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08DEZ2024
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Wenn man derzeit durch abendliche Innenstädte läuft, dann blinkt und leuchtet es überall. In Schaufenstern und an Straßenbäumen. In Vorgärten, an Hausfassaden und sogar von manchen Dachrinnen tropfen Lichter herunter. Schon klar, hilft gegen den Winterblues. Doch der Lichter-Tsunami vor Weihnachten kommt mir inzwischen manchmal eher vor wie ein Feldzug gegen das Wintergrau. Das wird weggestrahlt und platt gemacht mit immer mehr grellen LED-Lichtern. Was da schon mal ein bisschen unter die Räder kommt, ist die Symbolik, die diese Zeit vor Weihnachten ja auch hat.

Heute Morgen wird auf vielen Adventskränzen eine zweite Kerze brennen. Würden nur diese beiden Kerzen im Zimmer leuchten, dann wäre erkennbar: Es ist wieder ein bisschen heller geworden. Denn das ist der tiefere Sinn des Adventskranzes. Mich sinnlich erfahren zu lassen, dass es Woche für Woche etwas heller wird - bis endlich Weihnachten da ist. Lichterfest nennen manche es ja auch. Christinnen und Christen allerdings feiern an Weihnachten, dass Jesus in die Welt gekommen ist. Und das Licht, das ist halt auch ein uraltes Symbol für Jesus. Vier Wochen Advent bedeutet deshalb für Christinnen und Christen auch: Vier Wochen warten aufs Licht. Und das wird einfach erträglicher, wenn es dabei Woche für Woche schon ein kleines bisschen heller wird.

Nur: Wer ist noch ernsthaft bereit, zu warten? Warten nervt. Ob im Wartezimmer beim Arzt. Auf den Zug, der mal wieder Verspätung hat. Oder auf das Päckchen vom Onlineshopping. Und so passt die Lichterflut in Städten und Vorgärten vielleicht doch ganz gut in eine Zeit, in der Warten-Müssen zum No-Go geworden ist. Weil die meisten es gewohnt sind, dass alles sofort und auf der Stelle da ist. Dabei ließe sich im Advent der Zauber des Wartens neu entdecken, wenn man denn will. Zum Beispiel, indem ich jede Woche im Dunkeln eine Kerze mehr anzünde und dabei ganz sinnlich erfahre, wie das Licht allmählich immer heller wird.

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01DEZ2024
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Endlich Advent. An meinem Adventskranz brennt die erste Kerze. Es ist ein Kranz aus Metall. 4 dicke rote Kerzen stehen auf den Haltern, Zweige und einige Sterne liegen in der Metallschale. Ich hab mich so gefreut, als ich den Kranz von meinem Kleiderschrank heruntergeholt, auf den Tisch gestellt und neu bestückt habe. In diesem Jahr sehne ich mich sehr nach dem Licht. Es war ein dunkler November in der Welt und an manchen Tagen auch in mir drin. Aber ab heute brennt ein Licht. Und jeden Morgen spreche ich an diesem Licht mit Gott. Ich bitte Gott, dass dieses Licht leuchtet an den dunklen Orten und Hoffnung schenkt. Ich nenne Namen und nenne Orte und dann werde ich still. Das gibt mir Kraft für meinen Tag.

Es ist für mich ein heiliger Moment in der Adventszeit. Das Licht anzünden, still werden und für andere und die Welt beten. In diesen Momenten kann ich spüren, was wirklich wichtig ist im Leben. Jesus hat es einmal so gesagt: Liebe Gott, liebe dich selbst und liebe die Anderen.

Ich habe meine Familie und Freundinnen und Freunde nach ihren heiligen Momenten in der Adventszeit gefragt. Und ich habe schöne Antworten bekommen: Freundinnen zum Kaffee einladen, mit meiner kranken Mutter am Adventskranz sitzen, gemeinsam mit meiner Freundin Musik im Altenheim machen und beschenkt werden von der Freude der Bewohnerinnen und Bewohner, im Chor Adventslieder singen, Zeit mit der Familie verbringen, still sein und hören, jeden Abend Tagebuch schreiben, zurückblicken und das alte Jahr verabschieden, um dann neu aufbrechen zu können.

Einige haben dazu gesagt: Ich weiß nicht, ob das wirklich heilige Momente sind. Aber für alle gehören diese Momente unbedingt in die Adventszeit.

Mich machen die Antworten glücklich. Denn sie zeigen mir, dass der Advent eine besondere Zeit ist, in der Menschen besonders aufmerksam sind dafür, was wirklich wichtig ist im Leben: Liebe - zu Gott, zu sich selbst und zu den Menschen. Und all das sind heilige Momente.

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24NOV2024
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Adolf Hitler in einem Kirchenfenster? Ja, das gibt es tatsächlich. Zu besichtigen in der katholischen Kirche St. Peter und Paul in Weil der Stadt, unweit von Stuttgart. Ein Fenster der Taufkapelle zeigt neun Szenen aus dem Leben Jesu. In der Scheibe rechts oben sieht man, wie der Teufel Jesus in Versuchung führt. So verspricht er ihm die Herrschaft über alle Reiche der Welt, vorausgesetzt, Jesus fällt vor ihm nieder und betet ihn an. Der Teufel trägt unverkennbar die Gesichtszüge Hitlers. Aggressiv wendet er sich Jesus zu. Doch der blickt zur Seite und weist den Teufel mit einer schroffen Handbewegung ab. Die Botschaft des Fensters ist unmissverständlich: Der Führer und Verführer Adolf Hitler ist der Gegenspieler Gottes.

Man mag es kaum glauben, dass diese Darstellung im Dritten Reich entstanden ist. 1940 wurde das Fenster eingesetzt, als Hitler von den meisten Deutschen wie ein Messias verehrt wurde. Pfarrer August Uhl ließ damals die Weiler Stadtkirche renovieren. Karl Josef Huber erhielt den Auftrag zu ihrer künstlerischen Ausgestaltung. Die beiden Männer kannten sich seit ihrer Studienzeit. Beide waren entschiedene Gegner des Nationalsozialismus. Das Regime hatte Huber Berufsverbot erteilt, weil es dessen Bilder als „entartet“ einstufte. Pfarrer Uhl bekam wegen seiner kritischen Predigten immer wieder Ärger mit der Gestapo. Erstaunlicherweise blieb das „Hitler-Fenster“ bestehen. Hatten die Nationalsozialisten es nicht bemerkt? Sie waren ja keine eifrigen Kirchgänger.

Ein paar Monate nach Fertigstellung des Bildes musste der fast 40-jährige Huber zur Wehrmacht. Ob seine Einberufung eine Strafmaßnahme war, ist nicht ganz klar. Fest steht aber, dass sowohl der Künstler als auch der Pfarrer ein hohes persönliches Risiko eingegangen sind. Wie viel Mut gehört dazu, einen brutalen Diktator in dieser Weise öffentlich zu entlarven? Als satanische Figur, als die Verkörperung des Bösen schlechthin.

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17NOV2024
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Heute ist Volkstrauertag. Er wird immer zwei Wochen vor der Adventszeit begangen. Volkstrauertag ist ein staatlicher Feiertag. Seine Ursprünge reichen bis in die 1920er Jahre zurück. Damals hat man an diesem Tag an die im Krieg getöteten Soldaten des Ersten Weltkrieges erinnert. Heute denkt man an alle Opfer von Gewalt und Krieg, denkt an Kinder, Frauen und Männer aller Völker, die in den Kriegen und durch Gewaltherrschaft gestorben sind.

Vor 110 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus. Am Anfang zogen junge Freiwillige begeistert in diesen Krieg. Doch aus der anfänglichen Kriegsbegeisterung wurde schnell bittere Ernüchterung.

Im Herbst 1914 schreibt der achtzehnjährige Soldat Robert Oelbermann von der Westfront aus Frankreich an seine Freunde zu Hause: „Und dann kam die Schlacht selbst. – Mord! Nichts als Mord! Und ein Grausen packte uns. Sind wir Menschen? Oder sind wir Tiere?! Nur die Pflicht hielt viele von uns bis zuletzt. – Konnte es das sein, wonach wir uns gesehnt, wovon wir geträumt hatten? Nein und abermals nein!“ (zitiert nach: „Wir wollen eine andere Welt“ – Jugend in Deutschland 1900 - 2010. Berlin 2010. S. 69)

Robert Oelbermann musste erleben, dass der Traum von Stärke und Überlegenheit zum Albtraum werden kann.  Daran zu glauben, dass man siegen wird, ist trügerisch.

Bereits viele Jahrhunderte früher hat Jesus den eifrigen Petrus ermahnt, als dieser sein Schwert zog, um für ihn zu kämpfen. „Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen,“ (Mt 26,52)

Manch einem kommt dieser Satz von Jesus heute wie ein frommer, weltfremder Wunsch vor. Trotzdem ist es eine allzu wahre Mahnung: Verlasst euch nicht auf die Sprache der Waffen. Sondern sprecht und verhandelt miteinander. Sucht den Frieden ohne Schwert und Raketen. Dieser Satz Jesu ist eine lebenswichtige Erinnerung – gerade am Volkstrauertag.

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10NOV2024
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Jesus hat gerne in Gesellschaft gegessen und getrunken. Alleine im Lukasevangelium stehen neun Geschichten, wie er mit unterschiedlichsten Menschen an einem Tisch sitzt. In einer Welt ohne Kommunikationsmittel, Zeitungen und Fernsehen ist eine Tischgemeinschaft der wichtigste Platz für Austausch, Diskussion und Verständigung. Und wer zu einer Tischgemeinschaft dazugehört, der hat zumindest an diesem Tag für sein Essen gesorgt. Das ist wichtig in einer Gesellschaft, in der Armut überwiegt. Tischgemeinschaften entscheiden also darüber, wer dazu gehört, wer anerkannt ist. Wer dazu eingeladen wird, der sollte ein interessanter Gesprächspartner sein. Er sollte ein gewisses Ansehen haben, keine anrüchige Randfigur sein.

Jesus ist ein gesuchter Gesprächspartner. Pharisäer laden ihn ein, also gebildete, engagierte Juden, die auf religiöse Tradition halten. Jesus könnte sich als charmanter Gast geben, mit einem klugen Wort hier und einer intelligenten Bemerkung da. Doch er macht zwei Fehler:

Zum einen lässt er zu, dass sich Leute von sehr zweifelhaftem Ruf an seinen Tisch setzen. So akzeptiert er eine stadtbekannte Prostituierte bei sich am Tisch. Und zum anderen lässt er sich auch von zwielichtigen Leuten einladen, etwa von Zöllnern, den verhassten Steuereinnehmern der römischen Besatzungsmacht. Für Juden ist das eine heftige Provokation. Wie kann sich der beliebte Wanderprediger Jesus mit solchen Leuten abgeben! Er muss doch wissen, welches Gesindel das ist! Diese Leute färben doch auf ihn ab!

Jesus isst und trinkt aber trotzdem mit Sündern und Zöllnern. Dabei will er nicht die bestehende gesellschaftliche Ordnung umzustürzen. Er gibt den Menschen am Rand vielmehr eine Kostprobe. Als der entscheidende Repräsentant Gottes macht er ihnen klar: So wie ihr hier mit mir zusammensitzt, so lädt euch Gott bildlich gesprochen zu einem ewigen Gastmahl ein. Ihr bleibt nicht vor der Tür, ihr seid alle eingeladen. Das fängt jetzt schon an und darüber können wir uns jetzt schon gemeinsam freuen, hier an diesem Tisch. Was der Evangelist Lukas aufgeschrieben hat, gilt damals wie heute: Gott will die Menschen vom Rand mit am Tisch haben. Und an unseren Tischen sollten sie auch Platz haben.

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03NOV2024
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„Hm. Schmeckt nach Sonntag“, sagt sie und leckt sich über den Mund. Mir gegenüber sitzt Inge. Sie wird heute 90 und ich besuche sie zum Geburtstag. Als ich komme, hat ihre Enkelin ihr gerade eine Tasse Kakao gebracht. Inge macht keine Umstände aufzustehen als ich reinkomme. Sie setzt auch die Tasse nicht ab, sondern zeigt mir mit der Tasse in der Hand, dass ich auf ihrem gemusterten Sofa Platz nehmen soll. Die Enkelin schmunzelt und fragt: Möchten Sie auch einen Kakao? Ich überlege, wie ich am besten sage, dass mir von Kakao immer schlecht wird. Die Enkelin reagiert sofort: Lieber Kaffee, stimmt’s?

Ich lache und Inge sagt nochmal – und dabei hat sie jetzt die Augen zu:
„Hm. Schmeckt nach Sonntag.“ Nach einer Pause ergänzt sie: „Ich vertrage Kakao eigentlich nicht gut“, und ich muss lachen. „Aber ich mag so sehr, wie er schmeckt! Deswegen gab’s zu meiner Kinderzeit immer nur sonntags Kakao. Und für mich immer nur eine Tasse.“

Fünf Geschmacksrichtungen, heißt es, können wir Menschen unterscheiden: Süß, sauer, salzig, bitter und „Umami“, das ist so etwas wie herzhaft. Und wenn wir Inge glauben, dann kann unser Geschmack noch mehr: Er kann Erinnerungen hervorrufen - nicht an Einzelnes, sondern an gesammelte Kraft.

Friedrich Schleiermacher hat diesen Sinn den „Geschmack für’s Unendliche“ genannt und Religion so beschrieben. Der Glaube an Gott ist den Sinnen so oft verborgen, aber er ist nicht ganz über-sinnlich. Wie Inge „schmecken“ wir manchmal, dass es getragen ist, dieses Leben. Dabei ist es verletzlich und unvollkommen – auch Inge schmeckt, wenn sie Kakao trinkt, dass sie ihn eigentlich nicht gut verträgt.

Unser Geschmackssinn kann mehr als wir denken: Er kann uns erinnern an bittere Zeiten. Ja, leider vergisst der Geschmackssinn auch das nicht. Er kann uns ebenso an Kraft erinnern. Er kann das Leben schmecken. Oder wie Inge es ausdrückt: Manchmal schmeckt das Leben nach Sonntag.

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01NOV2024
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Ich stehe  mit meinen Kindern, damals sieben und drei Jahre alt, auf dem Friedhof, am Grab von Tante Lisbeth.

„Die ist jetzt kaputt“, sagt der Sohn zu seiner kleinen Schwester.

„Also bitte, das kann man aber auch anders sagen,“ weise ich ihn zurecht.

„Aber Papa, das versteht die doch nicht, wenn ich sage:’gestorben’. Außerdem ist die Tante jetzt im Himmel, das stört die nicht.“

Ich bin platt, mir fällt nichts mehr ein. Dafür aber meinem Sohn.

„Was ist denn jetzt eigentlich im Himmel? Liegt da unten im Grab nichts drin.?“

„Doch, der Körper liegt da drin. Im Himmel ist die Seele.“

„Und wo ist die, ich meine bei mir?“

„Na, in dir drin.“

„Ach so, liegt da im Grab nur noch die Haut?“

„Nein, nein, da liegt schon der ganze Körper drin.“

„ Ja, was ist denn jetzt die Seele?“

„ Na ja, das bist halt du, was du denkst, was du fühlst........“

 „Ach so?!?!?!?!  Okay, jetzt weiß ich: Im Himmel ist der Kopf.“

„Nein, Kinder, also so ist das.....“

„Im Himmel ist der Kopf! „ kräht die Dreijährige unter mir.

„Nein, nein, so ist das nicht......ich erklär` euch das ein andermal.“

Wir machen uns auf den Heimweg.

Da kommen uns drei ältere Damen entgegen.

„Im Himmel ist der Kopf“, ruft ihnen die Kleine entgegen.

Einfach weitergehen! Sich ja nichts anmerken lassen!

„Gell, im Himmel ist der Kopf?“, fragt die Tochter, als wir ins Auto steigen.

Ich kapituliere. „Ja, im Himmel ist der Kopf.“ sage ich und habe meine Ruhe.

Meine Kinder sind heute längst erwachsen. Das Grab von Tante Lisbeth ist vor kurzem geräumt worden.  Da habe ich mich wieder an die Geschichte erinnert und musste schmunzeln. Ich stelle mir vor, wie jetzt ganz viele Köpfe im Himmel versammelt sind und auf uns herab schauen.  Und damit das nicht allzu seltsam aussieht, wird Gott der Allmächtige schon dafür sorgen, dass auch die anderen Körperteile ihren Weg gen Himmel finden.  Ja, ich weiß, dass das natürlich ganz ganz anders ist, mit der Seele und dem Leben bei Gott, an das ich glaube. Aber ehrlich: können Sie sich vorstellen, wie das sein wird? Ich nicht.  Aber vielleicht erklären mir das meine Enkel demnächst auf ihre ganz eigene Weise. Ich bin gespannt …

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27OKT2024
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Stephan leitet einen Kirchenchor, 50 Leute kommen zusammen. Sie singen grade Lieder zum Thema: das ist, was ich glaube. Psalmen, ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis. Über den Glauben kam ich mit dem Chor ins Gespräch. Wir haben uns in der Kirche getroffen. Der Altar war der Punkt: glaube ich 100 %. Am Ausgang der Kirche: glaube ich nicht. Und der Mittelgang dazwischen für alles mögliche zwischen 100 % und 0%.

Die Chormitglieder sollten ihren Standpunkt finden. Im wörtlichen Sinn: sie sollten sich aufstellen im Mittelgang der Kirche. Position beziehen.

Wir sind das Glaubensbekenntnis durchgegangen.

„Ich glaube an Gott.“ Da standen fast alle nah am Altar.

„Den Vater, den Allmächtigen“.  Da haben sich die Sängerinnen und Sänger schon mehr im Gang verteilt. Ist Gott allmächtig? Da waren sich nicht alle sicher.

Einen Standpunkt beziehen, das kann sehr erhellend sein. Stehe ich mehr bei JA oder mehr bei NEIN ? Was ist meine Position?

„Ich glaube an Jesus Christus“.  Ja, da waren viele bei JA.

„Empfangen durch den Heiligen Geist“. Naja, glaube ich das? Eine Altistin sagte: bei jeder Geburt ist Gottes Geist im Spiel. Da sind viele Richtung Altar gegangen.

Bei „ich glaube an den Heiligen Geist“ standen die meisten  am Altar.

Bei der heiligen katholischen Kirche standen die meisten in der Nähe des Ausgangs – da haben viele heute ihre Schwierigkeiten oder schweigen an dieser Stelle des Glaubensbekenntnisses.

Auferstehung der Toten – ungefähr bei 50 /50.

Das hat mich erstaunt. Ich selbst glaube felsenfest an die Auferstehung, es ist aber spannend, WIE sich die Leute das so vorstellen.

Wir haben 2 Stunden in der Kirche gestanden, Standpunkte bezogen, Standpunkte ausgetauscht. Es war fesselnd; Religion ist ja sonst ein Tabuthema für viele.

Heute ist Sonntag. Wenn Sie Lust haben, machen Sie doch auch mal das Experiment. Was ist, was ich glaube? Den Text vom Glaubensbekenntnis lesen und mich fragen: was davon glaube ich wirklich.

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20OKT2024
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„Am Sonntag rufe ich Dich an!“, sagt meine Tochter regelmäßig. Und dann tut sie das auch. Der Sonntag ist unser Telefoniertag. Die Woche über sind alle so beschäftigt:
Arbeit, Familie, Haushalt. Da reicht es nur für kurze Nachrichten. Am Sonntag, da ist auf einmal Zeit und Ruhe. Da leihen wir einander das Ohr. Wunderbar! Ganz Ohr füreinander sein, das ist wichtig. Nicht ohne Grund sind wir wohl mit nur einem Mund, aber mit zwei Ohren ausgestattet. Das könnte schon darauf hindeuten, dass wir zum genauen Hinhören und zum doppelten Aufmerksam sein sehr begabt sind. Wie schön, dass wir den Sonntag haben! Denn da ist Raum zum aufmerksamen Hinhören. Da will ich mehr erfahren davon, wie es Dir geht, was Du machst, was Dich umtreibt. Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung und das Heimweh und die Sehnsucht. Vermissen und lieber Kummer sind gerne am Sonntag in uns wach. Darum nehmen wir an diesem besonderen Tag so gerne und so unbedingt Kontakt miteinander auf, besuchen uns und denken liebevoll aneinander.

Und womöglich ist es auch der Sonntag, der uns ab und zu nach Gott fragen und ihn suchen lässt. Die Kirchenglocken werden nachher landauf, landab überall zum Gottesdienst rufen.

Der Himmel schenkt unseren rastlosen Herzen eine Pause. Sonntag ist eine Beziehungsweise, eine außerordentliche Lebensweise, eine Leihweise für beide Ohren und alle Sinne. Was für ein Geschenk, dieser Tag, der kein Werktag ist. Schon ganz am Anfang beim Erschaffen und Werden allen Lebens hat Gott höchst selbst diese zauberhafte Auszeit eingeplant. „Immer mit der Ruhe!“, hat er da wohl nach allem kreativen Können zu sich gesagt. Und weil ihm das wohl ganz gut bekommen ist, hat er daraus gleich einen Masterplan für uns alle gemacht. Hat die „work life balance“ erfunden, die wir doch heute alle für so unentbehrlich halten. „Am Sonntag ruf ich dich an!“ Heute ist es wieder so weit.

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13OKT2024
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In diesen Tagen kommen in Rom viele Frauen und Männer aus aller Welt zusammen. Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, sich zu treffen, um gemeinsam zu beraten, wie die katholische Kirche in Zukunft aussehen kann. Angesichts der Krise, in der die Kirche steckt, ist das auch dringend notwendig. Worum es Franziskus geht: die Kirche muss wieder lernen, auf die vielen verschiedenen Stimmen, die es in der Kirche gibt, zu hören.
Es gibt nämlich Gegenden auf dieser Welt, in der die Kirche wächst, zum Beispiel in Indien. Für einige Menschen dort bedeutet das sehr viel. Jungen Frauen zum Beispiel hilft die Kirche, selbstständiger zu werden. Besonders Menschen, die in unteren sozialen Schichten leben, machen engagierte Frauen und Männer der Kirche klar: ihr habt eine unantastbare Würde, die euch von Gott gegeben wurde. Das hat sozialen Sprengstoff. Denn überall auf der Welt profitieren einige Menschen davon, andere Menschen kleinzuhalten. Wo es der Kirche nun gelingt, Menschen klar zu machen, dass sie frei sind und bedingungslos von Gott geliebt, da kann wirklich etwas Gutes entstehen.
Natürlich heißt das nicht, dass damit alles gut ist. Wie oft schon hat sich die Kirche auf die Seite der Mächtigen geschlagen und alle anderen aus dem Blick verloren. Wie oft war sie selbst daran beteiligt, andere zu unterdrücken? Viel zu oft!
Was Franziskus in Rom versucht, ist gerade deshalb so wichtig. Zum ersten Mal sitzen Bischöfe aus aller Welt gemeinsam mit Frauen und Männern an runden Tischen und sprechen ganz offen miteinander. Das hat es so noch nie gegeben. Franziskus hofft, dass daraus etwas Neues entsteht: er nennt das eine synodale Kirche. Das heißt, dass alle in der Kirche dauerhaft und auf Augenhöhe aufeinander hören und voneinander lernen. Nicht nur jetzt in Rom. Sondern immer.
Wenn ich ehrlich bin, klingt das für mich zwar etwas zu schön um wahr zu sein. Aber dass dieser Weg in die richtige Richtung geht. Davon bin ich überzeugt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40852
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