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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Wenn Sport im Fernsehen läuft, dann schalte ich meistens relativ schnell weiter. Interessiert mich einfach nicht so sehr. Bei den Olympischen Spielen in Paris allerdings und auch jetzt bei den Paralympics bin ich aber länger als sonst vorm Bildschirm geblieben. Nicht so sehr, weil mich der Sport plötzlich interessiert hätte. Aber die Stimmung und die Freude in diesem Stadion, die waren einfach so was von mitreißend, dass es ansteckend war. Auch für mich. Freude steckt an. Und Begeisterung auch. Bekannte, die in Paris dabei waren, haben das bestätigt. Verfolgen kann man das gerade auch in den USA, wo das Kandidatenduo Kamala Harris und Tim Walz wahre Begeisterungsstürme entfacht. Ob es am Ende auch für den Wahlsieg reichen wird, das wird sich im November zeigen. Ganz offensichtlich aber mobilisiert Begeisterung einfach mehr Energie als Angst- und Weltuntergangsgerede. Als wenn mir jeden Morgen die Apokalypse an die Wand gemalt wird. Ich nur davon höre, wie schlecht die Welt im Allgemeinen und zu mir natürlich im Besonderen ist. Nur noch Zorn und miese Laune. Das macht krank. Begeisterung lässt Menschen aufleben und ein Lachen kann sowas von befreiend sein. Hoffen, statt deprimiert sein! Nicht umsonst ist Freude ein Wort, das auch in der Bibel mehr als 200-mal vorkommt. Erst wer selbst begeistert und voller Hoffnung ist, macht die Botschaft auch zur frohen Botschaft.
Das setzt aber voraus, dass Begeisterung echt ist. Dass sie nicht als billige Staffage dient, um Konflikte zu verniedlichen und über Abgründe hinwegzulächeln. Eine Begeisterung, die vielmehr klarmacht: Ja, es gibt Probleme. Aber wenn wir sie nur bemaulen und beschimpfen, werden sie nicht kleiner. Wir haben aber eine Vision, wie es sein könnte. Und für die setzen wir uns ein.
Darum braucht es solche Events, die begeistern. Gerade jetzt. Vor allem aber braucht es Menschen, die Freude ausstrahlen, allen Schwierigkeiten zum Trotz. Die mit ihrer Begeisterung andere anstecken können. Weil Freude einfach ansteckend ist und voller Lebensenergie. Energie, die dann vielleicht auch mich bewegt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40625Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Ihr Freund war nicht nett zu ihr, hat hässliche Dinge zu ihr gesagt. Und sie hat ihm dafür ihrerseits wieder Grobheiten an den Kopf geworfen. So könnte man kurz beschreiben, worum es in dem Gespräch der jungen Frau mit ihrer Freundin ging. Wer wie ich fast täglich mit dem Zug fährt, kennt das schon. Inzwischen gibt’s nämlich nicht mehr nur Dauertelefonierer, die ihre Umgebung gern mal eine ganze Zugfahrt lang unterhalten. Immer öfter erlebe ich auch Menschen wie diese junge Frau, die ihr Handy dabei laut stellen. So bekomme ich immerhin das ganze Gespräch mit und nicht nur die eine Hälfte. Ein echter Mehrwert! Und dann sind da ja noch die, die gar nicht telefonieren. Die sich einen Film oder ein Video anschauen und mich und andere mit der lauten Tonspur des Films unterhalten. Irgendwie unfair, find ich, dass sie mich nicht auch am Bild teilhaben lassen.
Tatsächlich frage mich, was mit den Leuten los ist. Warum immer mehr Menschen gut gefüllte Züge, Busse oder Cafés in ihr privates Wohnzimmer verwandeln. Warum es ihnen völlig egal zu sein scheint, dass wildfremde Leute wie ich ihre intimsten Sachen erfahren. Mich irritiert das, weil ich das selbst nicht will. Weil es Mitreisende im Zug ja nichts angeht, ob ich Stress mit meiner Familie habe. Welche Filme und welche Musik ich mag. Und weil es einfach übergriffig wäre, alle anderen damit zu behelligen.
Zurzeit wird über die angeblich grassierende Einsamkeit geredet. Manche raunen schon von einer Einsamkeits-Epidemie. Ob das wirklich so stimmt, weiß ich nicht. Aber vielleicht ist das, was ich inzwischen fast täglich im Zug erlebe, eine spezielle Form davon. Da sitzen Menschen zwischen fünfzig, sechzig anderen und erscheinen doch einsam. In ihre Welt eingeschlossen. So, als ob keiner sonst da wäre außer ihnen. Als toleranter Mensch respektiere ich das natürlich. Nur manchmal, wenn ich im Zug arbeiten muss und es mich wirklich nervt, dann durchbreche ich diese Einsamkeit. Dann gehe ich zu diesem Menschen hin und bitte sie oder ihn höflich, aber bestimmt, den Ton leise zu stellen. Bisher jedenfalls hat das immer funktioniert – und zwar mit einem echten, zwischenmenschlichen Kontakt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40624Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Es gibt Zeitungsmeldungen, an denen bleibe ich einfach hängen, obwohl sie völlig nebensächlich sind. So wurde vor Kurzem berichtet, dass sich unter der Oberfläche des Planeten Merkur womöglich eine Schicht aus Diamanten befinden könnte. Mehrere Kilometer dick. Von einem gewaltigen Schatz war auch die Rede, wenn man ihn denn irgendwann mal heben könnte. Nun ist allein diese Vorstellung schon ziemlich gaga. Der Merkur ist nämlich nicht nur zig Mio. Kilometer entfernt. Tagsüber wird es da oben auch mehr als 400 Grad heiß, während das Thermometer nachts auf minus 170 Grad runter rauscht. Keine angenehmen Arbeitsbedingungen. Das Wichtigste aber: Diamanten sind ja vor allem deshalb so wertvoll, weil sie unglaublich rar sind. Wenn ich nun irgendwann aber ganze Schiffsladungen davon hätte, würden sie schnell zur gewöhnlichen Massenware. Warum also dann nicht auch die Garageneinfahrt mit Diamanten statt mit Schotter füllen?
Nun finde ich Diamanten zwar faszinierend, aber persönlich brauche ich sie nicht. Für mich haben sie schlicht keinen besonderen Wert. Besonders kostbar ist, was heraussticht aus dem Alltag. Eine Reise etwa, auf die ich lange gespart habe, um sie mir einmal im Leben gönnen zu können. Allein dadurch hat sie einen ganz anderen Wert als der vielleicht vierte Kurzurlaub im Jahr. Oder die Begegnung mit lieben Menschen, die ich nur selten sehe. Meine erwachsenen Kinder etwa leben weit weg. Mal eben nachmittags auf einen Kaffee vorbeikommen, ist also nicht. Umso kostbarer wird darum ein Wochenende, das wir miteinander verbringen können. Live und in Farbe.
Am Ende muss jede und jeder für sich selbst herausfinden, was so ein Schatz im Leben sein kann. Für mich sind es aber solche seltenen Ereignisse, auf die ich mich lange freuen und die ich genießen kann. Dann, wenn ich sie erlebe und sogar später noch, wenn ich mich an sie erinnern kann.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40623SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Angesichts immer neuer Kriege und Krisen, die die Nachrichten mir jeden Tag ins Wohnzimmer spülen, rücken die Themen Klima und Umwelt leider gerade ein bisschen in den Hintergrund. Manche reagieren schon regelrecht pampig und aggressiv, wollen nichts mehr davon wissen. Ihnen ist anderes jetzt wichtiger. Das Blöde ist leider nur: Klima, Weltmeere oder Biodiversität scheren sich keinen Deut darum, worauf ich gerade Lust habe. Sie steuern einfach weiter in eine Richtung, die mir und vor allem meinen Kindern das Leben bald verdammt schwermachen kann. Und das will ich nicht. Als Christ nicht und als Vater schon gar nicht.
Heute beginnt in etlichen christlichen Kirchen die sogenannte Schöpfungszeit. Sie geht bis zum 4. Oktober. Christinnen und Christen sollen sich in dieser Zeit den Schutz und die Bewahrung der Schöpfung besonders zu Herzen nehmen. Sollen für die bedrohte Schöpfung beten und vor allem natürlich – auch aktiv etwas dafür tun. In der Bibel wird ja davon erzählt, wie Gott alles, was ist, in sieben Tagen erschaffen habe. Kein wissenschaftlicher Tatsachenbericht. Aber eine Geschichte, die mir sagt, dass diese Welt von Gott gewollt ist. Mich eingeschlossen. Und, dass wir sie nutzen und bewahren sollen. Auch das steht in der Geschichte. Doch das Wichtigste: Die Trennung zwischen uns und der Schöpfung, oder der Natur, der Umwelt, wie auch immer, die gibt es so nicht. Ich bin ein Teil davon und alles darin hängt mit allem zusammen. Die Schöpfung bewahren heißt also nichts Anderes als: Uns selbst und unsere Lebensgrundlagen bewahren.
Dass die Schöpfungszeit, die heute beginnt, am 4. Oktober endet, ist kein Zufall. Es ist der Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi. Der soll nämlich nicht nur mit den Vögeln geredet und einem Wolf getanzt haben. Er hat uns auch eins der schönsten Lobgebete hinterlassen. Seinen Sonnengesang. Gelobt seist du, mein Herr, mit all deinen Geschöpfen, heißt es da. Für Franz war alles, was ihn umgab, selbst Sonne und Mond, seine Schwestern und Brüder. Die ganze Schöpfung also eine einzige, riesige Familie. Und er selbst ein Teil davon.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40622SWR1 Begegnungen
Martin Wolf trifft Markus Wolter von Misereor.
Heute, am 1. September, beginnt in vielen christlichen Kirchen die sogenannte Schöpfungszeit. Fünf Wochen lang will sie den Blick bewusst auf die bedrohte Schöpfung lenken. Dazu habe ich Markus Wolter getroffen. Geografie, Agrarökonomie und Bodenkunde hat er studiert und als Biolandwirt gearbeitet. Heute ist er beim Hilfswerk Misereor in Aachen für Landwirtschaft und weltweite Ernährung zuständig. Und unsere Ernährung, sagt er, habe ganz viel zu tun mit der Bewahrung der Schöpfung. Es müsse sich etwas verändern.
34 Prozent der Treibhausgasemissionen kommen aus dem Ernährungssystem, und zwar so, wie wir es derzeit handhaben, eben mit sehr hohen Anteilen an Entwaldung für Soja oder Rindermast zum Beispiel, oder eben für Stickstoffdünger, die sehr, sehr hohe Treibhausgasemissionen haben … Und daher ist es dringend geboten, dass wir das ändern, hin zu dem, wie Landwirtschaft auch sein kann, nämlich lebensfreundlich und lebensdienlich.
Das geht aber letztlich nur, wenn viele bereit sind mitzuziehen. Deshalb hält Markus Wolter auch nichts von einseitigem Bauern-Bashing.
Landwirte stehen ja unter einem unfassbaren Druck. Und da ist jetzt eben die Politik gefordert, das auch einzulösen, was sie versprochen hat, nämlich die Förderung und die Wertschätzung der bäuerlichen Landwirtschaft. Die ganzen Subventionen, die aus Brüssel kommen, müssen so umverteilt werden, dass eben auch die Leistungen honoriert werden, die ich zum Tierschutz, zum Klimaschutz, zum Gewässerschutz mache. Das ist bislang nicht der Fall. Wenn diese Rahmenbedingungen sich nicht ändern, dann wird es eben so bleiben.
Kann ich auch selbst was dafür tun, dass sich etwas ändert?
Essen ist politisch und damit können wir eine ganze Menge bewegen, weil jeder Einkauf von mir im Lebensmittelbereich immer ein Einkommen für den Bauern ist. Und je pflanzlicher ich mich ernähre, desto besser für die Mitwelt. Und wenn das auch noch ein Bauer ist, den ich kenne, aus der Nähe, dann ist schon mal viel gewonnen.
Menschen im globalen Süden erleben die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen ja oft viel dramatischer. Vor einiger Zeit war Markus Wolter für Misereor in Südamerika.
Bolivien hatte eine 3-jährige, ganz schlimme Dürre hinter sich. Menschen in Bolivien sind sehr stark auch noch von der indigenen Kultur geprägt und sind sehr katholisch geprägt. Und in diesem Konsensus zu sagen: nein, wir können so nicht weitermachen, wir tun der Erde weh und wir müssen da anders mit umgehen! Was ich jetzt in Bolivien sehr toll gesehen habe, das ist diese Kultur der Agroforstwirtschaft. Das ist eine Kombination aus ackerbaulicher Nutzung und eben einer forstlichen Nutzung. Und das ist eine Kombination aus Bodendeckern wie Ingwer und Kurkuma. Und dann wird Gemüse angebaut und Obst, wie Ananas und Chili, Tomaten. Das ist wie so ein Stockwerk, bis zu 30 Meter hohe Kokosplantagen, die dann da sind.
Was sich für mich als Laien ziemlich aufwändig anhört. Warum macht das Sinn?
Wir brauchen die Vielfalt, wir brauchen die Abwechslung. In Bolivien sind wir auf einem wissenschaftlichen Betrieb gewesen, wo das System mit dem Agroforst dreimal mehr Artenvielfalt aufgewiesen hat wie eine Kakao-Monokultur mit Pestizideinsatz. Und das finde ich faszinierend, dass es eine Gewinnsituation für jeden der Beteiligten ist. Sowohl für den Bauern als auch eben für die Tierwelt und die Schöpfung, die sich daraufhin einstellt.
Das Konzept, Ackerbau mit Bäumen zu kombinieren, klingt faszinierend. Ich frage mich aber, ob so ein zusätzlicher Aufwand bei uns überhaupt möglich ist.
Dieser Arbeitsaspekt ist ein ganz wichtiger Aspekt. Aber es gibt tatsächlich die ersten Landwirte, die genau aus den Gründen wie im globalen Süden, dort Bäume einsetzen. Ich war jetzt vor einiger Zeit im Schwarzwald, wo es tatsächlich die Jahre vorher auch schon erste Trockenschäden gab. Und da haben die Bauern dort in ihren Kartoffel- und Dinkelacker und auf ihren Weiden mit den Milchkühen tatsächlich jetzt Agroforstlinien eingezogen, die man eben dann auch trotzdem noch mit Maschinen gut bearbeiten kann.
Die Schöpfung ist ja ein Thema in vielen Religionen. Kann Religion tatsächlich einen nötigen Wandel unterstützen?
Da liegt eine ganz große Chance drin, von Religionen. Die Menschen, die ich erlebt habe, die es aus einer tiefen Überzeugung heraus machen und getragen sind aus dieser Überzeugung, dass ich eben auch nicht alleine bin und dass ich verbunden bin mit der Schöpfung und mit einer göttlichen Kraft, dass das zu ganz, ganz tollen, Ergebnissen und Umkehren geführt hat.
Und von der Kirche? Gibt es da Unterstützung?
Papst Franziskus hat ja eine ganz tolle Veröffentlichung gemacht, die uns da ganz stark hilft in unserer Arbeit, weil sie eben eine Grundlage dafür schafft: Ja, wir sind in einem gemeinsamen Haus und dieses Haus brennt und wir zerstören dieses Haus.
„Laudato Si“ heißt diese Veröffentlichung und erinnert damit an Verse aus dem „Sonnengesang“ des Heiligen Franz von Assisi. Mit dessen Gedenktag am 4. Oktober endet auch die Schöpfungszeit. In seinem Sonnengesang sieht Franz alles, was ihn umgibt, als Schwestern und Brüder. Können wir uns da etwas von ihm abschauen?
Also meine Lieblingsgeschichte von Bruder Franz ist die Geschichte des Wolfes von Gubbio, wo er mit dem tanzt. Das finde ich eine wunderschöne Geschichte darüber: wie können wir denn miteinander leben, statt gegeneinander? Den Anderen, das Insekt, den Wolf, was auch immer als Feind zu betrachten. Es gibt den Feind nicht, sondern dieser Feind, mit dem kann man tanzen, mit dem kann man sich auseinandersetzen, und kann versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden. Und ich glaube, da steckt eine Riesenkraft und ein großer Vorbildcharakter. Als einer der großen Mystiker, der in seiner unfassbaren Liebe zur Schöpfung und in seiner unfassbaren Liebe zu Jesus Christus da ein Vorbild für uns alle sein kann.
Weitere Infos unter:
https://www.misereor.de/presse/expertinnen-und-experten/markus-wolter-landwirtschaft-und-welternaehrung
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40611SWR1 3vor8
„Damit kann ich nichts anfangen.“ Das höre ich hin und wieder, wenn es um die Bibel geht. Und ja, manchmal stehe ich auch selbst ein bisschen ratlos vor den uralten Texten. Immerhin geht es um Gedanken, die vor fast 2000 Jahren geschrieben wurden. Für Menschen der Antike. Menschen, die ganz anders lebten, anders dachten und wohl auch anders glaubten als wir Menschen heute. Manches lässt sich da kaum noch nachvollziehen. So ist das auch mit dem Text, der heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist. (Joh 6,60-69) Da wird erzählt, wie Jesus sich über Leute wundert, die nicht glauben können oder wollen. Denn schon damals haben das offenbar etliche gesagt. Dass sie nichts anfangen können mit seinem Anspruch, mit dem er auftrat. Nicht mit seinen oft steilen Forderungen an die persönliche Lebensführung. Vor allem nicht mit seiner Aussage, er sei von Gott gesandt, würde quasi im Namen Gottes sprechen. In der Tat, dieser Jesus kann ganz schön anstrengend sein. Die Leute, die ihn zuerst noch ganz spannend und interessant fanden, machen sich nun aus dem Staub. Übrig bleiben nur noch die Treuesten der Treuen. Die Zwölf, die ihn bis zum Ende begleitet und später dann seine Botschaft weitergetragen haben. Sie haben in ihm wohl mehr gesehen, als das Gros der Menschen um sie herum.
Und heute? Jesus ist längst Teil der globalen Popkultur geworden. Die Beatles etwa haben sich mal ziemlich unbeliebt gemacht, als John Lennon meinte, sie seien inzwischen populärer als Jesus. Was im Umkehrschluss ja auch hieß: Jesus, den kennt doch fast jeder. Fragt sich allerdings, welcher Jesus damit gemeint sein soll? Jesus, der sanfte Gutmensch? Der verhaltensauffällige Hippie? Jesus, der Wunderheiler, der Tote erwecken kann? Der strenge Richter im jüngsten Gericht? Oder doch nur der seltsame Mann da oben am Kreuz, mit dem man selbst aber nichts anzufangen weiß. Es kann einem schon leicht schwindelig werden bei all den Bildern und Vorstellungen, die sich Menschen seit Jahrhunderten von diesem Jesus machen.
Ganz am Ende des heutigen Textes sagt Simon Petrus, der Sprecher der zwölf Gefährten, zu ihm: Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes. Auch wenn das natürlich Theologensprache ist. Vielleicht ist es trotzdem die überzeugendste Antwort. Auf den Glauben kommt es letztlich an. Denn wer dieser Jesus für mich in meinem Leben sein kann, das erschließt sich wahrscheinlich wirklich erst, wenn ich glauben kann.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40538SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken
Die Kirche und die Frauen. Ein ziemlich schwieriges Verhältnis. Dabei können Frauen in der Gesellschaft heute ja alles erreichen, theoretisch zumindest: Konzernchefin, Bundeskanzlerin und bald vielleicht sogar US-Präsidentin. Nur meine katholische Kirche ist die wohl letzte große Institution, in der nach wie vor die höchsten Leitungsämter kategorisch Männern vorbehalten sind. Die Diskussion darüber kocht seit Jahren. Und alle Versuche, das Thema von oben herab für beendet zu erklären, sind krachend gescheitert. Die Argumente überzeugen einfach nicht mehr. Vielen modernen, selbstbewussten Frauen in der Kirche allerdings langt es. Sie fühlen sich degradiert, bloß weil sie Frauen sind und nicht wenige haben sich inzwischen frustriert abgewandt. Einige von ihnen kenne ich selbst.
Deshalb ist es umso heikler, wenn die Bibel ein überholtes Frauenbild auch noch mit höchster Autorität zu bestätigen scheint. Den Text, der heute in manchen katholischen Gottesdiensten zu hören sein wird, möchten einige deshalb am liebsten im Giftschrank sehen. Sperrig und für Ohren von heute geradezu empörend klingt manches, was der Apostel Paulus vor fast 2000 Jahren geschrieben haben soll.
Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi! Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist.
Und etwas weiter heißt es dann: Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem ihren Männern unterordnen. (Eph 5,21ff.)
Ob das wirklich von Paulus stammt ist fraglich. Aber wer auch immer es war: Die Empörung, vor allem natürlich unter Frauen, verstehe ich gut. Das ist vorgestrig, passt schlicht nicht mehr in unsere Zeit. Dabei ist die Haltung, die sich hinter den Zeilen verbirgt, auch bei uns noch gar nicht so lange her. Von anderen Kulturen ganz zu schweigen. Mehr noch: In der katholischen Kirche fanden sich solche Gedanken lange noch im Ritus der Trauung wieder – bevor die Texte gründlich modernisiert und Mann und Frau gleichberechtigt angesprochen wurden. Meine Eltern, die beide verstorben sind, hatten 1960 geheiratet. Ich erinnere mich, dass meine Mutter mir vor vielen Jahren erzählt hat, dass sie einzelne Formulierungen damals rundweg abgelehnt habe. Sie wollte so einem Frauenbild nicht entsprechen. Und auch mein Vater wollte das nicht. Und so habe ich die Beziehung meiner Eltern auch in Erinnerung - im weitesten Sinne gleichberechtigt und auf Augenhöhe. Bei vielen Paaren ihrer Generation dürfte das auch vor 60 Jahren schon die Regel gewesen sein. Der Mann als „Haupt der Frau“? In weiten Teilen der Gesellschaft war und ist das jedenfalls schon lange kein Thema mehr.
Die Kirche solle sich Christus unterordnen und ebenso auch die Frauen ihren Männern. Diese Forderung aus der Bibel, die heute in katholischen Kirchen zu hören ist, bringt Gläubige seit Jahrzehnten auf die Palme. Zu Recht. Mehr noch: Sie scheint etwas zu bestätigen, was viele dem Christentum ja insgeheim oft unterstellt haben. Dass es im letzten doch darum gehe, sich klein zu machen. Sich unterzuordnen. Immer mit dem Gefühl, unwürdig und nie gut genug zu sein vor den Augen Gottes? Übersehen wird da, dass der Schreiber aber noch mehr verlangt:
Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, heißt es da. Und etwas weiter: Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst.
Wer will da ernsthaft widersprechen? Und doch: das Ärgernis bleibt. Eine Unterordnung von Frauen, die in der patriarchalen Umwelt damals selbstverständlich erschienen, hat in unserer Welt hier und heute einfach keinen Platz mehr. Kurz: Es sind Sätze, die den ganzen Bibeltext verdunkeln.
Und deshalb ist es gut, wenn ich die Bibel nicht naiv, sondern immer auch kritisch lese. Wer immer ihre Texte geschrieben hat, war eben auch ein Kind seiner Zeit. Einer ganz anderen Zeit als heute. Und so finden sich in biblischen Texten manchmal Vorstellungen, die gesellschaftlich längst überholt sind. Aber eben auch solche, die noch heute wie für die Ewigkeit erscheinen. Sie stehen da wie Leuchttürme: Liebt eure Feinde und tut Gutes denen, die euch hassen etwa. Oder: Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben. Und eben auch: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt ein Mensch in Christus Jesus. Sätze, die niemanden abwerten oder klein machen. Zu denen ich aber aufblicken und an denen ich wachsen kann, wenn ich es will.
Deshalb gehören Sätze wie die, dass die Frauen sich den Männern unterordnen sollen, nicht in den Giftschrank. Aber sie spiegeln das Denken einer anderen Zeit und Kultur. Sie zeigen, wie die Bibel entstanden ist. Nicht wortwörtlich von Gott diktiert. Sondern geschrieben von Menschen, die von Gott begeistert und gepackt waren. Und die darum auch kritisch zu lesen und zu hinterfragen sind. Gotteswort neben menschlichen, manchmal allzu menschlichen Worten. Es ist gut, das eine vom anderen zu unterscheiden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40537SWR3 Gedanken
Wäre, hätte, könnte. In unserer Sprache drücken solche Worte ja aus, das es auch ganz anders hätte kommen können. Es ist ein bestimmter Blick aufs Leben. Was wäre geworden, wenn...? Welche Chancen hätte ich gehabt, wenn...? Ja, was hätte aus jeder und jedem von uns werden können, wenn wir irgendwann im Leben anders abgebogen wären? Es sind müßige Fragen, aber auch mich beschäftigen sie immer wieder mal.
Richtig bitter können sie werden nach einem Schicksalsschlag oder einer verheerenden Fehlentscheidung. Eine Verwandte etwa hatte als junge Frau mal für die Schulden eines Andern gebürgt. War ja nur eine Unterschrift. Die Bürgschaft wurde aber fällig. Jahrzehnte hat sie daran abbezahlt. Der schlimmste Fehler ihres Lebens.
So schwer es dann auch sein mag. Im Leben gibt’s kein zurück, egal, was geschehen ist. Es gibt nur den Weg nach vorn. Die Bibel erzählt das in der Geschichte von Lot. Der muss fliehen. Immer weiter soll er gehen, hat Gott ihm eingeschärft. Niemals anhalten, niemals umdrehen. Lots Frau, die ihn begleitet, schafft das aber nicht. Sie bleibt trotzdem stehen, dreht sich um – und erstarrt im selben Moment zu einer Salzsäule. Für mich ein Bild dafür, was Leben heißt: Das, was gewesen ist, nicht vergessen. Aber nicht stehen bleiben. Vorwärtsgehen. Immer weiter. Mit der Hoffnung, dass es gut ausgeht.
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Die alte Dame, die ich besuche, hadert mit sich und ihrem geschwächten Körper. Mit all dem, was sie mal konnte und was jetzt einfach nicht mehr geht. Schließlich hadert sie auch mit Gott. Fast täglich sei sie doch in die Kirche gegangen, erzählt sie mir. Habe sich engagiert in der Gemeinde und im Kirchenchor. Und nun das! Dass Gott sowas zulässt. Dass ausgerechnet sie es ist, die so schwer erkrankt. Sie kann das nicht begreifen. Warum sie und warum nicht andere, die in ihren Augen nicht so gut, nicht so fromm gelebt haben wie sie.
Es sind diese Warum-Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Auch von mir nicht. Weil es diesen Tauschhandel eben nicht gibt: Moralisches Wohlverhalten gegen Glück und Gesundheit. Ich habe sie schon oft gehört, diese Frage: Warum? Warum geht es nach unseren Maßstäben so ungerecht zu in der Welt? Und warum unternimmt Gott, wenn es ihn gibt, da nichts? Ich weiß das auch nicht.
Aber ein Satz aus der Bibel hilft mir zumindest etwas weiter. Er steht beim großen Propheten Jesaja: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“, lässt Gott da ausrichten. Ein Gott, der nicht berechenbar ist. Keiner mit dem man Deals machen könnte. Und offenbar so ganz anders, als viele Menschen sich Gott vorstellen.
Am Ende unseres Gesprächs habe ich mit der alten Frau dann noch zusammen gebetet. Zu genau diesem Gott, den wir zwar oft nicht verstehen. Auf den wir aber trotzdem hoffen.
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Wie oft hab ich mich in den letzten Wochen über diesen Sommer geärgert. Am einen Tag kalt, am nächsten wieder heiß. Und immer wieder Regen. An den grauen Regentagen, von denen es in diesem Sommer schon so viele gab, da hab ich besonders deutlich gespürt, wie gut jeder Lichtblick meiner Seele tut. Wenn nach dem Schauer für einen Moment der blaue Himmel zu sehen ist. Wenn die Wolken aufreißen und sogar ein paar Sonnenstrahlen durchlassen. Momente, in denen oft ein Regenbogen in den Wolken erscheint. Auch wenn ich natürlich weiß, wie so ein Regenbogen entsteht - ich muss trotzdem jedes Mal an Gottes Bogen in den Wolken denken. In der Bibel taucht der auf. In der Geschichte von einer Alles zerstörenden Sintflut. Als der Regen nämlich endlich stoppt, die Wolken aufreißen, so heißt es da, stellt Gott seinen Bogen in die Wolken. Als Zeichen eines Bundes, den er mit den Menschen schließen will. Als Hoffnungszeichen. Gott, der den Regen erst geschickt hatte aus Wut über die Menschen, besinnt sich. Will die totale Zerstörung nicht mehr, kein endloses Leid. Nie wieder, heißt es da. Ein wunderbares Bild.
Eines allerdings verheißt es nicht: Dass es nun auch die rundum perfekte Welt geben wird. Die gibt’s bis heute nicht. Leider. Menschen bekriegen sich immer noch, werden krank, sind traurig. Umso wichtiger die Lichtblicke. Die Lücken im Grau. Alles, was die Seele wärmen und aufrichten kann. Dafür steht der Regenbogen. Gottes Hoffnungszeichen in den Wolken.
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