpern nicht heraus. Ein Tagträumer, wie er im Kinderbuche steht.

Als so ein „Hans guck in die Luft“ lebt man gefährlich. Josef aus dem Alten Testament kann ein Lied davon singen. Zusammen mit seinen 11 Brüdern lebt er bei seinem Vater und träumt auch an der Realität vorbei.  Aber er ist Papas Liebling und trägt deshalb ein besonders schönes Kleid und die Nase ziemlich hoch.  Während die Brüder schwere Feld und Hirtenarbeit verrichten, treu und brav auf die Vieherden des Vaters aufpassen, schlendert Josef eher verträumt durch den Tag und schaut höchstens mal den andern bei der Arbeit zu. Das macht ihn schon ziemlich unbeliebt natürlich.

Aber richtig eng wird es erst dann, als er sich nicht zurückhalten kann, prahlerisch und selbstverliebt von seinen besonderen Träumen zu erzählen. In denen ist er seinen Brüdern total überlegen und steht schamlos im Mittelpunkt. In seinen Träumen verneigt sich alles unterwürfig vor ihm.

Selbst Sonne, Mond und Sterne verehren ihn. Mit so viel Hochmut verdirbt er es sich mit der ganzen Familie. Das kann natürlich auf die Dauer nicht gut gehen. Tut es auch nicht.  Schon bald hat er nämlich ausgeträumt. Seine Brüder werfen ihn zuerst wütend in einen Brunnen und verkaufen ihn dann als Sklaven nach Ägypten.   Da bestätigt sich das biblische Weisheitswort, das sagt: Achtung Leute: „Wo viel Träume sind, da ist auch viel Eitelkeit!“  Dann ist es wohl besser für uns, jetzt einigermaßen wachsam in den Tag zu gehen und einander auf Augenhöhe zu begegnen.

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06MAI2023
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Sie sind vier von Vielen, ohne die es nicht läuft:

Mia leitet jede Woche eine Gruppenstunde mit acht Messdienerinnen unserer Kirchengemeinde. Sie studiert inzwischen in Koblenz und manchmal kommt sie extra deswegen nach Budenheim.

Anja organisiert und leitet Sitzungen. Diskutiert und berät, damit Probleme gelöst, Veränderungen akzeptiert werden und Veranstaltungen reibungslos laufen.

Christine besucht alte Menschen zu ihrem Geburtstag. Bringt ein kleines Geschenk vorbei, gratuliert und hält ein kurzes Schwätzchen.

Dorothee lädt junge Familien, die ein Baby bekommen haben, zu einem Spaziergang ein. So können sie untereinander Kontakte knüpfen, sich austauschen über das, was mit dem Familiennachwuchs neu, chaotisch, herrlich und auch anstrengend ist.

Ohne Menschen wie Mia, Anja, Christine oder Dorothee sähe unsere Gemeinde und auch unsere Welt viel trostloser und ärmer aus. Vieles wäre überhaupt nicht möglich. In unseren Kirchengemeinden nicht und in den Vereinen und Kommunen auch nicht. Etwa 31 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland in einem Ehrenamt. Das sind echt viele. Sie opfern ihre Freizeit, um freiwillig in den unterschiedlichsten Bereichen tätig zu werden. Sie setzen sich für das Gemeinwohl und den Zusammenhalt der Gesellschaft ein – mit ihrem Talent, ihrem Können und ihrer Zeit. Ohne die vielen ehrenamtlichen Männer und Frauen würde in unserem Land ganz Wesentliches zusammenbrechen.

Das wissen auch die Ehrenamtlichen aus unserer Gemeinde. Denn sie engagieren sich, weil sie spüren, wie gut es jenen tut, für die sie sich einsetzen. Die Gruppenstunden, der Besuch, die Treffen. Sie schenken Gemeinschaft und verbreiten Freude. Aber sie engagieren sich nicht nur für andere. Auch ihnen tut es gut. Denn wer sich selbst ehrenamtlich betätigt, ist glücklicher. Das bestätigt auch Mia. „Es macht einfach Spaß.“ Und Dorothee fügt hinzu: „Ich bin froh, wenn weitergeht, was mir selbst viel gegeben hat.“  Na dann: Glücklich, wer ein Ehrenamt hat!

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05MAI2023
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Zusammensitzen und erzählen. Das ist so einfach und kann gleichzeitig so guttun. Nach der Beerdigung meines Vaters konnte ich das tief spüren. Auf dem Friedhof blies ein kalter Wind. Und nicht nur Regen lag in der Luft, auch ganz viel Traurigkeit. Aber die Verwandten und Freunde unserer Familie sind danach noch zusammengeblieben und haben sich bei Kaffee und Kuchen aufgewärmt.

Und dann wurde erzählt. Ganz viele Erlebnisse mit meinem Vater. Gemeinsame Unternehmungen. Probleme, die gewälzt, Feste, die gefeiert wurden. Die Eigenheiten, die ihn so einmalig und unverwechselbar gemacht haben. Nach der Beerdigung haben wir uns vom Leben erzählt. Und mit der Zeit wurden nicht nur die Füße wieder warm. Mit der Zeit wurde auch das Todtraurige und Schwere ein bisschen leichter und erträglicher. Und hier und da wurde sogar gelacht, weil auch viel Lustiges aus dem Leben meines Vaters zur Sprache kam.

In meinem Heimatdorf im Westerwald heißt dieser Trauerkaffee nach einer Beerdigung auch „Trösterich“. Ich mag dieses Wort. Denn dieser Kaffee, das Zusammensein und Erzählen, das tröstet wirklich. Weil da ganz viel Zusammenhalt, viel Verbundenheit spürbar ist. Weil das Zusammenrücken zeigt: Wir sind nicht allein.

„Wir sollten uns auch mal ohne traurigen Anlass treffen.“ Der Satz macht häufig nach Beerdigungen die Runde. Ja, das ist ein guter Vorsatz. Denn auch im ganz Alltäglichen tut mir das gut. Ohne konkreten Anlass. Erzählen, was los ist. Was das Herz bedrückt, das Leben schwer macht, aber auch, worauf ich mich freue. Zusammensitzen und erzählen. Und wenn nötig, auch einander trösten.

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04MAI2023
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In der Schule ging es letzte Woche im Reliunterricht um Bartimäus. Den blinden Bettler aus der Bibel.

Bartimäus sitzt am Rand. Ausgegrenzt und gemieden. Als er mitbekommt, dass Jesus in der Nähe ist, beginnt er zu rufen. Auch wenn ihn die anderen auffordern, still zu sein. Er ruft so lange, bis Jesus stehen bleibt und den Bettler zu sich holt. Und dann heißt es: „Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu.“ (Mk 10, 50)

Bartimäus wirft seinen Mantel weg. An der Stelle bleibe ich immer wieder hängen. Dass so ein Detail überhaupt erwähnt wird. Die Schüler im Unterricht haben das sofort kapiert. Für sie ist klar: So eine dicke Jacke, die nervt. Die ist viel zu schwer, wenn man laufen und sich bewegen will. Da sprechen sie aus Erfahrung. Die Kinder sind sich einig: Der Mantel muss weg. Der steht für das alte Leben von Bartimäus. Das blinde, das dunkle Leben. In Bewegung kommt Bartimäus nur ungeschützt. Wenn er hinter sich lässt, was ihn festhält und einengt.

Meinen warmen Wintermantel werde ich jetzt auch erst mal wegpacken. Langsam, aber sicher wird es ja endlich wärmer. Und mit jedem Frühling beginnt auch etwas Neues. Neues Leben. Neue Hoffnung. Und so werde ich mich dabei fragen, was ich mit dem Mantel alles noch wegpacken möchte, um wieder freier zu werden. Vielleicht den Ärger über das, was ich eh nicht ändern kann. Oder die Bedenken, die mir im Weg stehen, etwas Neues zu lernen. Eben das, was mich bisher hindert, das ein oder andere neu zu sehen und anzupacken.  

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