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SWR4 Abendgedanken
In ein paar Tagen fängt das neue Lehrjahr an. Was für eine spannende Zeit für die jungen Auszubildenden, die direkt aus der Schule kommen und zugleich auch für die Ausbilderinnern und Ausbilder in den Betrieben. Viele Fragen stehen bei den Neuen im Raum: Werde ich klarkommen? Wird man Geduld mit mir haben, wenn ich am Anfang nicht gleich alles verstehe? Das hoffe ich doch; es gibt doch das schöne Wort, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Auch in den Betrieben werden einige sich gespannt fragen, wer da in wenigen Tagen zu ihnen kommt. „Mal sehen, wie die neue Azubi ist, ich bin gespannt! Ich hoffe, dass der Neue mich versteht, wenn ich ihm die Dinge erkläre. Manches ist für mich so selbstverständlich geworden.“ Meister und Schüler - das kann zu einem besonderen Miteinander werden, wenn man sich aufeinander einlässt. Auch die Bibel berichtet von dem besonderen Verhältnis zwischen Jesus und seinen Jünger. Seine Schüler lernen viel von ihm. Sie nennen ihn Meister. Hier und da hält er Reden; an anderer Stelle lebt Jesus seinen Schülern praktisch vor, was ihm wichtig ist. Ich glaube, dass Jesus auch selbst durch die Fragen und Rückmeldungen seiner Jünger viel gelernt hat.
Der Meister gibt seine Handwerkskunst- und -erfahrung an seine Schüler weiter. Heute ist das Lernen ein anderes als früher. Es geht um das eigene Nachdenken, Tüfteln und Ausprobieren, die Arbeit im Team, den Umgang mit Computern, bei dem die Jungen oft bereits sehr fit sind.
Gute Meisterinnen und Meister sind stolz auf ihre Auszubildenen, sie freuen sich an den Fortschritten, später an ihrem Können. „Das war einmal mein Lehrmädchen! – Schaut einmal, zu was sie es gebracht hat!“, habe ich einmal einen alten Orgelbaumeister über das Werk seiner ehemaligen Auszubildenen sagen hören. „Andere dachten, eine Frau kann das nicht. Was für ein Unsinn! Was für ein Meisterstück!“ Sich in aller Unterschiedlichkeit aufeinander einlassen, einander respektieren und wertschätzen, das dürfte beide Seiten miteinander beim Lernen am weitesten bringen.
Ein gesegnetes neues Lehrjahr für alle, die ihre Ausbildung beginnen und sie dabei begleiten!
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im August lege ich mich spätabends gerne einmal auf der Terrasse in einen Liegestuhl, um den Sternenhimmel zu bewundern. Einfach ein wenig träumen, loslassen vom Alltag. Nach ein paar Minuten, wenn meine Augen sich an die Finsternis gewöhnt haben, sehe ich deutlich mehr Sterne als zu Beginn, dazu dann auch die Satelliten, die um die Erde kreisen, und mit etwas Glück vielleicht auch einmal eine Sternschnuppe.
„Weißt du, wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt?“ Unweigerlich kommen mir Melodie und Text dieses alten Kinderliedes in den Kopf. Mein Vater hat es oft mit uns Kindern vor dem Einschlafen gesungen. Noch heute tönt für mich seine Stimme beim Singen dieses Liedes mit. Aus Kindheitstagen war mir nur noch die erste Strophe in Erinnerung geblieben. Dabei geht es nach der Sternenstrophe mit dem Lied noch weiter: Es wird in der nächsten Strophe zum Beispiel gefragt, wie viele Fischlein sich in der hellen Wasserflut kühlen. Ein echtes Sommer-Abendlied! Am Ende des Liedes fällt mein Blick auf die Kleinen. „Weißt du, wie viel Kinder frühe stehn aus ihrem Bettlein auf, dass sie ohne Sorg und Mühe fröhlich sind im Tageslauf?“
Sterne, Fische, Kinder - Gott hat sie, hat uns alle im Blick. Diese Vorstellung tut mir einfach gut, ein Teil eines großen Ganzen zu sein: Oben die Sterne, das kühle Nass, das im Sommer für eine Erfrischung sorgt, in dem die Fische fröhlich springen. Das ist für mich Sommer pur. Dazu die Zusage, dass Gott seine ganze Schöpfung, ja, auch dich und mich, im Blick hat. Dass ich bei Gott nicht irgendeine Nummer bin, sondern er meinem Namen kennt, er mich bei meinem Namen ruft – wie es in der Bibel heißt. Diese Zusage des Liedes, dass Gott auf uns Menschen schaut, dass kein Mensch bei ihm verloren geht, gefällt mir und tut mir auch als Erwachsene gut. Sie schenkt mir auf eigene Weise Geborgenheit. „Gott im Himmel hat an allen seine Lust, sein Wohlgefallen, kennt auch dich und hat dich lieb. Kennt auch dich und hat dich lieb.“
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Wir sind jetzt mitten in den Ferien. Das Wort stammt aus dem Französischen: „faire rien“ - und könnte einfach mit „Nichtstun“ übersetzt werden. Ich finde, das hat was. Ein paar Tage im Jahr, an denen wir bewusst nichts tun. Stunden, in denen wir keine Verpflichtungen haben, den Kopf freibekommen, um wieder ein wenig mehr bei uns selbst zu sein.
Auch die Bibel lädt zu solchen Ruhepausen ein. Der Sonntag wird als Auszeit verstanden. Ein Tag der Ruhe, des Nachdenkens. Ein Tag, an dem wir uns an Gottes Schöpfung erfreuen, ja, Gott im Blick haben. Ferien – das ist eine Auszeit am Stück. Für Schüler und Arbeitnehmer ist das klar, aber nicht alle Menschen haben geordnete Ferien- und Urlaubszeiten. Ich denke da zum Beispiel an die Menschen, die einen Angehörigen pflegen. Rund vier Millionen Menschen werden in unserem Land tagaus, tagein zu Hause versorgt. Das ist eine enorme Leistung, und ich habe davor hohen Respekt.
Meine Mutter war einer dieser Menschen. Sie war für meinen Vater da. 24 Stunden, sieben Tage die Woche, acht Jahre lang. Jeden Tag selbstverständlich, wie sie sagt - wie so viele, viele andere Ehefrauen, Ehemänner, Töchter und Söhne. Das war und ist alles andere als selbstverständlich. Meine Mutter hat nie geklagt. Doch leider ist diese lange Zeit der Pflege, bei der sie rund um die Uhr für ihren Mann da gewesen ist, nicht ohne Folgen für ihre eigene Gesundheit geblieben. Darum habe ich gestaunt, als meine Mutter mit etwas Abstand nach dem Tod meines Vaters gesagt hat: „Das war ein Fehler von mir, mir keine freie Zeit zu erlauben. Das hat mein Körper nicht weggesteckt, das hat mich krank gemacht. Ich habe alle Hinweise und auch Angebote anderer immer beiseitegeschoben. Jetzt rufe ich meine Freundinnen, die ihre Männer pflegen, regelmäßig an und sage: „Zeit für eine Auszeit! Lasst uns zusammen frühstücken gehen!“ Das letzte Mal habe ich ihnen erzählt, dass pflegende Angehörige Urlaub nehmen können und dann die Pflege bezahlt wird. Ich habe ihnen geraten, das auch zu tun. Ferien, eine Ruhepause für alle – auch für pflegende Angehörige. Das wäre schön!
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Als ich vor kurzem in einem Bus durch die Stadt gefahren bin, hat sich jemand laut mit seiner Sitznachbarin unterhalten. „Die Menschen sind furchtbar. Sie benehmen sich schrecklich.“ Mehrere Mitfahrende haben sofort zustimmend genickt. Das hat mich ins Nachdenken gebracht. Ist das wirklich so?
Die allermeisten Menschen in meiner Umgebung sind nicht furchtbar, sie begegnen mir freundlich. Morgens auf dem Weg zur Arbeit grüßt man sich in unserer Kleinstadt. Der Junge, der mit seiner Mutter zum Kindergarten geht, winkt mir oft fröhlich zu. Beim Bäcker hält ein Mann mir die Tür auf, die Zeitungsfrau fragt nach meinem Mann, der ein paar Tage krank gewesen ist. Kleine Gesten, die mir guttun, gerade, wenn das Leben nicht einfach nur geradeaus verläuft. Ich glaube, dass dieses Miteinander im Kleinen allen guttut. Der kleine Junge hat vor ein paar Tagen ganz traurig gewirkt. „Hey, was ist denn heute los?“ „Ich komme jetzt in die Schule, ich werde meinen Kindergarten so vermissen.“ Und so kann ich mich mitfreuen, mitsorgen – kann an meinen Mitmenschen Interesse zeigen. Sie sind mir nicht egal. Wenn ich ein wenig von ihnen weiß und sie von mir, dann ist unser Umgang miteinander ein anderer. Schlecht über andere zu reden, ist einfach. In der Bibel heißt es (Prediger 7, 20): „Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der sich in allen Lebenslagen richtig verhält und niemals irgendetwas Schlechtes tut.“
Worte sind schnell gesprochen, Urteile gefällt, erst recht, wenn ein anderer nicht dabei ist. Und was habe ich davon? Einen kleinen Moment fühle ich mich besser, mehr nicht. „Urteile nicht über andere, verhalte dich selbst so gut wie möglich“, könnte man diese biblischen Worte auch zusammenfassen. Klar, das schafft man nicht immer. Auch ich strauchle in manchen Situationen und verhalte mich nicht so, wie ich es von mir erwarte. Dann würde ich mich freuen, wenn jemand mich fragt, was denn eigentlich mit mir los ist. Denn, davon bin ich überzeugt: Menschen sind nicht furchtbar. Furchtbar ist es für mich, wenn wir nicht mehr hinschauen und das Interesse aneinander verlieren. Ich hätte den Mann im Bus fragen sollen, was ihm den gerade passiert ist, dass er alle Menschen furchtbar findet. Vielleicht hätte sich sein Ärger auflösen lassen.
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Heute vor 64 Jahren sind die beiden Hunde Belka und Strelka mit der Sputnik 5 zu einer Reise in den Weltraum aufgebrochen. Achtzehnmal sollen sie die Erde umkreist haben. Diese beiden Hunde, nicht wir Menschen, waren die ersten Lebewesen im All.
Viele Menschen träumen davon, einmal in den Weltraum zu fliegen. Ich empfinde ja schon das Fliegen mit einem Flugzeug als sehr besonders. Diese Sicht von oben auf die Alpen oder das Meer lässt mich staunen. Wie wunderschön unsere Erde, vor allem die Natur, aus der Höhe wirkt! Die Bilder, die die Astronauten aus noch größerem Abstand sehen dürfen, sind vermutlich noch eindrucksvoller.
Die Erde als Ganzes von außen sehen. Diese so große Erde, auf der wir jeden Tag neu unseren Mann und unsere Frau im Kleinklein des Alltags stehen. Von dem russischen Astronauten Juri Gagarin stammen die Worte „Ich sah, wie schön unser Planet ist. Leute, lasst uns diese Schönheit erhalten und nicht zerstören.“ Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat nach seinen Weltraumaufenthalten gesagt, dass die Erde auf ihn bei dem Blick aus dem Raumschifffenster zerbrechlich und klein gewirkt habe.
„Overview - Effekt“ nennt man diese Reaktion der Astronauten in der Wissenschaft: „Blick von außen -Effekt“. Er verändert den eigenen Blick auf den Planeten Erde und das Leben darauf. Der Besuch im All löst bei Astronauten, ganz gleich aus welchem Land sie stammen, ob sie religiös sind oder nicht, ein tiefes Gefühl der Ehrfurcht sowie der Verbundenheit mit dem Leben auf der Erde aus. Das ist ein Grundgefühl, das alle Religionen durch die Jahrhunderte, wenn nicht durch die Jahrtausende verbindet. Für mich setzt die Schöpfungsgeschichte der Bibel auf so etwas wie den „Overview – Effekt“ – ein tiefes Staunen über die Natur und ihre Vielfalt. Jede Pflanze, jedes Tier, jeder Mensch, ja, Himmel und Erde sind von Gott geschaffen. Jedes Wesen ist für sich kostbar und einzigartig. Es hat seinen Platz und ist zugleich Teil eines großen Ganzen. So wie die Hunde Belka und Strelka einen Platz in der Raumfahrtgeschichte haben. Ich stimme Juri Gagarin zu: „Leute, lasst uns die Schöpfung erhalten.“
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Vor wenigen Wochen ist eine langjährige Wegbegleiterin von mir verstorben. 95 Jahre alt ist sie geworden. Was für ein gesegnetes Alter! Ich hatte sie als Schülerin in der Kirche kennengelernt. Auch nach ihrem Ruhestand und meinem Umzug von der Nordsee nach Süddeutschland sind wir durch die Jahrzehnte in Kontakt geblieben. Wenn wir telefoniert haben, hat sie erst einmal zugehört und dann einfach ein paar Fragen gestellt. Sie war keine Frau fürs oberflächliche, ihr ging es um das Wesentliche, um das, was einen im Herzen umtreibt. Sie hat sich mit ihrer Meinung und ihrem Wissen nicht aufgedrängt, ihr ist es darum gegangen, dass ihr Gegenüber eigene Antworten findet.
Nun fehlt sie mir mit ihrer großen Lebenserfahrung als Ratgeberin. Manche Gedanken von ihr sitzen jedoch tief in mir. „Weißt du, manchmal lohnt es sich gar nicht, sich aufzuregen. Der neue Nachbar mit anderen Vorstellungen, die unfreundliche Verkäuferin, Stress auf der Arbeit? Das legt sich alles von selbst. Bleib einfach freundlich, wenn man dir unfreundlich kommt. Fertig.“
Als Jugendliche schien mir diese Haltung ein wenig schräg, Unfreundlichkeit mit Freundlichkeit zu begegnen, aber sie hat recht. Energie und Einsatz braucht es an anderer Stelle, das war für meine Bekannte klar. Als junges Mädchen hatte sie erlebt, wie ihre jüdischen Freundinnen von einem auf den anderen Tag in Königsberg verschwunden waren, später auf der Flucht hat sie Dinge gesehen, die brutal waren. Den Schmerz darüber hat sie bis ins hohe Alter im Herzen bei sich getragen.
„Du musst, wenn Du Dich ärgerst, genau unterscheiden, ob etwas im Grunde albern ist und vorübergeht oder ob eine Grenze überschritten wird, die nicht überschritten werden darf. Frag dich das jedes Mal ganz genau!“ Antisemitismus und Machtgehabe waren für sie solche Grenzen. Wenn die überschritten wurden, war es ihr egal, wer vor ihr stand, auch als sie die 90 schon weit überschritten hatte. Da wurde Klartext gesprochen. „Weißt du, in der Bibel heißt es: ‚Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn aus ihm fließt das Leben‘ – das ist wichtig. Habe dein Herz bei allem, was Du tust, im Blick. Sei klar, was dir wichtig ist und was nicht.“ Ihr Herz hat nun aufgehört zu schlagen, aber, das spüre ich nun ganz genau, mein Herz schlägt weiter für das, was ihr in ihrem langen Leben wichtig geworden war.
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„Sind Sie eigentlich auch mal richtig wütend?“, hat mich letzte Woche ein Mann aus meiner Nachbarschaft gefragt. „Ich habe mich gerade furchtbar aufgeregt und will das gar nicht. Sie wirken immer so ruhig.“ Dann haben wir einfach ein wenig miteinander über seine Wut gesprochen. Seine Frage habe ich für mich mitgenommen, um darüber nachzudenken.
Ja, auch ich bin manchmal wütend. Richtig wütend sogar. Aber ich lasse meine Wut selten so richtig raus. Ganz anders eine Freundin von mir. Sie lebt ihre Wut gerne auch einmal aus. Mich hat das zuerst irritiert, aber für meine Freundin scheint das etwas Gutes zu sein. Ich glaube fast, sie mag es sogar, wütend zu sein: „Probiere es doch einfach mal aus“, hat sie mir irgendwann gesagt, „lass sie raus! Für mich ist die Wut etwas Produktives!“ Vielleicht mache ich das irgendwann einmal. Allerdings denke ich, dass ich da doch etwas anders ticke: Wenn mich etwas ärgert, brauche ich erst einmal einen Kaffee und dann frische Luft und Musik.
Schon König Saul soll mit Musik beruhigt worden sein, steht in der Bibel. Bei mir muss die Musik am Anfang laut und wild sein, und wenn ich mich dann selbst in meiner Wut ein wenig gefunden habe, stelle ich sie wieder leiser. Irgendwann komme ich aus dem bloßen Gefühl ins Denken und überlege dann, was mich so geärgert hat und wie ich das angehen will. Das braucht manchmal auch ein paar Anläufe. Dieses „ins Denken kommen“ tut mir gut, und meistens bin ich dann so voller Energie, dass ich die Dinge, die mich verärgert haben, auch angehen will. Also hat Wut auch für mich tatsächlich etwas Produktives und sie ist gar nicht so schlecht wie man ihr nachsagt. Vielleicht hat ja auch hier die Bibel gar nicht so unrecht, wenn es heißt: „Lass die Sonne nicht über deinem Zorn untergehen.“ Gefährlich wird Wut oder auch Zorn aus meiner Sicht dann, wenn man sie einfach nur in sich hineinfrisst und sich nicht mit ihren Gründen auseinandersetzt. Dann platzt die Wut einfach nur aus einem heraus und ihre Energie verpufft, wenn sie nicht sogar andere ungewollt verletzt. Und das wäre doch schade.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40094SWR4 Abendgedanken
Vor Kurzem war ich mit einer Reisegruppe in Ghana, und auf einem Stausee in einem Schiff sind wir völlig unerwartet in einen Sturm geraten. Ich habe auf einmal nur noch die dunklen Wolken heranziehen sehen, es windete wie aus dem Nichts und regnete aus allen Kübeln. Hohe Wellen brachten das Schiff ins Schwanken. Das Geschirr klapperte, die Musik verstummte, Panik brach aus. Und so habe ich auf einmal mit ein paar anderen unter einem Tisch auf dem Außendeck gesessen, damit wir vor den herumfliegenden Gegenständen geschützt waren. Eine Situation, die überhaupt nicht vorhersehbar gewesen war. Warum ist das Schiff überhaupt ausgelaufen? Warum hat niemand auf die Wetterapp geschaut? Fragen über Fragen. Mir kam die biblische Erzählung von der Sturmstillung in den Kopf. „Warum habt ihr solche Angst?“, fragt Jesus seine Jünger darin. „Habt ihr keinen Glauben?“ Das war für mich wie ein Befreiungsschlag, ein wenig Gottvertrauen, dass mich in dem Moment aus meiner eigenen Angst und meiner Erstarrung befreit hat. Alle Fragen nach dem Warum sind doch egal, jetzt ist das Jetzt gefragt. Jetzt, in diesem Moment, hatte nicht nur die Frau mir gegenüber unsagbare Angst, jetzt flogen die Sachen herum und waren die Wellen hoch. Also festhalten und ruhig bleiben. D geholfen. Wir haben aufeinander geachtet und uns gegenseitig ermutigt. Über dieses Erlebnis haben wir in den Tagen danach intensiv gesprochen. „Ich bin mir so allein und verloren vorgekommen. Es brauchte etwas, bis ich Euch und die anderen gesehen habe“, so die eine. „Ich musste mich erst einmal auf die Situation einlassen“, ein anderer. Und das ist es vielleicht: Sich auf eine unerwartete Situation, sich auf das „Jetzt“ einzulassen, bringt einen aus der Schleife des „hätte“ oder „wäre doch“ hinein ins Handeln und damit ins Leben. Das gilt ja nicht nur in solch einer Ausnahmesituation wie einem Sturm, sondern grundsätzlich im Leben. Ich bin nicht allein. Mir schenkt mein Glaube Halt, da sind andere Menschen mit mir im Leben unterwegs. Ihnen geht es vielleicht so wie mir. Das will ich aus diesem Sturm mitnehmen. Beherzt miteinander das angehen, was jetzt dran ist.
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„Akwaaba“ heißt „Hallo und Willkommen“ in der Sprache der Akanstämme in Ghana. Vor wenigen Wochen haben wir mit der Kirche unsere Partnergemeinde dort besucht. Das war ein echtes Abenteuer! Der lange Flug mit Turbulenzen, dann die Hitze und Luftfeuchtigkeit, als wir nach 18 Stunden angekommen sind. „Akwaaba!“ Alle Strapazen waren vergessen, als wir unsere Gastgeber am Flughafen erblickt haben, die uns hinter der Absperrung fröhlich zuwinkten. „Willkommen!“ Das waren wir in Westafrika wirklich.
Egal, an welchem Ort wir uns in den kommenden zehn Tagen aufgehalten haben, unter einem Blechdach am Straßenrand oder am Königshof des Stammes - immer wurden wir freundlich empfangen. „Akwaaba!“ Essen und Getränke wurden gereicht, ein echtes Gespräch gesucht, nachgefragt, wie sich das Leben bei uns von dem in Ghana unterscheidet, und unsere Gastgeber haben gebetet. Sie haben Gott gedankt, dass die Freunde aus Deutschland heil angekommen sind, dass die Partnerschaft nun schon über ein Jahrzehnt geht und wir so viel voneinander lernen dürfen.
Überhaupt haben die Menschen wie selbstverständlich für alles gedankt, was der Tag jeweils gebracht hat. Auch für Dinge, die uns hier gar nicht so in den Sinn kommen: Am Ende einer guten Autofahrt für das Erreichen des Ziels, am Abend nach dem Restaurantbesuch für die freundlichen Mitarbeiter und das gute Essen, für die Musik, ja, für das gute Wetter oder umgekehrt für die Bewahrung in einem Sturm. Diese Freundlichkeit und Dankbarkeit hat etwas mit mir – ja, ich denke, mit unserer ganzen Reisegruppe gemacht. Wir wurden im Laufe der Tage immer fröhlicher und irgendwie auch gelassener. Eine Autopanne, die uns hier einfach nur aufregen würde, wurde im Gebet am Abend als Pause interpretiert, als Gelegenheit, um neue Menschen kennenzulernen, denen man sonst nie begegnet wäre.
„Akwaaba – Hallo und Willkommen!“ Ein Ruf nicht nur zur Begrüßung von Menschen, sondern im Grunde genommen ein Ruf zu einer Lebenshaltung: jeder Moment in deinem Leben hat eine Bedeutung.
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„Nun beginnt der Ernst des Lebens!“ Ich weiß noch, wie mein Vater das gesagt hat, als unser Sohn vor Jahren in die Schule gekommen ist. In wenigen Tagen endet seine Schulzeit. Und nun? Wird das Leben noch ernster? Auf eigene Weise stehen der jungen Generation alle Türen offen. Wohin man hört, überall werden Fachkräfte gesucht: im Handwerk, der Industrie, im Einzelhandel oder auch in der Wissenschaft. Die junge Generation hat im Grunde genommen freie Wahl, das zu tun, worauf sie Lust hat. Das klingt großartig; macht die Entscheidung, was es denn nun für eine Ausbildung oder ein Studiengang sein soll, aber nicht leichter. In früheren Jahrzehnten war vieles einfach gegeben. Mein Vater hat schlicht den elterlichen Betrieb übernehmen müssen, bei mir waren manche Ausbildungsgänge einfach überfüllt und kamen daher von vornherein nicht in Frage.
Ich hoffe, unser Sohn wird in den kommenden Jahren einen Beruf finden, der ihn erfüllt. Und ich wünsche mir, dass er sich dabei die notwendige Zeit nimmt. Denn meiner Erfahrung nach braucht es etwas Zeit, bis man bei sich selbst alle Gaben entdeckt, die Gott in einen gelegt hat. Da geht es ja nicht einfach um das, was man in der Schule gelernt hat.
Das eigene Talent, die Begabung oder Begeisterung für eine Sache spült das Leben - vielleicht auch durch einen Zufall - irgendwann auf eigene Weise hervor. Das kann eine Begegnung im Urlaub sein, ein erfahrener Meister, der einem ein neues Fachgebiet eröffnet oder ein Mensch, der einen einfach begeistert. In den vergangenen Jahren habe ich ein paar Menschen kennengelernt, die den Mut gefunden haben, sich mitten im Leben für einen anderen Beruf zu entscheiden. Sie wagen sich an etwas Neues. Warum nicht? Auch ich habe den Studiengang gewechselt, hatte vor der Theologie etwas anderes im Sinn. Paulus, der große Apostel aus der Bibel, hat das auch getan. Der gelernte Zeltmacher hat auf einmal gespürt, dass in seinem Leben etwas ganz anderes dran war als das, was bisher sein Leben geprägt hatte. Paulus hat sich eines Tages entschieden, das Evangelium in der Welt auszubreiten und hat darin seine Erfüllung gefunden. Solch eine Erfüllung im Beruf wünsche ich unserem Sohn und all den anderen jungen Menschen, die sich jetzt auf den Weg ins Berufsleben machen, ebenso wie denen, die grade auf der Suche nach einem Neubeginn sind. Mit etwas Gottvertrauen und Geduld, da bin ich mir sicher, wird sich das finden, was das eigene Herz erfüllt.
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