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SWR3 Worte

18OKT2023
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Manchmal soll eigentlich alles so bleiben, wie es ist, und gleichzeitig soll alles anders werden. Diese Gleichzeitigkeit gehört zum Leben - und das bringt der aus der DDR stammende Schriftsteller Thomas Brasch auf den Punkt:

 Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.“

Thomas Brasch, Kargo (// s.a.: „Der Papiertiger“; von Thomas Brasch, Deutschlandfunkkultur, 19. Februar 2023, https://www.instagram.com/p/Co2AZrWNMYD/?igshid=NjIwNzIyMDk2Mg%3D%3D )

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SWR3 Worte

17OKT2023
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Etwas verzeihen oder gar vergeben – das ist oft leichter gesagt, als getan. Und kann ganz schön schwer fallen. Der Philosoph Thomas Gutknecht weiß, warum es sich sogar vielleicht für beide Seiten lohnt:

„Verzeihen kommt von Verzicht. Es geht um den Verzicht, weiter Groll zu hegen. Das ist schon mal etwas ganz Großartiges. Für mich noch großartiger ist der Begriff der Vergebung, denn das bedeutet: Jemandem etwas geben – nämlich die Möglichkeit, nicht der bleiben zu müssen, der er bisher war.“

Thomas Gutknecht auf dem Instagram-Kanal von Deutschlandfunkkultur, Beitrag vom 18. Januar 2023, https://www.instagram.com/p/Cnj-x2ANL_g/?igshid=YmMyMTA2M2Y%3D

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SWR3 Worte

16OKT2023
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Zerteilt und manchmal regelrecht zerstückelt – und doch eins, eine gemeinsame Welt, eine Erde, für die wir alle zusammen verantwortlich sind, weiß die Schriftstellerin Rose Ausländer:

„Vergesset nicht
Freunde
wir reisen gemeinsam
besteigen Berge
pflücken Himbeeren
lassen uns tragen
von den vier Winden

Vergesset nicht
es ist unsre
gemeinsame Welt
die ungeteilte
ach die geteilte
die uns aufblühen läßt
die uns vernichtet
diese zerrissene
ungeteilte Erde
auf der wir
gemeinsam reisen“

Rose Ausländer, Ich höre das Herz des Oleanders.

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SWR3 Worte

15OKT2023
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Hoffnung kann man lernen. Und Hoffnung ist waghalsig. Das weiß auch der Theologe Fulbert Steffensky:

„Gott scheint uns also nicht einfach zu behüten ohne unser eigenes Zutun. Es garantiert uns keiner, dass das Leben auf der Erde in absehbarer Zeit nicht kollabiert, auch kein Regenbogen. Aber wir können tun, als hofften wir. Hoffen lernt man auch dadurch, dass man handelt, als sei Rettung möglich. Hoffnung garantiert keinen guten Ausgang der Dinge. Hoffen heißt, darauf vertrauen, dass es sinnvoll ist, was wir tun.“

Fulbert Steffensky, Was unsere Hoffnung nährt, https://www.ostfriesischerkirchentag.de/damfiles/default/okt/hoffnung_ostfriesland.pdf-cbc17f72a0b6835bc41906284905ae4b.pdf

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SWR3 Gedanken

09SEP2023
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Hin und wieder läuft mir schon mal die eine oder andere Träne runter… und ganz ehrlich, manchmal auch ein paar mehr. Mal vor Freude, vor Rührung, mal aus Frust oder Traurigkeit… Vielleicht bin ich nah am Wasser gebaut, aber – ich lasse mich auch gerne anrühren, und mal so richtig loszuheulen kann ungemein befreiend sein. Finde ich. Das mag auch daran liegen, dass es wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt, nach denen Tränen fast schon wie ein natürliches Schmerzmittel wirken können – emotionales Weinen erhöht nämlich die Produktion von bestimmten Hormonen, die körperliche und seelische Schmerzen lindern können.

Wieder einmal staune ich darüber, wie genial der Mensch geschaffen ist. Und zum anderen denke ich nicht zum ersten Mal, wie doof ich schon immer Sprüche wie „Jetzt Heul doch nicht!“ fand und finde. Tränen gehören zum Leben dazu – oder sollten es zumindest. Sie in Zeiten großer Freude oder tiefer Traurigkeit, manchmal auch einfach nur im alltäglichen Wahnsinn zuzulassen – eine gute Idee. Und ich finde: Jede einzelne Träne, und damit auch jedes dahinter liegende und damit verbundene Gefühl, ist kostbar. In einem alten Bibelwort gibt es ein sehr schönes Bild, eine alte Bitte, die dieses Kostbarsein beschreibt: „Gott, sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie. (Psalm 56,9) Kein „Heul doch nicht“ Oder „Sei nicht traurig, Gott ist bei dir“. Sondern ein klares Statement: Keine Träne sei umsonst geweint. Keine Träne, oder vielleicht jede damit verbundene Anstrengungen, jedes Gefühl dahinter, geht verloren, ist vergebens… Bei Gott haben nicht nur die Freudenmomente einen Platz, sondern auch die Momente des Schmerzes, der Erleichterung und des Gerührt-Seins. Und auch die Momente, wenn es „nur“ darum geht, mit Tränen den ersten akuten Schmerz zu lindern. Also: Heul doch!

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SWR3 Gedanken

08SEP2023
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Kennen Sie Glimmer-Momente? Nein? Vielleicht ja doch, ohne es zu wissen. Denn Glimmer, oder eben Glimmer-Momente, das sind jene kleinen Freudenmomente, die, so die Psychologie, eine regelrechten Gegenstressreaktion in unserem Nervensystem auslösen können. Und die uns an schöne Momente und Erfahrungen in unserem Leben erinnern können. Solche Glimmer sind richtig schön - und haben beruhigende Wirkung in einem vielleicht trubeligen Alltag oder Stress.

Und dafür braucht es gar nicht so viel. Glimmer sind unter Umständen wirklich nur ganz kleine Micro-Augenblicke: Das kann ein unverhofftes Lächeln sein, dass einem geschenkt wird. Das kann der Duft der Kindheit sein, der einem plötzlich in die Nase steigt, und der schöne Erinnerungen auslöst. Das kann eine Umarmung sein, die tröstet, oder auch die von der Sonne aufgewärmte, raue Steinbank, auf die ich mich setze und plötzlich durchatmen kann… Solche Momente, wenn einem das Herz vor Gefühl übergeht. Wenn es einen mittendrin erwischt, berührt, kurz innehalten lässt. Wenn das Gute, das wir schon erfahren haben, noch einmal fühlbar wird. Und uns in allem akuten Stress zur Ruhe kommen lässt.

Solche Glimmer-Momente sind für jede und jeden anders, aber sie haben eins gemeinsam: Sie können beruhigend, tröstlich und damit stärkend sein. Es gibt sogar Empfehlungen, solche Glimmer-Momente immer wieder zu suchen und regelrecht zu trainieren. Was das für Momente sind, muss jede und jeder für sich selbst rausfinden. Aber sich immer wieder neu an das Gute erinnern zu lassen, dass uns schon widerfahren ist, sei es auch noch so klein, oder neue kleine Glimmermomente im Alltag zu suchen, das lohnt sich. Auf jeden Fall.

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SWR3 Gedanken

07SEP2023
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Es gibt Worte in anderen Sprachen, die gibt es so nicht im Deutschen. Eins davon kommt aus dem Japanischen, es lautet „Ikigai“. Übersetzt meint es in etwa so viel wie „wofür es sich zu leben lohnt“.

Ikigai – ich finde, das ist ein wichtiges Wort. Mit einer schönen Bedeutung. Etwas, wofür es sich zu leben lohnt, das braucht vielleicht jeder Mensch.
Wofür leben Sie? Was ist Ihr „Ikigai“?

Für mich sind das meine Familie, meine Freundinnen und Freunde. All die Menschen, die mich auf meinem Lebensweg begleiten. Manchmal ein Stück, manchmal nun schon für sehr lange Zeit.

Mein Ikigai ist das „Gemeinsam unterwegs sein“. Denn für mich steckt im „Gemeinsam unterwegs sein“ ganz viel echtes Leben. Das bedeutet nämlich: Gemeinsam durch gute Zeiten gehen und schöne Dinge erleben – und feiern, wie großartig das Leben sein kann. Und das bedeutet auch: Gemeinsam durch Trauer und Zeiten des Verlustes, der Angst und Anspannung zu gehen – denn auch diese Wegstrecken gehören zum Leben dazu, gemeinsam aber gehe und trage ich sie ein Stück besser. In der Bibel sind die Momente des Unterwegsseins häufig ganz besondere Zeiten, diese Strecken zwischen Aufbruch und Ziel, in denen man Neues und auch Gott neu entdecken kann und in denen man oft der Frage nachgeht, was einen wirklich trägt. „Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und bringe dich zurück (in dieses Land)" (Gen 28,15) sagt Gott einem, der unterwegs ist, fest zu. Das trägt! Und das ist es auch für mich: Egal was mir auf meiner Reise begegnet, egal durch welche Höhen und Tiefen ich gehe, im Gemeinsamen Unterwegs-Sein liegt mein Ikigai. Das, wofür es sich, trotz allem und in allem, zu leben lohnt.

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SWR3 Gedanken

06SEP2023
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Es ist an der Zeit, Nein! Zu sagen. Finde ich. Unbedingt sogar.
So, wie der Musiker und Sänger Konstantin Wecker es vor vielen Jahren schon gesagt hat:
„Wenn sie jetzt ganz unverhohlen
Wieder Nazi-Lieder johlen
Über Juden Witze machen
Über Menschenrechte lachen

Dann steht auf und misch dich ein:
Sage nein!“

Denn wir leben offenbar wieder mal in Zeiten, in denen manche es wagen, zu vergessen – was es an Grauen und Unfassbarem schon einmal gab und wieder viel zu oft gibt:
Rassismus. Hass. Ablehnung. Gegenüber Menschen, die nicht ins eigene Bild passen. Die aus einem anderen Land kommen. Die einer anderen Religion angehören. Die behindert sind.

Wir leben in Zeiten, in denen manche es wagen, zu vergessen:
Dass vor Gott alle Menschen gleich sind. Die Bibel erzählt davon – Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Ebenbild Gottes. In der Schöpfungserzählung wird nur hinzugefügt, dass der Mensch als geschlechtliches Wesen geschaffen wird – eine weitere Unterscheidung gibt es nicht. Alle Menschen sind Ebenbild Gottes.  

Und das heißt auch: Vor Gott sind alle Menschen gleich - und alle sind mit Würde versehen. Und die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar. Punkt. So sagt es auch das Grundgesetz.

Hass und Rassismus sind, man kann es nicht oft genug sagen, keine Meinungsäußerungen. Hass und Rassismus sind nicht hinnehmbar. Und deshalb ist es dringend an der Zeit, auf zu stehen und laut und deutlich zu werden, so wie schon Konstantin Wecker:

„Sei nicht nur erschreckt, verwundert – Tobe, zürne, misch dich ein! Sage nein!“ Ich sage: Nein!

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SWR3 Gedanken

05SEP2023
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Die Schlange an der Kasse ist lang. Ganz vorne eine ältere Frau. Die Guthaben für ihr Handy kauft und nicht genau weiß, wie sie das dann auch mit dem Aufladecode auf dem Kassenzettel aufladen kann. Der Kassierer ist supernett. Nimmt sich Zeit. Und erklärt ihr in aller Ruhe, was zu tun ist. Das dauert ein bisschen. Der Frau ist das sichtbar unangenehm. Immer wieder dreht sie sich um, schaut auf die Schlange hinter sich. Und fängt an, sich zu entschuldigen. Das wäre einfach so kompliziert. Da sagt jemand hinter ihr in der Schlange mit einem Lächeln: „Immer diese Technik. Die ist manchmal einfach kompliziert. Das geht nicht nur Ihnen so!“ Die Frau lacht erleichtert. Der Kassierer ist fertig, sie nimmt Zettel und Einkäufe, bedankt sich, und dreht sich noch einmal um: „Danke, dass Sie mit mir gelacht haben.“—

 Danke, dass sie mit mir gelacht haben. Der Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Eine für jemanden anstrengende, komplizierte Situation mit einem Lachen auflockern. Das kann eine riesengroße Hilfe sein. Und ist auch ein ganz besonderes Lachen: Nämlich eins, das aus dem Staunen heraus entsteht, dass man etwas erfährt, das ganz anders ist, als man es vielleicht erwartet hat. Im Fall der Frau im Supermarkt: Freundliches Verständnis statt Genervt-Heit, Gereiztheit oder Ablehnung… Lachen kann Anspannung – innere und äußere lösen. Kann erleichtern. Lachen kann verbinden. Und stärken. Und die Bibel erzählt auch davon: Dass Menschen in schwierigen Zeiten und unangenehmen Situationen auch darauf vertrauen, dass Gott ihnen das Lachen wieder schenkt: „Bestimmt wird er dich wieder lachen lassen und deinen Mund mit frohem Jubel füllen.“ Heißt es da. (Die Bibel, Hiob, Kapitel 8, Vers 21). Für mich gehört das irgendwie zusammen - negativen Erwartungen anderer mal nicht zu entsprechen. Und stattdessen gemeinsam zu lachen. In diese Schlange reihe ich mich gerne ein.

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SWR3 Gedanken

04SEP2023
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Tagelang hat er nix gesagt. Dass ihm das Bein so weh getan hat. Weil er beim Treppensteigen ausgerutscht und hingefallen ist. Er wohnt allein, also ist da auch niemand, der es direkt mitbekommen hat. Irgendwann waren die Schmerzen so schlimm, dass er kaum noch gehen konnte. Seine Nachbarin hat ihn humpeln gesehen und ihn sofort angesprochen. Ihn zum Arzt gebracht. Und ihn gefragt: Warum hast Du denn nichts gesagt? Aber ich schäme mich doch so… hat er nach einer Weile geantwortet. Dass Dir das Bein wehtut? Hat die Nachbarin fassungslos gefragt. Nein, sagte er. Weil ich nicht mal mehr die Treppen richtig gehen kann. Es war mir so peinlich, dass ich dabei hingefallen bin… Ich bin einfach zu alt… Ach… hat die Nachbarin gesagt. Merk Dir, mir kannst Du immer Bescheid sagen. Da muss dir nichts peinlich sein. 

Scham ist ein so verdammt mächtiges Gefühl. Zu stürzen sollte niemandem peinlich sein. Und alt zu sein schon mal gar nicht. Wir sind alle nicht perfekt. Und niemand, wirklich niemand, sollte sich für die eigene Schwäche schämen müssen. 

Die Bibel erzählt auch von Menschen, denen die Kraft ausgeht. Ob durchs Alter, oder Krankheit oder andere herausfordernde Lebensumstände. Und dort wird auch immer wieder deutlich, dass es niemandem peinlich sein muss. Im Gegenteil, dass gerade die schwachen, alten, stürzenden Menschen, zu denen wir alle irgendwann einmal gehören, von Gott besonders im Blick gehalten werden. „Ich bleibe euch treu, bis ihr alt seid. Ich trage euch, bis ihr graue Haare habt. Das habe ich getan und werde es weiter tun.“ (Jes 46,4) Heißt es da. Gerade bei denen, die nicht stark und aufrecht durchs Leben gehen, will Gott sein. Gerade da will Gott stärkend mitgehen. Und wir? Wir können diejenigen sein, durch die Gott eben jene erreicht, die Unterstützung brauchen. Wir können es wie die Nachbarin machen und die Augen offen halten nach denen, die nicht selbst nach Hilfe fragen. Und wir können immer wieder betonen: Bei mir muss dir nichts peinlich sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38362
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