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SWR Kultur Wort zum Tag
Heute ist Weihnachten. Also offensichtlich nicht das im Dezember. Sondern Sommerweihnachten. So zumindest hat man den heutigen Johannistag früher genannt. Der hat seinen Namen von Johannes dem Täufer. Angeblich war der genau sechs Monate älter als Jesus. Deswegen wird heute, am 24. Juni, sein Geburtstag gefeiert.
Die bekannteste Tat von Johannes ist – wenig überraschend – eine Taufe. Nämlich die Taufe Jesu. Jesus lässt sich als erwachsener Mann, zu Beginn seines öffentlichen Auftretens, von Johannes taufen. So erzählen es die Evangelien. Johannes will das zuerst gar nicht. Denn er weiß, wie besonders Jesus ist.
„Ich müsste doch eigentlich von dir getauft werden“, wendet Johannes ein. Er erkennt als einer der ersten, dass Jesus der Messias ist, auf den alle warten.
Aber Jesus lässt nicht locker und Johannes erfüllt seinen Wunsch schließlich und tauft ihn. Wenn ich heute mit Eltern spreche, die ihr Kind taufen lassen möchten, höre ich oft denselben Wunsch: Sie möchten, dass ihr Kind beschützt wird. Dass es erfährt, dass es in seinem Leben – auch in dunklen Momenten – nicht alleine ist. Ich kann mir vorstellen, dass sich Jesus genau das am Anfang seines Wirkens auch gewünscht hat. Dass er das Gefühl hatte: Ich brauche jetzt Beistand. Ich habe eine große Aufgabe vor mir. Allein ist das nicht zu schaffen. Auch Jesus hat Zuspruch gebraucht. Denn er war voll und ganz Mensch. Kein Halbgott, der über uns Menschen steht. Sondern ein Mensch, der zweifelt und Angst hat. Der fühlt und Bedürfnisse hat. Das Besondere an diesem Menschen Jesus ist: Er hat uns etwas davon gezeigt und erzählt, wie Gott ist. Er hat eine Beziehung zwischen Gott und Menschen hergestellt. Die ihm begegnet sind, haben in ihm den Sohn Gottes gesehen. In dem Menschen Jesus ist ihnen Gott begegnet. Auch Johannes hat das Besondere in Jesus gesehen. Er hat ihn unterstützt. Er hat ihm geholfen und gestärkt für die Aufgabe, die vor ihm lag.
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Wen würde Jesus wählen? In knapp drei Minuten ist es ja soweit. Die Wahllokale für die Europawahl öffnen. Im Wahlkampf kam es über die Frage, auf welcher Seite Jesus stehen würde, zu einer kontroversen Debatte. Jesus wäre Spitzenkandidat der Europäischen Linken im Kampf gegen die Sicherung der Europäischen Außengrenzen und die Festung Europa, behauptete ein Abgeordneter der Linkspartei. Quatsch, erwiderte ein Abgeordneter der AfD. Nur seine Partei trete glaubhaft für den Erhalt des christlichen Abendlandes ein. Jesus wäre selbstverständlich Spitzenkandidat der AfD.
Ich halte es eigentlich für unsinnig, Jesus auf diese Art für die eine oder andere Partei zu vereinnahmen.
Ich finde, es ist trotzdem nicht beliebig, was ich als Christ sage oder tue und wem ich meine Stimme gebe, damit er mich repräsentiert. Die biblischen Erzählungen machen Vorschläge, wie Zusammenleben funktioniert; Die Evangelien setzen sich kritisch mit der Gesellschaft, Machtstrukturen und Herrschenden auseinander. In diesem Sinne ist die Bibel auf jeden Fall ein politisches Buch.
Der Epheserbrief, über den heute in vielen evangelischen Kirchen gepredigt wird, macht Vorschläge, wie Zusammenleben – auch von Menschen völlig unterschiedlicher Kultur und Prägung – gelingen kann. Nämlich indem man auf das schaut, was einen mit anderen verbindet und vereint, nicht auf das, was trennt oder worin wir unterschiedlich sind. Und das finde ich immer noch einen guten Grundsatz.
Sicherlich kann man manches an der EU kritisieren.
Aber sie hat über die vergangenen Jahrzehnte doch eine gewisse Stabilität und vor allem Frieden in Europa gebracht. Und ich glaube, dass ist etwas, nach dem sich die allermeisten Menschen – übrigens auch diejenigen, die zu uns flüchten – sehnen: In Frieden und Sicherheit leben – mit einem ausreichenden Maß an materiellem Wohlstand.
Ist das nicht ein Projekt, an dem man gemeinsam bauen kann? Egal, wer wir sind oder wo unsere Wurzeln liegen? Der Epheserbrief betont: Friedliches Zusammenleben ist ein urchristliches Anliegen.
Ich glaube deshalb: Jesus würde eine Partei wählen, die Europa fördert. Die das Friedensprojekt Europa vorantreiben und nicht einstampfen will. Eine Partei, die versucht zu einen und nicht zu spalten; die nicht ausgrenzt, sondern integriert.
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Wie entsteht eigentlich Streit? Eigentlich streitet sich ja keiner gerne. Und doch tun wir es immer wieder.
Das hat sicher unterschiedliche Gründe. Streit entsteht aus Emotionen. Wenn jemand enttäuscht wurde. Wenn persönliche Überzeugungen im Spiel sind oder das Gerechtigkeitsempfinden betroffen ist.
So ist das auch bei Gott. Die Bibel erzählt, wie Mose, der Anführer der Israeliten, Gottes Wut und Emotionen voll abkriegt. Über ein Gespräch zwischen den beiden wird heute in vielen evangelischen Kirchen gepredigt.
Gott fühlt sich von seinem Volk, den Israeliten, verraten. Er will sie vernichten. Denn während Mose auf einen Berg gestiegen ist, um mit Gott zu sprechen, haben sich die Israeliten einfach einen neuen Gott erschaffen: ein goldenes Kalb. Etwas Sichtbares, das sie anbeten können. Den Gott, der sie aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat, den haben sie abserviert. Obwohl er ihnen Hoffnung geschenkt und eine bessere Zukunft ermöglicht hat.
Und Gott reagiert sehr emotional auf diese Untreue. Er ist tief verletzt und möchte die Israeliten vom Erdboden tilgen. Als Mose das hört, bittet er für die Israeliten. Er ruft Gott ins Gedächtnis, was er schon alles mit seinem Volk, durchgemacht hat. Dass er sie befreit hat. Und das wirkt. Gott lässt sich umstimmen. Ja, er bereut, was er gedacht und gesagt hat. (2. Mose 32,7-14)
Gott erscheint in dieser biblischen Erzählung als jemand, der emotional ist. Der zürnt und hasst und gleichzeitig liebt und vergeben kann. Zuerst einmal wirkt es auf mich abschreckend, dass Gott zu solcher Wut fähig ist. Wo ist da der „liebe Gott“?
Aber es zeigt eben auch: Gott fühlt etwas für die Menschen; Sie sind ihm wichtig. Es ist ihm nicht egal, was ich mache. Und Gott kann mich auch verstehen, wenn ich wütend bin oder emotional überreagiere, weil er diese Seite selbst kennt.
Trotzdem bin ich froh, dass Mose Gott beschwichtigt und er ihn an seine liebende, vergebende Seite erinnert hat. Er hat Gott davon abgehalten, etwas zu tun, was er hinterher vielleicht bereut. Und das erscheint mir auch in der Emotion wichtig. Dass man nicht überreagiert und etwas tut, das man nicht wiedergutmachen kann. Gut, wenn man Menschen an seiner Seite hat, die einen beschwichtigen können.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39852SWR2 Wort zum Tag
Das ist einfach ungerecht! Mit Schülerinnen und Schülern habe ich das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg diskutiert. Und die Schüler konnten sich gar nicht damit anfreunden, dass am Ende alle Arbeiter den gleichen Lohn bekommen – egal, ob die den ganzen Tag oder nur ein paar Stunden gearbeitet haben. Einfach ungerecht fanden sie das.
Gewundert hat mich das eigentlich nicht. Die Vorstellung von Leistungsgerechtigkeit, nachdem jeder gemäß dem Wert seiner Leistung entlohnt wird, ist bei uns gesellschaftlich ziemlich weit verbreitet.
Aber wenn ich zum Beispiel mal Gehalt und Boni eines Vorstandes der Deutschen Bahn mit dem eines Lokführers vergleiche, frage ich mich schon, ob das gerecht ist. Leistet der Manager so viel mehr als andere „normale“ Angestellte. Ist das wirklich gerecht? Viele Menschen empfinden das zumindest nicht so.
Also dann vielleicht doch lieber einer Form der Bedarfsgerechtigkeit, wie sie bei den Arbeitern im Weinberg stark gemacht wird. Denn darum geht es im Kern: Jeder soll so viel bekommen, damit es für ihn und seine Familie zu einem guten Leben reicht – unabhängig von seiner Leistung.
Aber auch das finde viele Menschen ungerecht, nicht nur meine Schüler.
Ja, was ist gerecht? Darüber könnte man sicher tagelang diskutieren.
Das Problem ist: DIE eine Gerechtigkeit gibt es nicht. Und gerade deshalb muss man immer wieder diskutieren; Leitplanken ausloten, an denen man sich orientieren kann und soll. Und ich glaube, da sind wir alle gefordert.
Der Theologe Gerd Theißen schreibt über Gerechtigkeitsvorstellungen in der Bibel:
„Das Gerechtigkeitsmotiv verpflichtet alle zur Gerechtigkeit. Nicht nur den König, sondern das ganze Volk ist verantwortlich dafür,
dass der Schwache geschont,
der Fremde respektiert,
der Arme unterstützt wird.“[1]
Ich glaube, das ist etwas ganz Wichtiges: Nämlich, dass die Verantwortung für Gerechtigkeit und füreinander nicht abgeschoben wird. Man ist selbst mitverantwortlich dafür, dass es gerecht oder eben ungerecht zugeht.
Denn Gerechtigkeit lässt sich nicht nur durch die Politik oder Gesetze regeln. Klar, manches könnte man sicher auch von dort aus in bessere Bahnen lenken. Aber insgesamt ist es doch ein höchst komplexes Geschehen, Bedingungen zu schaffen, in denen es so gerecht wie möglich zugeht. Ich glaube, da können wir uns alle einbringen und Verantwortung füreinander übernehmen.
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[1] Gerd Theißen, Glaubenssätze, Gütersloh 2012, S. 266.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39625SWR2 Wort zum Tag
April, April. Gestern wurden wahrscheinlich wieder viele Leute in den April geschickt: Mit falschen Behauptungen veräppelt und reingelegt. Angeblich hat diese Tradition einen christlichen Hintergrund. Der 1. April soll der Geburtstag des Judas sein. Der hat Jesus mit einem Kuss an die Römer verraten, ihn also übel reingelegt, und somit seine Hinrichtung eingeleitet.
Der Hintergrund des Aprilscherzes ist also gar nicht witzig. Überhaupt geht es in der Bibel selten lustig zu. Das wirkt offensichtlich nach. Insbesondere Protestanten wird oft eine gewisse Ernsthaftigkeit nachgesagt.
Aber ich kann und will mir einfach nicht vorstellen, dass Jesus immer nur ernst gewesen ist. Vielleicht war es einfach zu selbstverständlich, dass er gelacht und gescherzt hat, als dass die Autoren der neutestamentlichen Erzählungen das erwähnenswert fanden.
Und ein paar Hinweise darauf, dass es auch bei Jesus und seinen Freunden nicht immer nur dröge und gesittet zugegangen ist, finden sich schon:
„Eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.“ (Markus 10,25)
Dieser Satz von Jesus hat einen ernsthaften Kern. Es geht um die Verteilung von Reichtum. Aber es ist auch ein völlig übertriebenes Bild. Klar, dass das zur damaligen Zeit größte Nutztier nicht durch so eine kleine Öffnung wie ein Nadelöhr passt. Das Bild, das man sich im Kopf davon macht, wirkt lächerlich. Absurd.
Humor ist in alten Texten nicht unbedingt immer gleich als solcher zu erkennen. Was als lustig empfunden wird, variiert über die Jahrhunderte stark. Auch Jesus zeichnet gedankliche Bilder, die überzogen und absurd sind. So funktioniert Humor heute auch noch.
Es wird auch erzählt, dass Jesus gefeiert hat. Auf einer Hochzeit zum Beispiel. Da hat er ja sogar Wasser in Wein verwandelt. Also wenn es da nicht lustig zugegangen ist, weiß ich auch nicht…
Aber warum ist es mir eigentlich so wichtig, ob Jesus gelacht oder Witze gerissen hat, ob er gefeiert hat?
Es macht ihn für mich nahbar, menschlich, wenn ich mir vorstelle, dass er gelacht und gefeiert hat. Er kommt mir so nähe, als ein Jesus, bei dem es nur um den Ernst des Lebens ging. Spaß und Humor macht mein Leben heller und fröhlicher. Es hilft mit, auch die Absurditäten und schwierigen Tage zu ertragen. Nicht nur Anfang April.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39624SWR1 3vor8
Kann man Gott eigentlich sehen? Das wurde ich neulich von einem Konfirmanden gefragt. Ich habe ihm dann eine Geschichte erzählt, die mir gut gefällt. Es geht um ein Gespräch zwischen einem jüdischen Gelehrten und seinem Schüler:
„Früher gab es Menschen, die Gott direkt ins Gesicht geschaut haben. Warum gibt es das heute nicht mehr?“ Das fragt der Schüler seinen Lehrer. Der Lehrer neigt seinen Kopf, überlegt kurz und antwortet: „Weil sich niemand mehr so tief bücken will.“[1]
Wer Gott sehen will, muss sich herabbeugen, bücken, nach ganz unten schauen. So wird es auch in einem Brief in der Bibel erzählt, über den heute in vielen evangelischen Kirchen gepredigt wird. Jesus, der Sohn Gottes genannt wird, hat seine göttliche Pracht abgelegt und hat die Gestalt eines Knechtes angenommen, heißt es da. (Phil 2,5ff)
Und genau so haben die Menschen Jesus auch erlebt, wie einen Knecht. Er hat vor seinem Tod seinen Freunden die Füße gewaschen. Eine Arbeit eigentlich für Diener.
Jesus hat sich mit Leuten abgegeben, mit denen niemand sonst etwas zu tun haben wollte. Er hat Partei ergriffen: für die Frau, die Ehebruch begangen hat und verurteilt werden sollte.
Jesus ist in der Hierarchie ganz nach unten gegangen, um für die Menschen da zu sein. Er hat den Menschen gedient, nicht von oben herab geherrscht.
Und wie es aussieht, wenn man sich daran orientiert, das konnte man in den vergangenen Monaten in den Vesperkirchen begutachten. In vielen Kirchen gab es über die kalten Wintermonate für Menschen, die es brauchen, günstiges Essen, Kleider oder ärztliche Behandlung.
Dienen und nicht herrschen – mittlerweile haben auch viele Politikerinnen und Politiker die Vesperkirchen für sich entdeckt. Und helfen mit beim Spendensammeln oder bei der Essensausgabe. Das bringt natürlich gute Publicity; es ist aber auch eine echte Geste, ein Symbol, das sagt: "Ich habe die sozial Geächteten nicht vergessen. Ich kümmere mich um sie. Auch ganz praktisch." Es darf natürlich nicht bei Symbolen und Gesten bleiben. Hoffentlich berücksichtigen die Politiker ihre Eindrücke, die sie da mitgenommen haben, auch beim Regieren.
Dienen, nicht beherrschen. Ich finde überall da, wo Menschen Verantwortung für andere haben, ist es gut, sich daran orientieren.
[1] Gefunden auf: https://www.pfarrerverband.de/pfarrerverand-predigtimpulse/predigtimpulse-detailansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=164&cHash=6bd59ed8b9cbb800b23eead7f8624ea8
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39564SWR1 3vor8
Manchmal da möchte man doch Gefühle oder Momente am liebsten einschließen. Für immer darin leben. Dann, wenn man voller Glück ist, ganz mit sich im Reinen, es keinerlei Störfaktoren gibt. Diese Situationen und Augenblicke dauerhaft zu konservieren – das wäre es!
So einfach geht das leider nicht. Die Hochs des Lebens sind flüchtig. Einfrieren und auftauen, wann man möchte, kann man solche Glücksmomente leider nicht. Oft muss man wieder quälend lange sie warten.
Für mich ist Weihnachten so ein Moment, den ich gerne festhalten würde. Klar, nicht alles an Weihnachten ist perfekt. Aber trotzdem: Ich finde an Heiligabend und den nachfolgenden Feiertagen legt sich immer so eine Ruhe übers Land. Familie und Freunde treffen sich. Über die Weihnachtstage ist alles andere unwichtig. Weihnachtsstimmung breitet sich aus. Ich habe jedes Jahr den Eindruck: Das tut uns gut.
Heute wird in vielen Kirchen nochmals an Weihnachten erinnert. Denn in einigen Traditionen endet die Weihnachtszeit erst am 2. Februar. In vielen evangelischen Kirchen wird dabei über einen Abschnitt aus dem 2. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth gepredigt. Paulus macht den Leserinnen und Lesern Mut:
Wir stehen von allen Seiten unter Druck, aber wir werden nicht erdrückt. Wir sind ratlos, aber wir verzweifeln nicht. Wir werden verfolgt, aber wir sind nicht im Stich gelassen. (2Kor 4,8)
Paulus erinnert an die Kraft, die durch Jesus in die Welt gekommen ist. Er schreibt seinen Brief Jahrzehnte nach Jesu Tod. Aber Jesus Botschaft hat weitergelebt und die Menschen ermutigt und gestärkt. Das ist bis heute so. Deshalb feiern wir immer noch Weihnachten, die Geburt Jesu. Da kommt eine Kraft in unser Leben, die uns stützt und trägt.
Die Weihnachtsstimmung lässt sich vielleicht nicht einschließen. Aber Weihnachten wirkt weiter. Das Fest ermutigt. Und wenn ich mich an diese friedlichen, fröhlichen, erfüllenden Weihnachtsmomente zurückerinnere, zieht mich das hoch, wenn ich ratlos oder verzweifelt bin.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39197
SWR2 Wort zum Tag
Was verbindet uns eigentlich? Diese Frage hat im Dialog unterschiedlicher Religionen eine gewisse Tradition. Man sucht nach Gemeinsamkeiten, die einem die gemeinsamen Wurzeln bewusst machen.
Als Christ verbindet mich mit einem jüdisch oder muslimisch Glaubenden so einiges: der Glaube an einen einzigen Gott zum Beispiel. Auch große Glaubensvorbilder, wie zum Beispiel Abraham, tauchen in allen Heiligen Schriften auf: in der Hebräischen Bibel, im Neuen Testament, im Koran. Überhaupt verbindet uns die Liebe zu einem Buch.
Trotzdem komme ich bei dieser Suche nach gemeinsamem Wurzeln irgendwann immer an einen Punkt, an dem auch die Unterschiede relevant werden. Ich stelle fest: Eigentlich trennt uns doch auch ziemlich viel. Diese Erkenntnis führt dazu, dass man sich eher wieder mehr voneinander wegbewegt, als aufeinander zugeht.
Deshalb hat sich eine theologische Denkrichtung entwickelt, die nicht mehr nach gemeinsamen Wurzeln, sondern nach gemeinsamen Zielen sucht. Wo gleichen die sich? Was können wir gemeinsam erreichen? Welche Ziele teilen wir? Denn man kann ja unterschiedlich sein und trotzdem gemeinsame Interessen verfolgen. Dabei muss keiner den anderen infrage stellen oder etwas von seiner eigenen Tradition auf- oder abgeben. Mir scheint das ein produktiver Ansatz zu sein. Weil es vereint und nicht spaltet. Weil man so das Miteinander fördert.
Ich wünsche mir das auch für unsere Gesellschaft. Ich habe den Eindruck, wir reden gerade viel über Herkunft. Wer hier sein soll und darf und wer nicht. Wo jemand herkommt. Aber ist das eigentlich so wichtig?
Ich finde, entscheidend ist die Frage, wie wir zusammenleben wollen. Was sind unsere gemeinsamen Ziele? Hinter welchen Werten versammeln wir uns? Ich zum Beispiel möchte in Freiheit und Frieden leben, in einem demokratischen Staat mit unabhängigen Institutionen, so wie es auch in unserem Grundgesetz vorgesehen ist.
Ich glaube, hinter solchen Zielen kann man sich gut versammeln. Dafür ist es nicht entscheidend, wo jemand herkommt oder wo er seine Wurzeln hat.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39196
SWR2 Wort zum Tag
Weinen und Lachen. Hassen und Lieben. Leben und Sterben. Große Worte. Große Gefühle. Das ganze Leben ließe sich wohl in solchen Begriffspaaren beschreiben. Sie stammen aus dem biblischen Buch des Predigers. Dieser Prediger blickt auf das Leben und beschreibt, was er wahrnimmt. Nüchtern und pragmatisch. Und zugleich ist es große Poesie.
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit usw… (Prediger 3.1ff)
Das ist wohl etwas, das die allermeisten kennen: Im Leben geht es hoch und runter. Es entwickelt sich selten linear; es gibt unterschiedliche Gefühls- und Stimmungslagen, Ereignisse, die von außen auf uns einprasseln, ohne, dass wir sie groß beeinflussen könnten. Vieles kann man nicht ändern, die Frage ist daher, wie geht man mit diesen Gegensätzen um? Der Prediger hat auch dafür einen Vorschlag: „Da merkte ich, es gibt kein größeres Glück, als sich freuen und es sich gut gehen lassen“ (Prediger 3,12)
Ich höre daraus: Aus alldem, was das Leben für mich bereithält, soll ich das Beste machen. Mein Leben so schön wie möglich gestalten. Ich finde das eigentlich eine gute Idee. Aber: Das Beste draus machen – das sagt sich natürlich relativ leicht, es umzusetzen, wenn man weint, hasst oder mit dem Tod konfrontiert ist, wird dann oft schwieriger.
Dem Prediger hilft dabei offensichtlich, dass er sich in der Ewigkeit Gottes aufgehoben weiß: Alles hat Gott so gemacht, dass es schön ist. Nur kann der Mensch das alles nicht begreifen, was Gott von Anfang bis zum Ende tut (Prediger 3,11)
Der Prediger anerkennt: Es gibt Grenzen der menschlichen Erkenntnis. Sein eigener Einfluss, auf das, was ihm passiert, ist begrenzt. Was nicht heißt, dass dem Prediger alles gleichgültig wäre. Weinen, lachen, leben, sterben, lieben – das gehört alles dazu, das ist wichtig. Aber er begegnet dem mit einer ziemlichen Ruhe. Ich habe den Eindruck: Weil er sich bei Gott geborgen fühlt, in eine größere Transzendenz eingebettet weiß, kann er das Leben im Hier und Jetzt voll und ganz bejahen. Pragmatisch, nüchtern, fröhlich, das Beste draus machend – so gut es eben geht. Ich will mir daran ein Beispiel nehmen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39195SWR2 Wort zum Tag
„Das muss man schon mal aushalten können, wenn man so viel verdient… „Solche Sprüche höre ich manchmal, wenn ich mich bestürzt darüber zeige, in welchem Ton zum Beispiel Sportler kritisiert oder Filmstars vernichtend schlecht beurteilt werden. Dabei geht es dann oft noch nicht einmal um Kritik an deren Leistungen, sondern um Beleidigungen auf einer persönlichen Ebene. „Das muss man schon mal aushalten können…“Viel aushalten müssen, finde ich, auch manche Politikerinnen und Politiker, deren Privatleben von manchen Medien genauestens beobachtet und skandalisiert wird.
Aber macht denn ein hohes Einkommen oder politische Verantwortung Menschen weniger sensibel oder verletzlich? Ist es in Ordnung, Menschen verbal anzugreifen, weil sie sozusagen schon ein „Schmerzensgeld“ dafür bekommen haben?
„Reiche und Arme beide hat Gott erschaffen“ (Sprüche 22,2). Dieser Spruch stammt aus der Bibel, aus dem Buch der Sprüche. Ich verstehe das so: es gibt keinen Unterschied zwischen Armen und Reichen. Alle Menschen sind gleich erschaffen, egal in welche Richtung sich ihr Leben entwickelt. Ob sie später arm oder reich sind, prominent oder unbekannt, ob sie politische Verantwortung tragen oder nicht.
Martin Luther hat das später bezeichnet als die Trennung von Person und Werk. Was ein Mensch tut, sollte unseren Blick auf sein Wesen als Mensch nicht verändern. Ganz verhindern lässt sich das wahrscheinlich nicht. Gerade deswegen finde ich es wichtig, sich das ab und zu bewusst zu machen.
Im Prinzip sind alle Menschen gleich ausgestattet: Sie haben verletzbare Gefühle und eine sensible Wahrnehmung. Sie sind von Gott geschaffen und haben eine unverletzliche Würde. Auch die Reichen und Schönen und Verantwortungsträgerinnen und Träger. Und dementsprechend sollte man sie auch behandeln.
Ich finde, nur weil jemand viel verdient oder politische Verantwortung trägt, darf man ihn nicht persönlich beleidigen oder verunglimpfen. Auch Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, haben ein Recht auf den Schutz der Privatsphäre. Denn am Ende bleibt der Mensch ein Mensch, der respekt- und rücksichtsvoll behandelt werden sollte.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39194