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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13MAI2023
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Träumen ist wie Glauben. Wenn wir im Schlaf diese Zwischenräume betreten, dann sind wir schon ein bisschen weiter als in der üblichen Normalität. Wir betrachten überraschende Innenansichten unseres Lebens. Wir gleiten über unsere gewohnte Realität des Alltages hinaus und sehen weiter als sonst. Wir schweben und werden leichter, sind umfangen von etwas Bedrohlichem oder Beglückendem, überschreiten schon unsere Grenzen und halten Ausschau nach dem, was größer und weiter ist als das, was wir kennen.

Kein Wunder, dass die Bibel viel davon zu erzählen weiß, dass Menschen immer wieder im Traum auch Gott begegnen. Im Reich der Träume ist das Himmelreich nicht weit, da kommt Gott mitunter seinen Menschen ganz nahe, fragt, was sie wünschen und brauchen, sucht und sendet sie, erklärt ihnen manche Rätsel und gibt Wegweisung und Rat. Gottes Welt ist für uns wohl nur traumhaft zu erahnen. Da kommen wir unwillkürlich aus unserer Enge und schauen hin zum Horizont der Hoffnung, die ein bisschen Licht in die Hinterhöfe unserer Sorgenhäuser schimmern lässt. Wenn wir uns in Gottes Nähe träumen, dann öffnet sich wohl die Himmelstür einen kleinen zarten Spalt breit. Nur ganz kurz und nur so viel, wie wir gerade noch ertragen können. Mehr wäre ein Zuviel des Guten. Wenn wir träumen, dann ahnen wir, dass es mehr gibt, als wir sehen. Dann kriegen wir einen klitzekleinen Vorgeschmack darauf, wie viel mehr hinterm Horizont auf uns wartet. Die Bibel sagt deshalb ganz vielversprechend:
„Wenn Gott seine Menschen erlösen wird,
dann werden sie sein wie die Träumenden.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12MAI2023
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Nicht nur Menschen – auch Tiere träumen. Das habe ich lange nicht gewusst. Bis ich Toni kennenlernen durfte. Toni ist unser Hund, ein altdeutscher Hütehund –  und wir, meine Familie und ich, sind seine Herde. Und er ist tatsächlich der Erste, dem ich beim Träumen zusehen darf. Das ist so spannend und anrührend zugleich, aber auch ein bisschen unheimlich, muss ich zugeben.

Da kann es passieren, dass wir nach einem ausgedehnten Spaziergang nachhause kommen, beide sehr müde und glücklich sind und nach Futter und Wasser legt sich der Toni hin, streckt sich aus und schläft sofort tief und fest. Schlagartig ist er in seiner Traumwelt, geht in seinem offenbar aufregenden Hundeuniversum weiter spazieren, und erlebt ungeheuer viel. Ich weiß nicht, ob er Rehe oder Hasen jagt, was ja bekanntlich verboten ist, jedenfalls scheint er rasend unterwegs zu sein, völlig verrückt, kämpft, ruft, jammert, fiebt, sein ganzer Körper vibriert, alles an ihm zappelt, seine Pfoten sind ganz zittrig und der ganze Kerl steht unter Strom. Was ist da bloß los im Hundekopf? Ich schwanke dann immer, ob ich ihn aufwecken soll, oder ob es im Gegenteil wichtig ist, ihn in Ruhe zu lassen, weil er gerade etwas ganz Wichtiges aufarbeitet. Also lasse ich ihn ganz in seiner Traumwelt, weil ich denke: Der macht eben seine ganz eigene Traumtherapie! Und ich bin dabei und staune. Darüber, dass Gott offenbar auch den Tieren eine Seele geschenkt hat.  Was für ein erfülltes Innenleben die haben. Wie viel Persönlichkeit und Tiefe. Da verwundert es doch gar nicht, dass die biblische Vision von einem himmlischen Frieden auf Erden nicht ohne die Tiere auskommt, wenn es bei Jesaja heißt:

„Dann werden Wolf und Lamm friedlich beieinander wohnen,
der Leopard wird beim Ziegenböckchen liegen.
Kälber und Rinder und junge Löwen weiden zusammen,
ein kleiner Junge kann sie hüten.“


Einfach traumhaft die Vorstellung, dass die Schöpfung mit sich selbst Frieden schließen könnte. Und die Tiere gehen mit gutem Beispiel voran.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11MAI2023
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Je älter ich werde, umso mehr träume ich. Früher bin ich morgens aufgewacht und konnte mich an nichts Geträumtes erinnern. Ganz selten mal war das anders. Jetzt träume ich fast jede Nacht.

Und zwar immer öfter von früher. Die Bilder meines Elternhauses, Erinnerungen aus der Kindheit wiederholen sich. Die vertrauten Stimmen der Eltern und Großeltern sind verblüffend nah. Unglaublich viele Kleinigkeiten und Details sind da offenbar in mir abgespeichert. Und im Alter habe ich endlich Zeit und Aufmerksamkeit dafür, ihnen Nachts zuzuhören und zuzuschauen.

Ganz überrascht aber hat mich, dass es nicht nur Gesichter, Stimmen und Ereignisse sind, von denen ich da träume, sondern auch Gerüche. Tatsächlich habe ich geträumt, wie es bei uns zuhause immer Samstag Nachmittags so ungefähr um 4 Uhr gerochen hat. Das war nämlich die betörende Mischung von Bohnerwachs und Streuselkuchen. Unfassbar delikat und unübertroffen intensiv, dieser Cocktail aus Sauberkeit und Backofen. Und wir wissen ja schon lange, dass unser Geruchsinn ein göttliches Geschenk ist, weil es so einen erheblichen Einfluss auf unser ganzes Befinden hat. Und dieser Samstagnachmittagsduft löst bei mir eine solch tiefe Geborgenheit aus, wie damals eben, wenn am Samstag so langsam die Welt angehalten wurde. Gott sei Dank, haben wir ein Näschen für Momente des Glücks und des gut Aufgehobenseins.

Als der deutsche Astronaut Alexander Gerst nach einem halben Jahr im All wieder auf die Welt gekommen ist, da hat er gesagt: „Die Erde riecht großartig!“  Riechen heißt erinnern und sich einfinden.  Wohlvertraute Gerüche machen, dass wir zuhause sind. Sogar im Traum.  Alle Nase lang…

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10MAI2023
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Wer trauert, träumt auch oft. Wenn jemand einen lieben Menschen verloren hat, dann kann es sein, dass er nach einer gewissen Zeit den Verstorbenen in seinen Träumen sieht. Das kann atemberaubend sein und befremdlich zugleich. Mein Vater zum Beispiel hat nach dem Tod meiner Mutter immer wieder von ein und demselben Traum erzählt. Er hat sie durchs Küchenfenster auf unser Haus zukommen sehen, und ist dann im Traum ganz schnell rausgelaufen, um ihr entgegen zu gehen. Aber am Hoftor ist sie immer wieder einfach weitergegangen, ohne sich zu ihm umzudrehen. Sie hat ihn einfach stehen lassen, ohne einen Blick, eine Geste, ein Zeichen der Verbundenheit.

Das hat meinen Vater jedes Mal so dermaßen berührt, war für ihn so schön und so schrecklich zugleich. Er war meiner Mutter im Traum nochmal ganz nah, aber zur gleichen Zeit hat er erleben müssen, dass er endgültig von ihr getrennt ist. Wenn die Trauer träumt, dann ist das immer Beides gleichzeitig: es tut gut und es tut weh. Unsere Toten sind unwiederbringlich weit weg in einer für uns nicht mehr zugänglichen Welt. Und selbst wenn sie uns im Traum so nahekommen, bleibt es doch bei dieser schmerzhaften Distanz.  Das hat sich schon damals beim allerersten Ostermorgen auf dem Friedhof in Jerusalem so angedeutet.  Da trifft der auferstandene Jesus auf Maria, aber lässt sich von ihr nicht anfassen oder berühren.  Es gibt da eine bis auf Weiteres unüberbrückbare Trennung zwischen Hüben und Drüben. Diesseits und Jenseits. Wie es dort wirklich ist, das können wir uns im Traum nicht wirklich vorstellen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09MAI2023
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„I have a dream!“ „Ich habe einen Traum!“ So beginnt die wohl berühmteste Rede von Martin Luther King, dem farbigen Freiheitskämpfer und Prediger. Er hat sie im August 1963 in Washington gehalten, vor 60 Jahren also schon. Sie hat nur 17 Minuten gedauert, aber sie klingt bis heute nach.

Ich kenne kein eindringlicheres und gottvolleres Reden von einer besseren Welt. Mehr als 250 000 Menschen haben es damals gehört und wie ein Gebet mitgesprochen. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt und hochexplosiv. Und dahinein hat Martin Luther King dann gesagt: „I have a dream!“ Und die Worte haben sich ausgebreitet wie eine ansteckende Sehnsucht in der ganzen Welt. In der Rede heißt es mittendrin:

„Ich habe einen Traum,
 dass meine 4 kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden,
in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe,
sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird.“

Die damalige Bürgerrechtsbewegung hatte die menschenfeindliche Rassentrennung massiv angeprangert. Diese Ungleichheit darf nicht sein. Sie ist unerträglich und wir müssen sie überwinden.

Ohne diesen mutigen und gewaltfreien Appell, wären die unsäglichen Gräben zwischen Schwarz und Weiß niemals so problematisiert worden. Überwunden wurden sie trotzdem noch nicht.

Darum braucht es auch heute solche Träumer, wie Martin Luther King einer war. Wenn wir in dieser Welt jemals Gerechtigkeit, Frieden und eine lebensfähige Schöpfung erhalten wollen, dann wird es immer wieder solch charismatische Träumer geben müssen.  Menschen, die unverschämt visionär und traumtänzerisch mutig auftreten. Menschen, die in Gottes Namen allem menschenverachtenden Tun und Lassen widersprechen. Solche Träumer werden dringend gesucht. Sie sind es, die sich auf die Himmelsleiter trauen. Es muss traumhaft zugehen, wenn wir nicht untergehen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08MAI2023
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Können Sei sich noch an die Geschichte vom „Hans guck in die Luft“ erinnern? Das ist der zauberhafte Held aus dem Struwwelpeter, der die ganze Zeit alles übersieht, was vor seinen Füßen ist. Er hat nur Augen hat für den Himmel, für Dächer, Wolken und Schwalben. Und deshalb kommt er den ganzen Tag aus dem Stolpern nicht heraus. Ein Tagträumer, wie er im Kinderbuche steht.

Als so ein „Hans guck in die Luft“ lebt man gefährlich. Josef aus dem Alten Testament kann ein Lied davon singen. Zusammen mit seinen 11 Brüdern lebt er bei seinem Vater und träumt auch an der Realität vorbei.  Aber er ist Papas Liebling und trägt deshalb ein besonders schönes Kleid und die Nase ziemlich hoch.  Während die Brüder schwere Feld und Hirtenarbeit verrichten, treu und brav auf die Vieherden des Vaters aufpassen, schlendert Josef eher verträumt durch den Tag und schaut höchstens mal den andern bei der Arbeit zu. Das macht ihn schon ziemlich unbeliebt natürlich.

Aber richtig eng wird es erst dann, als er sich nicht zurückhalten kann, prahlerisch und selbstverliebt von seinen besonderen Träumen zu erzählen. In denen ist er seinen Brüdern total überlegen und steht schamlos im Mittelpunkt. In seinen Träumen verneigt sich alles unterwürfig vor ihm.

Selbst Sonne, Mond und Sterne verehren ihn. Mit so viel Hochmut verdirbt er es sich mit der ganzen Familie. Das kann natürlich auf die Dauer nicht gut gehen. Tut es auch nicht.  Schon bald hat er nämlich ausgeträumt. Seine Brüder werfen ihn zuerst wütend in einen Brunnen und verkaufen ihn dann als Sklaven nach Ägypten.   Da bestätigt sich das biblische Weisheitswort, das sagt: Achtung Leute: „Wo viel Träume sind, da ist auch viel Eitelkeit!“  Dann ist es wohl besser für uns, jetzt einigermaßen wachsam in den Tag zu gehen und einander auf Augenhöhe zu begegnen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

01APR2023
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Die Woche vor Karfreitag –Tage, in denen Christen sich an die letzten Tage von Jesus erinnern –kurz bevor er am Kreuz gestorben ist. Wer war damals an seiner Seite? Hat ihn begleitet? Und wer hat ihn zu Grabe getragen und zur Ruhe gebettet, als schließlich alles vorbei war?

Heute möchte ich Ihnen zu guter Letzt den Josef von Arimathia vorstellen. Das ist der Mann, der Jesus begraben hat, in seinem eigene Grab. Josef von Arimathia muss wohl zum Freundeskreis Jesu gehört haben. Anscheinend war er wohlhabend und es muss ihm ein Bedürfnis gewesen sein, über sein irdisches Leben hinaus zu denken und zu planen.

Deshalb hat er für sich ein Felsengrab gekauft, in dem er einmal selber zur letzten Ruhe gebettet werden möchte.

Doch nun ist Jesus am Kreuz gestorben und Josef ist bereit, sein neues Felsengrab auszuleihen. Man verleiht ja im Leben so manches. Und in der Regel bekommt man es mit viel Glück auch wieder zurück. Josef verleiht aber sein Grab.

Er bittet nach dem Tod Jesu am Kreuz um das Recht, den Toten zu begraben. Und damit das alles seine gute Ordnung hat, legt er ihn eben dorthin, auf den Platz, den er eigentlich für sich und sein en Tod vorbereitet hat. So kommt es, dass eine Anderer seine letzte Ruhestätte belegt.

Josef ging es wohl um die Würde seines Freundes und Lehrers- Und sicher hätte er niemals damit gerechnet, seine Leihgabe tatsächlich wieder zurück zu bekommen. Josef ist tatsächlich der Erste, der erlebt, dass sein Grab kein Endlager auf immer und ewig ist. Es scheint eher wie eine Dunkelkammer nur, in der alles Negative sich zu einem neuen Bild entwickeln soll. Er wird es erleben. Wir werden sehen. Bald ist Ostern.

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31MRZ2023
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Die Woche vor Karfreitag –Tage, in denen Christen sich an die letzten Tage von Jesus erinnern-kurz bevor er am Kreuz gestorben ist. Wer war damals an seiner Seite? Hat ihn begleitet? Und wer war ihm auf der letzten Etappe noch nah und hat ihm geholfen, das Kreuz zu tragen?

Ich möchte ihnen erzählen von SIMON VON KYRENE. „Jeder Mensch hat sein Kreuz zu tragen!“  heißt es doch. Manchmal wird es aber auch für einen allein zu schwer. Jesus ist zum Tod verurteilt und muss sein eigenes Kreuz tragen. Aber es muss ihm auf dem Weg zum Berg Golgatha über die Kräfte gegangen sein. Er braucht einen, der ihm hilft.

Sein ganz persönliches Kreuz zu tragen, das ist für jeden von uns manchmal zu viel.

Und dann passiert etwas ganz Besonderes. Einer kommt von seiner Feldarbeit nachhause, ein Passant, der im Vorübergehen auftaucht. Und schon bekommt er eine tragende Rolle.

Simon von Kyrene, heißt es, wird genötigt, Jesus das Kreuz abzunehmen. Er nimmt die Zumutung an, er hat ja die Kraft,  er ist körperliche Arbeit gewohnt. Er wird so zum Kreuzträger wider Willen, ahnungslos wahrscheinlich, für wen er da einspringt.

Wer würde auf Dauer sein Kreuz alleine schultern können, wenn nicht ab und zu jemand vorbeikäme um für eine kurze Wegstrecke zu entlasten, mitzuhelfen?  Simon von Kyrene hat bestimmt nicht geahnt, dass wir 2000 Jahre später noch von ihm reden werden. Er taucht nirgendwo sonst in der Bibel auf. Entscheidend ist der Moment, der eine und einzige Augenblick, in dem es drauf ankommt, dass er anpackt. Niemand kann sein Kreuz ganz alleine tragen.

Noch nicht einmal Jesus kann das. Aber wenigstens hat einer geholfen, hat mitgetragen und den schweren Weg ein bisschen erträglicher gemacht.

Darauf ist Jesus angewiesen. Auf Hilfe und Beistand – wie jeder von uns auch. Heute bin ich im Vorübergehen gefragt, wenn mir jemand begegnet, der sein Kreuz zu tragen hat.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30MRZ2023
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Die Woche vor Karfreitag –Tage, in denen Christen sich an die letzten Tage von Jesus erinnern-kurz bevor er am Kreuz gestorben ist. Wer war damals an seiner Seite? Hat ihn begleitet? Und wer war sein Richter und hat ihn zum Tode verurteilt?

Heute möchte ich Ihnen Pilatus vorstellen, Pontius Pilatus, römischer Stadthalter in Jerusalem, auf einem unbequemen Posten also, weil der Nahen Osten schon damals ein Pulverfass war.

Pilatus ist mit allen Wassern gewaschen. Er versucht sich durch zu lavieren und fragt sich, was er mit diesem Jesus machen soll, den die jüdischen Würdenträger offenbar loswerden wollen. Sie haben Jesus verhaften lassen und zu ihm gebracht, damit er Jesus verurteilt, am besten zum Tode.

Pilatus will sich die Hände nicht schmutzig machen und schwankt deshalb hin und her. Schließlich greift er zur Waschschüssel und verkündet vor den Augen aller: „Ich wasche meine Hände in Unschuld!“ Ich kann wirklich nichts dafür und nichts dagegen!

Einer wie er sitzt eben zwischen allen Stühlen auf dem Thron der Ohnmacht. Er vertritt das große römische Reich, die ungeliebte Besatzungsmacht und muss auf die Balance achten, dass die Stimmung nicht gegen ihn kippt.

Pilatus ist Politiker: Er folgt den Sachzwängen. Damit hat er wieder einmal nur seine Pflicht getan. Und es heißt am Ende: „Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt und gestorben….“

Jedesmal, wenn wir in der Kirche unser Glaubensbekenntnis sprechen, erinnern wir tatsächlich an ihn. Das ist die politische Dimension der Passion, die bis heute passiert. Gewalt und Leid, weil niemand dem Rad, das Unschuldige überrollt, in die Speichen greift. Der Wasserverbrauch ist seit Pilatus enorm gestiegen. Unschuldig Blut fließt immer und überall, wo sich zu Viele die Hände in vermeintlicher Unschuld waschen.

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29MRZ2023
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Die Woche vor Karfreitag –Tage, in denen Christen sich an die letzten Tage von Jesus erinnern –kurz bevor er am Kreuz gestorben ist. Wer war damals an seiner Seite? Hat ihn begleitet? Und wer hat sich retten können vor dem Tod am Kreuz?

Gestatten Sie, dass ich ihnen heute Barrabas vorstelle. Zugegeben: Es ist nicht besonders angenehm, seine Bekanntschaft zu machen. Er sitzt zurzeit Jesu wegen Aufruhr und Mord hinter Gitter. Ein Gewaltverbrecher also. Keine Frage. Aber auch er hatte wohl Fürsprecher und Anhänger.

Wie schwierig die Einschätzung ist, hat sich jedenfalls gezeigt, als Pilatus, der römische Stadthalter, ihn zum heiklen Pokerspiel mit der Masse missbraucht. Es gab nämlich in jener Zeit den Brauch, jeweils vor dem hohen Passafest einen Häftling aus der römischen Gefangenschaft zu entlassen und zu begnadigen.

Die Freilassung von politischen Gefangenen sollte der Imagepflege der römischen Herrscher dienen. damit das Fest dann ohne allgemeine Unruhe möglichst lautlos über die Bühne gehen könnte. Pilatus hat dann wohl spekuliert, dass er damit den wohl doch eher ungefährlichen Jesus aus dem Kreuzfeuer holen könnte.

Weil der im Vergleich mit Barrabas doch eher harmlos und sogar populär zu sein schien, stellte er die aufgepeitschte Masse vor eine scheinbar klare Alternative: Wen wollt ihr freigelassen haben, den gefährlichen Terroristen, oder den unschuldigen Rabbi?

Die unberechenbare Masse schrie für Barrabas und damit gegen Jesus. Und so kam es, dass tatsächlich Barrabas der erste Mensch wurde, der wirklich und wahrhaftig von sich sagen kann, dass Jesus für ihn gestorben ist.

Wenn das Einer sagen kann, dann er. Denn nichts anderes als die Todesstrafe hatte er vor Augen. Stellvertretung, dass ich zum Ableisten meiner Strafe, einen anderen schicken kann. Das gibt es nur in der Geschichte Gottes mit seinen Menschen. Und Barrabas, den wundert das…

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