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SWR2 Wort zum Tag

22NOV2022
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Von der Lyrikerin Mascha Kaleko stammt folgendes Gedicht:

Herr, du gabst uns die Welt, wie sie ist.

Gib uns doch bitte dazu

Das seinerzeit leider

Nicht mitgelieferte

Weltgewissen!

 

Gerade ist die Weltklimakonferenz zu Ende gegangen – wo es viele Appelle an das Weltgewissen gegeben hat – also an die globale Verantwortung von Regierungen alles dafür zu tun, dass eine Klimakatastrophe noch abgewendet werden kann. Das Wissen um die Zusammenhänge ist da. Aber zum Handeln braucht es einen starken Impuls. Es braucht ein Ge-wissen, das die eigenen Interessen und Vorteile dem unterordnet, was für alle notwendig wäre. We first statt me first. Und diese Haltung fällt bekanntlich sehr schwer. Das gilt für jeden Einzelnen und es gilt noch viel mehr für Regierungen und mächtige Interessensverbände.

Bleibt also nur die Angst, selbst von den Folgen der Erderwärmung betroffen zu sein, die zum Handeln drängt?  Oder gibt es auch andere Gründe, die dazu motivieren können, die eigene Lebensweise drastisch zu ändern, und etwa grenzenlose Mobilität, Konsum und die eigene Bequemlichkeit einzuschränken?  

Herr, du gabst uns die Welt, wie sie ist – schreibt Maleko im Gedicht

Die Welt, das wunderbare Haus des Lebens, ist ein Geschenk Gottes an alle Menschen. Diese spirituelle Sicht ist in allen Religionen verwurzelt. Wir dürfen in diesem Haus des Lebens wohnen – aber es gehört uns letztlich nicht. Eine spirituelle Sicht auf die Welt fördert unser Mitgefühl und unsere Verantwortung für die Mitmenschen und die Welt, die uns umgibt. Wir begreifen, dass wir Teil von einem großen Ganzen sind, eingebunden in das Netzwerk des Lebens. Und unser Lebensglück können wir nicht als egoistische Individuen finden, denn wahres Lebensglück ist ein Wir-Gefühl.

Viele, die sich für die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen einsetzen – sei es im persönlichen Leben oder auf politischer Ebene handeln aus solch einer spirituellen Motivation. Das verbindet – über viele Grenzen hinweg.  Und es motiviert, nicht aufzugeben, auch wenn vieles zum Verzweifeln ist. Das Lebenshaus für alle zu erhalten, ist zur drängenden Menschheitsaufgabe geworden. Ich möchte die Hoffnung nicht aufgeben, dass immer mehr Menschen ihr spirituelles Weltgewissen entdecken und so eine Dynamik der Veränderung entsteht.

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SWR2 Wort zum Tag

21NOV2022
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Ich finde es schön, ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn zu haben. Dass wir uns grüßen und aneinander Interesse zeigen. Dass jeder gerne behilflich ist  – etwa einzukaufen, wenn ein Nachbar krank ist, oder die Blumen zu gießen, wenn die Nachbarin nicht da ist. Für mich trägt das viel dazu bei, dass ich mich an einem Ort zu Hause fühle. Daher bin ich gerne bereit, mit meinem Verhalten dazu beizutragen, dass gute Nachbarschaft gelingt. Auch wenn es sich nicht immer erzwingen lässt. „Es kann der Beste nicht im Frieden leben, wenn es dem Bösen Nachbarn nicht gefällt“ – so heißt es in einem Sprichwort. Ich habe jedenfalls meistens erlebt, dass freundliches Verhalten erwidert wird.

Das Wort „Nachbar“ bedeutet eigentlich nahe geboren. So war das früher meistens  – man hat sein ganzes Leben Seite an Seite verbracht und miteinander geteilt. Die freudigen Ereignisse und die Nöte. Davon zeugt auch das Gleichnis von der verlorenen Drachme, das im Lukasevangelium steht. Jesus erzählt seinen Zuhörern folgende kleine Geschichte: Eine Frau verliert eine ihrer 10 Drachmen - vielleicht ist es ihr Hochzeitsschmuck – und sie sucht unermüdlich in ihrem ganzen Haus danach. Schließlich findet sie die Drachme in einem verborgenen Winkel wieder. Da ruft sie Nachbarinnen und Freundinnen zusammen, um mit ihnen ihre Freude zu teilen.

Die kleine nachbarschaftliche Welt wird für Jesus zu einem Gleichnis für das Reich Gottes. Gottes Gegenwart ist zu spüren, wenn wir uns gegenseitig am Leben teilhaben lassen. Wenn wir bereit sind, unsere Haus- und unsere Herzenstüre für die Menschen um uns herum zu öffnen: für die Nachbarn, Freunde und Kollegen.

Gute Nachbarschaft zu pflegen ist für mich daher eine genuin christliche Aufgabe. Und auch ein guter Ort für gegenseitigen Respekt und Toleranz, weil ja verschiedene Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen aufeinander treffen. Dabei geht es immer darum, im anderen das zu suchen, was ihn wertvoll macht - auch dann, wenn es vielleicht verlorenen gegangen ist wie die Drachme. Denn auch Gott sucht nach uns, weil er will, dass niemand verloren geht und dass alle zusammenfinden.

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SWR2 Lied zum Sonntag

20NOV2022
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Im November erinnern die Kirchen in besonderer Weise an die Verstorbenen mit bestimmten Gedenktagen, wie Allerheiligen oder dem Totensonntag. Das ist ein guter Brauch, gerade in unserer schnelllebigen Zeit. Aber er kann auch schmerzen, weil einem der Verlust von lieben Menschen besonders bewusst wird. Was kann da trösten und Hoffnung geben?

 

Musik 1. Strophe

Bleibe bei uns, du Wandrer durch die Zeit!
Schon sinkt die Welt in Nacht und Dunkelheit.
Geh nicht vorüber, kehre bei uns ein.
Sei unser Gast und teile Brot und Wein.

 

Das Lied greift eine Episode aus dem Lukasevangelium auf. Zwei Jünger von Jesus sind auf dem Weg – nur fort von Jerusalem. Denn dort ist Jesus gekreuzigt worden. Sie reden miteinander, versuchen zu begreifen, was da geschehen ist. Da kommt ein Fremder dazu und mischt sich in ihr Gespräch ein. Auf einmal spüren sie, dass es in ihren Herzen heller wird. Sie sagen zu ihm: Bleibe bei uns und laden ihn ein, mit ihnen zu essen. Er bleibt und bricht das Brot mit ihnen – und auf einmal gehen ihnen die Augen auf. Sie erkennen: Es ist Jesus. Er ist bei ihnen. In neuer Weise lebendig.

Lukas erzählt von dieser wundersamen Begegnung, weil in ihr etwas aufleuchtet, was die ersten Christen später immer wieder erfahren haben: Dass Jesus bei ihnen war, gegenwärtig, nicht real zu fassen und doch innerlich zu spüren, besonders beim „Brotbrechen“ – also dann, wenn sie zur Erinnerung an seinen Tod und seine Auferstehung miteinander das Abendmahl gefeiert haben.

„Bleibe bei uns du Wandrer durch die Zeit“ – so heißt es in dem Lied. Ich finde das ein schönes Bild. Es drückt die Hoffnung aus, dass Jesus auch heute noch Menschen nahekommt und sie mitten ins Herz trifft. Das hat der Autor des Liedes, Peter Gerloff, selbst intensiv erfahren. Deswegen ist er Priester geworden, um auch anderen diese Erfahrung zu ermöglichen. Wenn er in der Eucharistiefeier die Worte und Gesten von Jesus wiederholt, dann ist Jesus selbst in der Mitte seiner Gemeinde gegenwärtig. So glauben es die Christen.  

 

Musik 2. Strophe

Brennt nicht in uns ein Feuer, wenn du sprichst?
Zeige dich, wenn du nun das Brot uns brichst.

 

Die Melodie dieses Liedes hat etwas Tröstliches. Ursprünglich gehört sie zu dem anglikanischen Abendlied „Abide with me“ – Bleibe bei mir, das häufig auf Beerdigungen gesungen wird. Ich finde es schön, dass in diesem Lied verschiedene religiöse Traditionen zusammenfließen.

Was ist am Ende des Lebens? Gibt es eine Hoffnung, die bleibt?

Die letzte Strophe lautet:

Weihe uns ganz in dein Geheimnis ein.
Lass uns dich sehn im letzten Abendschein.
Herr, deine Herrlichkeit erkennen wir:
Lebend und sterbend bleiben wir in dir. 

Jesus ist ein Wanderer durch die Zeiten, er begleitet uns auch über die Schwelle des Todes. Er verbindet die Lebenden und die Toten. Ich finde diesen Glauben sehr tröstlich, auch wenn er für mich ein Geheimnis bleibt.

 

Musik 3. Strophe

 

 

Musikquelle: M0687557-012, 2'14

Bleibe bei uns, du Wandrer durch die Zeit.

Kirchenlied für gemischten Chor a cappella

Lied zum Sonntag. Produktion vom 20. und 21.05.2022

Monk, William Henry; Gerloff, Peter

CoroPiccolo Karlsruhe; Raiser, Christian-Markus

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SWR2 Wort zum Tag

06AUG2022
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Einen Rucksack dabei zu haben, finde ich sehr praktisch – etwa bei einer Wanderung. Alles, was ich unterwegs brauche, kann ich dort problemlos unterbringen.

Einen Rucksack trage ich auch im übertragenen Sinn: Meinen Lebensrucksack, der mit all dem gefüllt ist, was mich geprägt hat: Etwa bestimmte Sätze, die ich von klein auf immer wieder gehört habe. Gerade in herausfordernden Situationen kann ich darauf zurückgreifen - gewissermaßen als seelische Wegzehrung. Dann erinnere ich mich zum Beispiel an die aufmunternde Stimme meines Vaters, der gerne sagte: „Wird schon gut gehen“.

Im Lebensrucksack sind jedoch auch Erfahrungen, die belasten. Wenn mir z.B. immer wieder gesagt wurde: „Nimm dich nicht so wichtig“, und stattdessen die Bedürfnisse der anderen immer mehr zählten. Dann kann es mir später schwerfallen, für meine Bedürfnisse zu sorgen, ja überhaupt ein Gefühl dafür zu entwickeln, was ich selber will.

Es ist gar nicht so einfach, solch belastendes Gepäck loszuwerden. Mir hilft, wenn ich mir unzensiert einmal alles von der Seele reden kann. Und jemand  dabei geduldig zuhört und einfühlsam Fragen stellt. Dann lerne ich allmählich, mich selbst besser zu verstehen. Warum verhalte ich mich so, obwohl ich es doch anders will?  Dieser Erkenntnisprozess kann weh tun – oder auch wütend machen. Warum wurde ich immer in ein bestimmtes Schema gepresst - etwa von meinen Eltern? Kann ich diese Prägung jemals überwinden?

Dann ist es wichtig, dass mir jemand zutraut, dass ich auch andere Seiten und Möglichkeiten in mir habe. Dass sie oder er mich ermutigt, erste, noch unsichere Schritte zu wagen. Mich vielleicht auf Situationen hinweist, wo es schon einmal gelungen ist. So kann der Lebensrucksack allmählich leichter werden.

Manchmal kommen solche guten Gespräche zu Stande, wenn ich mit jemand zusammen unterwegs bin – etwa beim Wandern. Beim Gehen kommen auch innere Prozesse in Gang. Es fällt mir dann leichter, in Ruhe zu reden und zuzuhören. Wenn es zu anstrengend wird, können wir ja eine Pause machen – und schauen, was sich in unseren Rucksäcken an Stärkendem finden lässt. Im wörtlichen und im übertragenen Sinn.

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SWR2 Wort zum Tag

05AUG2022
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Beim Wandern möchte ich nicht mehr auf sie verzichten: auf meine Wanderstöcke. Beim Aufstieg unterstützen sie durch die zusätzliche Armkraft und beim Abstieg helfen sie, die Gelenke zu schonen. Heute sind sie meist aus Leichtmetall gefertigt, früher waren sie dagegen aus stabilem Holz.

So ein Stock oder Stab ist bis heute für Hirten ein unverzichtbares Hilfsmittel. Er hilft ihnen beim Gehen in unwegsamem Gelände, sie können sich auf ihn stützen und mit ihm die Tiere in die richtige Richtung lenken. Notfalls hilft er ihnen sogar, wilde Tiere zu vertreiben. Der Hirtenstab steht also für Unterstützung, für Schutz und Ordnung. Das ist auch in der Bibel ein häufig vorkommendes Bild. So heißt es etwa im bekannten Psalm 23:

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab geben mir Zuversicht.

Der Psalm wird dem berühmten König David zugeschrieben. Als Junge hat er die Schafe seines Vaters gehütet, da war er oft allein und auf sich gestellt – und vielleicht hat er gerade deswegen so intensiv erfahren: auch ich bin beschützt. Von Gott. Er sorgt für mich, so wie ich für die Schafe sorge. Er ist für mich wie mein Hirtenstab, der mir Schutz und Halt gibt.

So kann David auch in schwierigen Situationen mutig sein. Nicht einmal von dem mächtigen Goliath in seiner eisernen Rüstung lässt er sich einschüchtern. Der verspottet ihn, als er ihm im Kampf gegenübersteht: Was will dieser Hirtenjunge, der nicht einmal eine Ausrüstung hat? Aber David besiegt ihn – mit seiner Steinschleuder. Er trifft ihn am Kopf, und Goliath stürzt zu Boden.  Alle sind begeistert und jubeln ihm zu. Doch für David ist klar, dass er diesen Sieg Gott zu verdanken hat. Er konnte so mutig und entschlossen handeln, weil Gott an seiner Seite ist. Er ist sein „Stecken und Stab“, der ihm Halt und Kraft gibt.

Kann ich das auch sagen? Dass Gott mein „Stecken und Stab“ ist. Dass er mir Halt und Zuversicht gibt auch dann, wenn alles ausweglos erscheint? Oder ist das eine fromme Illusion, weil ich letztlich doch aus eigener Kraft mein Leben bewältigen muss?  Für mich hängt beides zusammen. Die eigene Lebenskraft und das Gottvertrauen. Wie beim Wandern, wo die Wanderstöcke mich unterstützen. Da kommt mir dann öfters dieser Vers in den Sinn: Dein Stecken und Stab geben mir Zuversicht.

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SWR2 Wort zum Tag

04AUG2022
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Den Alltag hinter mir lassen um für das aufmerksam zu werden, was wirklich wichtig ist. Dazu können Exerzitien helfen.  Exerzitien - wörtlich übersetzt „Übungen“ – sind eine geistliche Auszeit, in der ich nach Gottes Spuren in meinem eigenen Leben suche. Ich hab diese Spuren bei Wanderexerzitien gesucht. Denn beim Wandern nehme ich alles intensiver wahr und in der Natur entdecke ich vieles, was mir hilft, mein Leben zu deuten und zu verstehen. Noch dazu, wenn ich dabei schweige. Die Natur hat eine Botschaft für mich – Gott spricht durch sie, denn er ist ihr Schöpfer.

Bei den Wander-Exerzitien sind wir an einem Tag in einem Tal flussaufwärts gegangen. Ein Fluss ist ein starkes Bild für den Lebensfluss und das eigene Leben. Wo komme ich her, wohin gehe ich? Was sind meine Ursprünge? Aus welchen Quellen speist sich mein Leben? Es war für mich intensiver, darüber nicht nur nachzudenken, sondern im Gehen das Plätschern des Baches zu hören, das Wasser zu sehen, das mal sprudelnd und mal gemächlich dahinfließt …

Beim Gehen sind mir viele Erinnerungen hochgekommen, an Erlebnisse, die mich geprägt haben und an Menschen, die wichtig für mich sind. Mir ist dabei bewusst geworden, wie viel Gutes ich schon erfahren habe. Das Leben ist – vor allem eigenen Machen und Wollen - erst einmal ein Geschenk. Ich habe mich ja nicht selbst gemacht, mir meine Eltern und Lebensumstände nicht ausgesucht.    

Beim Gehen habe ich auch intensiver als sonst gespürt: Ich bin ein Geschöpf, ein Teil dieser Schöpfung. Alles, was ist und was ich erlebe, hat seinen letzten Ursprung in Gott. Das Gute und auch das, was schwierig ist und mich herausfordert. Das gibt mir den Mut, auch schwierige Wegstrecken zu gehen. Seien es meine persönlichen oder diejenigen Herausforderungen, die wir als Gesellschaft vor uns haben z.B. durch die Klimakrise.

Noch etwas war für mich eindrücklich in diesen Tagen. Ich musste mir nicht überlegen: Welchen Weg gehe ich heute? Ich durfte mich einfach der Führung überlassen und erleben, dass gut für uns gesorgt wurde. Das habe ich als sehr entlastend empfunden, und es hilft mir, darauf zu vertrauen, dass mein Leben bei allem eigenen Entscheiden und Verantworten auch geführt wird – von Gott.

So wie es im Psalm 23 heißt: Du führst mich zum Wasser des Lebens.

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SWR2 Lied zum Sonntag

03JUL2022
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Musik 1: 1. Strophe

Gott, der nach seinem Bilde aus Staub den Menschen macht,
hat euch seit je zur Freude einander zugedacht.
Er fügt euch nun zusammen, lässt Mann und Frau euch sein,
einander Wort und Treue, einander Brot und Wein.

Das Lied heute Morgen hat die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau zum Thema. Das ist schon etwas Besonderes für ein Kirchenlied. Der Text stammt von dem holländischen Dichterpfarrer Huub Osterhuis, dem wir viele moderne Kirchenlieder verdanken. Ein Lied wie gemacht für einen Traugottesdienst.

„Gott fügt euch jetzt zusammen“, so heißt es in dem Lied. Wenn ein Paar heiratet und sich gegenseitig die Treue verspricht, dann ist Gott mit von der Partie. So sieht das jedenfalls die Bibel.  Denn Gott hat uns Menschen als Beziehungswesen füreinander geschaffen. Darin sind wir Menschen Gott ähnlich, wir sind Abbild seines Wesens. Gott ist Liebe. Er ist in sich Beziehung und vereinigt in sich Männliches und Weibliches. Wenn zwei sich zueinander hingezogen fühlen und sich lustvoll begehren, wenn sie spüren: wir gehören zusammen und wollen unser Leben miteinander teilen – dann ist darin Gott zu entdecken.

Im Lied heißt es weiter: Ihr werdet „einander Wort und Treue, einander Brot und Wein.“  Osterhuis umschreibt damit die sakramentale Dimension der Ehe, die nach katholischem Verständnis ein Zeichen für Gottes Liebe zu den Menschen ist. Im Jawort , das das Paar sich ohne jede Einschränkung gibt, schwingt auch das Ja mit, das Gott zu jedem Menschen sagt.

Es berührt mich immer, wenn ich bei einer Trauung diesen feierlichen Moment des Jaworts erlebe, der mich an meine eigene Hochzeit erinnert – und an die vielen kleinen und großen Momente, wo sich dieses Wort mit Leben erfüllt hat. Liebe kann satt machen und den tiefen Hunger danach stillen, gewollt zu sein.

Musik 2: 2.Strophe

Und wie der Mensch die Antwort von Anfang an entbehrt,
solange er nicht Liebe des anderen erfährt,
so sollt auch ihr von nun an in nichts mehr ganz allein,
vereint an Leib und Herzen, einander Antwort sein.

Der Mensch ist sich selbst nicht genug. Er braucht ein Gegenüber. Es ist ein tiefes Glück, wenn wir „vereint an Leib und Herzen“ sind, wenn wir einen anderen Menschen gefunden haben, der uns entspricht. Wo ich spüren kann: Du verstehst mich. Dir kann ich mich zeigen, so wie ich bin. Solche Erfahrungen von Nähe und Intimität sind ein Geschenk, aber sie sind auch in einer Ehe nicht selbstverständlich. Es braucht immer wieder das Bemühen umeinander. Die Bereitschaft, sich ehrlich mitzuteilen und einander zuzuhören, einander Wort und Antwort sein – wie es in dem Lied heißt. Liebe verkümmert, wenn wir nicht miteinander im Dialog sind.

Ehe ist ein Weg, und Paare können die Herausforderungen dieses Weges eher meistern, wenn sie nicht allein unterwegs sind. Andere Menschen können wichtige Wegbegleiter sein. Und Gott, der die Menschen füreinander geschaffen hat, sagt ihnen zu, dass er bei ihnen ist und mit ihnen geht.

Musik 3: 3. Strophe

Und wie zu zwei und zweien der Mensch den Weg durchmisst,
wenn er zum Ende wandert und Gott ihm nahe ist,
so wird er bei euch bleiben im Leben und im Tod;
denn groß ist das Geheimnis, und er ist Wein und Brot.

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Musikquelle:

Gott der nach seinem Bilde GL 499
Text: Huub Osterhuis, Übersetzung :Nikolaus Greitemann und Peter Pawlowsky, Melodie: Melchior Teschner
Chor: (ehemalige) Studierende der Hochschule für Kirchenmusik Regensburg https://www.trau-dich-kirchlich.de/die-trauung/musik-fuer-die-trauung/chor

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SWR2 Wort zum Tag

08JUN2022
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„Jeder hat sein Päckchen zu tragen“ – das ist so eine Redensart. Aber ich finde, diese Redensart wird dem, was manche Menschen an Last zu tragen haben, kaum gerecht. Schicksalsschläge wie schwere Krankheiten, Verlust von nahen Menschen, Arbeitslosigkeit –  sind eben nicht nur ein „Päckchen“, sondern eine schwere Lebenslast, und sie können den, der sie tragen muss, auch überfordern.

Besser gefällt mir daher die Lebensregel, die der Apostel Paulus seinen Gemeinden ans Herz gelegt hat: „Einer trage des anderen Last.“(Gal 6,2)

Christen sollen sich gegenseitig unterstützen und einander helfen, ihre Lebenslast zu tragen. Manchmal frage ich mich: Geht das überhaupt? Eine Krankheit kann mir doch niemand abnehmen und der Verlust des Partners bleibt. Aber gerade in schweren Zeiten spüre ich auch, wie wertvoll und wichtig es ist, wenn andere Anteil nehmen, zuhören und mich aufrichten, und mit dem helfen, was ihnen möglich ist. Es ist ein großer Unterschied, ob ich mich in einer schwierigen Situation allein fühle oder andere an meiner Seite weiß.

Dazu gehört allerdings, die eigene Not nicht zu verstecken und um Hilfe zu bitten. Und das fällt nicht leicht, wenn ich mein Leben möglichst aus eigener Kraft meistern will. Paulus erinnert daran, dass niemand alles alleine tragen kann. Und zugleich hat jeder etwas, das gerade er oder sie beitragen kann. So können sich Menschen gegenseitig aufrichten und manchmal über sich selbst herauswachsen.

Zusammenleben ist nicht immer leicht, und manchmal werden wir auch einander zu Last, vor allem dann, wenn wir wenig kompromissbereit sind und davon ausgehen, dass immer der andere sich anpassen muss. Oder wenn wir mit uns selbst nicht im Reinen sind. Einer trage des andern Last ist dann ganz schön herausfordernd. Aber es liegt auch die Chance darin, aneinander und miteinander zu wachsen.

Paulus hatte die Vision, dass Christen so miteinander leben – als Familie und Freunde, als Gemeinschaften und Gemeinden, als Kirche. Das ist für mich auch heute noch aktuell.

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SWR2 Wort zum Tag

07JUN2022
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Leben Teilen – so hieß das Motto des Katholikentages, der vor kurzem in Stuttgart stattgefunden hat. Für die vielen Gäste wurden auch Privatquartiere gesucht, und so haben Menschen, die in Stuttgart leben, fremde Gäste aufgenommen. Ich auch. Gastfreundschaft gehört für mich zum Christentum dazu.

Jesus hatte keine feste Bleibe und ist daher oft bei seinen Anhängern zu Gast gewesen. Zum Beispiel bei Martha und Maria, zwei Schwestern, die in Bethanien gelebt haben. Der Evangelist Lukas schildert anschaulich, wie sich Martha um ihn bemüht. Sie tut und macht, dass er sich wohlfühlt. Und Maria nimmt sich Zeit für ihn und hört ihm zu.

Martha und Maria zeigen, was Christsein ausmacht: offen sein für die Menschen – besonders dann, wenn sie in Not sind, Anteil nehmen an ihrem Leben und zuhören. Das Bedürfnis und den Hunger des andern spüren – ob er nun einen Teller Suppe braucht, eine Tasse Kaffee oder die Erfahrung, freundlich angesprochen und wahrgenommen zu werden. Wenn Menschen das erleben: den andern etwas wert sein, eingeladen sein und dazu zu gehören, dann spüren sie etwas vom christlichen Geist.

Maria und Martha leben zusammen mit ihrem Bruder Lazarus. Als Lazarus schwer krank wird, schicken die Schwestern in größter Not nach Jesus. Doch bis Jesus endlich kommt, ist Lazarus schon gestorben und man hat ihn beerdigt.

So wie Maria und Martha das verkörpern, was Kirche sein sollte und immer wieder auch ist, so gehört auch ihr Bruder Lazarus, der tot im Grab liegt, zur Erfahrung von Kirche. Viele erleben die Kirche zur Zeit wie tot, eingemauert in einem Grab aus starrer Tradition, und so sehr eingewickelt in die Leichenbinden ihrer Machtstrukturen, dass sie gar nicht mehr fähig ist, Anteil zu nehmen und mit den Menschen das Leben zu teilen.

Am Grab von Lazarus ereignet sich dann etwas, das alle ins Staunen versetzt: Jesus ruft den toten Lazarus aus seinem Grab ins Leben zurück. Noch ganz eingewickelt in Leichenbinden kommt Lazarus aus seinem Grab heraus.

Das ist für mich ein starkes Bild. Jesus überwindet die Todesmacht und öffnet neue Lebensperspektiven. Martha hat ihren toten Bruder nicht aufgegeben und auf Jesus vertraut. Ich hoffe, dass es auch heute noch Menschen gibt, die ihre Kirche nicht aufgeben. Und ich hoffe besonders, dass die Kirche selbst diesen Ruf Jesu hört: Komm heraus! Nimm Teil am Leben und werde zu einem Ort, wo Menschen sich willkommen fühlen.

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SWR2 Wort zum Tag

19MRZ2022
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Was wäre mein Traumberuf? Diese Frage stellen sich Jugendliche und junge Erwachsene, wenn sie vor der Entscheidung stehen, welche Ausbildung sie beginnen wollen.

Da spielen Interessen und Begabungen eine wichtige Rolle, und welchen Platz man einmal in der Gesellschaft einnehmen möchte. Und schließlich geht es auch um die Frage, was man in seinem Leben verwirklichen will, welchen Sinn das berufliche Tun haben soll.

Bei jungen Männern stehen derzeit Berufe wie Manager oder Ingenieur, Sportler oder KFZ-Mechaniker hoch im Kurs. Wenn einer katholischer Priester werden will, dann steht er damit ziemlich allein. Und das ist nicht verwunderlich. Denn dieser Beruf erfordert einen hohen persönlichen Einsatz für eine Institution, deren Ansehen zur Zeit massiv beschädigt ist. Ein Traumberuf sieht anders aus.

Trotzdem gibt es junge Männer, die sich auf diesen Beruf vorbereiten. In meiner Nachbargemeinde macht einer von ihnen gerade ein dreimonatiges Praktikum im Rahmen seines Theologiestudiums. Ein sympathischer junger Mann, der zuvor schon ein anderes Studium erfolgreich abgeschlossen hat. Er hatte gerade seine erste Stelle angetreten - und dann kam es wie ein Blitzschlag. Er selbst sagt: Auf einmal wusste ich, dass ich Priester werden will.“ Natürlich hat dabei eine Rolle gespielt, dass seine Familie christlich geprägt ist.

Aber heutzutage Priester werden? Trotz der Missbrauchsskandale. Freiwillig auf eine intime Beziehung und Familie verzichten? Und das mit der Aussicht auf immer größere Mega-Gemeinden, in denen sich zugleich immer weniger Menschen für die Kirche und ihre Botschaft interessieren. Das finde ich mutig. Zumal der junge Mann durchaus eine kritische Sicht auf die Kirche hat. Er sagt ganz offen, dass er hofft, dass sich die Kirche verändert, ja sogar, dass dieses beschämende und verletzende System in sich zusammenbricht. Damit dann der eigentliche Kern wieder klarer zum Vorschein kommt: Jesus, der die Menschen zu einem Leben in Fülle einlädt. Denn durch ihn erfahren wir, wie sehr Gott uns liebt. Für diesen Jesus und seine Botschaft will er sich mit seinem ganzen Leben einsetzen.

Ist das blauäugig? Verrückt? Oder mutig und visionär?
Ich merke jedenfalls, dass sein Weg mich hoffen lässt, dass die Kirche sich verändern kann. Und ich wünsche ihm, dass sein innerer Ruf ihn dahin führt, wo er selbst Gott erfülltes Leben findet und andere dahin begleiten kann.

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