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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
„Die gute Nachricht“ – das bedeutet das Wort „Evangelium“, wenn man es übersetzt: die gute Nachricht aus der Bibel. „Aber das Neue Testament strotzt doch nur so vor Drohungen und Strafen, wenn man es nicht so hinkriegt“, hat mal einer zu mir gesagt. „Also: Was bitteschön soll daran ist `die gute Nachricht´ sein, für so einen wie mich?“
Der Mann hat recht. Genau das ist das Tückische an vielen biblischen Geschichten: Man kann sie durchweg rein moralisch verstehen.Nehmen wir einmal das Gleichnis von der vierfachen Saat (Mk 4,3-9):
Da wird Gott verglichen mit einem Bauern, der auf seinen Acker geht und seine Saat auswirft – und wie das so ist: ein Teil der Weizenkörner fällt ins Gestrüpp, einiges unter die Dornen; einiges wird von den Vögeln aufgefressen; und einiges fällt auf fruchtbaren Boden und geht auf und gedeiht.
Klar, kann man das so auslegen: Gott wirft seine Botschaft unter die Menschen wie der Bauer seine Samen auf den Acker. Manche Menschen sind wie Gestrüpp und Dornen: zu nichts zu gebrauchen. Und bei manchen landet Gottes Wort auf gutem Boden. Und je nach dem, zu welcher Sorte ich nun gehöre, bin ich gerettet oder eben verloren... Das klingt nach erhobenem Zeigefinger, aber nicht nach einer guten Nachricht.
Eine Kollegin hat dazu eine Predigt geschrieben, in der kommt sie zu einem ganz anderen Schluss: Sie hat mir einen Bauern vor Augen gemalt, der mit vollen Händen und voller Freude seine Saat austeilt: Und zwar überall hin, ungeachtet des Dornen-Gestrüpps oder des felsigen Untergrundes. Dieser verschwenderische Umgang - das macht doch Hoffnung, finden Sie nicht? Gott gibt auch noch dem mickrigsten Boden eine Chance.
Wer weiß, was man da für Überraschungen erleben kann...? So wie die Tomate, die in diesem Sommer an einer Stelle bei uns gewachsen ist, da hätte ich sie niemals hingepflanzt! Und plötzlich haben sich mir da leuchtend rote Früchte entgegengestreckt, wo ich es am allerwenigsten erwartet hätte...
Vielleicht geht es Gott ja genauso mit uns. Und das ist die gute Nachricht: Ich glaube, er ist für jede Überraschung zu haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40491Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Was macht wirklich glücklich...? - Eine Freundin hat mir begeistert Bilder aus ihrem Urlaub gezeigt, doch dann hat sie plötzlich das Handy sinken lassen und gesagt: „Aber weißt du was? Große Reisen sind toll - aber ich habe gemerkt: so richtig glücklich machen mich am Ende ganz andere Dinge...“
„Was kann denn besser sein als Urlaub?“ hab ich gefragt.
„Begegnungen...“, hat sie gesagt. Meine Freundin ist auch Pfarrerin. Und bei einem Besuch in der Gemeinde - da ist ihr dieser junge Mann aufgefallen, der hat sie die ganze Zeit so nett angeschaut. „Kennen wir uns?“ hat sie irgendwann gefragt. Er hat gelacht: „Erinnern Sie sich nicht mehr? Ich war doch bei Ihnen im Konfirmandenunterricht...“
Sie hat ihn genauer angesehen. Das musste wohl schon länger zurückliegen... Und junge Menschen verändern sich ja so... Außerdem, bei den vielen Konfis, die sie Jahr für Jahr sieht... nein, sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern.
Aber dafür hat sich der junge Mann an alles erinnert. Sogar an das Geschenk, das er zum Abschluss bekommen hat: Ein kleines Bild, mit einem Bibelspruch. „Echt? Daran können Sie sich erinnern...? - Das verschenken wir schon lange nicht mehr. Wir hatten den Eindruck, dass das nicht mehr besonders gut ankommt, bei den jungen Leuten.“
„Oh, doch!“ hat er gesagt. „Ich hab meins noch. Es hängt in meinem Zimmer, an der Wand.“ Und zum Beweis ist er hochgelaufen und hat es geholt.
Und wie er ihr dann auch noch erklärt hat, was er alles mit dem Bild und dem Bibelspruch verbindet, da ist sie aus dem Staunen gar nicht mehr rausgekommen...
„Siehst du?“ hat meine Freundin zu mir gesagt, „Das ist für mich das wahre Glück: Da hat man so einen winzig kleinen Samen ausgestreut und glaubt selber nicht, dass da was bei rauskommt. Und irgendwann erkennt man: Es war nicht umsonst; es hat eine Wirkung. Das macht mich glücklich.“
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„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt“, hat Albert Schweitzer mal gesagt. „Man wird ja auch kein Auto, weil man in eine Garage geht.“ Und das kann ich nur bestätigen: Ich gehe oft in unsere Garage; und es hat noch nie abgefärbt... Aber mal im Ernst - wie ist das nun: Stimmt es, dass man noch lange kein Christ ist, nur weil man die Kirche besucht?
Nun, genaugenommen macht uns die Taufe zur Christin oder zum Christen, und nicht der Kirchbesuch. Aber vermutlich hat Albert Schweitzer auf etwas ganz anderes abgezielt:
Er hat die Scheinheiligkeit kritisiert, mit der manche gern dabei gesehen werden: „Schaut her, ich bin ein gottesfürchtiger Mensch und lebe moralisch einwandfrei!“ Fromme Selbstgefälligkeit ist natürlich alles andere als eine christliche Haltung. - Was aber keineswegs gegen den Gottesdienstbesuch an sich spricht.
Und von daher finde ich den Vergleich mit dem Auto und der Garage auch so treffend:
Natürlich wird kein Mensch zum Auto, nur weil er in eine Garage geht. Aber es besteht doch kein Zweifel daran, dass es dem Auto guttut, Zeit in der Garage zu verbringen... Da steht es geschützt vor Wind und Wetter. Der Lack bleibt in Schuss, es setzt keinen Rost an und wird vermutlich länger halten.
Ja, und mir tut es gut, die zu Kirche besuchen. Denn in Kirchenräumen fühle ich mich seltsam geborgen... – irgendwie im Schutzraum Gottes. Wir nennen die Kirche ja auch „Gotteshaus“; weil wir das Gefühl haben, dass Gott darin wohnt. Und so gesehen besuche ich Gott, wenn ich in die Kirche gehe. Und jedes Mal, wenn ich Gott besuche, pflege ich meine Beziehung zu ihm. Und das macht sie haltbarer.
„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt“, hat Albert Schweitzer gesagt. Stimmt. Man könnte aber auch sagen: „Wer glaubt, ein Christ werden zu können, indem er die Kirche besucht, ist auf einem guten Weg.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40489SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Neun kleine Enkelkinder und die Großeltern haben einen großen Teich. Können Sie sich das vorstellen? Nicht auszudenken, was da alles passieren kann. Bei unseren Freunden ist das so. Aber die haben gute Nerven und ein beneidenswertes Gottvertrauen: Sie führen ihre Enkelkinder an die Gefahr heran. Und passen auf, dass nichts passiert.
Natürlich übt der Teich eine magische Anziehungskraft auf die Kinder aus. Und trotz aller Wachsamkeit sind fast alle - selbst der Großvater - schon mal hineingefallen. Jetzt könnte man ja annehmen, das sei jedes Mal ein heilsamer Schock. Und die Kinder bekämen mehr Respekt vor der Gefahr. Aber unser Freund hat erzählt, einmal habe er einen seiner Enkel laut weinen gehört. Er ist zu ihm hin und hat gefragt: „Was ist denn los?“
Daraufhin hat der Kleine auf den Teich gezeigt und geschluchzt: „Alle sind schon in den Teich gefallen, nur ich nicht!“ Was tun? Ich hätte mich vermutlich zu dem Kind gesetzt und gesagt: „Schau mal, das zeigt doch nur, wie schlau du bist! Denn wer schlau ist, ist auch vorsichtig. Weil er ganz genau weiß: es ist lebensgefährlich, in den Teich zu fallen.“ - So die Stimme der Vernunft...
Ganz anders die Reaktion unseres Freundes: Er hat das Kind geschnappt und in den Teich geworfen. - Nein, natürlich nicht ganz so; er hat es festgehalten und mal kurz hineingetaucht. Und der Junge war glücklich.
Mich beeindruckt dieser entspannte Umgang; und ich würde es gerne genauso machen. Aber ich kann das nicht. Denn wenn es um kleine Kinder geht, sehe ich überall Gefahren; und ich muss mir immer gleich das Schlimmste vorstellen... So tick ich nun mal.
Wie sich wenigstens einen Rest an Leichtigkeit bewahren? Vielleicht so: Wenn man ein ängstlicher Typ ist, muss man auch danach handeln, sonst hat man keine ruhige Minute mehr. Und sich zugleich im Gottvertrauen üben... Denn eine letzte Sicherheit gibt es ja nie. Aber da ist ein Netz, das uns alle hält - selbst wenn die menschlichen Absicherungen versagen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40488Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
„Ich bin dagegen.“ Das hat der Regisseur Woody Allen geantwortet, als er gefragt wurde, was er vom Tod hält. „Ich bin dagegen.“
Ich konnte mich gar nicht mehr einkriegen vor Lachen, als ich das gehört habe. Was ist eigentlich so komisch daran? Jeder Mensch weiß, dass es überhaupt keine Rolle spielt, ob man mit dem Tod einverstanden ist oder nicht. Wäre es anders, gäbe es vermutlich kaum einen Friedhof. Auch Woody Allen weiß das ganz genau. Aber der Witz ist: Er ignoriert das einfach und erhebt Einspruch, ganz so, als ob er dem wirklich etwas entgegenzusetzen hätte.
Ich mag diesen Umgang mit dem Unausweichlichen:
Humor kann den Tod nicht verhindern. Aber er kann immer wieder an die Kraft erinnern, die vom Humor ausgeht. Denn wer lacht, erhebt sich über sein Schicksal. Für den Augenblick, jedenfalls. Und das hilft, was nicht zu ändern ist, anzunehmen.
Ein Kollege von mir, der jung gestorben ist, hat mir erzählt, dass er mit seinem Tumor spricht. Er würde ihm immer wieder drohen und sagen:
„Eines sage ich dir: Wenn du mich tötest, nehme ich dich mit!“
Wir mussten beide lachen, obwohl er schon schwach war. Aber das ist eben seine Bewältigungsstrategie gewesen. Und der Witz ist, dass er ja vollkommen recht hatte: Jede tödliche Erkrankung besiegelt am Ende auch ihr eigenes Schicksal. Das kann man der Krankheit gegenüber eigentlich gar nicht oft genug betonen...
Auch meine Mutter hat ein paar Tage vor ihrem Tod etwas zu ihrem Arzt gesagt, an das ich mich immer mit einem Schmunzeln erinnern werde.
Wie so viele Sterbende, war sie den einen Tag mehr und den anderen wieder etwas weniger einverstanden mit ihrem Tod. Zu dem Arzt hat sie gesagt:
„Ach, wissen Sie, eigentlich würde ich ja so gerne noch eine Flussreise machen, mit meiner Schwester. Und wenn ich dann sterbe, können die mich doch einfach über Bord werfen...“
Das war so typisch für sie. Meine Mutter ist immer ein extrem praktisch denkender Mensch gewesen. Ihre letzte Reise ist sie dann aber gottlob doch vom Bett aus angetreten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40042Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Was macht Eheringe eigentlich so kostbar? Die meisten Menschen sind ja am Boden zerstört, wenn sie ihn verlieren. Vielleicht liegt es daran, dass so ein Ring kein sichtbares Ende hat. Und genau das wünschen sich Menschen auch für ihre Ehe. Und ist der Ehering dann plötzlich weg, ist das Symbol für dieses Glück unwiederbringlich verloren.
Ich vergesse nie, was ich mal auf einer Fortbildung erlebt habe. Wir alle sollten zu Beginn die Hände und Arme kräftig ausschütteln, zur Auflockerung. Da sehe ich aus dem Augenwinkel, wie etwas winzig-glänzendes hinten durch den Raum kullert. Später sehe ich nach: im hintersten Winkel, kaum zu sehen, liegt ein Ehering. Der Besitzer ist mir fast um den Hals gefallen, vor Freude. Er hatte ihn nämlich schon einmal verloren...
Da war er im Urlaub mit seiner Frau. Mittags haben sie an einem See Halt gemacht und sind geschwommen. Am Abend fragt seine Frau: „Wo ist eigentlich dein Ehering?“ Er sieht auf seine Hand und erschrickt: Der Ring, der schon seit 18 Jahren an dieser Hand sitzt, ist weg. Es muss am See passiert sein...
Am nächsten Morgen fahren sie direkt dorthin. Und wie sie das Ufer absuchen, schließen sich ihnen Leute an, darunter auch ein achtjähriges Mädchen. Alle suchen am Ufer und am Strand. Es werden einige Kronkorken aufgesammelt, aber der Ring ist nicht dabei. Nach zwei Stunden geben sie auf. Der Ehemann lässt betrübt die Schultern hängen. Da kommt das Mädchen und sagt:
„Der Ring war ganz schön wertvoll, oder?“
„Nein“, sagt er. „Aber an dem Ring hängen so viele, schöne Erinnerungen.“
„Dann bist du wohl ganz schön traurig“, sagt sie.
„Ja“, sagt er, „das bin ich.“
Sie schauen beide vor sich auf den Boden. Da sieht er etwas glänzen, direkt vor seinen Füßen. Er bückt sich. Und es ist der Ring! Vor lauter Freude gibt er dem Mädchen einen Finderlohn.
„Aber ich habe doch gar nichts gemacht“, sagt sie.
„Doch. Wenn du nicht genau an dieser Stelle mit mir geredet hättest, hätte ich ihn niemals gefunden.“
Und so hat es sich gefügt, dass dieser Ehering um eine Geschichte reicher geworden ist. Und ich ebenso...
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„Halleluja!“, schreit der Junge auf dem Spielplatz. Jedes Mal, wenn er mit seinem kleinen Ball das angepeilte Ziel trifft, schreit er lauthals „Halleluja!“ Es werden sehr viele „Hallelujas“, mit der Zeit. Und ich spüre, wie es allmählich anfängt, mir ganz schön auf den Wecker zu gehen.
Warum eigentlich? Ich könnte mich doch auch freuen, dass ein Kind mit solcher Inbrunst „Halleluja“ brüllt... Aber: es ist nun mal ein Spielplatz. Und der Junge hat bestimmt keine Ahnung, was er da schreit. Und diese mangelnde Ehrfurcht stört mich in meinem religiösen Empfinden. Denn Halleluja ist ja ein Lobpreis auf Gott. Übersetzt heißt es „Lobet den Herrn“ und wird in jedem Gottesdienst laut ausgesprochen oder gesungen. Und da gehört es auch hin. Hier, mitten auf dem Spielplatz, finde ich das Halleluja schon ziemlich unangebracht; und zweckentfremdet noch dazu.
Auf der anderen Seite: Viele von uns Erwachsenen führen Gott doch auch ständig im Munde - und sind sich auch nicht unbedingt im Klaren darüber: „Gott sei Dank!“ höre ich mich und andere bei jeder Gelegenheit sagen. „Oh, mein Gott!“, rufen viele aus, wenn sie die Welt grad nicht verstehen - sei es aus Verzweiflung oder Begeisterung. „Dann mach es halt, in Gottes Namen!“, sagen manche, wenn sie am Ende ihrer Nerven sind. Und ich kenne einige Leute, die ständig „Um Gottes willen!“ ausrufen, obwohl sie von sich behaupten, mit Gott rein gar nichts am Hut zu haben.
Was ist dagegen schon ein Junge, der lauthals „Halleluja!“ schreit, weil er sich auf dem Spielplatz seines Lebens freut? Ein Satz aus dem biblischen Buch der Psalmen schleicht sich mir den Kopf. Da heißt es: „Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob.“
Kinder und Säuglinge wissen ja auch nicht, was sie tun. Aber ihr Geschrei wird in Gottes Ohren offenbar zum Gotteslob - und in diesem Fall sogar wortwörtlich. So betrachtet gefällt mir das Halleluja-Geschrei auf dem Spielplatz immer noch nicht. Aber ich kann es etwas besser ertragen...
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40040Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Heute ist Karsamstag. Der Tag der Grabesruhe. Am Karsamstag ist das Schlimmste vorbei. Vorbei das Leiden; vorbei der Schmerz. Jesus ist tot.
Jetzt heißt es, die Leere ertragen. Und nicht wissen, wie es weitergeht...
Ein Gefühl der Leere und der Hoffnungslosigkeit hat sich auch damals unter den Jüngerinnen und Jüngern breitgemacht. Die einen haben sich vor Schreck in ihren Häusern verkrochen. Andere sind traurig davongelaufen. Und wieder andere sind nicht von ihm gewichen; auch nicht, als er tot war.
In der Bibel wird erzählt: Noch in der Nacht seines Todes wurde Jesus in einer Gruft beigesetzt. Da war nämlich dieser angesehene Bürger, Joseph von Arimathäa, der wollte Jesus begraben. Deshalb hat er hat die Behörden um seinen Leichnam gebeten.
Das ist ganz schön mutig gewesen, denn Jesus ist ja als Unruhestifter getötet worden. Und wer mit so einem sympathisiert, der macht sich verdächtig...
Doch Joseph hat Glück; vielleicht hat ihm auch sein Ansehen geholfen. Jedenfalls: die Behörden überlassen ihm den Leichnam.
Joseph besitzt eine Grabstätte. Dorthin bringt er Jesus; dort soll er ruhen.
Er wickelt ihn in ein Leinentuch und legt ihn in die Gruft. Dann wälzt er einen großen Stein davor und geht. Was er tun konnte, hat er getan. (Mt 27, 57-61)
Im Matthäusevangelium heißt es weiter: „Es waren aber dort Maria Magdalena und die andere Maria, die saßen dem Grabe gegenüber.“
Die beiden Marias sind ihm offenbar gefolgt und haben alles mitangesehen. Erstaunlich, oder? Die Frauen bleiben. Und harren weiter aus.
Ich glaube, ich wäre auch weggelaufen, so wie die anderen Jünger. Aus Angst um mein Leben.
Aber Maria Magdalena und die andere Maria bleiben. Das ist der Ort ihrer Trauer; hier sind sie dem Toten nah. Und sie tun, was das Richtige für sie ist: Sie wachen und schweigen.
Wie lange sie wohl so dasitzen? Ich stelle mir vor, bis zur Morgendämmerung. Das Herz randvoll. Und doch auf seltsame Weise furchtlos.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39594Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Heute ist Gründonnerstag. Als Kind habe ich gedacht, Gründonnerstag heißt so, weil es wieder grün um einen herum wird. Aber vermutlich geht es eher auf das althochdeutsche Wort „greinen“ zurück - das heißt so viel wie „weinen“. Und das ergibt ja auch Sinn, am Tag vor Karfreitag.
In der Bibel wird erzählt, wie Jesus die Nacht von heute auf morgen in Todesangst verbracht hat (Mt 26,17-56). Mit seinen engsten Freunden flieht er in den Garten Gethsemane. Er möchte beten. Die Freunde sollen ein wenig abseits wachen. „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod“, sagt er. „Bleibt hier und wacht mit mir.“
In der Stille des Gartens wirft er sich auf die Erde und bringt seine entsetzliche Angst vor Gott. Und seinen innigsten Wunsch:
„Vater, ist´s möglich, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen.
Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“
Dreimal betet er so, zerrissen zwischen göttlichem Auftrag und menschlicher Angst. Er möchte weiterleben und nicht diesen furchtbaren Tod erleiden. Und zugleich gibt er sich unendlich vertrauensvoll in Gottes Hand.
Während Jesus um sein Leben und Sterben ringt, schlafen seine Freunde ein.
Sie sind so müde und die Todesangst ist so fern...
„Konntet ihr nicht eine Stunde wachen?“, fragt Jesus, als er sie so findet. Und man hört den Vorwurf. Die Enttäuschung. Und die abgrundtiefe Einsamkeit.
Aber eben das ist die Welt, für die er sterben wird:
Eine Welt voller Unzulänglichkeiten. Voller Abgründe. Voller Grausamkeit und himmelschreiender Ungerechtigkeit. Und voller Hass. Und zugleich eine Welt voller Leben und Freude und unergründlicher Schönheit. - Es ist die Welt, die Gott liebt.
Diese göttliche Liebe ist in Jesus Mensch geworden. Eine menschgewordene Liebe, die den Hass überwinden wird, indem sie sich ihm vollkommen ausliefert; bis ans Kreuz, bis in den Tod.
Aber auf den Trümmerfeldern von Tod und Zerstörung wird die Liebe Gottes auferstehen. Denn sie ist stärker; stärker als jeder Tod.
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So eine Szene kommt in jedem besseren Krimi vor:
Da ist jemand getötet worden. Und eine völlig unverdächtige Person aus dem Umfeld gibt sich die Schuld: „Es ist alles meine Schuld“, bricht es aus ihr heraus. Und immer, wirklich immer, ist die Reaktion wie folgt:
Augenblicklich versucht jemand reflexartig, diesem Menschen die Schuld wieder auszureden: „Nein, das ist nicht Ihre Schuld“ beteuert beispielsweise die untersuchende Kommissarin.
Und das, obwohl es nie funktioniert.
Die Schuld geht davon im Krimi genauso wenig weg wie im richtigen Leben.
Aber warum ist das so? Weil alle aneinander vorbeireden.
Für die Außenstehenden ist die Sache klar: Da gibt es eine echte, nachweisbare Schuld. Und eine gefühlte - oder auch nur eingebildete - Schuld. Und von dieser Beurteilung möchten die Außenstehenden dann auch die betroffene Person überzeugen, die sich die Schuld gibt.
Aber die ist gerade ganz woanders. Sie befindet sich in einer Spirale der Selbstvorwürfe. Das gehört dazu, wenn man einen nahen Menschen verloren hat. Schuldvorwürfe und Selbstanklage sind - wenn man so will - der Preis für eine intensive Beziehung. Die Zuneigung und die Liebe löscht der Tod ja nicht einfach aus.
Und deshalb nehmen Schuldgedanken einen so großen Raum ein.
Es reicht auch nicht, dass man sie einmal denkt. Oder zweimal. Schuldgedanken kreisen und kreisen... Und Fragen und Zweifel wiederholen sich tausendfach...
Aber nicht, um Antworten zu hören; oder gar, um korrigiert zu werden.
Sie sind der Ausdruck tiefer Not.
Und das ist das große Missverständnis.
Für mich als Außenstehende sind diese Selbstvorwürfe kaum zu ertragen.
Sie kommen mir vor wie die reine Selbstquälerei.
Deshalb möchte ich die Qualen des anderen auch so gerne beenden.
Aber dagegen wehrt sich der trauernde Mensch. Er fühlt sich nicht verstanden. Denn es geht nicht um meine Sichtweise, es geht um seine. Und die Frage nach Schuld und Unschuld - die ist ein Teil von ihm in seiner Trauer.
Auch wenn es schwer ist: Es gibt keinen schnellen Ausweg aus dem Leid.
(Literaturhinweis: Chris Paul: Schuld / Macht / Sinn)
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