SWR2 Wort zum Tag
Neulich auf der Fahrt von Rostock nach Speyer. Der Zug hat ganz schön Verspätung. Dann diese Durchsage: „Liebe Fahrgäste! Wir halten soeben in Fulda und der Zug nach Nürnberg steht wider Erwarten noch am Bahngleis nebenan. Also: Gib Gummi, Schumi!!“
Mein Gegenüber und ich grinsen uns an. Das ist mal eine Durchsage! Mit so einer guten Nachricht hat hier niemand gerechnet. Auch die anderen Fahrgäste schmunzeln. Auf einen Schlag ist die angespannte Atmosphäre im Abteil wie weggeblasen. Die Stimmung beginnt sich zu lösen, Heiterkeit macht sich breit. Und fröhliche Aufbruchstimmung bei denen, die aus- oder umsteigen und nun tatsächlich noch schnell - wider Erwarten - den Anschlusszug nach Nürnberg erwischen können.
Wider Erwarten. Bei so einer Zugfahrt, denke ich, ist es wie im richtigen Leben. Man ist unterwegs. Von A nach B, hat ein bestimmtes Ziel. Und dann gibt es Schwierigkeiten, Umstände, Probleme, Ereignisse, die Ablauf und Zeitplan verändern. Vielleicht sogar das Ziel an sich in Frage stellen. Und auf einmal ist alles ganz anders als ursprünglich im Lebens-Fahrplan vorgesehen. Wie schnell das gehen kann, daran hat mich der Zugführer mit seinem Hinweis auf Michael Schumacher erinnert. Einer der größten Rennfahrer der Welt kann wegen eines Skiunfalls von heute auf morgen kein „Gummi“ mehr geben. Auch wenn ich ihn persönlich nicht kenne, geht mir sein Schicksal nahe. Und ich schließe Menschen wie ihn und seine Familie immer wieder in mein Fürbittgebet ein. Weil ich daran glaube, dass sich etwas bei ihnen zum Guten wenden kann. Wider Erwarten.
Mein Zugerlebnis hat mich darin bestärkt: Dass wider Erwarten etwas möglich wird, sich etwas unverhofft zum Guten wendet. Und am Gleis nebenan eben doch noch ein Zug steht, in den ich umsteigen kann, meinen Weg fortsetzen kann. Und wenn ich es recht bedenke, geschieht das durchaus öfter, als ich es für möglich halte. Aber viel zu oft behalte ich nur das in Erinnerung, was schlecht und schwierig war.
Für Ihre Fahrt durch den heutigen Tag wünsche ich Ihnen von Herzen, dass da ein Zug am Gleis nebenan ist, der im Zweifelsfall auf sie wartet. Und Menschen, die sie rechtzeitig darauf aufmerksam machen und ihnen z.B. zurufen: „Gib Gummi, Schumi!“.
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