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SWR4 Abendgedanken

01JUN2023
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Manchmal kann ich ganz schön neidisch sein. Auf irgendwelche Promis, zum Beispiel auf den reichen Erben von irgendeiner Berühmtheit oder einem Firmengründer beim Fernsehinterview. Wenn ich denke, dass dem alles unverdient zufällt, wofür ich mich ziemlich abzappeln muss.  Dabei weiß ich: Neid ist ungesund.

Neid macht Herzschmerzen und Nierenstechen. Das jedenfalls entdeckt ein Mann namens Asaph, von dem die Bibel in Psalm 73 erzählt.

Asaph ist Berufsmusiker im Tempel von Jerusalem. Und er beschreibt mit großer Leidenschaft, wie er neidisch ist auf die gottlosen Angeber. „Sie tragen ihren Hochmut wie eine Halskette“, schimpft er und sagt: „…aus ihren Augen grinst der Wohlstand.“

Ich muss schmunzeln über diesen zornigen, neidischen Asaph. Mit seiner Schimpferei macht er sich Luft und hält mir zugleich einen Spiegel vor. Neidisch sein, das ist nichts, womit man sich schmücken kann. Es klingt missgünstig und eng, was er da von sich gibt. Wer neidisch ist, schadet sich selbst mit seinem Neid. Das kann ich an Asaph ganz gut erkennen.

Asaph kommt auch selbst drauf, dass es ihm mit seinem Neid auf die Dauer nicht gut geht. Asaph geht in den Tempel. Er macht sich auf die Suche nach Gott, betet… Asaph denkt nach über den Tod und das Leben. Und plötzlich sieht er die Dinge anders. Er begegnet Gott und erkennt in diesem Moment, dass ihm sein Neid Herzschmerzen gemacht hat und Nierenstechen und dass ihn das abgelenkt hat von dem, was wirklich wichtig ist .

Am Ende von Psalm 73 singt Asaph ein begeistertes Lied über den Glauben. Und der Neid scheint wie weggeblasen. „Gott, bei dir zu sein ist alles, was ich mir auf der Erde wünsche.“ (Ps 73, 25b Basisbibel). Kein Herzschmerz mehr und kein Nierenstechen. Asaph hört auf, nach dem Reichtum der anderen zu schielen – was würde ihm das auch nützen?

Befreit singt er und jubelt: „Bei Gott habe ich meine Zuflucht.“ (Ps 73, 28b)

Manchmal bin ich neidisch. Und das geht auch nicht immer so schnell weg wie bei Asaph. Aber ich weiß, dass Gott den besseren Überblick hat über mein Leben und dass er weiter sieht als ich, und deswegen verlasse ich mich darauf, bevor ich im Neid versinke: Mit Gottes Hilfe kriege ich das weg!

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SWR4 Abendgedanken

31MAI2023
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„Blumen sind stets passende Geschenke“. Das habe ich vor kurzem in irgendeinem Ratgeber oder einer Zeitschrift gelesen: „Sie sind nicht nützlich, aber dafür ein Zeichen, wie wunderschön die Welt und das Leben sind.“

Und ich denke genauso. Und wünsche mir zum Geburtstag oder zu anderen Anlässen auch selbst gerne Blumen. Über einen Blumenstrauß oder einen Blumen-Stock freut sich eigentlich fast jeder – aber warum eigentlich? Warum passen Blumen immer?

Es stimmt schon: Blumen, vor allem Schnittblumen, sind erst mal nicht wirklich nützlich. Sie sind vor allem schön; aber sie vergehen schnell. Und so sind schon seit biblischen Zeiten Blumen ein Sinnbild für Welken und Vergänglichkeit. „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.“ So heißt es in Ps 103 Der Psalmbeter vergleicht den Menschen in seiner Vergänglichkeit mit Blumen.   

Aber Blumen sind eben auch schön. Und in der Bibel spricht Jesus von der Schönheit der Lilien, die selbst die Pracht des Königs Salomon bei weitem überragen. (Lk 12,27)

So schön – sagt Jesus, ist jeder einzelne Mensch, den Gott erschaffen hat. Ohne dass er sich erst darum sorgen müsste. Diese Schönheit hat jeder Mensch von Gott geschenkt bekommen.

So erzählen mir die Blumen etwas über die Vergänglichkeit, die Schönheit und über die Gnade Gottes. Einfach, indem sie da sind. Und indem sie sind, wie sie sind.

In vielen Kirchen finden sich Blumen in Bildern, in Holz geschnitzt, in Stein gemeißelt und als frische Schnittblumen auf dem Altar.

Und schon das Alte Testament der Bibel berichtet, dass die Menschen den Tempel Gottes mit Blumen  geschmückt haben. Dort, sagt die Bibel, wohnt Gott. Und damit ist immer auch eine Erinnerung an das Paradies verbunden. Mir gefällt die Vorstellung, dass dort, wo Blumen sind, Gott besonders gerne ist.

Blumen sind immer ein passendes Geschenk: ein kleines Stück vom Paradies. Und es bringt einen zum Staunen: über Blumen und über die Schöpfung. Und ich kann mich davon mitnehmen lassen in große Gefühle wie Ehrfurcht, Staunen, Heiterkeit und Zuversicht. Blumen sind zwar ein vergängliches Geschenk, sie sind aber eben auch ein Wunder. Und ein Zeichen, wie reich uns Gott beschenkt.

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SWR4 Abendgedanken

30MAI2023
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Gestern war Pfingsten – und auch in meiner Kirchengemeinde haben wir gefeiert: dass  Gottes Geist unter uns wirkt. Er beflügelt und ermutigt, er schenkt den Glauben und Versöhnung; er tröstet und bringt uns näher zu Gott.

Und manchmal hat man so eine mitreißende Geisteskraft ziemlich nötig. In meiner Kirchengemeinde zum Beispiel: Wenn ich mit meinem Kirchenvorstand zusammenkomme, dann rauchen uns manchmal ordentlich die Köpfe bei unseren Beratungen. Deswegen stimmen wir gerne mal ein Lied an, besonders gern ein Pfingstlied.

Pfingstlieder sind fröhlich und positiv. Sie handeln von Licht und Tatkraft, vom Jubel und von der Freude. Dabei fängt die Geschichte zu Pfingsten gar nicht so fröhlich an. Die Bibel erzählt, wie verängstigt  und mutlos die Jünger damals gewesen sind. Jesus war gestorben. Dass er von den Toten auferstanden ist, konnten sie noch gar nicht richtig fassen. Allein und verunsichert haben sie am ersten Pfingsttag zusammengesessen und sich nicht unter die Leute getraut.

Ich kenne das von Sitzungen, wenn wir im Kirchenvorstand über ein Problem grübeln und sich erst mal nichts bewegt. Keine Idee zündet. Und dann sind da die Herausforderungen, vor denen unsere Gemeinde in Zukunft steht: Weniger Geld, weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – das kann einen schon mutlos machen. Man ist wie eingeschlossen.

Und dann, so erzählt die Bibel, hat der Heilige Geist die Jünger gepackt als würde ein Sturm durchs Haus geblasen. Und mit einmal Mal war alles anders. Sie wurden mutig und haben sich hinausgetraut. Und dieser Moment, so sagen wir heute, war der Anfang der Kirche.

Gottes Geist wirkt in uns – bis heute. Er beflügelt und ermutigt, er tröstet und bringt uns näher zu Gott. Und er bringt uns hinaus und unter die Leute. Mit den Jüngern damals hat es angefangen, als sie die Kraft gefunden haben , hinauszugehen und den Menschen von Jesus zu erzählen.

Mein Kirchenvorstand und ich, wir lassen uns gerne mitreißen von den alten Pfingstliedern aus dem Gesangbuch. Gerade dann, wenn sich nichts bewegt in einer Sitzung, dann ist es ein bisschen so, als würde man den Geist Gottes herbeirufen, dass er einem den Kopf frei macht und die eigene Mutlosigkeit vertreibt.

Wenn die Gedanken wie festgefahren sind, ist das jedenfalls ein guter Weg, wieder neuen Schwung zu kriegen: Von Gottes Geist zu singen, damit er in uns wirkt wie ein frischer Wind!

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SWR4 Abendgedanken

24FEB2023
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Heute ist der 24. Februar. Dieses Datum hat sich für mich und für sehr viele Menschen ins Gedächtnis eingebrannt als der Tag, an dem der Ukrainekrieg begonnen hat. Die schlimmen Erzählungen, Erfahrungen und Bilder vom Krieg kenne ich nur aus dem Fernsehen. Sie machen mich oft mutlos und ängstlich. Nun lerne ich Iryna kennen. Sie stammt aus der Ukraine und wohnt und arbeitet als Haushaltshilfe im Augenblick bei Walter und Regina in Deutschland. Die beiden sind älter und gebrechlich und brauchen Unterstützung im Alltag. Sie erleben nun mit Iryna zusammen Momente des Friedens und der Freundschaft mitten in dieser schweren Zeit.

„Warum hast du so viel Gras?“ Als Iryna sich Walter und Regina vorgestellt hat, ist ihr die große Rasenfläche beim Haus aufgefallen. Sie hat sich darüber gewundert, dass jemand auf einer so großen Fläche einfach nur Gras wachsen lässt. „Was für eine Verschwendung“, mag sie wohl gedacht haben.

Bei Iryna zuhause gibt es keinen Rasen im Garten, sondern ihre Familie pflanzt Obst und Gemüse an.

Als ich Walter und Regina besuche, erzählen die beiden alten Leute glücklich, wie gut es ihnen tut, dass Iryna jetzt bei ihnen ist und sie unterstützt. Seit sie da ist, hat sich vieles in ihrem Leben entspannt.

Sie kochen zusammen. Iryna begleitet sie bei Arztbesuchen oder zum Einkaufen. Das würden Walter und Regina sonst kaum noch alleine schaffen.

Auch Iryna fühlt sich wohl und kann in manchen Momenten ein wenig ausblenden, warum sie nach Deutschland gekommen ist und gerade nicht in ihrer Heimat sein kann.

Wir haben zusammen Kaffee getrunken. Iryna hatte einen Kuchen gebacken. Und wir haben einander erzählt von den alltäglichen Sorgen, die wir so haben. Und haben miteinander darüber gelacht, wie sehr sich Iryna über den Rasen gewundert hat, auf dem doch gar nichts Nützliches wächst. Aber Freundschaft wächst dort. Und Geborgenheit. Mitten in der Zeit des Krieges.

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SWR4 Abendgedanken

23FEB2023
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„Wann darf sich eine Witwe wieder verlieben?“ fragt mich Petra. Sie ist vor einiger Zeit verwitwet. Petras Mann war nach einigen Monaten der Krankheit gestorben. Petra und ihr Mann Arthur waren lange zusammen. Sie haben sich prima verstanden. Ein nettes Paar. Die Zeit seiner Erkrankung haben sie gemeinsam bestanden und sind sich dabei vermutlich sogar noch näher gekommen als vorher. Petra ist nach Arthurs Tod sehr verzweifelt und traurig gewesen. Anfangs hat sie das Haus kaum verlassen können. „Ohne Arthur macht mir nichts Freude.“ Hat sie mir gesagt.

Und dann, eines Tages, hat sie mir diese Frage gestellt. „Wann darf sich eine Witwe wieder verlieben?“ Ist das nur eine theoretische Frage? Habe ich mir überlegt. Oder spürt Petra, dass sich ihre Trauer verändert hat und dass sie wieder bereit wäre für eine neue Beziehung?
Petra fragt: Wann darf das sein?

Als ob es jemand erlauben müsste. Aber wer sollte das sein? Ihre Familie? Die Freunde? Gar die Pfarrerin? Oder irgendein Gesetz der Welt? Ich spreche mit Petra darüber, was sie denkt, was ihr verstorbener Mann auf diese Frage antworten würde. Nach einiger Überlegung sagt Petra: Arthur würde wollen, dass es mir gut geht und dass ich wieder Freude am Leben habe.

Ich sehe das auch so. Denn ich denke auch, dass Petras Liebe zu Arthur nicht weniger wird, oder gar im Rückblick weniger tief ist, wenn sie nun wieder eine Beziehung eingeht. Aber ich stelle mir auch vor, dass ihre Familie damit nicht so einfach klarkommen wird und dass jemand womöglich fürchtet, Arthur wäre schon vergessen.

Aus meiner Berufserfahrung als Pfarrerin weiß ich, dass Menschen sehr unterschiedlich trauern. Und dass nicht jeder Mensch als Witwer im Herzen Raum hat für eine neue Verbindung. Aber ich weiß auch, dass die Bibel von Gott als „die Liebe“ spricht. Und dass also jeder Mensch, der Liebe empfindet, auch lieben darf. Wann immer ihm oder ihr das Gottesgeschenk der Liebe begegnet.

Ich werde Petra ermutigen, sich dem Leben zuzuwenden. Dem Leben in allen Facetten. Auch der Liebe, wenn sie ihr neu begegnet.

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SWR4 Abendgedanken

22FEB2023
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Wenn ich 40 Tage Zeit hätte, mein Leben zu ordnen, womit würde ich beginnen? Heute ist Aschermittwoch, der Beginn der Passionszeit. In 40 Tagen ist Ostern. In der christlichen Tradition erinnern wir uns daran, dass Jesus 40 Tage in der Wüste verbracht hat, bevor er begonnen hat, als Wanderprediger unterwegs zu sein und Menschen zu helfen. 40 Tage Zeit für den Übergang, um sich vorzubereiten. Jedes Jahr wieder.

Für mich ganz persönlich nutze ich diese Zeit in diesem Jahr um mich auf den Ruhestand vorzubereiten. Andere nutzen die Zeit vor Ostern gerne, um zu fasten. Nicht nur beim Essen, sondern auch bei anderen Dingen; vielleicht Dinge, die sich zu sehr breit gemacht haben in ihrem Leben. Verzagtheit hat sich ziemlich breit gemacht in den letzten Jahren seit der Coronapandemie und durch andere schwerwiegende Krisen auch. So nennt sich eine Aktion in der evangelischen Kirche in diesem Jahr „Sieben Wochen ohne Verzagtheit“. Mit einer großen Zahl von Angeboten vom Kalender bis zum Austausch mit anderen gibt es Gelegenheit, sich auf das zu besinnen, was mich trägt, was tröstet und ermutigt und Kraft gibt. Gerade jetzt in einer Zeit, in der man schnell verzagt sein kann.

Ich habe damit begonnen, mich von Sachen zu trennen, die ich nicht mehr brauche. Das ist gar nicht so einfach. Und hat mich schon gleich zu Beginn erst mal ziemlich mutlos gemacht. Mich von Büchern zu trennen, die ich im Studium gebraucht habe und viele Jahre gehütet habe wie einen Schatz. Auch wenn ich tatsächlich lange nicht mehr hineingeschaut habe, fällt das Loslassen mir schwer. Und da ist zugleich eine Entdeckung: Das Buch hat mich lange begleitet. Jetzt brauche ich es nicht mehr. Ich mache die Erfahrung, dass es sich gut anfühlt, wenn ich Sachen loslasse. Meine eigene persönliche Fastenzeit in diesem Jahr heißt deshalb: Ganz unverzagt darauf vertrauen, dass ich Dinge loslassen kann.

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SWR4 Abendgedanken

21FEB2023
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„Heile, heile Gänsje,“ das ist eines der berühmtesten Fastnachtslieder bei uns in Rheinhessen. Auch heute wird es wieder vielerorts gesungen werden, wenn die Karnevalsvereine zu heiteren Sitzungen einladen, bei denen launische Vorträge zu hören sind. Es wird gelacht, geschunkelt, getanzt; das Leben in all seinen Facetten wird aufs Korn genommen. Und mittendrin: ein Kinderlied.

Heile heile Gänsje.
`s werd bald widder gut.
`s Kätzje hod e Schwänzje.
`s weerd bald widder gut.
Heile, heile, Mausespeck. In 100 Johr is alles weg.

Ich kenne das Lied schon, seit ich ein Kind war. Und genauso wie es in dem Lied in der zweiten Strophe auch heißt, hat es meine Mutter gesungen, wenn sie mich in einem kleinen Schmerz hat trösten wollen. Wenn man die Geschichte dieses Liedes nachliest, entdeckt man, dass es vor allem berühmt geworden ist, seit es 1952 Ernst Neger bei einer Fastnachtsveranstaltung gesungen hat.

Damals hat das ursprüngliche Kinderlied eine Strophe dazubekommen, bei der es um das im Krieg zerstörte Mainz gegangen ist. Die Menschen haben sich mit dem Lied den Trost zusprechen lassen, dass auch die Erfahrung des Krieges eines Tages weit weg sein wird.

Heile, heile, Mausespeck. In 100 Johr is alles weg.

Ich frage mich: Ist das wirklich ein Trost oder doch nur eine Vertröstung auf eine bessere Zeit in weiter Ferne: „In 100 Jahren“.

Und trotzdem wirken diese Worte ja tröstlich auf mich; denn das Geheimnis dieses Liedes ist wohl auch, dass die Melodie wie ein Wiegenlied klingt.
Und Wiegenlieder, die können ja tatsächlich trösten. Sie wirken durch ihre Melodie, und sie wirken sofort, im selben Moment, in dem sie erklingen. Nicht erst in ferner Zukunft.
Wiegenlieder berühren die Seele; das Kindliche in uns kommt auf seine Kosten.
Ich darf mich hin und her wiegen lassen wie das kleine Kind im Arm der Mutter.

Davon singt auch ein Lied in der Bibel. In einem alten Psalm (Ps 131) singt ein Sänger davon, dass er bei Gott geborgen ist wie ein Kind im Arm seiner Mutter.

Mit gefällt es, zu erleben, wie sich mitten im bunten Fastnachtstrubel Menschen trösten lassen wie schon seit alter Zeit. Und wenn irgendwo das „Heile heile Gänsje“ erklingt, singe ich gerne mit.

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SWR4 Abendgedanken

20FEB2023
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Einmal im Jahr ungezwungen sein und ohne Sorgen oder jemand anderes sein als man sonst ist. In vielen Teilen des SWR Sendegebietes feiern die Menschen heute den Rosenmontag. Wie bei uns in der Nähe von Mainz trifft man an diesem Tag auf der Straße Menschen, die sich verkleidet haben. Ich schmunzele darüber, dass sich Mädchen als Maus oder Zauberin verkleiden und kleine Buben als Krokodil oder Ritter; und manch erwachsener „Bub“ verwirklicht heute seinen Traum, als Kapitän, Superman oder Pirat unterwegs zu sein.

Es ist ein Spiel, und heute am Rosenmontag wissen auch alle, dass es ein Spiel ist. Ich überlege mir, als was ich mich verkleiden würde, wenn ich zu einem Maskenball gehen würde. Würde ich lieber in eine Rolle schlüpfen, die etwas kann, was ich nicht kann? Perfekt mit dem Computer umgehen wie Lieutenant Uhura vom Raumschiff Enterprise aus der Fernsehserie Star Trek, zum Beispiel, oder ein großes Reich regieren wie Katharina die Große in Perücke und Reifrock? Ehrlich gesagt, ist mir schon das Verkleiden selbst zu aufwändig. Aber die ungezwungene Fröhlichkeit der meisten Fastnachter, die finde ich ansteckend, und die tut auch mir gut.

Vielleicht ist das Verkleiden für die Fastnachter ja deshalb so reizvoll, weil es so anders ist als der Alltag. Eine Erholungspause vom Ernsthaft-sein-Müssen.

Weil manche das Ungezwungensein übertreiben, wird die Fastnacht bei einigen Menschen mit großer Skepsis gesehen. Ich finde es schade, dass die Fastnachtszeit und alles fröhliche Tun dadurch einen schlechten Ruf bekommen. Denn es tut gut, manchmal ein bisschen Urlaub zu nehmen von Pflichten und Sorgen.

Wenn Jesus vom Himmelreich erzählt hat, wie es dort einmal sein wird, dann hat er von einem Leben in Sorglosigkeit erzählt. Diese Vorstellung hilft mir schon jetzt und lässt mich auch schwierige Zeiten besser überstehen; ich kann daran arbeiten, dass manches leichter wird.

Einmal im Jahr ausprobieren wie es ist, wenn das Leben fröhlich ist und ohne Sorgen, – so wie das Himmelreich. Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit, in diesen ernsten Zeiten dann wieder im Ernst des Lebens ohne Verkleidung zu bestehen.

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SWR4 Abendgedanken

02DEZ2022
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„Kamel sein ist so anstrengend. Das wusste ich gar nicht!“ stöhnt Henriette im Kindergottesdienst. Henriette übt mit den anderen Kindern gerade ein neues Lied. Und sie stöhnt, obwohl sie in der zweiten Stimme im stets gleichbleibenden Rhythmus nur „Abraham Abraham“ singen muss – und das sogar auf immer demselben Ton. „Ihr Kinder in der zweiten Stimme, ihr seid wie die Kamele, auf denen Abraham durch die Wüste reitet.“ Habe ich den Kindern zuvor erklärt. Man kann hören, wie die ganz gleichmäßig durch die Wüste trotten, wenn wir immerzu singen: Abraham Abraham. 

Immer den selben Ton halten, mehrere Strophen lang, das klingt einfach. Henriette findet zu Recht, dass es auch anstrengend ist.

In der Musik spricht man von einem Ostinato, eine sich stetig wiederholende musikalische Figur, sei es eine Melodie oder ein bestimmter Rhythmus.

In dem Lied, das wir im Kindergottesdienst singen, geht es um den Abraham aus der Bibel, der eines Tages von Gott den Auftrag bekommen hat, aufzubrechen in ein neues Land. Sein ganzes bisheriges Leben wird sich also verändern.

Ich finde, wenn sich äußerlich alles ändert, wenn man seine Heimat verlassen muss oder seinen Beruf aufgeben muss, sollte aber auch etwas immer gleich bleiben. Überhaupt: bei allen Veränderungen im Leben ist es gut, wenn es gleichzeitig ein solches Ostinato gibt. Etwas, das gleichbleibt, trotz aller Umbrüche. Eine Freundschaft kann ein solches Ostinato sein, oder ein Hobby, das weitergeht, auch wenn sich sonst alles verändert. Für Henriette aus dem Kindergottessdienst ist aber auch deutlich geworden: So ein Ostinato zu halten, das macht man nicht eben so mit links. Das kostet Konzentration und Kraft. Und man muss dagegenhalten, wenn die anderen etwas singen, das sich dauernd ändert.

Ich bereite mich gerade auf meinen Ruhestand im nächsten Jahr vor und überlege mir deswegen, was mein Ostinato sein wird, wenn sonst so vieles in meinem Leben anders wird. Bestimmt wird die Musik in meinem Leben so ein fester Bestandteil bleiben und eine ganze Reihe von Freundinnen, die das mit mir aushalten müssen, dass sie meine Konstante sind, mein Ostinato, oder, wie unsere Kindergottesdienstkinder sagen würden: Die durch die Wüste mit mir trottenden Kamele.  

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SWR4 Abendgedanken

01DEZ2022
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„Ich kann nicht mehr an Gott glauben. Aber ich kann doch auch sonst nichts,“  hat Elisabeth zu mir gesagt. Sie ist eine alte Freundin und Kollegin und sie hat mir erzählt, wie sie vor einigen Jahren eine triefe Krise erlebt und durchgestanden hat. Und wie sie darin eine Zeitlang sogar ihren Glauben verloren hat.

Mit Gebeten hat sie versucht, eine schwere Erkrankung zu ertragen und zu überstehen. Als dann auch noch zudem ihre eigene Mutter an Krebs erkrankt ist, hat sie in ihrer Verzweiflung versucht, mit Gott  zu feilschen: Wenn ich schon krank bin, dann lass wenigstens meine Mutter wieder gesund werden.

Ihre Gebete wurden nicht erhört. Ihre Mutter ist gestorben. Und sie selbst hat viele Monate mit ihrer eigenen Erkrankung Schlimmes durchgemacht. Am Ende musste sie sich eingestehen: Ich kann nicht mehr an Gott glauben. Und auch sonst kann ich nichts mehr.

Meine kranke Freundin hat den Glauben der anderen wahrgenommen wie ein Kleid, das ihr selbst nicht mehr passt. Sie hat die Gebete der anderen mitgesprochen, auch wenn sie sie für sich selbst nicht hätte unterschreiben können.  

Meine Freundin ist inzwischen wieder gesund. Sie hat ihre Krankheit überwunden. Und sie hat ihren Glauben wieder. Es ist allerdings ein anderer Glaube als vorher. Sie sagt: Mein Glaube ist kein naiver Kinderglaube mehr. Er ist erwachsen geworden. Es ist ein Glaube, der weiß, dass er neu gefunden werden musste. Ein Glaube, der sich auch speist aus dem, was andere glauben. Stellvertretend auch eine Zeitlang für sie mit. Und es ist ein Glaube, der weiß, dass wir von Gott getragen sind, auch dann, wenn wir selbst alles unerträglich finden.

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