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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18DEZ2021
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Das Telefon klingelt und mein Neffe ruft mich an. Ich muss lächeln und tatsächlich, kaum habe ich ihn begrüßt, fragt er mich: „Hast Du schon weiter geschaut? Bei welcher Folge bist Du gerade?“. Vor einigen Monaten hat er mir völlig begeistert von seiner Lieblingsserie erzählt. Ich bin neugierig geworden und habe selbst angefangen zu schauen. Seitdem tauschen wir uns über die einzelnen Charaktere aus und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickeln. An der Serie fasziniert mich, dass ihr Held kein typischer Held ist. Er heißt Naruto und hat weder geniale Fähigkeiten, noch eine überragende Intelligenz. Ganz im Gegenteil, er erinnert mich eher an den naiven Dummling, wie er in den Heldenreisen vieler Märchen zu finden ist. Naruto ist nicht besonders klug, aber er hat ein großes Herz für die Menschen, die ihm begegnen. Naruto arbeitet extrem diszipliniert, allerdings ist er durch seine begrenzten Fähigkeiten immer auch auf die Hilfe anderer angewiesen. Trotzdem glaubt er unerschütterlich an sich selbst und ist sich nicht zu schade, sich die Unterstützung zu holen, die er braucht. Viele Kinder und Jugendliche begeistern sich für diese Serie mit dem untypischen Helden Naruto. Mich freut das, denn es stecken wertvolle Botschaften in dieser Serie wie: „Glaube an Dich und lass Dir von anderen helfen!“ und „Es lohnt sich, sich anzustrengen, wenn man ein klares Ziel vor Augen hat.“ Und, vielleicht die wichtigste Botschaft: „Es ist nicht schwach, wenn ich mich hilflos zeige, sondern stark. Denn nur so kann ich mich weiter entwickeln.“


Im Advent warte ich auch auf die Ankunft eines Helden. Und der ist ebenfalls ganz anders, als man sich einen klassischen Helden vorstellt. Jesus kommt als kleines Kind auf die Welt, das vollkommen auf seine Eltern angewiesen ist. Jesus braucht seine Eltern. Und nicht nur das. Er braucht auch mich. Ich kann ihm in meinem Leben Raum schaffen, so dass er bei mir ankommen kann. Das ist für mich das eigentliche Geheimnis von Weihnachten. Bischof Klaus Hemmerle hat dieses Ankommen in einem Text zu Weihnachten so beschrieben: „Gott ist einfach da, das ist alles, was er tut und kann“. Und Klaus Hemmerle schreibt weiter, was dieses Kind uns sagt, nämlich: „(...) Es sagt mir, es sagt dir, es sagt jedem Menschen: Gut, dass du da bist.“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17DEZ2021
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Die richtigen Fragen stellen – das ist gar nicht so einfach. Das weiß auch Anna, das kleine Mädchen aus dem Buch mit dem Titel: „Hallo Mr. Gott, hier spricht Anna.“ Anna ist neun Jahre alt und quicklebendig. Sie spricht gerne mit Gott und wendet sich mit all ihren Anliegen direkt an ihn. So betet sie eines Abends ganz intensiv: „Bitte Mr. Gott, bitte, hilf mir zu lernen, wie man richtig fragt, damit ich nicht so dumm bleibe.“ Anna ist sich bewusst, dass es gar nicht so einfach ist, die richtigen Fragen zu finden. Ihr liebster Gesprächspartner, Mr. Gott, soll ihr dabei helfen. Sie möchte im Leben so viel lernen und allem um sie herum auf die Spur kommen. Anna kann sich unglaublich begeistern und stellt ihrem großen Ziehbruder Fynn unaufhörlich Fragen. Mich inspiriert dieser Enthusiasmus von Anna und ich überlege, was meine großen Fragen sind. Im Moment höre ich um mich herum wegen der Pandemie Fragen wie: „Wie geht es weiter? Werde ich krank werden? Werde ich meine Arbeit behalten können?“ Oft ertappe ich mich selbst dabei, dass ich zu ungeduldig bin und gerne jetzt schon alle Antworten auf meine Fragen hätte. Aber manche Fragen lassen sich nicht beantworten, manche nie und manche auch auf längere Sicht nicht. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dass es tatsächlich auch den richtigen Zeitpunkt braucht, damit sich manche Dinge und Situationen klären können. Da kann ich selten was erzwingen oder beschleunigen. Es gibt einen schönen Text des Dichters Rainer Maria Rilke.  In liebevollen Briefen an einen jungen Dichter macht er darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, die Fragen an sich ernst zu nehmen. Vielleicht gibt Ihnen diese Adventszeit auch Räume, in denen Sie Ihren Fragen auf die Spur kommen können. Als Ermutigung dazu hier nun ein paar Zeilen von Rainer Maria Rilke. Er schreibt: „(...) ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben (...) Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16DEZ2021
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„Bless you“, wünscht mir meine amerikanische Schwägerin, als ich niesen muss. „Bless you“ heißt ins Deutsche übersetzt: „Gesegnet seist Du“. Im Deutschen höre ich eher „Gesundheit“, wenn ich niesen muss. Es würde wohl Irritation auslösen, wenn jemand bei uns im Deutschen an der Stelle sagt: „Segen für Dich!“ oder „Gesegnet seist Du!“ Ich finde es schade, dass das nicht üblich ist, vor allem wenn ich mir vor Augen führe, dass Flüche oder Lästern im alltäglichen Sprachgebrauch beinahe selbstverständlich sind. Wenn ich erlebe, wie zerstörerisch üble Nachrede wirken kann, wünsche ich mir oft, dass es üblicher wird, anderen Menschen Gutes zuzusprechen. Denn nichts anderes meint ja „segnen“. Wenn ich segne, dann sage ich einem Menschen Gutes zu. Gerade jetzt sehe ich wieder viele Grußkarten, auf denen steht: „Gesegnete Adventszeit“ oder  „Gesegnete Weihnachten“. Aber Segen gilt nicht nur für besondere Zeiten. Wenn mich jemand segnet, tut mir das in jeder Situation gut. Ich spüre immer mehr, wie sehr es diese Momente braucht, in denen Menschen persönlich zugesagt wird, dass es gut ist, dass es sie gibt und dass ihr Leben unter einem Segen steht. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es mich selbst sehr bereichert, wenn ich Menschen Segen zusprechen darf. Das muss gar nicht immer öffentlich oder ganz offiziell sein. Ich kann Menschen auch innerlich segnen. Zum Beispiel gerade die, die mir das Leben schwer machen oder denen ich ansehe, dass es ihnen schlecht geht. Als ich für ein paar Jahre in Frankfurt am Main gelebt habe, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, Menschen, die mir in der U-Bahn oder auf der Straße ins Auge gefallen sind, zu segnen. Ich habe ihnen dann nur für mich zugesprochen: „Sei gesegnet, so wie Du bist.“ Dadurch konnte sich auch oft meine eigene Stimmung verändern. Ich wurde innerlich ruhiger und offener und konnte manchmal auch nachsichtiger im Umgang mit anderen werden. In manchen Gesprächen, die völlig verfahren sind oder wenn ich mich extrem über andere ärgere, hilft es mir sogar, wieder einen neuen Zugang zu meinem Gegenüber zu finden.

Ich vermute und hoffe, dass es jedem gut tut, wenn ihm ehrlich etwas Gutes zugesagt wird. Wenn ich mich so gesegnet fühlen kann, dann ist das, als ob mein Leben unter einem guten Stern steht. Und wenn ich andere segne, dann stelle ich auch ihr Leben ganz bewusst unter einen guten Stern. In diesem Sinne: Gesegnete Adventstage!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

15DEZ2021
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Eigentlich will ich an dem Abend nur abschalten und schaue zufällig den Uraltfilm „Karate Kid 4“ mit  Hilary Swank. Ich bin neugierig, wie die Schauspielerin als Jugendliche gespielt hat. Viel erwarte ich mir nicht, aber völlig überraschend amüsieren mich zwei Szenen.

In der jetzigen Zeit müssen ja alle gerade mit vielen Belastungen umgehen, deswegen möchte ich Ihnen heute Morgen von der Leichtigkeit und Lebensfreude dieser Szenen erzählen.

In der ersten Szene kommen drei Mönche zu Besuch in die Großstadt und machen sich abends auf, um Bowling zu spielen. In der Halle werden sie von einer Männergruppe rüde angepöbelt, worauf die Mönche ihnen einen Wettkampf vorschlagen. Während sich eine johlende Menschenmenge versammelt, treffen die Mönche immer wieder alle Neune, obwohl sie dabei sogar die Augen geschlossen haben. Ziemlich kleinlaut fragen die Verlierer, wie die Mönche das schaffen. Einer antwortet „Das Entscheidende ist, das Ziel innerlich klar vor Augen zu sehen. Der Rest regelt sich von ganz allein.“ Die Mönche sind weder besserwisserisch noch aufdringlich. Sie überzeugen mit ihren Fähigkeiten und sind sich nicht zu schade, ihr Wissen und Können weiter zu geben. Denn später im Film unterstützen zwei Mönche einen der Gegner, der dann selbst mit verbundenen Augen alle Neune trifft. Eine kleine humorvolle Szene, die mir zeigt, wie wichtig es ist, sich immer wieder die eigenen Ziele bildhaft vor Augen zu führen. Und  an dieser Filmszene gefällt mir besonders, dass sich die Mönche selbst nicht ganz ernst nehmen und dass sie echte Freude am Spiel ausstrahlen.

Das zeigt sich auch in der zweiten Szene, die mir hängengeblieben ist. Julie, die Hauptfigur trainiert mitten in der Nacht Karate und hört dazu laut Musik. Plötzlich kommen die Mönche und ihr Lehrer dazu. Julie befürchtet, wegen der Musik Ärger zu bekommen. Doch stattdessen beginnen die Mönche zu lächeln und zu ihrer Musik zu tanzen. Julie wundert sich und fragt ihren Lehrer: „Aber das sind doch Mönche. Dürfen die das?“. Dieser antwortet ihr nur: „Traue keinem spirituellen Meister, der nicht auch tanzen kann!“

Also, welche Ziele auch immer Sie erreichen wollen, malen Sie sich ganz konkret in allen Farben aus, wie Sie diese erreichen. Und das am besten nicht bierernst und verbissen, sondern vielleicht sogar mit einer spielerischen Leichtigkeit. Ich weiß, das ist gar nicht so einfach. Mir hilft es, wenn ich diese Mönche vor mir sehe, wie sie spontan zur Musik tanzen.

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14DEZ2021
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„Kenne ich schon - langweilig!“ sagt Nils wegwerfend zu mir. Er kommt sich mit seinen elf Jahren schon sehr erwachsen vor und da ist so ein simples Spiel wie: „Ich sehe was, was Du nicht siehst...“ nicht mehr angesagt. Geschweige denn, dass er ein Spiel mehrmals wiederholen möchte. Ganz anders erlebe ich das bei Kindern im Kindergartenalter. Die können dieselben Spiele oder Abläufe ständig wiederholen und haben ihre helle Freude daran. Da versagt dann eher bei mir irgendwann die Stimme, wenn ich Leon und Elisa wieder und wieder dieselbe Geschichte erzählen muss. Kaum bin ich glücklich am Ende, höre ich schon: „Nochmal!“ Kinder wie Leon und Elisa lehren mich: Wenn sich etwas wiederholt, dann muss das noch lange nicht langweilig sein. Kinder lieben feste Rituale und ich als Erwachsene, wenn ich ehrlich bin, auch.

Oder denken Sie manchmal: Alle Jahre wieder Adventszeit, wie langweilig? Mir selbst sind viele Bräuche ans Herz gewachsen und deshalb halte ich mich an sie. So esse ich Mandarinen erst ab St. Martin, weil das in meiner Familie so üblich war. Ich verzichte bis heute gerne vor dem 11.11. darauf. Umso besser schmecken sie mir dann. Je älter ich werde, umso mehr merke ich, wie sehr solche festen Rituale mein Leben bereichern. Mir scheint, dass es gar nicht so bekömmlich für uns ist, wenn wir zu jeder Zeit auf alles zugreifen können. Warten und dabei beharrlich an etwas dran bleiben, das gehört für mich zur Freude eben auch dazu. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mich weiterbringt, wenn ich mich auf Wiederholungen immer wieder neu einlasse. Damit meine ich nicht nur jährliche Rituale, sondern auch tägliche Übungen. Im Tanztraining habe ich das früher oft so erfahren. Gerade wenn ich an bestimmten Bewegungsabläufen sehr lange dran bleiben sollte. Auch wenn das ständige Wiederholen manchmal mühsam wird, kann ich mich dabei immer mehr mit dem verbinden, was ich tue. Dabei bleibt es aber weiterhin eine Herausforderung für mich, die Zeiten auszuhalten, in denen scheinbar nichts passiert. Aber gerade die bilden oft das Fundament, auf dem etwas Neues entstehen kann. So wie im Moment in der Natur um uns herum scheinbar alles auf Stillstand steht, bereitet sich doch alles im Geheimen auf einen neuen Frühling vor.

Wir dürfen der Langeweile oder den Phasen, wo sich scheinbar gar nicht viel tut, ruhig etwas zutrauen!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir, dass wir in diesen ausgedehnten und dunklen Adventstagen viele lange Weilen erleben, aus denen etwas Neues geboren werden kann.

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13DEZ2021
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Leben, lieben, leuchten – ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie ähnlich sich diese Worte sind? Mir ist es einmal beim Lesen ganz besonders ins Auge gefallen und dann habe ich überlegt, ob das in anderen Sprachen auch so ist. Im Englischen gibt es zwar diese Ähnlichkeit von den Worten „light“, „life“ und „love“, aber schon im Spanischen und Italienischen ist es nicht mehr so. Ich freue mich, dass sich diese drei Begriffe zumindest in meiner Muttersprache ähneln. Für mich besteht ein tiefer Zusammenhang zwischen der Bedeutung dieser Worte. So entsteht alles Leben erst durch das Licht und es ist die Liebe, die alles miteinander verbindet. Mir wird immer mehr bewusst, wie wichtig meine innere Haltung ist, bei allem, was ich tue. Egal, was ich mache oder mit wem ich heute zusammentreffe, wenn ich versuche, in einer Haltung der Liebe zu sein, dann bekommt alles noch einen ganz anderen Sinn. Einen tieferen. Eine liebevolle Haltung meint: auf das schauen, was ist und den Menschen um mich herum mit einem ehrlichen Interesse zu begegnen. Aber um gleich Missverständnissen vorzubeugen, Liebe kann manchmal hart und unbequem sein. Es geht eben nicht darum, unter allen Umständen für Harmonie zu sorgen. Jemandem im besten Sinne zu lieben, heißt auch, ihm etwas zu zutrauen, ihm vielleicht manches zu zumuten und so weitere Lernschritte zu ermöglichen. In der Welt, in der wir leben, kann der Glaube an eine liebevolle Wirkkraft manchmal stark ins Wanken geraten. Schon wenn ich morgens die Nachrichten lese, wird klar, dass außer der Liebe noch viele andere Kräfte am Werk sind. Neid, Gier und Eigensucht zum Beispiel. Manchmal verliere ich dann fast den Glauben an die Liebe und dann brauche ich Unterstützung von außen. Gut, dass Menschen seit je her Rituale entwickelt haben, um die Liebe und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Rituale, wie sie auch jetzt im Advent wieder wichtig sind, helfen mir, mein Leben zu vertiefen und die Dunkelheit ein bisschen heller zu machen. Jetzt im Advent spüren wir noch deutlicher, wie sehr uns Lichter und Kerzen erfreuen.

Heute denken viele an die Heilige Lucia, sie hat heute Namenstag. Sie soll brennende Kerzen in einem Kranz auf dem Kopf getragen haben, um die Hände immer frei zu haben. Denn Lucia hat vor vielen hundert Jahren die Armen um sie herum mit dem Nötigsten versorgt. So vereinen sich bei ihr wieder die drei bedeutsamen Worte: leben, lieben und leuchten. Was leuchtet Ihnen vielleicht heute entgegen oder lichtet sich in Ihrem Leben? Ich wünsche Ihnen viele liebevolle Leuchtfeuer im Dunkeln!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Du musst!“ „Du sollst aber!“ „Du darfst nicht!“ Wenn jemand so mit mir redet, stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Selbst wenn er oder sie recht hat, würde ich am liebsten gerade das Gegenteil tun.

Kein Wunder also, dass die meisten Menschen allergisch reagieren, wenn sie den Begriff „die zehn Gebote“ hören. Da schwingen dann  oft mit: alles ist verboten – Gott ist ein Spielverderber – wenn man sich nicht an die Regeln hält, bekommt man Ärger - am Ende droht vielleicht sogar die ewige Verdammnis.

Die zehn Gebote heißen in der Fachsprache „Dekalog“, übersetzt das „Zehnwort“. die „zehn Worte“ oder „ Weisungen“. Es  sind Richtlinien, die den Menschen nicht unnötig das Leben schwer machen wollen, sondern im Gegenteil: sie sollen helfen, ein erfülltes und freies Leben führen zu können. 

Um diese Grundbotschaft besser herauszustellen, übersetzen manche Bibelwissenschaftler den Beginn jeder Weisung anstatt mit „du sollst“ mit „du wirst“. Und dieses „Du wirst“ könnte man mit dem Zusatz hören, „wenn Du ein geglücktes Leben haben willst“. Das würde dann so klingen „Du wirst nicht töten, wenn du ein geglücktes Leben haben willst.“ oder … „Du wirst deinen Mitmenschen ehrlich und fair begegnen,  wenn Du ein geglücktes Leben haben willst!“

Die zehn Weisungen sind in einer Zeit der Krise entstanden, als die Israeliten als Sklaven in Ägypten arbeiten mussten. Und als Gott sie in die Freiheit führt, da gibt er ihnen die zehn Weisungen. Ein guter Zeitpunkt, denn Freiheit will gelernt sein. Es gibt keine Freiheit, ohne auf Grenzen oder Regeln zu achten, sonst wäre alles beliebig und willkürlich...

Meine eigene Freiheit endet dort, wo die eines anderen anfängt. Zum Beispiel im Großraumabteil: Es mag einen einschränken, nicht laut Musik hören zu können. Andererseits -  wie hört es sich wohl an, wenn 100 Menschen gleichzeitig laut ihre Musik abspielen??

Menschen brauchen Regeln  um gut zusammenleben zu können. Dabei wollen die zehn Gebote helfen.

Und wenn ich mich an einem Gott orientieren kann, der mir zu einem erfüllten Leben in Freiheit verhelfen will, dann wird manches „Gebot“ plötzlich selbstverständlich. Und genau das wollen die zehn großen Freiheiten sein - eine Selbstverständlichkeit.

Man könnte sogar einen Ratgeber für ein glückliches Leben danach benennen. Der Titel wäre dann vielleicht: „Das Zehnwort – zehn Schritte, wie Sie mit sich und der Welt im Reinen sein können.“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Als Kind wollte ich unbedingt einmal das Ende eines Regenbogens erreichen. Es hieß, dass dort ein Schatz vergraben sei. Das fand ich unglaublich spannend. Noch heute muss ich manchmal daran denken, gerade wenn ein Regenbogen sehr deutlich zu sehen ist. Aber klar – heute würde jeder Mensch, der das Ende eines Regenbogens sucht, für verrückt erklärt werden.

Ebenso verrückt kann es erscheinen, dass wir heute einen Feiertag feiern, an dem  an drei Weise erinnert wird, die sich auf den Weg gemacht haben, um einem Stern zu folgen.

Es müssen sehr mutige Menschen gewesen sein, diese Sterndeuter. Wer wagt schon gern einen Aufbruch ins Unbekannte? Sie folgen einem Traum, der ihnen den Mut gibt, alles auf eine Karte zu setzen und sich auf eine mühsame Reise einzulassen. Und sie sind offen für das Unerwartete. Denn der Stern führt sie nicht wie erwartet in einen Palast, sondern in einen erbärmlichen Stall. Nicht zu einem starken König, sondern zu einem schwachen, wehrlosen Kind. Und das ist das eigentliche Wunder.

Die Sterndeuter vertrauen darauf, dass sich ihre Vision in dieser anspruchslosen Umgebung erfüllt. Sie brauchen kein spektakuläres Ereignis und keinen entsprechenden Rahmen. Sie können Gottes Gegenwart in einem stinknormalen Stall entdecken, bei einer Familie mit ihrem neugeborenen Kind.

Das ist eine Botschaft, die ich in der Tat jedes Jahr neu verinnerlichen kann: Die Nähe Gottes kann für mich erfahrbar werden –in kleinen gewöhnlichen Dingen. Wenn ich Menschen begegne, die mir ihr Vertrauen schenken und denen ich vertrauen kann, ohne dass wir uns es verdienen mussten. Wenn ich in einer Pause einen kleinen Abstecher in die Natur mache und mir kleine Augenblicke des Friedens geschenkt werden.

Die Botschaft der Sterndeuter ist für mich ein bisschen wie damals, als ich nach dem Schatz am Ende des Regenbogens gesucht habe. Es ist gut,  sich innerlich immer wieder auf das Unerwartete einzulassen. Sich auf eine verrückte Suche nach Gott zu machen, der sich oft ganz anders zeigt, als ich es denke. Oder der sich mir entzieht wie das Ende eines Regenbogens. Und selbst wenn ich diesen Schatz nie ganz fassen kann, er ist da.

 

 

 

 

 

 

 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Nur zehn Minuten“ sagt der Logopäde zu mir. „Wenn Sie morgens gleich nach dem Aufstehen diese Stimmübung machen, wird das Wunder wirken!“ „Sie müssen natürlich regelmäßig üben!“ fügt er noch rasch hinzu. Ich stöhne innerlich und denke an all die anderen Dinge, die ich morgens noch machen sollte.
Da wäre die Morgengymnastik. Dann zehn Minuten auf Sonnenblumenöl herumkauen, um das Immunsystem zu stärken.
Was fehlt noch? Die Morgenmeditation – auch so eine Sache, von der ich weiß, dass sie mir gut tut. Trotzdem fällt es mir schwer, ihr morgens einen Platz zu geben. Okay – ich bin kein Morgenmensch und wenn ich ein gängiges Sprichwort bemühen müsste, dann wäre das sicher nicht: „Morgenstund hat Gold im Mund!“, sondern eher: „Der frühe Vogel kann mich mal!“
Ich müsste im Grunde gegen fünf aufstehen, und das ist nun wirklich nicht mein Ding. Tja – und daher muss ich mich auf das Wichtigste beschränken. Aber was ist denn wichtig am Morgen?

Klar - auf das Frühstück verzichte ich lieber nicht. Das würde nicht nur ich bereuen, sondern auch alle, die mir begegnen, würden es zu spüren bekommen. Und all die anderen Dinge? Ich glaube, da muss ich mich einfach entscheiden. Ich habe gemerkt, dass mir die Nahrung für die Seele sehr wichtig ist.

Wenn ich morgens mit einer Zeit der Stille starten kann, ohne etwas zu wollen, einfach nur, um da zu sein und mich auf Gott auszurichten, dann verändert das meinen Start in den Tag. Ich bin ruhiger und nicht mehr so auf meine Tagespläne fokussiert. Es rückt sich manches dadurch in die richtige Perspektive.

Aber auch da reicht es mir meistens nicht für die berühmten „nur zehn Minuten“.

Mir hilft es, nicht lange nachzudenken, sondern mich einfach kurz hinzusetzen oder ans Fenster zu stellen, meistens tut mir die Stille dann so gut, dass ich gerne noch länger bleibe. Probieren Sie es doch selbst einmal aus – nur zehn SekundenJ!

 

 

 

 

 

 

 

 

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„Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen“

Dieses Plakat habe ich bei einer Freundin gesehen und ich finde den Spruch einfach klasse: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen.“  Jeder kann mal hinfallen. Und klar dass ich dann versuche, wieder aufzustehen und weiterzugehen. Aber das „Krone richten“ – das gefällt mir! Die Krone ist ein Zeichen dafür, dass ich wertvoll bin, ohne es mir verdienen zu müssen. Das ist keine neue Idee. Schon die biblische Schöpfungsgeschichte  spricht davon, dass der Mensch als „Abbild Gottes“ geschaffen worden ist. Diese uralte Erzählung ist ursprünglich für das Volk Israel geschrieben worden. Und das in einer Zeit, in der Israel tief in der Krise steckt.

Und diese scheinbaren Versager hören plötzlich, dass der Mensch als „Abbild Gottes“ geschaffen worden ist. Der Begriff „Abbild Gottes“ war damals nur für den König reserviert, weil er als Stellvertreter für Gott auf der Erde galt. Und jetzt soll dieser Begriff „Abbild Gottes“ auf einmal nicht allein einem König gelten, sondern jedem Menschen. Jeder und jede hat Anspruch auf ein KrönchenJ! Wenn das mal keine Zusage ist.

Die Vorstellung fasziniert mich. Andererseits fällt es mir manchmal gar nicht so leicht, die Krone bei jedem Menschen zu finden. Gerade bei unehrlichen, hinterhältigen, oder gar brutalen Menschen. Bei ihnen muss das Krönchen wohl verrutscht oder zerbeult sein. Oder es sind ihr Zacken herausgebrochen – aber sie ist da -   bei jedem - garantiert!

Manchmal muss man eben etwas genauer hinschauen. Und das gilt auch dann, wenn ich mich selbst total mies fühle, weil z.B. die Schulstunde den Bach runtergegangen ist oder ein Arbeitstreffen nicht so läuft, wie ich mir das vorgestellt habe.

Also selbst bei dem Gesicht, das mir morgens aus dem Spiegel entgegenblickt, gibt es irgendwo das Krönchen – auch wenn ich das manchmal vergesse. Wer weiß, vielleicht klebe ich mir eine Krone über den Spiegel, so dass es aussieht, als habe ich sie auf dem Kopf, wenn ich in den Spiegel schaue. Einfach nur so…zur Erinnerung..

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