Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
„Herr Pfarrer, entschuldigen Sie bitte. Auch wenn Sie immer die richtigen Worte zum Abschied gefunden haben, möchte ich doch mit meinen Worten Tschüss sagen“.
Als ich den Umschlag mit diesen Zeilen öffnete, war ich baff. Der Mann, der diese Zeilen geschrieben hat, war ein paar Monate zuvor bei uns im Pfarrbüro. Er gab einen Umschlag zur Verwahrung ab. Nach seinem Tod erst sollte er geöffnet werden. Und darin war seine Trauerrede, die er selbst geschrieben hat.
Von der Familie des Mannes habe ich erfahren, dass er ein Jahr zuvor eine schlimme Diagnose bekommen hat. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Und in dieser Zeit hat er an seiner eigenen Beerdigungsrede geschrieben. Hat immer wieder daran gefeilt, viele Monate lang. Und das anscheinend mit Freude, denn er schreibt: „Es ist erstaunlich, welch wunderbare Augenblicke einem in den Sinn kommen, wenn man über sein Leben nachdenkt. Eigentlich ist es schade, dass man wartet, bis die Lebenszeit zu Ende geht“.
Als ich seine Rede in der Trauerhalle vorgetragen habe, war er durch seine Worte ganz präsent. Er hat sich bei allen seinen Weggefährten bedankt, die er in seinem Leben kennengelernt hat. Stolz war er auf seine Kinder: „Das Ergebnis ist großartig. Das hätte ich schon viel früher und viel öfter sagen müssen. Sorry dafür.“
Die Ansprache des Mannes begleitet mich seit einigen Monaten. Immer wieder fallen mir Sätze daraus ein. Die erste Zeile hat mich am meisten beeindruckt: „Ich gehe als zufriedener Mensch […]. Ich kann gehen, ohne das Gefühl zu haben, ich hätte irgendetwas verpasst“. Ich frage mich deshalb seit einiger Zeit auch ganz bewusst: Was kann ich heute tun, dass ich am Ende dieses Tages „als zufriedener Mensch“ ins Bett gehen kann?
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