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SWR4 Abendgedanken

25AUG2023
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„Küssen verboten“ so hat die deutsche Band “Die Prinzen“ vor vielen Jahren gesungen. Ach schade, warum eigentlich? Küssen ist doch etwas Wunderbares und Schönes. Da stimme ich von Herzen Max Raabe zu, der nämlich singt: „Küssen kann man nicht alleine“. Das ist wohl wahr.

Küssen ist etwas Verbindendes, etwas Gemeinschaftliches. Und ein Kuss sollte immer auf Gegenseitigkeit beruhen. Ansonsten ist es kein Kuss, sondern nur ein Abdruck auf den Lippen oder der Haut eines anderen.  

Mit einem Kuss berührt man die Seele eines anderen Menschen – wenn man ihn liebt. Aber auch, wenn man ihn nicht liebt – und mit dem anderen sogar im Streit liegt. Streit, wütend sein auf den anderen: das trennt zwei Menschen. Und gerade ein Kuss kann da helfen

„Grüßt einander mit dem heiligen Kuss“, fordert der Apostel Paulus seine Gemeinde auf. Aber ich kann doch nicht jeden küssen? Stimmt, aber es gibt ja auch den freundschaftlichen Kuss auf die Wange.

„Grüßt einander mit dem heiligen Kuss“. Nehmt euch also wahr als Menschen, die zusammen eine Gemeinschaft bilden, eine Familie sind, die miteinander arbeiten, das Leben und die Zeit teilen.

Versöhne dich mit demjenigen, mit dem du Streit hast, mit dem du in Unfrieden lebst, der dir den letzten Nerv raubt und den du auf die Palme bringst. Solche Menschen hat jeder in seinem Umfeld – behaupte ich. Aber anstatt den Konflikt auszusitzen, auf Abstand zu bleiben und die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen, fordert Paulus zur Versöhnung auf: Kommt einander näher, berührt einander und klärt die Sache.

Klingt einfacher als es ist, aber es lohnt sich auf alle Fälle. Denn friedlich zu leben, das ist die Grundlage für gelingende Nachbarschaft oder Gemeinschaft. Weil wir nämlich aufeinander zugehen und nicht aneinander vorbeireden und handeln. Versöhne dich, bleib nicht auf Abstand, sondern versuche, dein Gegenüber zu verstehen. Bleib ihm nahe, auch wenn du ihn nicht verstehst, und sei auch nicht nachtragend. Das ist eine große Herausforderung, die aber zu einem schönen Ergebnis führen kann. Nämlich dazu, dass ich glücklicher und zufriedener bin als vorher. Einfach, weil ich einem Menschen wieder verbunden bin.

„Grüßt einander mit dem heiligen Kuss“ zum Wohl der Freundschaft, für ein gesundes Betriebsklima und eine gelingende Nachbarschaft.

Definitiv ist heute das Küssen nicht verboten. Sondern das Ergebnis eines beendeten Streites und einem herzlichen Miteinander, denn Küssen kann man nicht allein.

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SWR4 Abendgedanken

24AUG2023
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Nichtstun ist gar nicht so einfach. Diese Erfahrung habe ich dieses Jahr im Urlaub gemacht. Denn ich hatte mir vorgenommen, mal nichts zu tun. Also zu entspannen, die Hände in den Schoß zu legen, die Seele baumeln zu lassen. Dafür habe ich auch alle Vorbereitungen getroffen. Ich habe meine Abwesenheit von der Arbeit gut geregelt, allen Bescheid gesagt und voller Stolz verkündet: In diesem Urlaub mache ich nichts.

Meine Arbeitskollegen und alle anderen haben sich an meine Vorgaben gehalten. Sie haben mich vom ersten Tag meines Urlaubs an in Ruhe gelassen. Aber ich bin dennoch nicht zur Ruhe gekommen. Ständig ist mir etwas eingefallen, was ich noch hätte tun können oder sollen. Hier noch ein Anruf, dort noch eine Email, hier noch die Ablage und da noch eine Unterschrift.

Nichtstun ist gar nicht so einfach. Also mir jedenfalls ist es schwergefallen, mich von der Arbeit und all den Dingen zu lösen, die ich noch hätte tun können, hätte tun wollen oder sogar vergessen habe.

„Mama, sechs Tage Arbeit, ein Tag Ruhe. Und Urlaub ist die Verlängerung des siebten Tages.“ Bums, das hat gesessen. Mit den eigenen Argumenten hatten mich meine Kinder geschlagen.

Aber es stimmt ja. Gut biblisch gesehen hat Gott uns, also auch mir, eine Auszeit verordnet. Denn im biblischen Schöpfungsbericht verschreibt Gott uns einen Ruhetag, den siebten Tag der Woche. In der christlichen Tradition ist dies der Sonntag. Und Gott hat diese Ruhezeit nicht nur verordnet, empfohlen, uns ans Herz gelegt, sondern selbst vorgemacht. Sechs Tage lang hat er gearbeitet, die Welt erschaffen, am siebten Tag hat er sich ausgeruht und sich alles angeschaut. Bestimmt hätte er noch vieles erschaffen können, aber das wollte er nicht. Ganz bewusst hat er den siebten Tag geruht und diesen gesegnet.

Aus dem einfachen Grund: Damit wir auch mal nichts tun. Nicht das letzte aus der Zeit rausholen. Nicht immer noch schneller, weiter, höher. Nicht nur der eigenen Leistung hinterherrennen, sondern auch mal die Hände in den Schoß legen und nach links und nach rechts sehen. Mich einfach mal mit einem Buch in den Garten setzen, das Gesicht in die Sonne halten und die Wärme spüren. Nichtstun ist auch einfach mal beim Nachbarn am Zaun zu stehen und länger zu erzählen als sonst.

Nichtstun ist gar nicht so einfach, aber es ist unheimlich spannend und entspannend. Gott sei Dank gibt es den siebten Tag und den Urlaub und die Ferien und so manche Auszeit zwischendurch.

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SWR4 Abendgedanken

23AUG2023
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Manchmal fehlt mir einfach das Vertrauen in mich selbst. Neulich zum Beispiel. Beim Fahrradfahren mit meinem kleinen Sohn. Es hat geregnet und wir sind durch den Wald geradelt. Dort hat ein schmaler Pfad bergab geführt. Es war matschig, Äste lagen auch auf dem Weg. Mein Sohn ist losgefahren, ich hinterher. Er voller Freude, ich mit angezogener Handbremse Ich hatte wenig Vertrauen in meine Fähigkeiten.

Bei meiner Fahrt hinab war mir klar: Mein Sohn fährt ein Tempo, das ich mir nicht mehr zutraue. Früher bin ich so gefahren wie er. Aber jetzt?

„Wo bleibst du denn, Mama?“, hat mein Sohn gefragt, als ich ihn endlich einholte. „Bist du einen Umweg gefahren oder warum hat das so lange gedauert?“

„Nein, ich habe mich nicht getraut, schneller zu fahren. Weißt du, was da alles hätte passieren können?“, habe ich geantwortet. Einen Moment lang hat er über diese Frage nachgedacht. „Ja, ich kann vom Fahrrad fallen, ich kann zu spät bremsen. Aber ich weiß, was ich kann. Vielleicht musst du dir auch mehr zutrauen?“

Eine Frage, die mich beschäftigt hat. Was traue ich mir eigentlich zu? Wie viel Vertrauen habe ich in mich? Hätte ich mehr riskieren können, oder war meine Vorsicht genau richtig? Eigentlich lautet die Frage: Traue ich es mir zu, eine Situation richtig einzuschätzen?

„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Dieser Satz aus dem Hebräerbrief ist mir dann eingefallen. Ein Satz, geschrieben vor langer Zeit an eine christliche Gemeinde, die sich in einer schwierigen Situation befunden hatte. Und der Schreiber dieses Briefes hat die Menschen damals aufgefordert, nicht aufzugeben, sich der Situation zu stellen. Mit Selbstvertrauen und Gottvertrauen – so haben sie die Schwierigkeiten anpacken sollen. Und nicht von vorneherein schon aufgeben!

Vertrauen ist ein kostbares Gut! Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Vertrauen in die eigene Urteilskraft. Es ist da, es kann schwinden, aber es kann auch gestärkt werden. Vertrauen ist ein kostbares Gut, das ich nicht leichtfertig wegwerfen soll.

„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Der Schreiber dieser alten Worte hat mich mit dieser Erkenntnis getröstet. Er weiß nämlich, dass Menschen manchmal zu wenig Vertrauen haben, in sich, in Gott, in andere. Aber gleichzeitig hat er mich angespornt, an meinem Vertrauen festzuhalten. Weil es sich lohnt, weil es zu Veränderungen führt.

Den nächsten Berg hinunter habe ich weniger gebremst. Nur ein bisschen, aber immerhin. Denn ich weiß, was ich kann: Ich kann nicht so schnell wie mein kleiner Sohn. Aber ein bisschen schneller schon. Ich muss es mir nur zutrauen.

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SWR4 Abendgedanken

22AUG2023
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„Du bist ein Engel“, so habe ich vor kurzem zu meiner Freundin gesagt. Es war ein übervoller Arbeitstag gewesen. Aber meine Freundin war da und hat mich entlastet, wo es nur ging. Als hätte sie geahnt, dass ich sie brauchen würde. So bin ich an diesem Tag mit meiner Arbeit fertiggeworden. Ohne ihre Hilfe hätte ich das nicht geschafft.

„Du bist ein Engel.“ Meine Freundin hat rote Ohren bekommen und verlegen gesagt, dass ich nicht übertreiben solle. Es wäre doch normal, sich gegenseitig zu helfen, füreinander da zu sein. Vielleicht stimmt das sogar. Aber ob normal oder nicht: in diesem Moment war sie für mich ein Engel, weil sie meine Situation erkannt hat. Sie war im richtigen Moment mit der helfenden Hand für mich da.

Und das hätte eben auch anders sein können. Sie hätte zu Hause bleiben können oder nicht merken, dass bei mir gerade Land unter ist. Aber sie hatte das richtige Gespür, was meine Lage anging – und war für mich der rettende Engel. In diesem Moment hatte sie mir der Himmel geschickt. Sie war ein Engel.

Engel sind eben ganz konkrete Menschen aus Fleisch und Blut – und nicht unbedingt irgendwelche Wesen in weißen Flattergewändern. Auch in der Bibel wird von unsichtbaren und sichtbaren Engeln berichtet. Gottes Engel sind Wesen, die den Menschen helfen. Also auch Menschen, die Gottes Liebe und Fürsorge für andere spürbar machen. So wie meine Freundin dies für mich gemacht hat.

Zu Engeln werden in der Bibel die Menschen, die nicht auf den eigenen Vorteil aus sind, sondern stets das Wohl der anderen im Blick haben. Sie behüten und schützen, weisen auf Gefahren hin, sind Begleiter durch das Leben. Auf diese Weise kann ich auch für andere zum Engel werden. Das hat mir meine Freundin deutlich vor Augen geführt.

Gott selbst macht mich zu seinem Engel, zu seiner Botin, die Liebe und Fürsorge, Respekt und Achtung in die Welt bringt. Zu einem Menschen, der mit Engelszungen mit anderen reden kann, der einfach da ist, der ganz konkret helfen kann.

Heute ist der Sei-ein-Engel-Tag. Und ich kann auf so vielfältige Weise ein Engel sein. Vielleicht räume ich nachher einfach mal ohne zu Motzen die Spülmaschine aus, so dass meine Freundin dies nicht machen muss. Oder ich räume gemeinsam mit meinen Kindern das Zimmer auf, weil es gemeinsam mehr Freude macht. Oder ich backe den Lieblingskuchen meines besten Kumpels und überrasche ihn damit. Irgendetwas fällt mir bestimmt noch ein. So dass auch ich zum Engel für andere werde. Genauso wie Sie das auch sind und immer wieder werden.

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SWR4 Abendgedanken

21AUG2023
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Ferien, Urlaub und dann das: Regen am Morgen, Regen am Mittag, Regen am Nachmittag. Immer nur Regen. Morgens aufwachen, weil der Regen gegen die Scheibe trommelt – das ist auch nicht besser als sonst der Wecker.

Nicht schon wieder, habe ich gedacht und mir schon im Bett überlegt, mit welchem Schlechtwetterprogramm ich meinen Sohn bei Laune halten könnte. Museum – aber welches? Hallenbad – ach ne, doch nicht mitten im Sommer? Trampolinpark – bestimmt überfüllt?

„Mama, können wir eine Radtour machen?“ Ich habe gedacht, ich höre nicht richtig. Mein Sohn hat mich mit leuchtenden Augen angeschaut. „Echt? Jetzt?“, habe ich geantwortet. „Klar! Jetzt regnet es gerade mal nicht oder nur wenig!“ Sein Optimus und seine Freude haben mich nicht gleich überzeugt. „Aber es ist alles nass und matschig und überhaupt…“ so hat mein Einwand gelautet. „Ach Mama, du bist doch nicht aus Zucker. Wir können durch die Pfützen radeln und wir schwitzen auch nicht. Weil es kühler ist. Und die Dusche danach haben wir schon beim Radfahren.“

Und so haben wir uns auf unsere Räder gesetzt und sind losgeradelt. Durch den Wald und durch den Matsch und durch die Pfützen. Der Regen ist mir vom Helm auf die Nase getropft und im Nacken ist er mir unters T-Shirt und dann den Rücken runter gelaufen - und irgendwie hat es ja doch Spaß gemacht, trotz U-Boot-Feeling in den Schuhen. Ich habe mich wie ein Kind gefühlt, rein ins Leben und von oben bis unten voll Matsch.  Da hat mein Sohn mich angestrahlt. „Jedes Wetter ist schön, Mama. Man muss nur das richtige machen.“ Meinte er, wie ein Vater zu seinem Kind. „Und nach dem Regen kommt wieder die Sonne. Und dann wieder der Regen. So ist das. Und außerdem hat das alles was Gutes. Wir haben das Wasser gebraucht und die Waldbrandgefahr ist vorbei.“

Regen ist Segen. Natürlich wie immer nur in Maßen, aber er ist notwendig. So wie es schon in der Bibel heißt: „Du hast für das Land gesorgt und ihm Regen gegeben. … Du gibt den Regen dazu, segnest die Gewächse.“[1]

Gott segnet mit dem Regen die Gewächse und auch mich und meinen Sohn bei der Radtour durch Pfützen und durch den Schlamm. Und ganz ehrlich: Es hat mir Spaß gemacht. So viel Spaß, dass ich am nächsten Tag wieder mit meinem Sohn durch den Regen geradelt bin. Mit einem fröhlichen Grinsen im Gesicht. Denn Regen ist auch Segen.

 

[1] Aus Psalm 65,10-11

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SWR4 Abendgedanken

21APR2023
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Erfahrungen vererben sich nicht – jeder muss sie allein machen.“ Diese Weisheit wird Kurt Tucholsky zugeschrieben. Und ich ergänze aus eigener Erfahrung: Erfahrungen kann man auch nicht lernen, sie passieren einfach.

Genau das habe ich nämlich vor kurzem wieder einmal erlebt:  Vierzehn junge Menschen haben sich gemeinsam mit mir auf ihre Konfirmation vorbereitet. Wir haben uns gegenseitig immer besser kennengelernt, und wir haben über unseren Glauben gesprochen und auch diskutiert.

So haben wir einmal auch über das biblische Gleichnis vom Barmherzigen Samariter und über Nächstenliebe geredet. Es war ein tolles Gespräch. Aber noch besser war es, als wir zusammen erlebt haben, was Nächstenliebe ist – ganz ohne Worte: Wenige Tage vor dem Konfirmationsgottesdienst haben wir uns getroffen und miteinander den Gottesdienst geprobt. Nach der Probe, als ich schon gedacht habe, die Jugendlichen seien nach Hause gegangen, sind sie wieder in der Kirche vor mir gestanden. Ihnen war nämlich etwas Wichtiges eingefallen. Etwas, was wir auf keinen Fall vergessen durften: „Frau Pfarrerin“ sagten sie: „Max hat am Konfirmations-Sonntag auch Geburtstag! Wir müssen für Max aber auch singen. Sie müssen sich noch was einfallen lassen!“

Und so habe ich erfahren, dass all das, was wir miteinander gelernt haben, auf fruchtbaren Boden gefallen ist. In guter Nächstenliebe haben sie darauf geachtet, dass der Geburtstag ihres Freundes nicht vergessen wird. Nächstenliebe kann man eben nicht abfragen. Sie lässt sich nicht vererben und man kann sie auch nicht lernen:  sie muss gelebt werden. Und genau das habe ich mit den Jugendlichen erfahren: Sie haben das, was wir miteinander in der gemeinsamen Konfirmandenzeit gelernt haben, umgesetzt, gelebt, für andere greifbar gemacht.

Und so ist am Tag der Konfirmation ein fröhliches, lautes und zugleich schiefes, aber von Herzen kommendes „happy birthday to you“ durch unsere Kirche geschallt. Ein Gänsehaumoment nicht nur für Max, sondern für alle, die dabei waren. Weil die Freundschaft und Nächstenliebe so hörbar wurde, weil Max im Kreise seiner Freunde erfahren hat, wie wichtig er ihnen ist.

Erfahrungen vererben sich nicht. Man muss sie machen. Und noch viel schöner: Ich kann teilhaben an den Erfahrungen, die andere machen. Und das ist wunderbar.

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SWR4 Abendgedanken

20APR2023
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„Ich faste, es jedem recht machen zu wollen!“. Das hat mir eine Freundin in der Fastenzeit gesagt. „Wow“, habe ich gedacht. „Welch ein Vorhaben!“

Ich fand es eindrucksvoll, sich so zu positionieren: Es nicht jedem recht machen zu wollen. Ganz klar und ganz bewusst eine Position zu beziehen und bewusst auch manchen Ärger in Kauf zu nehmen

Denn ganz ehrlich: Bei Diskussionen, z.B. mit Arbeitskollegen oder in der Familie, da gehe ich dem Ärger ganz gern aus dem Weg. Ich sage dann nicht so deutlich, was ich denke und stelle meine Meinung hinten an. Ich will es allen recht machen – aber am Ende bin ich selbst unzufrieden.  

Deshalb habe ich die Aussage meiner Freundin so toll gefunden: „Ich faste, es jedem recht machen zu wollen!“ Auf meine Frage, warum sie das macht, hat sie gesagt, dass es ihr mit dieser Lebensweise besser geht, sie selbstsicherer wird. Sie hört nun auf ihr Bauchgefühl, sagt manches frei heraus. Natürlich führt dies zu manchen Diskussionen. Aber das Ergebnis ist für sie entscheidend: Sie steht zu ihrer Meinung, sie zeigt klare Kante und fühlt sich dadurch besser.

Das hat sie nun sieben Wochen lang durchgeführt. Sieben Wochen hat sie gefastet, es jedem recht machen zu wollen. Wir hatten in dieser Zeit viel miteinander zu tun. Und ich muss sagen: Mir hat ihre Fastenaktion gefallen. Denn erstens hat meiner Freundin ihr neues Selbstbewusstsein gutgetan. Und zweitens wusste ich immer, woran ich bei ihr bin. Vorher musste ich manchmal nachfragen:  Meinst du das wirklich so? Habe ich dich richtig verstanden? Jetzt – in den letzten Wochen – war mir immer klar: Ja, sie meint es so. Ja, sie hat „Nein“ gesagt, ich muss nicht noch dreimal nachfragen.

Eine gute Sache. Vor allem, weil es für beide Seiten klar ist: ja ist ja, nein ist nein. So wie es schon in der Bibel heißt. So hat Jesus den Menschen gesagt: Eure Rede aber sei: Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, das ist vom Übel.

Wie recht Jesus damit hat, hat meine Freundin in den sieben Wochen vor Ostern gezeigt. Klare, ehrliche Aussagen sind so wichtig. Und mir hat sie es damit recht gemacht. Und sie hat mich zum Nachdenken gebracht. Vielleicht verlängere ich die Fastenzeit einfach?

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SWR4 Abendgedanken

19APR2023
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Wir denken viel zu oft in einseitigen Klischees. Diese Erfahrung habe ich vor kurzem wieder gemacht, als ich mich gemeinsam mit Jugendlichen mit dem Thema „jung und alt“ beschäftigt habe. Wir haben gemerkt, dass uns negative Klischees viel schneller einfallen als gute. Aber am erstaunlichsten war, dass sich die jungen sogar selbst mit negativen Klischees beschrieben haben: „Jugendliche zocken nur, verbringen also viel Zeit am Computer, sie sind unhöflich, laut und stehen im Bus nicht auf, wenn ältere Menschen einsteigen.“

Auf meine Frage, ob das so stimmt, was sie über sich schreiben, habe ich folgende Antwort bekommen: „Keine Ahnung. Aber man sagt uns oft genug, dass wir so sind. Also wird es schon stimmen.“

Traurig, denn neue Studien zur Jugend zeigen ein anderes Bild auf, ein ganz anderes, positives Klischee. Nämlich, dass Jugendliche sich viele Gedanken über ihre Zukunft machen, sich ein soziales Miteinander wünschen und ihren Beitrag dazu auch leisten wollen.

Also ganz anders als sie sich selbst dargestellt haben. Wir haben lange darüber geredet. Und festgestellt, dass wir alle viel genauer hinschauen müssen. Es gibt zwar zu jedem Alter, zu jedem Beruf, zu vielen Lebenssituationen Klischees. Aber die dürfen uns nicht in eine Rolle drängen oder uns vorschreiben, wie wir zu sein haben.  

Den Jugendlichen hat es gutgetan, mit mir darüber zu reden und uns Älteren ein ganz anderes Bild mitzugeben. Und mich hat es nachdenklich gemacht. Ich möchte zukünftig anders hinschauen, genauer hinschauen und mich lösen von irgendwelchen Vorstellungen. Für das Miteinander haben wir dann auch ein gutes Motto gefunden. Uralt, aber immer noch aktuell. Ein Wort aus der Bibel. „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“

Vielleicht ist das ein gutes Motto für ein Miteinander von „jung und alt“. Nämlich, dass wir anderen nicht Schablonen und Klischees überstülpen, sondern mit dem Herzen sehen. Und dabei merken: Es geht immer um konkrete Menschen. Egal wie alt oder jung sie sind. Vielleicht ist das ja auch wieder ein Klischee, aber dann eines, das mir ermöglicht ich selbst zu sein. Und nicht nur mir, sondern auch jedem anderen.

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SWR4 Abendgedanken

18APR2023
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„Zähl nicht die Schafe, sondern sprich mit dem Hirten.“ Das sage ich mir manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann. Wenn ich Schäfchen zähle. Wenn ich mich unruhig im Bett hin und her drehe, wenn ich die Probleme des Tages auch nachts nicht loslassen kann. Oder wenn ich mir darüber Gedanken mache, ob ich alles richtiggemacht habe, ob ich die rechten Worte gewählt habe, ob ich auch nichts vergessen habe.

Dann liege ich wach im Bett und zähle Schafe: „Eins, zwei, drei, vier, fünf…. Aber ganz ehrlich: Das bringt nichts. Ganz im Gegenteil. Beim Zählen werde ich richtig wach.

„Zähl nicht die Schafe, sondern sprich mit dem Hirten.“ Warum soll ich denn Schafe zählen, wenn ich mit dem Hirten selbst reden kann. Warum versuche ich, mich von meinen Problemen abzulenken, anstatt sie Gott anzuvertrauen, meinem Hirten?

Denn er kennt mich. Er kennt mich so wie ein Hirte seine Schafe kennt und sich um sie sorgt. Er kennt mich von Mutterleibe an, weiß genau, wie ich ticke, denke, handle.

Und das allein hilf mir schon. Einfach vor Gott meine Probleme aussprechen. In einem gut formulierten Gebet, in einem kurzen Stoßseufzer, unsortiert durcheinander, so wie meine Gedanken chaotisch sind, so kann ich mit Gott reden. Einfach rauslassen, was mir auf dem Herzen liegt, was mich am Schlafen hindert. Das befreit. Mich befreit es, denn ich habe es dann mal ausgesprochen. Es ist nicht mehr nur mein Problem, meine Sorge, meine Schlaflosigkeit. Und manchmal werden aus großen Problemen plötzlich Kleinigkeiten, weil ich mir beim Reden selbst aufzeige, dass ich mich in etwas hineinsteigere, es aufblähe.

„Zähl nicht die Schafe, sondern sprich mit dem Hirten.“ Daran werde ich mich zukünftig häufiger halten. Dann bin ich zum einen ausgeschlafener, zum anderen bin ich auch befreiter. Und so fällt es mir dann auch leichter, mich nicht einfach nur abzulenken und meine Probleme mit Schäfchen-Zählen beiseitezuschieben. Ich höre mir selber zu. Und einmal ausgesprochen, weiß ich um meine Probleme. Beten löst nicht meine Probleme, reden mit Gott zeigt mir aber auf, dass Reden wichtig ist. Mit jedem Abendgebet führe ich ein Gespräch mit Gott. Weil es wichtig ist, zu reden, Probleme nicht in sich reinzufressen. Ich bin froh, dass ich meinen Hirten habe. Gerade dann, wenn mir meine Probleme unlösbar vorkommen. Mein Hirte versteht das. Er versteht mich. Reden hilft.

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SWR4 Abendgedanken

17APR2023
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„Das Brot schmeckt total lecker!“ So hat eine Kinderstimme durch das Klassenzimmer gerufen. Wir haben uns im Religionsunterricht mit Jesus und seinem Leben, Sterben und der Auferstehung beschäftigt. Kurz: Es ging um Ostern und um alles, was zu diesem wichtigen Fest gehört: also auch um Brot. Kurz vor seinem Tod war es Jesus wichtig, gemeinsam mit seinen Freunden zu essen und das Abendmahl zu feiern. Und weil wir nicht nur über biblische Geschichten und christliche Feste reden, sondern diese auch erleben, haben wir gemeinsam Brot gegessen. So wie Jesus das auch mit seinen Freunden gemacht hat.

Und in diesem Zusammenhang hat das Mädchen gerufen: „Das Brot schmeckt total lecker!“ Das hat mich erstaunt. Denn es war das ganz normale Brot, das ich noch zuhause hatte. Schon zwei Tage alt und auch nicht mehr viel.

„Ein ganz besonderes Brot! Extra für uns!“ Hat ein Junge gemeint. Und ein anderer: „Das schmeckt nach mehr. Nach Kräutern!“ „Aber es ist ein ganz einfaches Brot“, habe ich geantwortet. „Zwei Tage alt, vom Bäcker aus dem Nachbardorf!“

Und dann haben wir uns darüber unterhalten, warum dieses kleine Stückchen Brot, das jeder von uns bekommen hatte, so besonders ist. An dem angetrockneten Brot selbst konnte es nicht liegen. Es musste an uns selbst liegen – an unserer Klasse an diesem Morgen – dass es so einmalig war.

Und die Kinder haben festgestellt, dass eine ganz besondere Stimmung beim Essen geherrscht hatte:  Niemand von uns hat angefangen zu essen, bevor nicht jeder etwas hatte. Das war schon was Besonderes. Aufeinander zu warten, wahrzunehmen, dass alle etwas haben, dass alle gemeinsam essen. Und wir waren irgendwie dabei ganz still und feierlich.

Einen Bissen Brot hatte jeder von uns. Mehr nicht und trotzdem war es ein besonderes Mahl, ein Gemeinschaftsmahl. „Wenn ihr gemeinsam Brot esst und das Abendmahl feiert, dann denkt daran, dass ihr eine Gemeinschaft seid.“, so hat es Jesus damals seinen Freunden gesagt beim Abendmahl. Und wir haben in unserer kleinen Klassengemeinschaft erfahren: Er hat recht. Wir brauchen auch Gemeinschaft. Menschen, mit denen wir zusammen das Brot essen, mit denen wir reden können und die uns zuhören, die auf uns warten.

Und wenn Brot mehr ist als nur Brot, sondern auch Gemeinschaft, ein Miteinander und ein Füreinander-Dasein, dann schmeckt das Brot nach mehr, dann schmeckt es einfach lecker egal wie alt oder frisch es ist.

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