SWR4 Abendgedanken

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19APR2023
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Wir denken viel zu oft in einseitigen Klischees. Diese Erfahrung habe ich vor kurzem wieder gemacht, als ich mich gemeinsam mit Jugendlichen mit dem Thema „jung und alt“ beschäftigt habe. Wir haben gemerkt, dass uns negative Klischees viel schneller einfallen als gute. Aber am erstaunlichsten war, dass sich die jungen sogar selbst mit negativen Klischees beschrieben haben: „Jugendliche zocken nur, verbringen also viel Zeit am Computer, sie sind unhöflich, laut und stehen im Bus nicht auf, wenn ältere Menschen einsteigen.“

Auf meine Frage, ob das so stimmt, was sie über sich schreiben, habe ich folgende Antwort bekommen: „Keine Ahnung. Aber man sagt uns oft genug, dass wir so sind. Also wird es schon stimmen.“

Traurig, denn neue Studien zur Jugend zeigen ein anderes Bild auf, ein ganz anderes, positives Klischee. Nämlich, dass Jugendliche sich viele Gedanken über ihre Zukunft machen, sich ein soziales Miteinander wünschen und ihren Beitrag dazu auch leisten wollen.

Also ganz anders als sie sich selbst dargestellt haben. Wir haben lange darüber geredet. Und festgestellt, dass wir alle viel genauer hinschauen müssen. Es gibt zwar zu jedem Alter, zu jedem Beruf, zu vielen Lebenssituationen Klischees. Aber die dürfen uns nicht in eine Rolle drängen oder uns vorschreiben, wie wir zu sein haben.  

Den Jugendlichen hat es gutgetan, mit mir darüber zu reden und uns Älteren ein ganz anderes Bild mitzugeben. Und mich hat es nachdenklich gemacht. Ich möchte zukünftig anders hinschauen, genauer hinschauen und mich lösen von irgendwelchen Vorstellungen. Für das Miteinander haben wir dann auch ein gutes Motto gefunden. Uralt, aber immer noch aktuell. Ein Wort aus der Bibel. „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“

Vielleicht ist das ein gutes Motto für ein Miteinander von „jung und alt“. Nämlich, dass wir anderen nicht Schablonen und Klischees überstülpen, sondern mit dem Herzen sehen. Und dabei merken: Es geht immer um konkrete Menschen. Egal wie alt oder jung sie sind. Vielleicht ist das ja auch wieder ein Klischee, aber dann eines, das mir ermöglicht ich selbst zu sein. Und nicht nur mir, sondern auch jedem anderen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37485
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