SWR2 Wort zum Tag

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08SEP2023
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Geburten verändern so einiges. Sie stellen das Leben auf den Kopf. Wohl kaum ein Ereignis hat so einen spürbaren Einfluss auf das Leben der Eltern, der Familie, wie die Geburt eines Kindes. Und manche Geburten haben nicht nur das Leben der betroffenen Familie verändert, sondern die ganze Welt.

Wie zum Beispiel die Geburt Jesu. Viele Kirchen erinnern heute an seine Mutter Maria. Allgemein steht in der Bibel nicht viel über Jesu Familie. Aber wie euphorisch der Anfang war, davon berichtet Lukas in seinem Evangelium sehr ausführlich:

Maria besucht ihre Verwandte Elisabeth. Bei ihrer Ankunft stimmt Maria in einen Lobgesang ein, das sogenannte Magnificat:

Ich lobe Gott aus tiefstem Herzen
Alles in mir jubelt vor Freude

Diese Begeisterung können sicher viele Schwangere teilen. Aber dann ändert sich der Ton. Maria singt:

Gott stürzt die Machthaber vom Thron
Und hebt die Unbedeutenden hervor
Er füllt den Hungernden die Hände mit guten Gaben
Und schickt die Reichen mit leeren Händen fort
(Lukas 1,46ff in Auszügen) 

Maria lobt und dankt Gott und verbindet das gleichzeitig mit der Aussage: Gott ist da für die Unterdrückten und Hungernden, für die Schwachen in der Gesellschaft. Das finde ich bemerkenswert, weil hier schon vieles von dem vorweggenommen wird, das später auch Jesus einfordert und lebt. Was Maria hier sagt, konkretisiert sich später im Leben und Handeln Jesu. Hat Jesus diese Ideen von seiner Mutter übernommen? Es wäre doch naheliegend, dass ihn seine Familie, seine Mutter geprägt hat…

Dieses Magnificat der Maria spielt in der sogenannten Befreiungstheologie eine wichtige Rolle. Diese ist vor ungefähr 60 Jahren in Lateinamerika entstandene und setzt sich ein für gesellschaftlich Benachteiligte ein.

Wie Maria sind sie davon überzeugt: Wir haben Gott auf unsere Seite, er setzt sich für unsere Sache ein. Wir können uns auch gegen die Mächtigen auflehnen. Denn Gott ist in diesem Sinne nicht politisch neutral, sondern auf der Seite der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Die Worte Marias haben Menschen weltweit immer wieder Mut und Hoffnung gegeben, sich gegen Unterdrücker und Ausbeuter aufzulehnen und für ein besseres Leben zu kämpfen. Sie tun es bis heute.

Maria hat nicht nur durch die Geburt ihres Sohnes, sie hat auch durch ihre eigenen Worte die Welt verändert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38370
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