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09NOV2025
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Heute ist so ein Tag, an dem man sich an Vieles erinnern kann, das wichtig ist. Bis heute. An den Beginn der Weimarer Republik, der ersten deutschen Demokratie. An die sogenannte Reichspogromnacht, in der die Nazis überall im Land die Synagogen niederbrannten. An die Nacht, in der sich die innerdeutsche Mauer öffnete. Alles geschehen an einem 9. November. Sich erinnern zu können ist lebenswichtig. Denn ein Mensch, der seine Erinnerung verliert, verliert seine Wurzeln. Weiß nicht mehr, wer er ist und wo er herkommt. Nicht umsonst versuchen Diktatoren und Autokraten alles, um die Erinnerung auszulöschen. Sie zerstören Denkmäler. Säubern Museen von allem, was nicht ins eigene, enge Weltbild passt. Versuchen, die Erinnerungen der Menschen durch Propaganda zu überschreiben.

In meinem Studium vor langer Zeit hat einer meiner Professoren deshalb oft davon gesprochen, dass Erinnerung gefährlich sein kann. So eine gefährliche Erinnerung war für ihn all das, was Menschen bis heute mit Gott verbinden. Am Passahfest etwa erinnern sich gläubige Juden jedes Jahr daran, wie Gott das Volk Israel vor langer Zeit aus der Unterdrückung durch die Ägypter befreit hat. Und gläubige Christen erinnern sich an jedem Osterfest aufs Neue, dass Jesus auferstanden und nicht im Tod geblieben ist. Sie feiern die Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort haben muss.

Gefährlich sind solche Erinnerungen deshalb, weil sie Widerstand hervorrufen. Widerstand gegen eine schulterzuckende Gleichgültigkeit. Gegen die Haltung, dass sowieso alles sinnlos, weil ja eh nicht zu ändern ist. Denn Menschen, die sich erinnern, die wissen, dass es auch anders sein kann. Dass es sich immer lohnt zu hoffen. Und dass Hoffnung stark machen kann.

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02NOV2025
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Jetzt, im November ruft der Tod sich in Erinnerung: Gestern, an Allerheiligen, heute, an Allerseelen, und auch am Ewigkeitssonntag, da denken Menschen an ihre Toten – und hoffen darauf, dass sie jetzt bei Gott sind.

In diesen Tagen im November denke ich an meine Großeltern – und auch an meinen „kleinen“ Cousin Stefan, der mit Anfang Vierzig gestorben ist, viel zu früh. Vielleicht klingt es seltsam, aber: Seit Stefans Tod schaue ich anders auf mein eigenes Leben. Ich spüre intensiver, welches Privileg es ist zu leben. Dass dieses wilde, wunderschöne, komplizierte Leben ein riesiges Geschenk ist. Nichts ist selbstverständlich: Dass es mich gibt – dass da Menschen sind, die mir wichtig sind – und die mich gernhaben – alles ein großes Geschenk!

Im November ruft der Tod sich in Erinnerung. Und führt mir vor Augen, dass dieses Leben nicht endlos ist. „Lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“[1] Das bittet ein Mensch Gott in der Bibel.

Ja, das möchte ich auch: Klug werden und das Leben vernünftig gestalten. Vielleicht sind diese Tage im November eine gute Gelegenheit, die großen Fragen an mich heranzulassen: Wie will ich leben? Wofür möchte ich Zeit finden? Was ist jetzt wirklich wichtig?

Mary Oliver, eine amerikanische Autorin, versucht in einem Gedicht, diese großen Fragen für sich zu beantworten. Da schreibt sie:

„Wenn es vorbei ist, will ich sagen: Mein ganzes Leben
war ich eine Braut, die sich dem Staunen vermählt hat,
war ich ein Bräutigam, der die Welt in seine Arme genommen hat.

Wenn es vorbei ist, will ich mich nicht fragen,
ob ich aus meinem Leben etwas Besonderes, etwas Echtes gemacht habe.
Ich will mich nicht seufzend vorfinden, nicht ängstlich
und voller Widerstreit.

Ich will nicht einfach nur zu Besuch gewesen sein bei dieser Welt.“[2]

Ich lese diese Worte von Mary Oliver und nehme mir vor: Angst und Streit sollen meine Zeit nicht unnötig fressen. Stattdessen will ich staunen über diese wilde, wunderschöne Welt und das Geschenk meines Lebens umarmen. Dafür will ich mir Zeit nehmen, jetzt im November. 

 

[1] Psalm 90, Vers 12 (Übersetzung: BasisBibel).

[2] Aus dem Gedicht „Wenn der Tod kommt“ von Mary Oliver; in: Mary Oliver, Sag mir, was hast du vor mit deinem wilden, kostbaren Leben. Gesammelte Gedichte, Diogenes Verlag 2023.

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01NOV2025
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Allerheiligen. Klingt komisch, der Name. Heilige, das sind doch solche Menschen, die in besonderer Weise glauben und leben. Mutter Teresa und Sankt Martin, Maximilian Kolbe und Elisabeth von Thüringen. Sie helfen Kranken, teilen, was sie haben, setzen sich für andere ein und ihr Leben aufs Spiel.

Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Im Neuen Testament wird der Begriff »Heilige« für alle Christen benutzt. Sie sind heilig, weil sie durch ihren Glauben und die Taufe in besonderer Nähe zu Gott stehen. Hier kommt die Grundbedeutung von »heilig« zum Tragen. »Heilig« heißt: »zum Göttlichen gehörig«. In diesem Sinn sind alle Christinnen und Christen heilig.

Allerheiligen demokratisiert sozusagen das Heilig-sein. Heilige sind nicht nur die Superheldinnen und -helden des Glaubens. Die Wunder tun und weltweit bekannt sind. Allerheiligen erinnert daran, dass unzählige Menschen auf der ganzen Welt Tag für Tag ihrem Glauben ein Gesicht geben. Dass sie im Beruf, in der Familie, an der Bushaltestelle, im Supermarkt, im Stau christlich handeln. Dem anderen und sich selbst guttun, freundlich sind, standhaft bleiben, aufmerksam.

Zugleich lenkt Allerheiligen den Blick auf die Menschen, die schon gestorben sind. Ist ein Erinnerungsfest. Lässt an Menschen denken, die erst seit kurzem oder schon lange tot sind. Macht sie so lebendig. Das finde ich faszinierend an diesem Tag. Er macht deutlich: Ich lebe nicht nur im Hier und Jetzt oder im Morgen. Sondern mein Leben beruht darauf, dass andere vor mir gelebt haben, dass andere mein Leben reich gemacht haben. Mein Vater, meine Großeltern, der Bassist, mit dem ich lange Musik gemacht habe, der Freund meines Bruders, der in den Bergen abgestürzt ist.

An Allerheiligen kann ich spüren, dass ich in Beziehung zu diesen Menschen stehe. Und dass ich ohne sie ärmer wäre.

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26OKT2025
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Es gab viele Chancen in meinem Leben, die ich verpasst habe. Aber auch viele, die ich genutzt habe. Was für mich richtig und was für mich falsch gewesen ist, weiß ich leider oft erst, wenn ich auf meine Entscheidungen zurückschaue. Aber deswegen stur am Alten festhalten und Neues ablehnen?

Schon vor mehr als 2000 Jahren reagierten viele Menschen skeptisch oder ungläubig, wenn sie sich mit Neuerungen konfrontiert sahen. Wenn Jesus wirklich der Messias, der königliche Heilsbringer des Judentums war, hätte er dann nicht fordern müssen, dass alle streng nach den jüdischen Gesetzen leben? Er selbst hat das eher locker gesehen und hat gesagt: den alten Wein füllt in die alten Schläuche, den neuen aber in die neuen Schläuche. Der Satz gilt bis heute.

So hat etwa heute vor 48 Jahren die Deutsche Bundesbahn die letzte Dampflock offiziell aus dem regulären Dienst gestellt. Wer bitte, außer ein paar Nostalgikern, sehnt sich nach dieser Technik zurück? Wenn die Deutsche Bahn damals bis auf wenige Ausnahmen nicht auf die neueste Technik gesetzt hätte, hätte sie heute zweifellos noch größere Probleme mit ihrer Pünktlichkeit.

Ich selbst bin bei einem Ausflug im Harz noch vor ein paar Monaten mit einem Zug gefahren, der von einer Dampflock gezogen wurde.  Und ich habe es genossen. Doch in meinen Alltag will ich offen bleiben für Neues. Das bedeutet für mich: das Alte wertzuschätzen, aber auf neue Situationen trotzdem wach und offen zu reagieren. Und darauf vertrauen, dass es dann die richtige Entscheidung gewesen ist.

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19OKT2025
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Jetzt im Herbst lässt sich gut wandern bei uns in der Pfalz. In den Weinbergen begegnen einem dabei immer wieder Wegkreuze und kleine Kapellen mitten in den Reben. Orte zum Ausruhen und Innehalten.

Da hängen Andachtsbildchen und Kerzen brennen. Kleine Zeichen von Menschen, die hier ihr Dankgebet gesprochen oder ihre Bitte an Gott geflüstert haben. Manchmal spüre ich fast körperlich, was hier schon alles gesagt, erhofft, erlitten und gelobt wurde.

Mich berührt das. Auch wenn die Bilder nicht meinem Geschmack entsprechen, die Kreuze mir nicht gefallen und die Frömmigkeit mir fremd ist. Trotzdem ich fühle mich mit hineingenommen in die Gotteserfahrung, die andere hier gemacht haben:

Bewahrung unterwegs, Begegnung mit Gott, ein stilles Gelübde – und ich darf teilhaben, auch wenn ich gar nicht weiß, wer vor mir hier gestanden hat. Das Wegkreuz, die kleine Kapelle erzählt davon.

Solche „Kapellen-Momente“ habe ich manchmal auch mit Menschen.

Manchmal passiert es, dass andere mich teilhaben lassen an ihren Erfahrungen mit Gott:
Der junge Mann, der mir erzählt, wie verzweifelt er gebetet hat, als sein Kind krank war.
Die Frau, die mir erklärt, warum sie ein Kopftuch trägt und wie ihr der Glaube im Alltag Kraft gibt.
Die Bekannte, mit der ich zum Grab ihrer Eltern gehe und die dort einen Stein auf den Grabstein legt, weil sie das tröstet.

Sie alle erzählen davon, was ihnen geholfen, was sie berührt, was sie getragen hat. Und ich merke: Das macht auch mich reicher.

Nicht alles kann ich nachvollziehen, nicht alles würde ich auch so machen. Aber der Glaube dieser Menschen berührt mich und macht mir bewusst, was mir wichtig ist und wo meine eigenen Kapellen stehen.

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12OKT2025
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Zu meinem achten Geburtstag schenkte mir meine Patentante zwei Mokka-Tässchen. Meine Begeisterung war verhalten. Bei der Küchenrenovierung habe ich sie nun wieder entdeckt. Irgendwie sind sie doch ganz hübsch. Sie sind sehr zart, haben ein Rosendekor und einen Goldrand. In einer kleinen Kaffeezeremonie habe ich sie nun eingeweiht und komme dabei ins Nachdenken.

Meine Tante und ihr Mann erkrankten vor einigen Jahre schwer. Die Erkrankungen sind unterschiedlich, aber beide schreiten voran. Für meine Tante ist es unglaublich belastend, da mein Onkel inzwischen durch seine Alzheimer-Erkrankung in einer eigenen Welt lebt. Meine Tante ist sehr gläubig und ich erlebe, wie sie aufgrund ihrer Situation mit Gott hadert und fragt, was sie verbrochen hat.

Und auch wenn Krankheit keine Strafe ist, finde ich durchaus: Sie hat jedes Recht, ihrem Ärger und vielleicht auch ihrer Wut Gott gegenüber Luft zu machen. Da kann man deutliche Worte finden. Er soll sich bitte diesen ganzen Schlamassel anschauen und vielleicht kann er im Idealfall das Gefühl geben, da nicht alleine durchzumüssen. Das kann dann auch in Form von Freundinnen und Freunden sein, die helfen, unterstützen und begleiten. Die vorbeikommen auf eine Tasse Kaffee, ein offenes Ohr haben oder einfach andere Themen mitbringen und ablenken vom schweren Alltag.

Vielleicht findet sie in der Auseinandersetzung mit Gott auch die Kraft, sich selbst nicht zu vergessen. Schließlich ist sie auch krank. Sie braucht Kraft, viel Kraft – für den Partner und für sich selbst. Dafür braucht sie Pausenzeiten zum Luftholen. Mein Onkel war nun zwei Wochen zur Kurzzeitpflege. Ich frage sie: „Wie war das für dich?“ Sie sagt: „Na ja, als ich mich etwas dran gewöhnt hatte, waren die zwei Wochen schon rum.“

Die Aussicht auf eine nächste Pausenzeit ergab sich vor ein paar Tagen spontan.

Vielleicht fährt sie mal mit nach Trier, damit sie eine Freundin besuchen kann. Und womöglich ergibt sich eine Gelegenheit für eine gemeinsame kleine Pause mit den Mokka-Tässchen.

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05OKT2025
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Heute wird in den meisten Kirchen Erntedank gefeiert. Wahrscheinlich ist es der Feiertag, der sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr verändert hat als alle anderen Festtage. Denn früher waren viele Menschen mit der Landwirtschaft beschäftigt. Sie waren Bauer oder Bäuerin. Oder sie haben wenigstens bei der Ernte geholfen. Das ist heutzutage nicht mehr so.

Außerdem hat sich auch – ich sag` mal – das Handwerk der Landwirtschaft gewandelt. Mittlerweile gibt es ganz andere Geräte und Maschinen als früher. Überhaupt gibt es heutzutage ganz andere Möglichkeiten, um Einfluss auf Pflanzen und Tiere zu nehmen. Ich denke da zum Beispiel an die Entwicklung des Mineraldüngers im 19. Jahrhundert oder an die Erfindung der Melkmaschine. Selbstverständlich hatten die Landwirte vergangener Zeiten auch ganz viel Know How. Aber sie waren noch viel mehr vom Lauf der Natur abhängig.

Doch selbst wenn heute mehr Einfluss ausgeübt wird, es bleibt trotzdem etwas, das sich eben nicht beeinflussen lässt. Wenn die Sonne nicht scheint, dann kann man sie immer noch nicht übers Feld schieben.

Es gibt einen unverfügbaren Rest. Und um diesen Rest, um das, was ich nicht beeinflussen kann, darum geht es am Erntedankfest. Denn dieses Unverfügbare wird im Dank an Gott ausgedrückt. „Danke, dass die Sonne die Früchte süß gemacht hat. Danke, Gott, dass du keinen Hagel geschickt hast, der die Ernte zerstört.“ Sicher glaubt niemand mehr, dass Gott ganz direkt die Sonne scheinen lässt, oder die Regenwolken übers Land pustet. Dazu wissen wir heute viel zu viel. Trotzdem muss ich akzeptieren, dass es Grenzen gibt. Nicht alles kann der Mensch machen. Und er weiß auch nicht alles. Es bleibt eben etwas Unverfügbares.

Und an dieser Stelle kann ich mich einreihen, auch wenn ich kein Landwirt bin. Denn auch in meiner Arbeit und in meinem Leben gibt es diesen Rest, der unverfügbar ist. Das Erntedankfest erinnert mich daran. Und es macht mich demütig und dankbar, weil trotz Rest und Unverfügbarkeit doch so viel klappt und funktioniert.

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Guten Morgen, am Tag der deutschen Einheit. Aber wie ist es denn um unsere Einheit bestellt? Die Schere zwischen arm und reich scheint immer größer zu werden. Zwischen Ost und West gibt es noch immer ein Gefälle. Unterschiedliche politische Ansichten werden zu unüberwindlichen Gräben. Haben wir einen Grund zu feiern an diesem Feiertag?

Ja, in jedem Fall. Für mich ist es ein Grund zum Feiern, dass die Mauer gefallen ist. Es darf nicht sein, dass Mauern hochgezogen werden, um Menschen zu trennen, oder politische Systeme und deren Ideologien abzuschirmen. Es ist ein Grund zu feiern, dass Menschen sich dagegen gewehrt haben, dass sie bespitzelt, belogen und hinter einem eisernen Vorhang eingesperrt wurden. Es ist bewundernswert, dass ihr Protest friedlich war und sie auf Gewalt verzichtet haben.

Der Tag der deutschen Einheit ist aber mehr, als ein Blick zurück. Ich fühle mich angespornt, mich für mehr Einheit in unserem Land und darüber hinaus einzusetzen. Das kann zum Beispiel gelingen, wenn ich mir keine Angst machen lasse vor Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Ich fürchte mich nicht vor anderen Kulturen und Religionen. Ich mag Vielfalt und ich bin der Meinung, dass sie unserem Land gut tut.

Natürlich stehen wir vor der Herausforderung, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenzuführen, unsere Demokratie zu pflegen und zu stärken, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Menschen brauchen gerechte Chancen auf Bildung und am Arbeitsmarkt. Aber wir können das meistern, wenn wir gemeinsam anpacken. Und den Glauben daran will ich nicht aufgeben. Zu vertrauen und zu hoffen, das legt mir mein Glaube an Herz.

Albert Schweitzer hat einmal gesagt: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Das ist eine Einsicht, die Einheit stiften kann. Der Tag der Einheit sollte ein Tag sein, an dem wir das Miteinander suchen und feiern.

Die Mauer ist gefallen. Die Einheit zu leben und immer weiter auszubauen, bleibt unsere Aufgabe. Lassen Sie uns also feiern, damit wir morgen mit frischem Elan aufeinander zugehen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=43014
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Um die Botschaft Jesu nicht zu fordernd oder aufdringlich erscheinen zu lassen, sprechen Kirchenleute manchmal davon, Gott mache hier ein Angebot. Gottes Liebe und Gemeinschaft, seine Vergebung und Erlösung als unaufdringliches Angebot, das niemanden erschrecken oder unter Zugzwang setzen will? Vor mir steigt das Bild eines Kaufmanns auf, der auf seiner Theke seine Waren ausbreitet und sie den Käufern anbietet. Natürlich möchte er verkaufen, aber er hält sich zurück, um niemanden abzuschrecken.

Ich halte die Rede vom Angebot Gottes mindestens für unvollständig, wenn nicht gar für problematisch. Ich erkenne in der Bibel weniger einen Gott, der Angebote macht, als vielmehr einen Gott, der Einladungen ausspricht. Einladungen, Christus zu folgen, Einladung zu einem neuen Leben aus dem Glauben und nicht zuletzt Einladungen zum großen, endgültigen Gastmahl im Reich Gottes. Zwischen Angebot und Einladung besteht ein wesentlicher Unterschied: Das Angebot bezieht sich – um im Bild zu bleiben – auf die Waren auf der Theke; wer der Verkäufer ist, ist eigentlich egal. Hinter der Einladung aber steht immer eine engagierte Person. Ein Angebot nicht wahrzunehmen, ist für den Verkäufer bedauerlich, aber nicht kränkend. Es gibt ja noch so viele andere Käufer. Eine Einladung zurückzuweisen ist viel schwerer. Ich weise damit den Einladenden selbst zurück, der mich persönlich meint und mir etwas Gutes tun will. Deshalb nehmen wir manchmal Einladungen an, auch wenn sie uns gar nicht passen, weil sie von einem Freund oder einer Freundin kommen.

Auch Gottes Einladungen haben diese Dringlichkeit. Aus der Sicht gläubiger Menschen schickt er sogar seinen Sohn Jesus Christus, um Gottes Einladung in aller Deutlichkeit zu überbringen.

Diese engagierte Einladung Gottes, hinter der er mit seiner ganzen Person steht, diese Einladung sollte nicht allzu flott zum freibleibenden Angebot degradiert werden. Denn sonst könnte es sein, dass wir was verpassen.

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28SEP2025
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„Hallo, Christoph!“ So werde ich immer öfter im Internet und in Mails angeredet. Oft von Absendern, mit denen ich nichts zu tun habe. Das empfinde ich als unangemessen, als übergriffige Anmache. Ich mag auch nicht, dass ich von anderen einfach so geduzt werde.

Vielleicht bin ich da zu altmodisch. Ich weiß, dass es im Englischen kein „Sie“ oder „Du“ gibt. Aber ich schätze die Möglichkeit der deutschen Sprache, dass wir da genauer sein können, dass wir differenzieren können. Und das bedeutet: Wir können mit der Anrede etwas ausdrücken über die Art der Beziehung zum anderen. Und über die Haltung, mit der ich ihm oder ihr gegenüberstehe.

Deshalb: Warum nicht „Sie“ und „Sehr geehrte Frau Sowieso“, wenn es um etwas Offizielles-Dienstliches-Amtliches geht oder um jemanden, der mir nicht gerade nahesteht? Die Anrede „Sehr geehrter Herr Sowieso“ spiegelt die Distanz zwischen uns wider; zugleich ist sie höflich, sie drückt einen gewissen Respekt aus und würdigt den Angesprochenen.

Dagegen empfinde ich die Anrede mit Ausdrücken wie „Hallo, …“ als zwar gut gemeinten, lockeren Gruß, der aber unverbindlich und inhaltsleer ist. Und wenn ich dann noch mit Vornamen und Du angesprochen werde, obwohl ich mit dem Schreiber nichts Persönliches zu tun habe, dann befremdet mich das. Weil das „Du“ eine Nähe, eine persönliche Beziehung vorgaukelt, ein wirkliches Interesse an mir, das es gar nicht gibt.

Umgekehrt freue ich mich über jedes „Du“ und jede Anrede mit „Lieber Christoph, …“, wenn da etwas dahinter ist. Diese Anrede ist für mich stimmig, wenn uns eine gewisse Beziehung verbindet, eine persönliche Nähe, dass der er andere wirklich an mir als Person interessiert ist.

Schon immer auf Du und Du bin ich mit Gott. Und das ist mehr als stimmig. Bei ihm kann ich sicher sein, dass er mir so nahe ist und es so gut mit mir meint, wie es nur denkbar ist. Sein „Du“ mir gegenüber drückt aus, dass er mich kennt und 100% Ja sagt zu mir, so wie ich bin. Es ist wunderbar, wenn ein „Du“ unter Menschen ähnlich viel ausdrückt.

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