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SWR Kultur Wort zum Tag

05APR2025
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Manchmal, wenn es mir zu viel wird mit der ganzen Geschäftigkeit in den Straßen der Stadt, oder auch mit meiner eigenen Umtriebigkeit, dann gehe ich in die Kirche, setze mich in eine Bank und lasse die Ruhe des Raums auf mich wirken. Ich wohne in Speyer, nicht weit von der Gedächtniskirche. 

Und dann sitze ich einfach nur da. Manchmal minutenlang. Eingehüllt in Schweigen. Ich werde still. Und auch von außen dringen keine Geräusche auf mich ein. Mein Verstand, mein Herz, meine Seele kommen zur Ruhe. Und es fühlt sich an, als ob die Zeit auf einmal stehenbleibt.

Das tut mir gut. Weil ich dann spüre, dass es hinter der Zeit eine Ewigkeit gibt, die über meinem Leben liegt. Und auch über dieser Welt. Dass ich nur ein winzig kleiner Teil von ihr bin, nicht mehr als ein Sandkörnchen. Und über allem ist Gott, der Allmächtige und Ewige. Ich kann seine Gegenwart spüren. Im Raum. Und auch bei mir.

Dann bete ich. In aller Stille. Sage Gott in Gedanken, was mich sorgt, und was mir zu schaffen macht. Dass ich erlebe, wie Menschen ohne Scham die Wahrheit verdrehen. Dass Machthaber andere Länder überfallen und mit Krieg überziehen. Dass ein Freund von mir drei inoperable Hirntumore hat. Und es in seinem Leben jetzt nur noch um zwei Fragen geht: wie lange noch? Und mit welcher Lebensqualität?

Und dann sitze ich da. Verharre in der Stille. Aber die Stille, die mir gerade noch so gut getan hat, hat sich verändert. Denn jetzt ist es Gott, der schweigt. Und das ist schwer zu ertragen. Martin Luther hat diesen schweigenden, unbemerkbar in der Stille verharrenden Gott, den verborgenen Gott genannt. Den Deus absconditus. Im Lateinischen, merke ich, fällt es mir leichter, ihn zu ertragen, weil die Verborgenheit in der fremden Sprache eher wie ein geheimnisvoller Name klingt und nicht wie die offensichtliche Verweigerung einer Offenbarung.

Wie finde ich von diesem sich verbergenden, unzugänglichen Gott wieder zu dem Gott, der hilft und rettet und erlöst, wie es in so vielen Geschichten der Bibel steht? Ich muss gestehen, ich weiß es gerade nicht. Der Glaube an ihn ist da. Auch bei mir. Darum bin ich ja hier. Aber hier ist nur Stille. Und Schweigen. Ein Schweigen, das einfach nicht zu fassen ist.

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SWR Kultur Wort zum Tag

04APR2025
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Am 4. April 1968 wurde die Welt durch den gewaltsamen Tod von Martin Luther King erschüttert. Ein Mann, der mit seinem unerschütterlichen Glauben und seiner Vision von Gerechtigkeit und Gleichheit für alle Menschen in die Geschichte eingegangen ist. Heute möchte ich nicht nur an sein Leben erinnern, sondern auch an seinen größten Traum, der weit über die Grenzen der afroamerikanischen Gemeinschaft hinausreicht.

Martin Luther King hat von einer Welt geträumt, in der Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden. In seiner berühmten Rede hat er von einer Zukunft gesprochen, in der Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen erfahrene Realität sind. „I have a dream“ – ich habe einen Traum. Und dieser Traum war nicht nur ein Wunschdenken; es war eine tief verwurzelte Hoffnung, die er aus seinem Glauben an Gott und die Menschheit gezogen hat.

King hat fest daran geglaubt, dass jeder Mensch das Potenzial hat, zu gesellschaftlichen Veränderungen beizutragen. Sein Glaube war eine treibende Kraft in seinem Leben und Wirken. Er hat sich selbst als Werkzeug Gottes gesehen, um Liebe und Frieden zu verbreiten – auch in Zeiten des Hasses und der Gewalt. Diese Überzeugung hat ihm den Mut gegeben, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen und für die Rechte der Unterdrückten einzutreten.

Heute stehen wir meines Erachtens vor Herausforderungen, die Kings Botschaft von Hoffnung und Einheit erneut ins Licht rücken. Rassismus, Ungleichheit und Spaltung sind nach wie vor präsent – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Doch Kings Traum hat nichts an Strahlkraft verloren. Im Gegenteil. Aber es liegt an jedem einzelnen, zu der Verwirklichung dieser Vision beizutragen.

In einer Zeit, in der Spannungen in der Gesellschaft zunehmen, lässt sich Kings Botschaft als starker Leitfaden nutzen: Brücken bauen statt Mauern! Den Dialog suchen und Verständnis füreinander entwickeln! Jeder kleine Schritt in Richtung Toleranz und Mitgefühl zählt.

Kings Glaube lehrt mich auch heute noch eine wichtige Lektion: Veränderung beginnt im Herzen eines jeden Einzelnen. Wenn wir bereit sind, unsere Vorurteile abzubauen und andere Perspektiven zuzulassen, können wir gemeinsam eine bessere Welt schaffen. Dass der Traum von Gerechtigkeit und Gleichheit, Frieden und Versöhnung endlich Wirklichkeit wird.

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SWR Kultur Wort zum Tag

03APR2025
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Eines meiner Lieblingslieder ist: „Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten.“ Es lädt mich ein, die Gegenwart Gottes in meinem Alltag zu erkennen. Es beschreibt eindrücklich, wie Gott Welt und Leben durchdringt und mir als einzelnem Menschen ganz nah ist: In meiner Freude und meinem Leid, in meinem Zweifel und in meinem Glauben.

Gedichtet hat dieses Lied vor 300 Jahren Gerhard Tersteegen, einer der bedeutendsten evangelischen Liederdichter des 18. Jahrhunderts. Heute ist sein Todestag. Geboren 1697 im Rheinland, hat er in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche und religiöser Spannungen gelebt. Mit 31 Jahren hat er seine Tätigkeit als Seidenbandweber aufgegeben und von Almosen gelebt, um dem jesuanischen Armutsideal zu folgen. Dabei hat er eine tiefe Spiritualität entwickelt.

Tersteegen wollte völlig eins sein mit Jesus Christus und sich ganz und gar mit ihm verbinden. Das ging sogar so weit, dass er am Gründonnerstag 1724 einen Brief an Jesus geschrieben hat. Dabei hat er als Tinte sein eigenes Blut verwendet: „Meinem Jesu! Ich verschreibe mich Dir, meinem einigen Heilande und Bräutigam Christo Jesu, zu Deinem völligen und ewigen Eigenthum… .“

Das erscheint uns Menschen des 21. Jahrhunderts vielleicht ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen, aber tatsächlich war Tersteegen nicht nur ein begabter Dichter, sondern auch ein leidenschaftlicher Seelsorger, der Menschen in ihrer Not beistehen konnte. Denn er hat es selbst erlebt: Inmitten von Schwierigkeiten kann der Glaube eine Quelle der Hoffnung und Zuversicht sein. Ich finde, das ist noch heute seinen Texten und Liedern abzuspüren.

„Ich bete an die Macht der Liebe“ stammt auch aus seiner Feder. Auch wenn Text und Melodie heutigen Ohren vielleicht kitschig vorkommen, wird hier eindrücklich besungen, wie Gottes Liebe Menschen verändert: Diese Liebe, nimmt mich an, wie ich bin, und ruft mich gleichzeitig dazu auf, mein Leben zu verändern. In den vielen derzeitigen Krisensituationen und Unsicherheiten unserer Zeit erinnert mich dieses Lied daran, dass ich gehalten bin. Von Gottes Liebe. Und: dass die Macht der Liebe alles verändern kann. Nicht abstrakt oder fern; sondern gegenwärtig und aktiv. In meinem Leben und in der Welt. Mich daran erinnern zu lassen, gibt mir Halt und Kraft und tut mir gut.

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SWR Kultur Wort zum Tag

22FEB2025
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Vor einigen Tagen habe ich ein Buch aus dem Regal geholt und wieder eine Rede gelesen, die ich mit sechzehn Jahren verschlungen habe. Am 28. August 1963 hält Martin Luther King vor 250 000 Menschen seine berühmte Rede:

„Ich habe einen Traum, dass alle Menschen gleich erschaffen sind.“

„Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird.“

Die Rede hat Kultstatus. Sie hat eben auf den Punkt gebracht, um was es im Zusammenleben einer Gesellschaft, im Zusammenleben von Menschen, Völkern und Ethnien auf der Welt geht: Verachtung, Ausgrenzung und Diskriminierung führen zu nichts.

Und in der Tat: Viel ist seitdem geschehen. Aufhebung der Rassentrennung, Verbesserung von Bildungs- und Berufschancen, Besetzung von Spitzenpositionen. Bis dahin, dass die USA inzwischen einen ersten schwarzen Präsidenten gehabt haben. Aber es gilt auch: Amerika ist von der Erfüllung dieses Traums immer noch weit entfernt.

Dabei hat Martin Luther King in seiner Rede auch diesen Satz gesagt: „Soll Amerika eine große Nation werden, dann muss dies wahr werden.“

Größe wird aber, nicht nur in den USA, auch bei uns, derzeit von vielen erkennbar anders definiert. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Zusammenleben in einer Gesellschaft durch Spaltung nicht gelingen wird. Sondern im Gegenteil nur durch Zusammenhalt auf der Grundlage gleicher Rechte, Würde und Achtung für alle Menschen. Das sind die Werte und Kräfte, die zu wahrer Größe führen. Für den Pfarrer Martin Luther King war dies nicht nur eine Frage der Menschenrechte, sondern auch seines christlichen Glaubens.

Auch bei uns in Europa, in Deutschland, gibt es Menschen, Parteien, die Größe mit Überheblichkeit verwechseln, die Hautfarben Charaktermerkmale zuschreiben und die Gleichheit über eine wie auch immer zu bestimmende Gruppenzugehörigkeit definieren. Ihr Traum ist rechtsextremistisch. Und er malt vom Zusammenleben ein völlig anderes Bild. Morgen ist Bundestagswahl.

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SWR Kultur Wort zum Tag

21FEB2025
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Über theologische Fragen hat sich Karl Barth intensiv mit seiner Assistentin Charlotte von Kirschbaum ausgetauscht. Im Gespräch über ein Leben nach dem Tod soll sie einmal gesagt haben: „Dann sehen wir alle unsere Lieben dort wieder.“ Worauf Karl Barth geantwortet hat: „Ja, und alle anderen auch!“

Es ist eine dieser typischen Karl Barth Antworten: In trockenem Ton bringt er die Dinge ganz kurz und sachlich auf den Punkt. Und zeigt gleichzeitig die Dimensionen eines Sachverhalts in seiner ganzen Tiefe.

Klar: Wenn ich mir das ewige Leben ausmale, dann denke auch ich zunächst an liebe Menschen, die ich verloren habe, an meine Großeltern, meine Schwägerin, meinen Vater, einen guten Freund. Sie zu verlieren, hat sehr weh getan und auch jetzt noch drückt mich der Schmerz über ihren Verlust. Aber wenn ich mir vorstelle, dass wir uns alle einmal wieder sehen, ist das ein Trost, der mir hilft.

Mein Glaube öffnet die Möglichkeit neuer Begegnungen. Beziehungen können wieder aufgenommen werden. Der Tod ist nicht das Ende. Die Bibel spricht von einem Leben ohne Leid und Schmerz. Ganz geborgen in der Ewigkeit Gottes.

Und dann kommt da einer her, grätscht mir in diesen Traum und behauptet, das sei leider nur die eine Hälfte der Wahrheit. Der anderen muss ich mich aber auch stellen: In der Ewigkeit treffe ich auch die wieder, mit denen ich so gar nicht konnte, und die ich eigentlich nie mehr wiedersehen will. Und vielleicht dennoch sehen werde.

Weil nicht ich darüber bestimme. Und weil bei Gott mal wieder alles ganz anders ist, als ich mir das so denke oder wünsche. Das ist schon eine harte Züchtigung meiner so schön ausgemalten Glaubensvorstellung in der Welt da drüben. Dass mir da so mancher begegnen wird, den ich nur als Rüpel, Egoisten und Narzissten, als rücksichtslosen Spalter oder Schnorrer wahrgenommen habe, dem aber Gott, aus welchen Gründen auch immer, die Türe öffnet.

Nun kann es aber durchaus sein, dass ich von anderen, und vielleicht nicht nur in manchen Momenten, umgekehrt eben auch genauso wahrgenommen werde. Was dann? - Dann könnte dieser Gott allen Vorbehalten von anderen zum Trotz auch mir die Türe öffnen. Und ich wäre dabei. Wie alle anderen auch: Erlöst. Begnadigt. Von Gott gesehen. Aufgerichtet. Geheilt. Geborgen.

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SWR Kultur Wort zum Tag

20FEB2025
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Eine Weile sind wir schweigend nebeneinander hergelaufen. Vom Grab im Friedwald zurück zum Parkplatz. Ich kenne den Mann nicht. Die Segensworte klingen noch nach, die ich bei der Bestattung gesprochen habe. Dann unterbricht er die Stille und stellt mir diese Frage: „Glauben Sie an ein ewiges Leben nach dem Tod?“  Ich bin ein bisschen überrumpelt und antworte schnell:

„Ja“, und: „Natürlich weiß ich nicht, wie es dann sein wird. Aber der zentrale Gedanke für mich ist, dass das Leben weiter geht, es ein neues, anderes Leben gibt, wie auch immer, und zwar in der unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott.“

Ich merke, meine Antwort ist genauso holprig, wie der Weg, den wir gerade gehen. Und prompt kommt die Nachfrage: „Damit kann ich noch nicht so viel anfangen. Wie ist das zu verstehen?“ fragt mich mein Wegbegleiter.

„Zunächst einmal“, sage ich, „heißt das für mich, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Und dass der Tod nicht die letzte Macht ist. Ja, wir Menschen müssen sterben. Aber Gott ist auch über den Tod auf dieser Erde hinaus für uns da. Und das Leben bei ihm ist voller Geborgenheit, kein Leid, keine Sorgen, es herrscht Frieden und alle sehen sich eines Tages bei ihm wieder. Die großen, biblischen Bilder erzählen genau davon: dass Gott dann alle Tränen abwischen wird, dass alle Völker, alle Menschen gemeinsam im Frieden vereint am Tisch sitzen und miteinander Mahl halten.“ Ob ihn die kleine Ansprache überzeugt? Oder wenigstens das Gespräch nicht abreißen lässt?

Er meint, das komme ihm wie eine Vertröstung ins Jenseits vor und dass das alles doch keine wirkliche Relevanz habe.

„Ich weiß nicht“, meine ich, „für mich sind das starke Bilder, die mir Hoffnung geben, in meinem Leben jetzt, und auch im Blick auf all das, was in dieser Welt ungelöst, leidvoll, konfliktträchtig bleibt. Sie motivieren mich auch, etwas zu verändern. Weil mein Glaube und meine Hoffnung über diese Welt hinausgehen.“

So sind wir miteinander unterwegs gewesen. Den kurzen Weg vom Grab zurück ins Leben. Am Parkplatz angekommen, hat er sich bei mir bedankt und gesagt, dass er bis jetzt mit niemand so richtig darüber habe sprechen können. Das habe ihm gutgetan. Ob er das auch so glauben kann, weiß er nicht. Aber dass es möglich sein könnte, das nehme er für sich mit, und wolle weiter darüber nachdenken.

Auch ich sinne immer wieder darüber nach. Die Fragen bleiben. Auch für mich. Aber der Glaube und die Hoffnung auch.

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SWR Kultur Wort zum Tag

08JAN2025
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„Der „Wenn“ und der „Hätt“ henn noch nie was g´hätt.“ Das hat mein Großvater immer zu mir gesagt, wenn ich mir als Kind zum Beispiel vorgestellt habe, wie es wäre, wenn ich einmal richtig reich wäre und ganz viel Geld hätte. Ich habe mir ausgemalt, wie es wäre, wenn mein Kinderzimmer voller Spielsachen, Comics, Malsachen, Legobausteine und Märklin-Eisenbahnzüge wäre.

Oder ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn ich in allen Fächern, besonders in Mathe, Physik, Chemie und Biologie, spielend leicht die besten Noten bekommen würde. Einfach so.

In meinem späteren Leben habe ich gemerkt, wie recht mein Großvater mit diesem Satz gehabt hat: „Der „Wenn“ und der „Hätt“ henn noch nie was g´hätt.“ Denn Geld habe ich immer nur so viel gehabt, wie ich mir mit meiner Arbeit eben verdient habe. Und gute Noten habe ich immer dann bekommen, wenn ich auch gelernt habe. Dass mir das in den Naturwissenschaften erheblich weniger gelungen ist, war eben so. Dafür war ich in anderen Fächern umso besser. Zum Beispiel in Religion.

Man kann sich viel wünschen und vorstellen, was alles anders wäre, wenn man mehr Geld hätte, schlauer wäre, wenn man dieses oder jenes anders gemacht hätte, wenn die Menschen besser wären, ja, wenn die ganze Welt eine andere wäre.

Aber im wirklichen Leben zählt nur, was jetzt gerade ist oder eben nicht ist. Die Aufgabe ist, damit umzugehen und das Beste daraus zu machen.

Das kann im einen Fall heißen, sich auf den Hosenboden zu setzen und seine Arbeit zu machen. Es kann aber auch heißen, sich darin zu üben, vielleicht doch zufrieden zu sein mit dem, was man hat. Was einem an Gutem und Schönem widerfahren ist. In schönen Stunden mit Freunden, im Zusammenhalten als Familie, im Blick auf das, was man im Leben erreicht hat. Auch wenn da noch Träume und Wünsche sind, die gerne in Erfüllung gehen können.

Manchmal geht es aber auch gerade im Gegenteil darum, alles daran zu setzen, damit die Dinge, die Menschen, die Welt sich ändern. Von alleine geschieht das nicht. Ich muss etwas dafür tun, wenn ich will, dass dieses oder jenes besser wäre. Sei es für mich, für andere oder für die Welt.

Das Tun wie das Lassen fällt mir manchmal schwer. Aber mein Glaube hilft mir dabei. Weil ich fest darauf vertraue, dass mir Gott die Kraft dazu gibt. Das eine Mal, dass ich etwas so sein lassen kann, wie es nun mal ist. Das andere Mal, dass ich alles dafür tue, bis ich wirklich etwas erreicht habe. Mein Großvater hätte bestimmt seine helle Freude daran.

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SWR Kultur Wort zum Tag

07JAN2025
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Ein neues Jahr hat begonnen, und mit ihm die Möglichkeit, frische Vorsätze zu fassen und neue Wege zu gehen. In diesem Jahr möchte ich die Jahreslosung (1. Thess 5,21) als Leitfaden nehmen für mein Tun und Lassen: „Prüft alles und behaltet das Gute!“.

Ich glaube, der Satz kann mir helfen, meine Prioritäten neu zu ordnen. „Prüft alles“ – diese Aufforderung erinnert mich daran, kritisch zu sein und nicht einfach alles hinzunehmen, was mir begegnet. Der Apostel Paulus hat diesen Satz damals zu Menschen gesagt, die mit vielen unterschiedlichen Lehren, Einflüssen und Herausforderungen konfrontiert waren. Auch ich stehe heute vor einer Fülle von Informationen, Meinungen und Wünschen. Oft fühle ich mich überfordert, und es fällt mir schwer, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.

Das Prüfen bedeutet nicht, alles zu verwerfen, sondern bewusst zu filtern. Es erfordert Zeit, Achtsamkeit und innere Klarheit. Der Vers ermutigt mich, aktiv an mir und meinem Glauben zu arbeiten. In der Stille und im Gebet kann ich die Dinge meines Lebens, die Werte und Überzeugungen, die sozialen Medien oder auch meine täglichen Entscheidungen prüfen: Was stärkt meinen Glauben? Was fördert meine Beziehung zu anderen? Was bringt Licht in mein Leben und das Leben meiner Mitmenschen? Dabei geht es auch darum, Gottvertrauen zu haben.

„Prüft alles - und behaltet das Gute!“ – Der zweite Teil der Jahreslosung gefällt mir fast noch besser. Denn er ist eine wunderbare Einladung, Gutes zu sehen, zu bewahren und zu schätzen. Welche guten Dinge habe ich im vergangenen Jahr erlebt? Was war schön? Welche Segnungen haben mich berührt? Auch in diesem Jahr möchte ich diese Momente festhalten und als positive Erfahrungen in kommende Zeiten mitnehmen.

Damit ist auch ein konkreter Vorsatz verbunden: Es wäre gut, wenn ich mir regelmäßig Zeit nehme, um zu reflektieren: Was ist gut in meinem Leben? Was bringt Freude und Frieden? In der Hektik des Alltags kann es leicht passieren, dass ich auf das Schlechte und Schwierige fokussiert bin und das Gute übersehe.

Die Jahreslosung ermutigt mich, aktiv an mir und meinem Glauben zu arbeiten. Es erfordert Mut, Altes loszulassen und Neues zu begrüßen. Wenn ich alles prüfe und das Gute behalte, gestalte ich mein Leben bewusster und intensiver. Ich werde es prüfen. Auf Herz und Nieren. Das wäre doch eine gute Sache.

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SWR Kultur Wort zum Tag

06JAN2025
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Suchen. Finden. Weitergehen. Drei Worte. Sie beschreiben für mich den Weg der drei Weisen aus dem Morgenland. Auch Magier und Könige werden sie genannt. Der Dreikönigstag, heute am 6. Januar, erinnert an sie.

Am Anfang steht das Suchen. Mit weiten Augen. Und schweifendem Blick. Am Himmel. Nach Sternen und Konstellationen, die neue Deutungshorizonte eröffnen. Für die Welt. Und das eigene Leben auch. Im Anblick eines hell aufleuchtenden Sterns. Mitten in der Dunkelheit der Nacht.

Auch ich bin auf der Suche. Immer wieder. Und immer wieder neu. Nach dem Sinn oder Unsinn meines Lebens. Nach Deutungsmöglichkeiten für diese Welt und das, was in ihr geschieht. Oder gerade auch nicht geschieht. Manchmal liege ich nachts wach darüber. Suche unter den Sternen nach einem Fixstern der Hoffnung. Frage nach Gott. Suche ihn. Und das Licht seiner Gegenwart in der Welt.

Diese Weisen müssen besondere Menschen gewesen sein. Sie bleiben dran. Machen sich sogar auf den Weg in ein fernes Land. Um einer Verheißung zu folgen. So bilden sie eine Suchgemeinschaft. Auf dem Weg zu neuer Hoffnung. Zu neuem Glauben. Zu neuem Trost und neuer Zuversicht. Für die Welt. Und für das eigene Leben auch.

Ich wünsche mir das ebenso: Dass ich neue Hoffnung schöpfen kann in einer manchmal hoffnungslos scheinenden Welt. In der die schlimmen Nachrichten über Katastrophen, Krieg, Leid und Not manchmal kein Ende mehr zu nehmen scheinen. Ich wünsche mir Trost in trostloser Zeit. Wenn Menschen Probleme und Krisen nicht mehr miteinander, sondern gegeneinander lösen wollen. Und ich wünsche mir auch, dass mein Glaube wieder Kraft gewinnt. Und ich meine Kleingläubigkeit überwinden kann.

Die Weisen finden ein kleines, neugeborenes Kind. Ganz und gar armselig ist es, bedürftig und schutzlos. Und doch sehen sie genau in diesem Kind etwas Besonderes. Die Erfüllung einer Verheißung. Dass Gott in diesem Kind gegenwärtig ist. Dass er mit diesem Menschenkind ist, mitten in dieser Welt. Mit seiner ganzen Liebe. Uns Menschen, in unserer Bedürftigkeit und Schutzlosigkeit, ganz nah.

Ich erinnere mich an den Besuch in einer diakonischen Einrichtung während meines Zivildienstes, bei dem wir den Nachmittag mit einer Gruppe verbracht haben, in der auch ein Junge mit Downsyndrom war. Es war unglaublich, mit welcher Warmherzigkeit, Offenheit, Freundlichkeit und Lebensfreude er mir und allen Teilnehmenden begegnet ist. Er war ein ganz besonderer Mensch, der alle sofort in sein Herz geschlossen hat und umgekehrt auch. Diese Begegnung ist für mich in gewisser Weise zu einem Glaubensmoment geworden. Noch heute habe ich sein Lachen und seine Warmherzigkeit in mir.

In Bethlehem, erzählt die Bibel, gehen die Weisen bald wieder weiter. Zurück in ihre Heimat. Aber ihr Horizont hat sich verändert. Für die Welt. Und in ihrem eigenen Leben auch. Getragen von neuer Hoffnung. Neuem Trost. Neuer Zuversicht. Und Glauben. Darum erzählt die Bibel auch ihre Geschichte. Es sind Glaubensgeschichten, die mit der Geburt Jesu beginnen. Von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und gesellschaftlichem Rang. Menschen, die durch die Begegnung mit diesem kleinen Kind die Welt und ihr Leben in einem anderen Licht sehen.

Suchen. Finden. Weitergehen. Drei Worte, die auch meinen Weg im Glauben beschreiben. Denn so wie die Welt sich verändert, verändere auch ich mich. Und mit anderen Lebenssituationen kommen andere, neue Fragen. Ich glaube, das Suchen hört nie auf. Aber das Finden auch nicht. Weil Gott sich immer wieder anders zeigt. Oft genug stelle ich auch erst in der Rückschau fest, dass es ein Segen war, dass dieses oder jenes so gekommen ist. Und um das zu erfahren, braucht es das Weitergehen.

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SWR Kultur Wort zum Tag

19OKT2024
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Zu Gast im Simotec-Kochwerk in Kaiserslautern: Ich stehe an der Hygieneschleuse und ich bekomme gezeigt, wie die Arbeitsaufteilungen zwischen den Mitarbeitenden und die Abläufe in der Großküche sind. Die Beschäftigten wissen ganz genau, was wann wie zu tun ist. Und sind mit sichtbarer Freude an der Arbeit. Ich erfahre: die Angebotspalette ist vielfältig und groß. 5.100 Essen werden hier jeden Tag zubereitet. Für Kindertagesstätten, Schulen, Firmen oder Wohnheime. Dazu wechselnde Tagesmenüs fürs Bistro und Lieferando-Service, frisch zubereitete Bowls und Aktionsgerichte. Und ich sehe mit wie viel Sorgfalt, Freude und Liebe hier geschnippelt, gekocht und gebraten wird.

Heute gibt es unter anderem den Klassiker Schweineschnitzel mit Rahmsoße und Salat. Zum Mittagessen entscheide ich mich für eine Kanarische Bowl mit Blattsalat, Quinoa, Paprika, Zwiebel, Gurke, Mango, Feta Schafskäse, Oliven und Tomaten. Und bin begeistert. Mmh! Wirklich lecker.

Im Kochwerk, einer Einrichtung des ökumenischen Gemeinschaftswerks Pfalz, werden gezielt Menschen mit Unterstützungsbedarf beschäftigt, aber auch betreut und gefördert.

Im Ausgabelager wird mir deutlich, welchen großen Wert solch ein Inklusionsbetrieb haben kann. Nicht nur für die Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind und sonst kaum Arbeit finden würden. Sondern auch für den Betrieb selbst. Der Betriebsleiter zeigt auf die dort gelagerten Boxen mit verschiedenen Essensportionen und erklärt mir, dass es bei der Auslieferung verständlicherweise darauf ankommt, dass die Anzahl der Portionen ganz genau stimmt. Er persönlich würde sagen, es sind so um die hundert. Aber der für diesen Bereich zuständige Mitarbeiter weiß mit hunderprozentiger Sicherheit, dass ganz genau 98 Portionen zur Auslieferung bereitstehen. Und er fügt hinzu: vielen Menschen mit Beeinträchtigung fällt es nämlich schwer, Dinge im Ungefähren zu lassen. Und genau diese Fähigkeit, die brauchen wir hier.

Ich bin beeindruckt. Ich habe nicht gewusst, welche Kompetenzen Menschen mit Beeinträchtigung mitbringen können! Und mit was für einer Freude sie bei der Arbeit sein können. Wie hilfreich sie für einen Betrieb sind, der sich die Mühe macht, sie in Einsatzmöglichkeiten und Abläufen passgenau einzubinden. Es sollte noch viel selbstverständlicher werden, dass Menschen mit ihren Kompetenzen und Bedürfnissen gute Arbeitsplätze finden.

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