SWR2 Wort zum Tag

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07JUN2022
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Leben Teilen – so hieß das Motto des Katholikentages, der vor kurzem in Stuttgart stattgefunden hat. Für die vielen Gäste wurden auch Privatquartiere gesucht, und so haben Menschen, die in Stuttgart leben, fremde Gäste aufgenommen. Ich auch. Gastfreundschaft gehört für mich zum Christentum dazu.

Jesus hatte keine feste Bleibe und ist daher oft bei seinen Anhängern zu Gast gewesen. Zum Beispiel bei Martha und Maria, zwei Schwestern, die in Bethanien gelebt haben. Der Evangelist Lukas schildert anschaulich, wie sich Martha um ihn bemüht. Sie tut und macht, dass er sich wohlfühlt. Und Maria nimmt sich Zeit für ihn und hört ihm zu.

Martha und Maria zeigen, was Christsein ausmacht: offen sein für die Menschen – besonders dann, wenn sie in Not sind, Anteil nehmen an ihrem Leben und zuhören. Das Bedürfnis und den Hunger des andern spüren – ob er nun einen Teller Suppe braucht, eine Tasse Kaffee oder die Erfahrung, freundlich angesprochen und wahrgenommen zu werden. Wenn Menschen das erleben: den andern etwas wert sein, eingeladen sein und dazu zu gehören, dann spüren sie etwas vom christlichen Geist.

Maria und Martha leben zusammen mit ihrem Bruder Lazarus. Als Lazarus schwer krank wird, schicken die Schwestern in größter Not nach Jesus. Doch bis Jesus endlich kommt, ist Lazarus schon gestorben und man hat ihn beerdigt.

So wie Maria und Martha das verkörpern, was Kirche sein sollte und immer wieder auch ist, so gehört auch ihr Bruder Lazarus, der tot im Grab liegt, zur Erfahrung von Kirche. Viele erleben die Kirche zur Zeit wie tot, eingemauert in einem Grab aus starrer Tradition, und so sehr eingewickelt in die Leichenbinden ihrer Machtstrukturen, dass sie gar nicht mehr fähig ist, Anteil zu nehmen und mit den Menschen das Leben zu teilen.

Am Grab von Lazarus ereignet sich dann etwas, das alle ins Staunen versetzt: Jesus ruft den toten Lazarus aus seinem Grab ins Leben zurück. Noch ganz eingewickelt in Leichenbinden kommt Lazarus aus seinem Grab heraus.

Das ist für mich ein starkes Bild. Jesus überwindet die Todesmacht und öffnet neue Lebensperspektiven. Martha hat ihren toten Bruder nicht aufgegeben und auf Jesus vertraut. Ich hoffe, dass es auch heute noch Menschen gibt, die ihre Kirche nicht aufgeben. Und ich hoffe besonders, dass die Kirche selbst diesen Ruf Jesu hört: Komm heraus! Nimm Teil am Leben und werde zu einem Ort, wo Menschen sich willkommen fühlen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35560
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