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SWR2 Wort zum Tag

27SEP2023
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Ordens-Schwestern im Kloster haben sich freiwillig verpflichtet –  vor allem zu Gottesdienst und Stunden-Gebet sollen sie  zuverlässig erscheinen und mitbeten und mitsingen. Solche Regeln waren noch sehr strikt vor gut vierhundert Jahren. Aber draußen vor der Klosterpforte gab es doch so viel Not! Was tun: einfach weiterbeten und der liebe Gott wird schon helfen!?

Einige Schwestern haben damals einen Priester gefragt,  den Gründer ihrer Ordensgemeinschaft.  Und Vinzenz von Paul hat ihnen geantwortet: „Ihr dient Jesus Christus in der Gestalt der Armen …  Wenn eine Schwester zehn mal am Tag die Kranken besucht,  dann wird sie zehn mal am Tag Gott treffen … Geht arme gefesselte Sträflinge besuchen, so werdet ihr dort Gott finden.  Dient den armen Kindern, so werdet ihr Gott finden.  Ihr geht in arme Häuser, aber ihr werdet dort Gott finden. … Wenn ihr das Gebet und die heilige Messe verlasst,  um den Armen zu dienen, verliert ihr nichts,  da es dasselbe bedeutet, wie zu Gott zu gehen.“

Das ist sehr biblisch – Jesus hat es ganz ähnlich auch gesagt.  Zuwendung zu den Menschen in Not, für sie dasein und ihnen helfen –  das ist genau so wichtig wie Gottesdienst und Beten in der Kirche. Kurz gesagt: Caritas ist Gottesdienst. Mit so revolutionär-biblischen Ideen ist Vinzenz von Paul eigentlich auch der Begründer von Caritas und sozialer Arbeit in der Kirche; bis heute motivieren seine Ideen viele Frauen und Männer, die freiwillig und ehrenamtlich anderen Menschen helfen.  Katholische tun sich manchmal immer noch in Vinzenz-Vereinen zusammen. Und auch die kirchlichen Institutionen Diakonie und Caritas wissen, dass mit Vinzenz‘ Aktivitäten für die Armen in seiner Umgebung ihre eigene soziale Arbeit angefangen hat.

Mit Kirche insgesamt haben ja viele heute ein Problem. Das soziale Engagement von Kirche und Christenmenschen finden die meisten aber immer noch sehr wichtig. Und weil die ja für alle Menschen da sind, die sie brauchen,  sollen ruhig auch staatliche und öffentliche Gelder  kirchliche Einrichtungen und Aktivitäten mitfinanzieren: Viel Steuer-Geld für Kitas und Kinderheime,  für Caritas und Beratung;  Kliniken und Altenpflege gibt es, weil alle Versicherten mitbezahlen. So beteiligen sich fast alle am Dienst für andere Menschen und besonders für die Menschen in Not.

Ich finde das schön und richtig – und an seinem Gedenktag heute und auch sonst freut sich der Heilige Vinzenz von Paul sicher auch.

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SWR2 Wort zum Tag

26SEP2023
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Gefühlt immer mehr gläubige Menschen berufen sich gern und leicht auf die „höchste Instanz“: Das und jenes sei „Gottes Wille“, argumentieren auch Christenmenschen.  Klingt ein wenig nach Mittelalter. Da hieß es „Gott will das“ – und auf ging‘s in blutige Kreuzzüge und Gemetzel. Das ist Geschichte – aber wie gesagt: auch neuerdings entzieht sich mancher der weiteren Diskussion, weil inzwischen sowieso die Argumente fehlen.

An diese Leute musste ich denken angesichts einer  vordergründig ganz anderen Geschichte.  Da gibt es von einem Trierer Vorort aus eine steile und enge Straße Richtung Autobahn auf der Eifelhöhe. Zwei oder drei Haarnadelkurven machen es noch enger –  und auch deswegen verbieten unten im Tal mehrere Schilder die Weiterfahrt für Fahrzeuge mit mehr als 2,8 Tonnen. Ignoriert hatte das Verbot der Fahrer eines 32-Tonnen-Sattelzugs. Erste Kurve noch geschafft – aus der zweiten mussten ihn dann  Feuerwehr und zwei Schwerlastkräne herausretten.

Sein Navi hatte ihm diesen Weg gezeigt, sagte der LKW-Fahrer; ich verlasse mich auf das Navi – ist doch eine höhere Instanz als ich. Und dann – da ähnelt der Trucker eben  manchen fundamentalistischen Gläubigen – warum sollte ich dann noch selbst nachdenken oder mich auf Verbote einlassen oder andere Hinweise wahrnehmen.  Die oberste oder jedenfalls höhere Instanz will das von mir und jetzt…

Das kann schlimme Folgen haben – siehe Kreuzzüge oder festgefahrener Truck; aber auch wenn es weniger schlimm kommt, ist es oft genug falsch. Schon richtig: Wer an Gott glaubt, vertraut das eigene Leben  und die Mitmenschen und die ganze Welt ja eigentlich Gott an. In der zuversichtlichen Hoffnung, dass Gott für seine Schöpfung  nur das Gute will – und immer noch das Bessere.

Nur: Wenn ich daran mitarbeiten will – also am Guten und am immer Besseren für Welt und Menschen, für Schöpfung und Geschichte: wenn ich das ernsthaft will,  muss ich auch alle Kräfte aktivieren,  die der SchöpferGott mir dafür mitgegeben hat. Hingucken also, aufmerksam bleiben und selbst nachdenken. Mich klug beraten mit anderen denkenden Menschen. Wahrnehmen, was die Menschen in meiner Umgebung jetzt brauchen, was die Welt wirklich verbessern kann –  oder im Fall des Navis einfach nur, was jetzt aus gutem Grund verboten oder einfach unmöglich ist.

Und dann handeln, weiterfahren oder den Kurs korrigieren. Manchmal ist der richtige Weg ja ein bisschen länger als der kürzeste. Am Ende geht es schneller voran – für mich selbst und viele andere Und das will auch der liebe Gott, glaubt auch altfried g. rempe, Trier von der katholischen Kirche…

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SWR2 Wort zum Tag

25SEP2023
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Die katholische Kirche erinnert heute an einen Heiligen, der anders gewesen ist als viele andere im HeiligenKalender. Nikolaus von Flüe war einer, der einfach nur versucht hat,  Gottes Berufung für sein eigenes Leben zu hören und diesem Ruf zu folgen. Wie er das getan hat, ist aus heutiger Perspektive seltsam gewesen:  Ein angesehener schweizerischer Bauer und Lokalpolitiker, Ratsmitglied und Richter – einer, der sich  für Frieden und Gerechtigkeit engagierte.  Außerdem ist er Vater von zehn Kindern. Und der gibt das alles dran und verlässt die Familie,  als das jüngste gerade mal ein Jahr alt ist; seine Ehefrau hatte dem ausdrücklich zugestimmt.

Fortan lebt Bruder Klaus als Einsiedler nur noch von Fasten und Gebet. In einer bescheidenen Hütte – ganz in der Nähe der Familie;  da vertieft er sich in Meditation und Gebet. Viele Menschen besuchen ihn;  auch Politiker und mächtige Männer fragen um Rat und bekommen den auch. Vielleicht noch mehr als vorher geht es ihm um Gerechtigkeit und Frieden. Manche sagen, dass die schweizerische Eidgenossenschaft  beinah auseinandergefallen wäre, 1481; Streitereien zwischen Städten und Landgemeinden – kennt man ja auch heute. Nachts hat eine Gesandschaft den Einsiedler aufgesucht;  und in letzter Minute habe Nikolaus die Beratungen gerettet, heißt es –  mit einem Hinweis oder einem Gedanken, der bis heute geheim geblieben ist.

Nikolaus von Flüe ist für mich eine Art Beweis dafür, dass Glaube und Gebet, dass also ein Leben in enger Verbindung zu Gott  wirklich die Welt prägen kann und sie verändert – und zwar durch konkrete Menschen und durch ihre Konsequenz und ihre Hingabe an die göttliche Kraft.

Groß und Klein haben Bruder Klaus ja um Rat gefragt; sie haben diese höhere Kraft gesucht und bei ihm irgendwie gespürt.

Ein heiliger Bauer – Landespatron der Eidgenossenschaft  und Vorbild und Patron für viele katholische Bäuerinnen und Bauern und für ihren Verein, die Landvolk-Bewegung. Am Gedenktag heute erinnert die zugleich auch an Dorothee Wyss, die Ehefrau und Mutter seiner Kinder:  diese starke Frau hat jahrelang den großen Hof gemanaged  und ihn in seiner Einsiedelei vor allzu großem Andrang geschützt. Sie hat ihm sein Leben in Heiligkeit im Grunde erst möglich gemacht; viele sehen da inzwischen ein heiliges Ehepaar –  auch ohne dass die Kirche Dorothee ausdrücklich für „heilig“ erklärt.

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SWR2 Wort zum Tag

05AUG2023
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Dass die Zinsen wieder steigen, wirbelt in unserer Volkswirtschaft einiges ganz schön durcheinander. Ein Haus bauen oder kaufen – plötzlich für viele junge Familien wieder kaum noch denkbar.

Weltweit ist das mit den wachsenden Zinsen aber noch viel schlimmer: Deswegen fordert etwa die Vulnerable Group of 20 eine Reform und wirklichen Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt. Sonst wären Entwicklungs-Fortschritte gefährdet – auch wegen der Folgen des Klimawandels gerade für arme Länder.

Schulden erlassen – für alle, die das brauchen: das fordern auch kirchliche Hilfswerke; und die können sich dabei auf die Bibel berufen – da findet sich ein spannendes Gebot, immer mit der Zahl „sieben“ im Hintergrund.

Ganz am Anfang: nach sechs Tagen Schöpfungsarbeit ruht Gott aus – am siebten Tag, dem Shabbat ist Ruhe – da können sich alle erholen: die Menschen, die Tiere und Pflanzen und alles andere. Weitergedacht: das siebente Jahr soll Sabbat-Jahr sein – Da soll auch das Land selbst Ruhe haben…

Und richtig interessant wird es nach sieben mal sieben Jahren. Das fünfzigste Jahr wird Jobeljahr genannt, shnat hajovél oder auch Erlassjahr. Ziemlich revolutionär – zu biblischen Zeiten und heute erst recht. Das Erlassjahr ist Vorbild für den geforderten Schuldenerlass heute. Die reichen Länder sollen den armen und verschuldeten des Südens ihre Schulden ganz oder teilweise erlassen. Eine biblische Idee, eigentlich sehr modern. Weltweit anwendbar. Leider seit Jahren nur wenig erfolgreich.

Dabei geht es im biblischen Jobeljahr noch heftiger zu: Alle Sklavinnen und Sklaven sollen frei sein und heimgehen – und vor allem: Jeder Israelit soll sein Land zurückerhalten; Grund und Boden gehört ja eigentlich Gott und ist von Gott nur „gepachtet“. Alle 50 Jahre also günstiger Rückkauf oder gleich Rückgabe . Bodenbesitz wird umverteilt, das stellt die Gleichheit aller Menschen wieder her und macht einen gemeinsamen Neuanfang möglich für arme und reiche Leute – ähnlich wie der Schuldenerlass ...

Das Land gehört Gott oder weniger fromm dem Staat oder der Kommune. Und wer wohnen und leben will und muss, kann bezahlbar wohnen… Das wäre auch für heute doch mal eine interessante Idee.

Den Armen ihre Schulden erlassen; Grund und Boden preisgünstig verpachten… Ist vielleicht doch mehr als eine biblische Utopie – hofft altfried rempe…

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SWR2 Wort zum Tag

04AUG2023
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Ein bisschen chaotisch war das schon, mal wieder – wie Bahnfahren eben gelegentlich sein kann. Wir kamen von einem Fest in Bremen und mussten abends noch nach Hause. Verspätung: bisschen über eine Stunde. Normal also. Allerdings: Die Bahn muss die Moselstrecke von Koblenz nach Trier reparieren oder teilweise erneuern – deswegen: Schienen-Ersatzverkehr bis Wittlich.

Beim Umsteigen vorher hatten wir den blinden Herrn W. in den total überfüllten Zug begleitet – und waren fasziniert, wie der seine Weiterfahrt nach Luxemburg managte: ununterbrochen am Telefon mit der Bahn und mit irgendwelchen Leitstellen; jedenfalls hatte er es geschafft, dass der Ersatzbus in Koblenz auf ihn wartet. Schön für uns, dachten wir – dann kriegen wir den ja auch. Wir hatten es auch in den Ersatzbus geschafft – er verhandelt draußen noch darüber, wie er dann weiterkommt.

Und dann leider, leider: Bus voll; kein Platz mehr für ihn. Zweitbus ungewiss. Kann bitte jemand aussteigen – der blinde Mann hier muss heute noch weiter. Gut, dass Herr W. die Reaktion wenigstens nicht sehen musste: Alles guckt nach unten oder in die Luft… – Da haben wir kurz überlegt und sind dann eben wieder raus. Schön, sein dankbares Gesicht zu sehen. Und wer ungläubig fragte: ihr wollt wirklich hier zurückbleiben? denen konnte ich locker antworten: Tja – manchmal kann ich auch Nächstenliebe!

Der Zweitbus kam dann doch – ein Reisebus statt des Stadtbusses und überholte den auf der Strecke; in Wittlich konnten wir dann den Anschlusszug aufhalten – mit einem kleinen Joke: „Der blinde Passagier kommt erst noch mit dem anderen Bus…“

Endlich mal, dachte ich mir, endlich mal kein Fluch der guten Tat. Wir hatten mehr Komfort und kein bisschen schlechtes Gewissen dabei. „Hat sich also sogar gelohnt“ zu sagen, wäre natürlich dummes Zeug – da hatten einfach glückliche Umstände was gefügt – und wir durften davon profitieren.

Schon richtig: eigentlich hätte die Bahn das hinkriegen müssen – was hatten wir uns da einzumischen! Ich denke lieber andersherum – gelegentlich. Jedenfalls, wenn die Chance so offensichtlich auf der Hand liegt, mal für jemand was Gutes zu tun: da versuche ich zuzugreifen. Am Schluss könnten beide was davon haben. Win-win-Situation heißt das – und auf die Dauer sollten viel mehr Menschen mit einer solchen Aussicht die eine oder andere Sache selbst in die Hand nehmen. Nach unten gucken, auf‘s Handy oder in die Luft: ist einfach zu wenig…

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SWR2 Wort zum Tag

03AUG2023
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Ein bisschen seltsam ist es schon, was die hebräische Bibel da berichtet: „Als Mose vom Berg Sinai herunterstieg, die beiden Gesetzes-Tafeln in der Hand, wusste er nicht, dass die Haut seines Gesichtes Licht ausstrahlte, weil er mit dem Herrn geredet hatte. Als Aaron und alle Israeliten Mose sahen, strahlte die Haut seines Gesichtes Licht aus, und sie fürchteten sich, in seine Nähe zu kommen.

Dann kamen alle Israeliten herbei, und er übergab ihnen alle Gebote, die der Herr ihm auf dem Sinai mitgeteilt hatte.

Wenn die Israeliten das Gesicht des Mose sahen und merkten, dass die Haut seines Gesichtes Licht ausstrahlte, legte er den Schleier über sein Gesicht, bis er wieder hineinging, um mit dem Herrn zu reden.“ (aus Ex / 2. Mose 34, 29-35)…

Schade: für die anderen Menschen scheint es gefährlich zu sein, sie fürchten sich davor – als könnte die heilige Strahlung auch sie treffen und verletzen; und von göttlichem Licht getroffen zu werden, das galt da eben als sehr gefährlich. Deswegen verschleiert Mose sich – und kann nur so auch mit normalen Menschen reden und Gottes Botschaft mit ihnen teilen.

Friedrich Nietzsche sieht das – ein paar tausend Jahre später – anders: „Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!“ (Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 15)

Wie schön wäre das aber doch; würde ich mir selbst und anderen Christenmenschen auch wünschen: Wer Gott begegnet, wer im Heiligtum ist oder nach dem Gottesdienst herauskommt, strahlt etwas aus – die Bibel beschreibt es ja als beinah physisch wahrnehmbare Strahlung in der Gesichtshaut: da leuchtet es, da ist Licht.

Schon klar: da dürfte dann bitte auch noch mehr sein – mehr jedenfalls als eine Strahlemann- oder Strahlefrau-Maske, die jemand aufsetzt, weil das jetzt dran ist. Wer Gott begegnet und sich getragen fühlt, wird Engagement mitbringen und Zuwendung oder sogar Liebe. Und Gutes tun, für andere Menschen da Sein und Zeit und Energie haben: das fällt auch mir leichter mit einem freundlichen Gesicht dabei; so ein innerliches Strahlen kommt bei den anderen Menschen auch besser an. Unverschleiert – aber hoffentlich ehrlich und glaubwürdig.

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SWR2 Wort zum Tag

02AUG2023
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Im Namenstags-Kalender finde ich heute Petrus Faber – der hieß eigentlich Pierre Favre, war geboren 1506 als Sohn einer Bauernfamilie in Savoyen; bildungshungrig ging er trotz seiner ländlichen Herkunft zur Schule und zum Studium der Theologie nach Paris. Da und in Rom hat er dann mit Ignatius von Loyola und weiteren fünf Männern bald schon den Jesuitenorden gegründet.

Interessant und beachtlich bis heute oder heute erst recht wieder, finde ich, ist Petrus Fabers grundlegende Einstellung, wenn er mit anderen Menschen und Meinungen oder gar mit Gegnern umzugehen hatte: er wollte sie gewinnen für die richtige Meinung, für den richtigen Glauben, für gute Entscheidungen… Aufgeschrieben und gelebt hat er das mitten in einer Zeit harter Auseinandersetzungen um Einheit oder Spaltung der Kirche in und nach der Reformation:

„Als Erstes“, schreibt er, „muss, wer den Irrgläubigen unserer Zeit helfen will, zusehen, dass er ihnen viel Liebe entgegenbringt und dass er sie in Wahrheit liebt, indem er seinen Geist von allen Überlegungen freimacht, die der Achtung vor ihnen abträglich sein könnten.

Als Zweites müssen wir ihre Gunst zu gewinnen suchen, dass sie uns lieben und uns einen guten Platz in ihrem Geiste geben. Das geschieht, wenn man sich mit ihnen freundschaftlich über Dinge unterhält, die ihnen und uns gemeinsam sind, und sich vor allen Streitgesprächen hütet, wo einer den anderen herabzusetzen sucht.“ 

Zuerst nach gemeinsamen Punkten und Einsichten suchen, statt sich gleich kritisch in die Haare zu geraten und zu streiten: Wie wichtig wäre das heute wieder angesichts schnell hingetwitterter oder gefacebookter Verurteilungen und Abwertungen, von Spott oder gar Hass und Häme über andere Menschen, die ja oft nur scheinbar anders sind! Das Gemeinsame besprechen – und Achtung ausdrücken vor den anderen oder sogar sowas wie Sympathie mit ihnen und Verständnis für ihre Meinung, auch wenn ich sie falsch finde: Das wäre eine menschlichere Grundlage für das weitere Gespräch. Und von da aus kann ich dann natürlich mein Gegenüber auch freundlich einladen: überleg' doch noch mal, ob meine Idee oder meine Meinung oder Entscheidung besser passt – auch für dich.

Brücken bauen statt Mauern errichten; Achtung und Sympathie füreinander – vielleicht sogar Liebe: Wäre doch ein Gewinn für alle online – und offline natürlich sowieso.

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SWR2 Wort zum Tag

10JUN2023
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Es ist ein ziemlich verwirrendes Kunstwerk, eigentlich;  eine Marmorgruppe stellt den sagenhaften Priester Laokoon dar und seine zwei Söhne – überfallen, umringelt, verwickelt von zwei Schlangen. Schon sehr durcheinander, das alles.  Dabei gilt diese Skulptur aus römischer Zeit, also zweitausend Jahre alt, anderseits als Vorbild, als Ideal von künstlerischer Gestaltung überhaupt. (Schon Goethe und sein Freund Eckermann haben sie  im Vatikan in Rom gesehen und regelrecht geschwärmt.)

Sehr einfach erzählt ist die Sage zu diesem Kunstwerk: Der Priester Laokoon hatte im Tempel seines Gottes eine Frau geliebt; und die Schlangen waren sozusagen die göttliche Strafe für diesen Frevel. Diese Szene hat der Bildhauer im ersten Jahrhundert in Stein gehauen; anderthalb tausend Jahre später ist sein Werk in Rom ausgegraben worden und an den Papst verkauft. Steht im Vatikanischen Museum…

Und da – der Verwirrung dritter Teil – da haben sich letztes Jahr  eine junge Kunststudentin und ein Gesundheitspfleger fast meines Alters am Sockel der Laokoon-Gruppe festgeklebt.  Klima-Aktivisten der Ultima Generazione, wie sie dort heißt. Vor sich ein Plakat „Kein Gas – keine Kohle – letzte Generation“. Weiteren Schaden für das Kunstwerk haben sie gezielt vermieden –  die Studentin ist schließlich vom Fach. Wobei: Kann man auch kritisch sehen, solche Klebe-Aktionen; die dürfen sicher nie andere Menschen in Gefahr bringen…

Am nächsten Montag – und das ist jetzt die nächste Stufe der Verwirrung: nächsten Montag stehen die beiden vor einem Gericht des Vatikan-Staates.  Das verwirrt, ja das verstört mich; Oberhaupt des Vatikans, der Monarch und Souverän also ist nämlich der Papst Franziskus, der in seiner bewegenden und ganz zentralen Enzyklika „laudato sí“ so dringend dazu aufgerufen hat und aufruft, endlich ernsthafte Schritte zu unternehmen, um die Welt und die Menschen vor der Klima-Katastrophe zu retten –  wenn es sein muss auch unter Verzicht auf manchen Wohlstand.

Da erinnert Papst Franziskus an den heiligen Franziskus und seine Liebe zu den Geschöpfen. Er beklagt, dass die Zerstörung der Schöpfung schon jetzt  die Armen viel härter trifft als uns Reiche –  wobei die Reichen vorläufig davon profitieren und alles noch verschlimmern…

… und seine Staatsanwaltschaft  hält die Klimaklebrin und ihren Kumpan für strafbar!? Ich bin fassungslos und verwirrt –  und hoffe, dass da Einsicht und päpstliche Gnade walte vor dem Strafrecht.

Ein Papst, der Gottes Schöpfung preist und dringend um Rettung fleht:  Wie sollte der ernsthaft Menschen bestrafen lassen,  die endlich die dringend nötigen Schritte in die richtige Richtung fordern?

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SWR2 Wort zum Tag

09JUN2023
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Gestern war das katholische Fronleichnams-Fest mit Jesus-Demo in vielen Städten und fast allen Dörfern. Da tragen die katholischen Pfarrer das Sakrament  durch die Straßen und über die Felder,  auf dem Rhein auch schon mal mit dem Schiff über’s Wasser. Und an vielen Orten sind Blumenteppiche ausgelegt  oder schöne Ornamente aus farbigem Sägemehl… Christenmenschen unterwegs ; sie singen, beten,  verehren Jesus Christus, den sie da im heiligen Brot in ihrer Mitte wissen. Zu sehen durch ein kleines Fenster in einer so genannten Monstranz, einem Zeige-Gerät.

Früher, sagt man, hätten evangelische Bauern gern  ausgerechnet dann ihre Felder mit Jauche gedüngt,  wenn die Prozession vorbeizog.  Fronleichnam – das war auch eine Demonstration.  Da ging es katholisch gegen evangelisch.

Gestern, wie gesagt.  Und für viele sowas von gestern –  jedenfalls, was die angeblichen Konfessions-Unterschiede angeht. Ja – katholisch und evangelisch   sehen das mit dem heiligen Brot ein wenig verschieden.

Aber  überhaupt: den meisten Christinnen und Christen ist eigentlich längst klar, wie relativ dieser Unterschied doch eigentlich ist,  jedenfalls angesichts der Herausforderungen an die Christenheit  und den Glauben insgesamt. Jesus selbst hat das Fenster viel weiter aufgemacht;  er erinnert immer wieder daran:  Das Gemeinsame wäre viel wichtiger –  und damit könnten katholisch und evangelisch und wie auch immer christlich glaubende Menschen doch eigentlich nur gemeinsam auf die Straßen gehen –  könnten auch im Alltag zeigen, was ihr Glaube ihnen eigentlich bedeutet.

Was sie nämlich wirklich wichtig macht für die Welt, in der sie mit so vielen anderen leben – das ist: Dass sie da sind für die Menschen in Not und Armut,  in Krieg und Unterdrückung;  dass sie da sind für andere – als einzelne und als Kirche. Dass sie die Botschaft von Gottes Liebe zur Welt und zu den Menschen verbreiten und selbst in die Tat umsetzen. Aktiv, in der Nachbarschaft und ganz in der Nähe oder weit weg – aber eben verbunden durch Gottes Liebe zu allen.

Daran erinnert uns Katholische das Brotsakrament, das wir da gestern durch die Gegend getragen haben,  demonstrativ, aber hoffentlich glaubhaft…

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SWR2 Wort zum Tag

01APR2023
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1893 – heute vor 130 Jahren: da war ein bisschen Schluss mit April April. Und zwar am ersten April. Kein Scherz.

Bis da hin galt in vielen Gegenden von Deutschland die Berliner Zeit – anderswo eine Münchener Zeit; und es gab natürlich regionale Zeiten, einzelne Länder hatten ihre eigenen Uhren. Und die natürliche Zeit, also die Sonnenzeit, wie vom lieben Gott geschaffen: die ist ja sowieso überall anders; solange die Erde sich drehen muss, bis Mittag ist, gehen Uhren eigentlich immer ein bisschen falsch. Gut, dass das dem ewigen Gott vermutlich egal ist. Der schaut – wenn überhaupt – eher darauf, was die Menschen mit und in ihrer Zeit machen.

Aber – von wegen April April: mit der Sonnenzeit gäbe es weder Nachrichten immer zur vollen Stunde im Radio, noch einen Fahrplan für die Eisenbahn. Nach der Sonne und im Schöpfungsplan ist ja in jedem Kaff zwölf Uhr mittags ein bisschen früher oder später als etwa im östlichen Nachbardorf.

Vor 130 Jahren waren es konsequenterweise auch die Eisenbahnen, die die eine verbindliche Zeit eingeführt haben – die Mitteleuropäische Zeit oder jetzt wieder Sommerzeit. Anderthalb Stunden Sonnenzeit-Unterschied von der polnischen Ost-Grenze bis an die französische und portugiesische Atlantik-Küste, politisch von der EU in eine Zeitzone gepackt.

Es macht der biologischen Uhr wohl keine Probleme; nur ein paar Natur-Freaks würden sich lieber genau nach der Sonne richten. Und ganz ganz fromme Leute wohl auch. Bei mir ist es eher ein bisschen Neid: die Leute in der Bretagne haben es abends so viel länger hell als wir hier!

Ungleichzeitig sind die Menschen trotzdem immer noch – obwohl die Uhren überall gleich gehen. Aber junge Menschen ticken eben anders als alte, linke als rechte, Fromme und Atheisten; Menschen sind islamisch christlich jüdisch oder gar nichts. Der liebe Gott hat sie so in die Welt gesetzt: Frei und verschieden – und doch alle nach seinem Bild geschaffen.

Dass Gott seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und Guten: und dass es regnet über Gerechte und Ungerechte: das finden manche ja eher problematisch. Aber Gottes Liebe ist eben geduldig und ewig und größer; und ganz unabhängig von Zeiten und Zonen hofft Gott wohl, dass die Menschen sich doch noch eines besseren besinnen. Das gilt für alle – immer, auch heute, am ersten April.

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