Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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27MRZ2024
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So eine Szene kommt in jedem besseren Krimi vor:

Da ist jemand getötet worden. Und eine völlig unverdächtige Person aus dem Umfeld gibt sich die Schuld: „Es ist alles meine Schuld“, bricht es aus ihr heraus. Und immer, wirklich immer, ist die Reaktion wie folgt:

Augenblicklich versucht jemand reflexartig, diesem Menschen die Schuld wieder auszureden: „Nein, das ist nicht Ihre Schuld“ beteuert beispielsweise die untersuchende Kommissarin.

Und das, obwohl es nie funktioniert.

Die Schuld geht davon im Krimi genauso wenig weg wie im richtigen Leben.

Aber warum ist das so? Weil alle aneinander vorbeireden.

Für die Außenstehenden ist die Sache klar: Da gibt es eine echte, nachweisbare Schuld. Und eine gefühlte - oder auch nur eingebildete - Schuld. Und von dieser Beurteilung möchten die Außenstehenden dann auch die betroffene Person überzeugen, die sich die Schuld gibt.

Aber die ist gerade ganz woanders. Sie befindet sich in einer Spirale der Selbstvorwürfe. Das gehört dazu, wenn man einen nahen Menschen verloren hat. Schuldvorwürfe und Selbstanklage sind - wenn man so will - der Preis für eine intensive Beziehung. Die Zuneigung und die Liebe löscht der Tod ja nicht einfach aus.

Und deshalb nehmen Schuldgedanken einen so großen Raum ein.

Es reicht auch nicht, dass man sie einmal denkt. Oder zweimal. Schuldgedanken kreisen und kreisen... Und Fragen und Zweifel wiederholen sich tausendfach...

Aber nicht, um Antworten zu hören; oder gar, um korrigiert zu werden.

Sie sind der Ausdruck tiefer Not.

Und das ist das große Missverständnis.

Für mich als Außenstehende sind diese Selbstvorwürfe kaum zu ertragen.

Sie kommen mir vor wie die reine Selbstquälerei.

Deshalb möchte ich die Qualen des anderen auch so gerne beenden.

Aber dagegen wehrt sich der trauernde Mensch. Er fühlt sich nicht verstanden. Denn es geht nicht um meine Sichtweise, es geht um seine. Und die Frage nach Schuld und Unschuld - die ist ein Teil von ihm in seiner Trauer. 

Auch wenn es schwer ist: Es gibt keinen schnellen Ausweg aus dem Leid.

 (Literaturhinweis: Chris Paul: Schuld / Macht / Sinn)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39592
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