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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17MAI2023
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Es ist ein Ort des Grauens. Die Gedenkstätte Plötzensee in Berlin-Charlottenburg. Im Schatten der Justizvollzugsanstalt steht der Schuppen, in dem die Nationalsozialisten fast 3000 Frauen und Männer hinrichteten. Die meisten von ihnen waren Widerstandskämpfer. Sie kamen aus rund 20 Nationen. Bis 1942 starben sie durch das Fallbeil, danach durch den Strang. An einem Balken sieht man noch einige der Fleischerhaken, an denen die Verurteilten aufgehängt wurden.

In der Nähe dieses schrecklichen Ortes wurde vor 60 Jahren die Kirche Maria Regina Martyrum, „Königin der Märtyrer“, geweiht. Sie soll die Erinnerung an jene mutigen Menschen bewahren, die sich dem mörderischen NS-Regime entgegenstellten.

Das haben sich auch die Ordensschwestern im benachbarten Kloster zum Ziel gesetzt, das seit 1982 besteht. Die Nonnen kamen damals aus dem Konvent in Dachau, wo die Karmelitinnen neben dem ehemaligen Konzentrationslager einen Ort der Stille und des Gebets geschaffen haben.

In Plötzensee findet jedes Jahr am 20. Juli ein ökumenischer Gottesdienst statt, zu dem sich die Angehörigen der Widerstandskämpfer um den Hitler-Attentäter Claus Graf Schenk von Stauffenberg treffen. Dessen Bruder Berthold wurde ebenso in Plötzensee erhängt wie Helmut James Graf von Moltke oder der Jesuitenpater Alfred Delp.

Die Ordensfrauen in Plötzensee haben aber auch die Gegenwart im Blick. Krieg, Unrecht und Gewalt sind ja nicht verschwunden. Jeden Tag beten die Nonnen für den Frieden in der Welt. Und das tun sie nicht allein. So nimmt auch eine junge Frau, die aus der Ukraine nach Berlin gekommen ist, am Gebet in der Krypta der Kirche teil. Sie sorgt sich um ihre Familie, die in der Heimat zurückbleiben musste. Die Ordensschwester Mirjam (OCD) weiß:

„In Gemeinschaft ist es leichter, einer Hoffnung auf Frieden Ausdruck zu verleihen, einer Hoffnung, die wir nicht aufgeben möchten und nicht aufgeben dürfen.“1

 

1: zitiert nach: Fürbitten. Jesuiten. Nr.1/2023. S. 14-15

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

16MAI2023
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Heute feiert die katholische Kirche den Namenstag des Johannes von Nepomuk. Die meisten kennen ihn als „Brückenheiligen“. Vielerorts erinnert eine Figur an diesen böhmischen Priester aus dem späten Mittelalter. Die sicher bekannteste Skulptur steht auf der Karlsbrücke in Prag. Hier wurde der Geistliche auf Befehl des Königs nach schwerer Folter in die Moldau geworfen und ertränkt. Hintergrund des Verbrechens war ein Streit zwischen dem König und der Kirche.

Fast 300 Jahre lang stand auch eine Nepomukfigur auf der Flussbrücke im kleinen Ort Rech im Ahrtal. Dann kam die entsetzliche Flut am 14. Juli 2021. Die Wassermassen rissen einen Teil der Brücke weg, auch den Hl. Nepomuk. Die Ruine wurde zu einem Sinnbild der Katastrophe, der 134 Menschen zum Opfer fielen. Und wie wir heute wissen, hätten die meisten Anwohner gerettet werden können. Noch immer leiden die Betroffenen unter den Folgen der Flut. Der Wiederaufbau kommt mancherorts nur mühsam voran. Und die bohrende Frage bleibt: Wie konnte sich so etwas ereignen?

Wer für das Desaster juristisch verantwortlich ist, das prüfen Staatsanwaltschaft und Gerichte. Parallel versucht ein Untersuchungsausschuss des Landtags das Geschehen aufzuklären.

Worauf viele Menschen im Ahrtal aber noch immer warten, das bringt Werner Michael Minwegen auf den Punkt. Seine Eltern kamen bei der Flut ums Leben. Er beklagt: „Ich hätte mir eine ehrliche Entschuldigung gewünscht. Doch zu der ist es leider bis heute nicht gekommen.“1 Das kostbarste Gut einer Gesellschaft ist das gegenseitige Vertrauen.

Das aber kann nur wieder wachsen, wenn die Verantwortlichen die Kraft haben, die Betroffenen an der Ahr um Vergebung zu bitten.

Übrigens: Bei den Aufräumarbeiten fand man die kopflose Nepomukfigur. Sie wurde restauriert, mit einem neuen Kopf versehen und auf der Ruine der Brücke wieder aufgestellt. Und so ist der Hl. Nepomuk für die Einwohner von Rech zu einem Zeichen der Hoffnung geworden.

 

1: zitiert nach: Die Flutkatastrophe an der Ahr – Fehler, Folgen und Verantwortung. Eine SWR-Dokumentation, 2023. (43:22-43:30 min)

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15MAI2023
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Er ist vielleicht der berühmteste Sohn der Stadt Koblenz: Clemens Wenzeslaus von Metternich. Als Staatskanzler Österreichs hat er Weltgeschichte geschrieben.

Heute vor genau 250 Jahren kam er im Herzen der Koblenzer Altstadt zur Welt, im Palais seiner Familie, dem „Metternicher Hof“ am Münzplatz. Sein Vater stand in Diensten des letzten Trierer Erzbischofs und Kurfürsten, der auch Taufpate und Namensgeber des Jungen wurde.

Metternichs fromme Mutter sorgte für eine katholische Erziehung ihres hochbegabten Sohnes. Mit gerade mal 15 Jahren ging Metternich zum Studium nach Straßburg. Dort erlebte er die Französische Revolution. Deren Gewaltaktionen stießen ihn ab. Revolution – das war nicht seine Sache. Metternich blieb ein Leben lang ein Vertreter der alten Monarchie. Das hat ihm in der Geschichtsschreibung den Ruf eines Anti-Demokraten eingetragen. Und das nicht zu Unrecht.

Dabei darf man aber nicht übersehen, dass Metternichs Außenpolitik den Ausgleich und die Verständigung unter den Nationen förderte. Das zeigte sich vor allem 1815 auf dem Wiener Kongress. Nach den blutigen Kriegen Napoleons schuf die Konferenz unter Leitung Metternichs eine stabile Ordnung für Europa. Und das für Jahrzehnte!

In einem Brief schrieb Metternich einer Freundin: „Der Krieg ist eine böse Sache. (…) Ich hasse den Krieg und alles, was er mit sich bringt: das Morden, die Schmerzen, die Schweinereien, die Plünderungen, die Leichen, die Amputierten (…) und ebenso die Vergewaltigten. Deshalb arbeite ich ungeachtet allen Geschreis der Dummen (…) für den Frieden.“1

Jetzt, wo wieder ein Krieg in Europa tobt, wirken diese Sätze bedrückend aktuell. Wann mag endlich die Stunde der Diplomatie kommen? So wie vor 200 Jahren, zu Zeiten eines Clemens Wenzeslaus von Metternich.

1: zitiert nach: Siemann, Wolfram: Metternich. Stratege und Visionär. Eine Biographie. München 2016, S. 482-482

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11MRZ2023
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Eine Programmankündigung im Fernsehheft machte mich neugierig: Da wurde doch tatsächlich „Die Schatzinsel“wiederholt. Ein Vierteiler, der 1966 in der Weihnachtszeit ein „Straßenfeger“ war. Die Abenteuer des Schiffsjungen Jim Hawkins faszinierten nicht nur uns Kinder. Millionen saßen vor dem Fernseher und fieberten mit.

Ich wollte meine Erinnerungen von anno dazumal auffrischen und schaltete ein. Schon nach einer halben Stunde fragte ich mich, warum ich damals so begeistert war? Die Einstellungen wirkten quälend lang, die Szenen dröge, die Dialoge langatmig.

Mir wurde klar: Unsere Sehgewohnheiten haben sich total verändert. Alles ist rasanter und schnelllebiger geworden. Das gilt für fast alle Lebensbereiche. Ob in der Arbeit oder in der Freizeit, das Tempo hat enorm zugenommen. Zeigt man Jugendlichen ein Fußballspiel aus der Zeit von Beckenbauer, Netzer & Co., dann halten sie das manchmal für Zeitlupe. Die Spieler damals waren technisch mindestens so versiert wie die Profis heute, aber der Fußball ist schneller, athletischer und kampfbetonter geworden.

Ich gebe zu: Wenn die Hektik des Alltags übermächtig wird, dann sehne ich mich auch schon mal zurück in die Vergangenheit, in der es gefühlt ruhiger und gelassener zuging. Heute, im Zeitalter der Digitalisierung, soll ich ständig und für jedermann erreichbar sein. Ein Klick jagt den nächsten. Und dabei, so scheint mir, bleibt vieles einfach nur oberflächlich. Es fehlt die Zeit, über alles in Ruhe nachzudenken, die Stille zu genießen, zu sich selbst zu kommen. „Muße“ nannte man das einmal. Ein Wort, das auszusterben droht.

Eine Oase, die mir bleibt, ist die Beziehung zu Gott. Je älter ich werde, desto dankbarer bin ich ihm für das große Geschenk, das er dem Menschen mit dem Schabbat gemacht hat. Für die Christen ist das der Sonntag. An diesem Tag kann ich dem Stress am ehesten entkommen. Ruhe und Muße haben zumindest eine Chance. Morgen ist es wieder soweit.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10MRZ2023
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In dieser Woche ist es zwanzig Jahre her, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Arbeit aufgenommen hat. Seine Aufgabe ist es, die Verantwortlichen für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen und zu verurteilen. Und das ist auch bereits mehrfach gelungen. So musste ein Milizenführer aus dem Kongo für vierzehn Jahre ins Gefängnis, weil er hunderte von Kindersoldaten in den Tod geschickt hatte.

Aktuell ermittelt das Weltstrafgericht auch wegen der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Ein Expertenteam sammelt vor Ort Beweismaterial, um die Mörder der Zivilisten in Butscha, Irpin und andernorts in Den Haag anklagen zu können. Die Stärke des Rechts soll gelten, nicht das Recht des Stärkeren. Und entgegen dem Spruch „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“, analysieren die Ermittler die Befehlskette von unten nach oben, bis zur Spitze des Staates.

Ob irgendwann einmal die führenden Militärs oder gar Präsident Putin selbst vor Gericht stehen werden, erscheint derzeit unwahrscheinlich. Aber die Täter dürfen sich nicht mehr sicher fühlen. Oft genug bleiben Unrecht und Gewalt ungesühnt. Das war schon im alten Israel so. Und deshalb setzten die Verfolgten und ihre Familien auf eine höhere Gerechtigkeit. Gott selbst soll den Opfern Recht verschaffen. In den Psalmen des Alten Testaments wird das Gericht Gottes zu einer konkreten Hoffnung. Gott wird sich auf die Seite der Misshandelten und Ermordeten stellen. Diese Überzeugung begründete auch den Glauben an die Auferstehung. Das ewige Leben bei Gott ist somit auch eine Frage der Gerechtigkeit. Jesus von Nazaret sah das genauso.

Bis zu diesem „Jüngsten Gericht“ aber bleibt die Welt aufgefordert, den unschuldigen Opfern Recht zu verschaffen und die Verbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Der Internationale Strafgerichtshof versucht es.

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09MRZ2023
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Noch nie hat man den gegenwärtigen Papst so erschüttert erlebt wie am 8. Dezember vergangenen Jahres. Franziskus steht vor der Mariensäule an der Spanischen Treppe in Rom, umringt von tausenden von Gläubigen. Der Papst hält eine kurze Rede. Darin spricht er über den Krieg in der Ukraine. Eigentlich, so sagt Franziskus, habe er gehofft, der Gottesmutter für den Frieden in der Ukraine danken zu können. Plötzlich versagt seine Stimme. Franziskus senkt den Kopf und schluchzt. In die Stille hinein applaudieren die Zuhörer. So wollen sie zeigen: Wir sind genauso berührt wie Du vom unermesslichen Leid der vielen Männer, Frauen und Kinder in diesem Krieg, der einfach kein Ende nehmen will. Wir haben Mitleid mit den Menschen, die das alles erdulden müssen.

Mitleid ist aber mehr als nur ein Gefühl. Im eigentlichen Wortsinn bedeutet es ein tatsächliches „Mit-leiden“ mit den Opfern. Jesus hat das vorgelebt. Die Evangelien erzählen vom Mitleid Jesu mit den Menschen, die dem Bösen ausgeliefert sind. Und davon, wie er ihnen konkret geholfen hat. Und Jesus geht noch weiter: In seinem Mit-leiden identifiziert er sich mit den Opfern. „Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben (…) Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen. (…) Ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“ (Mt 25, 35-36)

Dieses Mit-leiden vollzieht Jesus bis zur letzten Konsequenz, bis zu seinem Tod am Kreuz. Auf Golgotha wird er selbst ein Opfer von Unrecht und Gewalt.

Seit Kriegsbeginn sind mehr als eine Million Ukrainer in unser Land gekommen, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Sie bangen um die Männer und Väter an der Front. Und um Freunde und Verwandte, die zurückgeblieben sind. Die Hilfsbereitschaft in Deutschland ist groß. Sie ist Ausdruck eines tiefen Mitgefühls für die Opfer. Aus diesem Mit-leiden erwächst eine gelebte Solidarität. Christen nennen das Nächstenliebe.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

02NOV2022
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Es gibt Bilder, die man ein Leben lang nicht vergisst. Heute, an Allerseelen, sehe ich eines wieder vor mir. Als kleiner Junge, ich war noch nicht in der Schule, bekam ich ein schmales Gebetbuch mit vielen Bildern. Eine Darstellung ließ mich nicht los. Ich musste sie immer wieder anschauen, obwohl mir auch davor graute.

Das Bild zeigte den gekreuzigten Jesus. Aus seinen Wundmalen floss das Blut herab. Tief unter dem Kreuz sah man Männer und Frauen, die in einem Flammenmeer standen. Ihre Haare waren aschgrau. Voller Verzweiflung erhoben sie die Hände hilfesuchend zu dem Mann am Kreuz. Das daneben abgedruckte Gebet machte klar, dass es sich um Verstorbene handelte, die nun im Fegefeuer gequält wurden und auf ihre Erlösung hofften. Der Text dazu war unmissverständlich:

„Lieber Heiland, sei so gut, lasse doch dein teures Blut in das Fegefeuer fließen, wo die Armen Seelen büßen. Ach, sie leiden große Pein, wollest ihnen gnädig sein.“

Welche Ängste haben diese grauenhaften Bilder über Jahrhunderte in den Menschen ausgelöst! Und wie grausam muss ein Gott sein, der die Verstorbenen so brutal straft!

Wenn ich gerade heute, an Allerseelen, in Dankbarkeit an die Menschen denke, die mich in meinem Leben begleitet haben, dann ist da für ein „Fegefeuer“ wie in meinem alten Gebetbuch kein Platz. Meine christliche Hoffnung sagt mir, dass Gott die Toten zu sich genommen hat, dass sie nicht tiefer fallen können als in seine Hände.

Und ich denke dabei an Jesus, der einem der mit ihm Gekreuzigten versicherte: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,42)

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Anstöße sonn- und feiertags

01NOV2022
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Es ist wohl das Jahr 155 n. Chr. In Smyrna, der heute türkischen Stadt Izmir, steht ein alter Mann in der römischen Arena. Es ist Polykarp, der Bischof der Stadt. Er ist der „Gottlosigkeit“ angeklagt. Polykarp weigert sich, den römischen Göttern und dem Kaiser zu opfern. Die fanatisierte Menge auf den Tribünen fordert seinen Tod. Der römische Statthalter redet auf den alten Mann ein: „Opfere dem Kaiser! Schwöre Christus ab! Dann lasse ich dich frei.“ Polykarp geht darauf nicht ein. „Schon 86 Jahre diene ich Christus. Und nie tat er mir ein Leid an. Wie kann ich meinen König lästern, der mich erlöst hat.“ Damit ist das Schicksal des Bischofs besiegelt. Der Scheiterhaufen wird entzündet. Polykarp geht für seinen Glauben in den Tod.

Die Augenzeugenberichte zur Hinrichtung des Bischofs gelten als echt und sind die ersten Quellen für den Tod eines christlichen Märtyrers. Das alles ist für uns heute unendlich weit weg. Und doch ist die Verfolgung von Christen ein aktuelles Geschehen. Menschenrechtsorganisationen listen 50 Länder auf, in denen Christen wegen ihres Glaubens ausgegrenzt, eingesperrt und auch ermordet werden. Nach dem Sieg der Taliban hat Afghanistan Nordkorea auf Platz 1 der Verfolgerstaaten abgelöst. Millionen von Christen sind in Afrika, im Nahen Osten und Südostasien auf der Flucht. Das Christentum ist die weltweit am stärksten verfolgte Religion.

Die frühen Christen haben Märtyrer wie Polykarp von Smyrna als Vorbilder gesehen. So entstand die Heiligenverehrung in den Kirchen. In der Gegenwart aber bleiben viele gegenüber dem Schicksal der verfolgten Christen auffallend passiv. Diese Gleichgültigkeit ist verstörend. Auch bei diesem Thema sollte sich etwas in der Kirche tun. Es wird höchste Zeit.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

31OKT2022
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Im Sommerurlaub war ich in Sachsen unterwegs. Eine Kleinstadt in der Oberlausitz stand ganz oben auf meiner Wunschliste: Zittau. Hier wollte ich unbedingt die beiden Fastentücher sehen, für die der Ort im südöstlichsten Zipfel Deutschlands bekannt ist.

In der Heilig-Kreuz-Kirche ist das Große Fastentuch ausgestellt. Ein grober Leinenstoff, 6,80 m breit, 8,20 m hoch. Aufgespannt und geschützt hinter Glas.

Das Tuch zieht einen sofort in den Bann. Denn auf ihm entdeckt man Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Insgesamt 90 Bilder finden sich dort, gemalt mit Temperafarben. Dazu ein kurzer Text. Man sieht Gott, wie er Tiere und Menschen erschafft, schaut Noah beim Bau der Arche zu oder beobachtet den Tanz der Israeliten um das Goldene Kalb. Aber auch die Jesus-Geschichte ist präsent: von der Geburt bis zur Himmelfahrt. Ein frommer Zittauer Kaufmann hat das Kunstwerk 1472 gestiftet. Es sollte – wie damals vielerorts üblich – die Altäre in der Fastenzeit verhüllen, um die Gläubigen neu auf Ostern vorzubereiten.

Nur wenige dieser Fasten- oder Hungertücher sind erhalten geblieben. Das lag auch an der Reformation. Martin Luther konnte mit ihnen nichts anfangen. Er lehnte sie als „päpstliches Gaukelwerk“ entschieden ab. Das aber sahen die evangelischen Christen in Zittau anders. Sie hielten nicht nur das Große Fastentuch in Ehren, sie gaben sogar ein neues in Auftrag. Auf ihm wird die Leidensgeschichte Jesu dargestellt. Und auch dieses „Kleine Fastentuch“ kann der Besucher in Zittau bewundern.

Und so sind die beiden seltenen Kunstwerke auch ein Zeichen für Toleranz und Verständigung zwischen Katholiken und Protestanten geworden.

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Anstöße sonn- und feiertags

30OKT2022
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In der vergangenen Nacht ist die Sommerzeit zu Ende gegangen. Jetzt laufen die Uhren wieder synchron mit den Gestirnen. Die Zeit scheint eine feste und verlässliche Größe zu sein. Stunde für Stunde. Tag für Tag. Jahr für Jahr. Aber seit Albert Einstein weiß man, dass auch die Zeit nur relativ ist, abhängig davon, wie schnell sich etwas bewegt. Je schneller desto langsamer vergeht die Zeit.

Es ist erstaunlich: Die moderne Physik hilft dem Menschen nicht nur dabei, die Welt besser zu verstehen. Sie kann auch eine Ahnung von der unfassbaren Größe Gottes vermitteln. Die Zeit - so lehrt es die Naturwissenschaft - ist mit dem Urknall entstanden, vor etwa 13,8 Milliarden Jahren. Genauso der Raum. Und seit dem „Big Bang“ dehnt sich der Kosmos immer weiter aus. Natürlich wollen die Menschen wissen, was davor gewesen ist und wohin sich das Universum denn ausdehnt. Aber diese Fragen sind Unsinn. Es gab ja vor dem Urknall weder Zeit noch Raum! Trotzdem geben wir uns mit einer solchen Aussage nicht zufrieden. Und das ist gut so.

Gläubige Menschen sind überzeugt, dass sich unsere Welt einer Kraft verdankt, die jenseits von Raum und Zeit existiert. Diese Wirklichkeit, die unsere Vorstellungskraft übersteigt, nennt man Gott. In ihm, dem Schöpfer, fallen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammen. Der Psalm 90 im Alten Testament formuliert es so: „Tausend Jahre sind in deinen Augen wie der Tag, der gestern vergangen ist.“ (Ps 90,4)

Naturwissenschaft und Religion schließen einander nicht aus. Nicht selten sind es gerade die Erkenntnisse der Physiker und Astronomen, die zu einem Nachdenken über Gott anregen.

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