SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

23AUG2023
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Manchmal fehlt mir einfach das Vertrauen in mich selbst. Neulich zum Beispiel. Beim Fahrradfahren mit meinem kleinen Sohn. Es hat geregnet und wir sind durch den Wald geradelt. Dort hat ein schmaler Pfad bergab geführt. Es war matschig, Äste lagen auch auf dem Weg. Mein Sohn ist losgefahren, ich hinterher. Er voller Freude, ich mit angezogener Handbremse Ich hatte wenig Vertrauen in meine Fähigkeiten.

Bei meiner Fahrt hinab war mir klar: Mein Sohn fährt ein Tempo, das ich mir nicht mehr zutraue. Früher bin ich so gefahren wie er. Aber jetzt?

„Wo bleibst du denn, Mama?“, hat mein Sohn gefragt, als ich ihn endlich einholte. „Bist du einen Umweg gefahren oder warum hat das so lange gedauert?“

„Nein, ich habe mich nicht getraut, schneller zu fahren. Weißt du, was da alles hätte passieren können?“, habe ich geantwortet. Einen Moment lang hat er über diese Frage nachgedacht. „Ja, ich kann vom Fahrrad fallen, ich kann zu spät bremsen. Aber ich weiß, was ich kann. Vielleicht musst du dir auch mehr zutrauen?“

Eine Frage, die mich beschäftigt hat. Was traue ich mir eigentlich zu? Wie viel Vertrauen habe ich in mich? Hätte ich mehr riskieren können, oder war meine Vorsicht genau richtig? Eigentlich lautet die Frage: Traue ich es mir zu, eine Situation richtig einzuschätzen?

„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Dieser Satz aus dem Hebräerbrief ist mir dann eingefallen. Ein Satz, geschrieben vor langer Zeit an eine christliche Gemeinde, die sich in einer schwierigen Situation befunden hatte. Und der Schreiber dieses Briefes hat die Menschen damals aufgefordert, nicht aufzugeben, sich der Situation zu stellen. Mit Selbstvertrauen und Gottvertrauen – so haben sie die Schwierigkeiten anpacken sollen. Und nicht von vorneherein schon aufgeben!

Vertrauen ist ein kostbares Gut! Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Vertrauen in die eigene Urteilskraft. Es ist da, es kann schwinden, aber es kann auch gestärkt werden. Vertrauen ist ein kostbares Gut, das ich nicht leichtfertig wegwerfen soll.

„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Der Schreiber dieser alten Worte hat mich mit dieser Erkenntnis getröstet. Er weiß nämlich, dass Menschen manchmal zu wenig Vertrauen haben, in sich, in Gott, in andere. Aber gleichzeitig hat er mich angespornt, an meinem Vertrauen festzuhalten. Weil es sich lohnt, weil es zu Veränderungen führt.

Den nächsten Berg hinunter habe ich weniger gebremst. Nur ein bisschen, aber immerhin. Denn ich weiß, was ich kann: Ich kann nicht so schnell wie mein kleiner Sohn. Aber ein bisschen schneller schon. Ich muss es mir nur zutrauen.

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