SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

25FEB2024
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Auch der wunderbarste Urlaub geht leider irgendwann zu Ende. Oft komme ich randvoll mit Eindrücken, Bildern, Gefühlen nach zwei Wochen wieder nach Hause. Und dann: Macht sich ganz oft ein Gefühl von innerer Leere, ja Enttäuschung breit. Der leider oft triste Alltag hat mich wieder. Und in den muss ich mich nun wieder einklinken, ob ich will oder nicht. Es ist etwas, das ich auch bei anderen Anlässen immer wieder erlebe. Da war etwa das tolle Fest, von dem ich ganz beseelt nach Haus gekommen bin. Die Begegnung mit einem Menschen, die mich so gefesselt hat oder das Konzert, das noch lange in mir nachgeklungen ist. Oft schlafe ich nach so einem Erlebnis schlecht, weil es so vieles in mir aufgewühlt hat. Und wie oft habe ich selbst in solchen Momenten gedacht, was Goethe seinen Helden Faust mal so treffend sagen lässt: „Augenblick verweile doch, du bist so schön!“ Aber das geht nicht. Dem tragischen Helden in Goethes Stück gelingt das nicht - und mir leider auch nicht. Manch einer versucht dann, sich solche Hochgefühle immer wieder zu verschaffen. Lässt keinen Event aus, keine Party. Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick. Das kann wie eine Sucht sein, eine fast verzweifelte Suche nach dem Augenblick, der sich so großartig anfühlt und doch so schnell vorbei ist.

Alles, was im Leben passiert, das gibt es natürlich auch im Glauben. Spirituelle Höhenflüge etwa. Das Gefühl, Gott für einen Moment ganz nahe zu sein. Vielleicht in einem Gottesdienst, der meine Seele berührt. In der Stille, wenn ich in einem Kloster ein paar Einkehrtage mache. In der Begegnung mit anderen. Im gemeinsamen Feiern, Singen, Beten. Wer sowas je erlebt hat, möchte es am liebsten festhalten. Aber auch der Augenblick ist flüchtig. Auf spirituellen Höhenflügen mag ich zwar spüren, dass Gott mir ganz nah ist. Doch wie oft erscheint mir Gott im Alltag auch unendlich weit weg, und schweigt?

Von so einem Höhenflug erzählt eine ziemlich seltsam anmutende Geschichte in der Bibel. Jesus und drei seiner Jünger steigen darin auf einen Berg um zu beten. Oben angekommen haben sie eine spirituelle Vision, die es sich mit normalen Worten offenbar gar nicht beschreiben lässt. Simon Petrus, einer der drei, ist jedenfalls so schwer beeindruckt, dass er da oben gleich ein paar Hütten bauen will. Er will das Erlebte festhalten. Will es bewahren. So soll es immer bleiben. Jesus aber macht ihm klar, dass das Unsinn ist. Denn solch mitreißende Höhepunkte sind eher wie funkelnde Juwelen, herausragend und außergewöhnlich. Das Leben dagegen wird in den Mühen des Alltags gelebt. So wie mein Glaube. Und genau da muss er sich auch bewähren.

 

 

 

 

Aber wie kann das gehen? Wie die Begeisterung aufrecht halten in den Niederungen des normalen Alltags? Wie die Begeisterung für meinen Job, den ich mir ja mal bewusst ausgesucht habe. Wie die Liebe zum Partner oder zur Partnerin, wenn der Honeymoon vorbei ist und Kinder und Karriere alle Kräfte aufsaugen. Und wie die Begeisterung für den Glauben? Wenn mir die Zweifel kommen, ob es ihn wirklich gibt, diesen Gott. Und wenn die Art, wie meine Kirche sich mitunter präsentiert und mit Menschen umspringt, mir die Freude am Glauben verdirbt. Weil ihre Botschaft so nicht mehr glaubwürdig ist. Wie also kann ich sie aufrechthalten, die Begeisterung, die mal war?

Ich glaube, mein Beruf würde mir tatsächlich keine Freude mehr machen, wenn ich mich nur noch frage: Warum tust du das eigentlich? Wenn ich nicht immer wieder auch spüren würde: Doch, es lohnt sich morgens aufzustehen, mich anzustrengen, auch mal Überstunden zu machen, wenns nötig ist. Weil es da tolle Kolleginnen und Kollegen gibt, mit denen zu arbeiten einfach Freude macht. Und weil das, was wir gemeinsam schaffen, unser Ergebnis, unser Produkt, echt klasse ist. Etwas, auf das ich stolz sein kann.

Auch wer liebt braucht im Alltag immer wieder Momente, die mir und dem anderen zeigen: Du bist mir wichtig. Das müssen gar nicht die großen Worte sein. Kleine Gesten reichen. Eine zärtliche Berührung, eine kleine Aufmerksamkeit. Ein waches Gespür dafür, wie es dem anderen gerade geht.

Und der Glaube? Für mich ist es ähnlich wie bei der Liebe. Glauben heißt ja darauf zu vertrauen, dass es mehr gibt als das, was ich jeden Tag sehe. Um etwas von Gott zu erahnen braucht es dann gar nicht mehr die große überwältigende Vision. Wer glaubt und mit offenen Augen durch die Welt geht, der wird Gottes Spuren in seiner Schöpfung entdecken. In allem also, was mir Tag für Tag begegnet. Im Schönen natürlich. Im Lächeln, das mir die Kollegin schenkt. Im freundlichen Gespräch mit der Schaffnerin im Zug. In der Natur, die nun langsam aus dem Winterschlaf erwacht. Aber immer auch im Verstörenden. So, wie im Gesicht des Obdachlosen, der neben dem Eingang des Kaufhauses in seinem Schlafsack liegt. In den Augen der Kriegsopfer, die gerade mit dem Leben davongekommen sind. Wenn es mir unverhofft dann doch mal begegnen sollte, das große, überwältigende Erlebnis, dann will ich es auskosten, so gut es geht. Wie einen kleinen Vorgeschmack des Himmels. Und die Erinnerungen daran, die nehme ich mit, als Proviant für die Seele. Mit in die Niederungen meines ganz normalen Alltags.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39391
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