SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

14DEZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Einer trage des anderen Last!“ heißt es in der Bibel. Ich finde, das ist ein guter Gedanke. Ein Aufruf, miteinander das zu tragen, was einem das Leben zuträgt. Da gibt es Ärger auf der Arbeit, Sorgen um die Gesundheit, es verstirbt ein langjähriger Weggefährte. Miteinander ist vieles leichter zu tragen. Es tut mir gut, meine Sorgen zu teilen.

Manchmal reicht es schon, dass ich das, was mich bewegt, meiner Freundin erzähle. Da wird mein Herz leichter. Manchmal bekomme ich Trost geschenkt: „Das wird schon wieder!“ oder „Komm, ich helfe dir, was ist zu tun?“

Wenn jemand meine Lebenslasten mit mir trägt, tut mir das gut. Und umgekehrt ist es schön, wenn Menschen in meiner Umgebung ihre Sorgen mit mir teilen. Dann höre ich zu, tröste, wir suchen miteinander nach Lösungen oder ich packe mit an.

„Einer trage des anderen Last!“ Einmal trage ich, ein anderes Mal werde ich getragen. Ich empfange und ich gebe – ein Wechselspiel. Aus meiner Sicht ist das die Basis für ein gutes Miteinander, vielleicht sogar die Basis für unsere Gesellschaft. Manchmal kippt das Lastentragen meiner Erfahrung nach aber, da landet sehr viel auf wenigen Schultern. Das geht vielleicht einmal für einen kurzen Zeitraum, aber über Wochen oder Monate kann das nicht gut gehen. Manchen Menschen fällt es, gerade, wenn Not am Mann ist, schwer zu sagen: „Stopp, das ist jetzt zu viel. Ich kann nicht mehr.“ Darum habe ich am Ende ein Schild an der Praxistür unserer Ärztin verstanden, das mich zuerst geärgert hatte. Da stand doch: „Wegen Krankheit unserer Mitarbeiterinnen müssen wir heute unsere Öffnungszeiten reduzieren. Wir schließen heute zwei Stunden eher.“ Hä, was ist das denn? habe ich gedacht, meine Tochter ist krank, ich brauche eine Ärztin. Kann das nicht besser organisiert werden? Muss ich jetzt wirklich zum Notdienst? Und dann habe ich verstanden: Das ist organisiert. Da geht eine Chefin gut mit ihren Mitarbeiterinnen um. Die Last wird sorgsam auf die Mitarbeiterinnen verteilt, und zwar so, dass die Last zu tragen ist und niemand darunter zusammenbricht und dann auch noch ausfällt. Und wir Patientinnen tragen auch ein Stück mit. Wie gut! Ich glaube, man kann von der Ärztin lernen, was gesund ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38938
weiterlesen...