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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18MAI2024
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Heute ist Tag 815 des Kriegs in der Ukraine. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Der Aggressor im Kreml macht keine Anstalten, den völkerrechtsswidrigen Angriffskrieg zu beenden. Russland soll wieder eine imperiale Macht werden. Das ist Putins erklärtes Ziel. Davon rückt er nicht ab. Koste es, was es wolle.

Auch für mich ist klar: Es geht in dieser Auseinandersetzung nicht nur um das Schicksal der Ukraine. Die Freiheit Europas ist bedroht. Das weckt Ängste. Und so wird über Art und Umfang der Waffenhilfe für Kiew diskutiert, auch vom „Einfrieren“ des Konflikts ist die Rede. Dass sich Christen mit dem Krieg schwertun, ist nur zu verständlich. Ist Jesus nicht ein Prophet der Gewaltlosigkeit? Hat er nicht alle die selig genannt, die Frieden stiften? Wenn aber ein gewissenloser Diktator ein Nachbarland überfällt und dabei auch zahllose Zivilisten tötet, dann hat der Angegriffene das Recht sich zu verteidigen. Das tut die Ukraine seit mehr als zwei Jahren. Und der Westen unterstützt diesen Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit, auch mit Waffen. Aber wäre es christlich, wenn man mit dem Verweis auf die Gewaltlosigkeit Jesu den Opfern nicht beistehen würde?

Seit der Antike diskutieren Philosophen und Theologen über den „Gerechten Krieg“, darunter auch Kirchenmänner wie Augustinus oder Thomas von Aquin. Sie haben Bedingungen formuliert, die einen Krieg rechtfertigen. So darf er nur das allerletzte Mittel sein, um Frieden und Freiheit wiederherzustellen. Es muss einen gerechten Kriegsgrund geben, etwa die Selbstverteidigung. Unbeteiligte sind zu schützen, die Gewalt muss auf das Nötigste beschränkt werden und verhältnismäßig sein. Das sind nur einige der Punkte, die auch in das moderne Völkerrecht eingeflossen sind.

Mit der Lehre vom gerechten Krieg stellt sich das Christentum den Realitäten dieser Welt. Das sollte man nicht gering schätzen. Es ist wahr: Der christliche Glaube ist dem Frieden verpflichtet. Das aber bedeutet nicht, Unschuldige der Willkür und Gewalt von Kriegsverbrechern auszuliefern.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17MAI2024
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Religion und Politik, Staat und Kirche. Das sind für die meisten Zeitgenossen getrennte Bereiche. Und in der Tat: Es gehört zu den großen Errungenschaften der Aufklärung, dass beide weitgehend unabhängig voneinander existieren. Für die Gesellschaften des Westens sind die Bündnisse von Thron und Altar nur ferne Erinnerungen. Bei uns in Deutschland war diese Allianz mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Sturz der Monarchie Geschichte.

Ganz anders sieht das heute in Russland aus. Dort lässt sich studieren, wie unheilvoll eine enge Verbindung von Staat und Kirche sein kann. So stützt Patriarch Kyrill, das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, Präsident Putin uneingeschränkt. Bei den Gottesdiensten an den großen Feiertagen stehen Putin und Kyrill Seite an Seite. Der Kirchenführer segnet die Politik des Kremlherrn im wahrsten Sinne des Wortes ab. Jetzt, in Zeiten des Krieges gegen die Ukraine, ist der Schulterschluss besonders eng. Kyrill erklärt den Überfall auf das Nachbarland zum „Heiligen Krieg“. Russland, so Kyrill wörtlich, kämpfe gegen die „Weltenherrscher der Finsternis“. In diesem Ringen stehe nicht weniger als die Zukunft des Christentums auf dem Spiel. Russland müsse die Feinde Gottes besiegen. Und das seien die „Faschisten“ in Kiew und ihre gottlosen Helfershelfer aus dem moralisch verkommenen Westen.

Zwischen Patriarch Kyrill und Wladimir Putin, beide einst Mitarbeiter im sowjetischen Geheimdienst KGB, passt kein Blatt Papier. Papst Franziskus hat Kyrill 2016 in Havanna auf Kuba getroffen. Schon damals schüttelten viele den Kopf, als beide in einer gemeinsamen Erklärung davon sprachen, dass sich „in Russland eine noch nie dagewesene Erneuerung des christlichen Glaubens“ ereigne. In Wahrheit aber tritt Kyrill die Botschaft des Evangeliums mit Füßen. Das sollte auch Papst Franziskus seinem orthodoxen Mitbruder unmissverständlich entgegenhalten!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

16MAI2024
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Heute vor genau drei Monaten starb Alexej Nawalny in einer sibirischen Strafkolonie. Hier saß er in einer dunklen Einzelzelle, 2 x 3 Meter mit Holzpritsche. Die Toilette: ein Loch im Boden. Für die Mächtigen in Russland war der 47-Jährige der Staatsfeind Nr.1. Über Jahre hinweg hatte Nawalny das brutale und korrupte Kreml-Regime angeprangert. Putin fürchtete niemanden so sehr wie diesen mutigen und unbeugsamen Alexej Nawalny.

Schon im Sommer 2020 sollte Nawalny sterben. Doch er überlebte den heimtückischen Giftanschlag des russischen Geheimdienstes. Ärzte in der Berliner Charité konnten den Bürgerrechtler retten. Dort im Krankenhaus und in der anschließenden Reha im Schwarzwald vollzog sich eine Wandlung in Nawalnys Leben. Bis dahin war er Atheist, jetzt aber entdeckte er den christlichen Glauben für sich. Er las die Bibel und fühlte sich von der Botschaft Jesu bestärkt. Weil er weiter für die Freiheit seiner Heimat kämpfen wollte, kehrte er nach Russland zurück. Noch am Flughafen verhaftete ihn die Polizei. Eine Serie von Prozessen folgte. Schließlich verurteilte das Moskauer Bezirksgericht Nawalny zu langjähriger Haft im Straflager. In seinem Schlusswort zitierte er die Bergpredigt Jesu: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden“ (Mt 5,6). Und er fügte hinzu: „Das ist aktuell die bedeutendste politische Idee in Russland.“

Noch über seinen Tod hinaus inspiriert Alexej Nawalny die Menschen, die sich nach einem anderen Russland sehnen. Der Besucherstrom zu seinem Grab auf dem Friedhof einer Moskauer Vorstadt reißt nicht ab. Eine von Nawalnys letzten Botschaften ist zu seinem Vermächtnis geworden. Es gilt all jenen Menschen, die an eine bessere Zukunft ihres Landes glauben, so wie er es auch tat. Es lautet:

„Gebt nicht auf! Erinnert euch daran, dass wir eine unglaubliche Kraft haben. Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist die Untätigkeit der guten Menschen.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07FEB2024
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Einige Jahre lebte der Dichter Rainer Maria Rilke in Paris. Gerne spazierte er mit einer jungen Französin durch die Stadt. Regelmäßig kamen die beiden an einem Platz vorbei, an dem eine ältere Frau saß und bettelte. Sie saß nur da und streckte ihre Hand aus. Nie sah sie die Passanten an, sie blieb stumm, auch wenn ihr jemand eine Münze in die Hand drückte. Das tat auch Rilkes Begleiterin, er selbst gab nie etwas.

„Warum geben Sie ihr nichts?“, fragte sie ihn. Darauf der Dichter: „Wir müssten ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.“ Ein paar Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte weiße Rose mit, legte sie in die offene Hand der Bettlerin und wollte weitergehen. Da geschah etwas Unerwartetes: Die Frau blickte auf, erhob sich, ergriff Rilkes Hand und küsste sie. Dann ging sie mit der Rose davon.

Eine ganze Woche war sie verschwunden. Ihr Platz blieb leer. Dann aber saß sie wieder dort und streckte ihre Hand aus. Stumm wie zuvor.

Rilkes Begleiterin wunderte sich. „Wovon hat sie denn all die Tage gelebt?“ „Von der Rose“, antwortete Rilke.

Wie groß ist der Wunsch, von anderen wahrgenommen und anerkannt zu werden! Ohne Wertschätzung ist jedes Leben kalt und leer. Das hat Rilke verstanden. Um wieviel heller könnte auch mein Alltag sein, wenn ich gegenüber meinen Mitmenschen mitunter ein wenig aufmerksamer wäre. Ein anerkennendes Wort, ein freundliches Lächeln, eine aufmunternde Mail. Ob in der Familie, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen oder in der Bahn. Das mag vielleicht banal klingen, ist es aber nicht. Den anderen wertzuschätzen, ihm das auch zu zeigen, das macht unsere Welt ein Stück menschlicher.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06FEB2024
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Heute gilt mein besonderer Gruß allen, die Dorothea oder Dorothee heißen. Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag!

Der 6. Februar ist der Todestag der Heiligen Dorothea! Man weiß nicht allzuviel von ihr. Fest steht, dass sie zu Anfang des 4. Jahrhunderts in der Stadt Caesarea in Kleinasien gelebt hat.

Dorothea stammte aus einer wohlhabenden christlichen Familie. Das war damals gefährlich, denn der römische Kaiser Diokletian hielt die Christen für Staatsfeinde, die er gnadenlos verfolgte. Sein Statthalter in Caesarea hatte sich in die junge und hübsche Frau verliebt. So berichtet es die Legende. Doch Dorothea wies ihn ab. „Ich habe schon einen Bräutigam“, erklärte sie. „Und das ist Jesus Christus.“

Das war ihr Todesurteil. Dorothea wurde gefoltert und zur öffentlichen Hinrichtung geführt. Gefasst und voller Zuversicht rief sie den Schaulustigen zu: „In dieser Welt ist es kalt. Ich bin froh, dass ich jetzt in ein Land gehen darf, in dem es keinen Winter gibt und in der die Sonne nie untergeht. Dort, im Garten meines Herrn Jesus Christus, werde ich Äpfel und Rosen pflücken.“

Das hörte auch der Schreiber Theophilus. Er verspottete Dorothea: „Na gut, wenn Du dorthin kommst, dann schicke mir ein paar Äpfel und Rosen aus dem Garten deines Bräutigams!“

Kaum hatte der Henker die tapfere Dorothea enthauptet, da kam ein Kind auf Theophilus zu und reichte ihm einen Korb voll roter Äpfel und duftender Rosen!

Der Schreiber bereute seinen Spott, ließ sich taufen und wurde ebenfalls ein Opfer der Christenverfolgung. So erzählt es die Legende.

Märtyrergeschichten wie die von Dorothea und Theophilus aus der Zeit der frühen Christen scheinen heute unendlich weit weg zu sein. Aber leider ist das nicht so. Auch in unserer Zeit bleibt es mancherorts auf der Welt lebensgefährlich, sich zu Jesus Christus zu bekennen. Auch wenn wir uns das in einer freien Gesellschaft überhaupt nicht vorstellen können.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05FEB2024
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Davidsterne, aufgemalt an den Haustüren jüdischer Mitbürger, tätliche Angriffe auf Männer, die eine Kippa tragen oder auf Hebräisch in ihr Handy sprechen, Schmierereien an den Wänden jüdischer Restaurants, Brandsätze, die auf Synagogen geworfen werden. Nur einige Beispiele für die antisemitischen Vorfälle, die Deutschland erschüttern. Rund 3000 Straftaten hat das Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr verzeichnet. Und seit den Massakern der Hamas auf Israelis vom 7. Oktober und dem darauf folgenden Krieg in Gaza haben Hass und Gewalt noch zugenommen. Viele Juden bei uns haben Angst, ihre Kinder zur Schule oder in die Vereine zu schicken. Manche Familien überlegen, Deutschland zu verlassen.

Im Unterricht erleben wir Lehrer eine extrem aufgeheizte Stimmung. Viele islamische Jugendliche lassen ihrem Hass auf Juden freien Lauf. Und das hat nicht nur mit dem Nahostkonflikt zu tun. Es gibt bei zahlreichen islamischen Migranten einen tief sitzenden Antijudaismus, also eine religiös begründete Feindschaft gegenüber Juden. Sie leitet sich ab aus den Auseinandersetzungen zwischen den Religionen, die bis in die Frühzeit des Islam zurückreichen. Viele Stellen im Koran schildern die Juden als ungläubig, heimtückisch und verabscheuungswürdig.

Christen kennen diesen Judenhass auch aus ihrer Geschichte. Wie eine Blutspur zieht er sich durch die Jahrhunderte. Erst das Nachdenken über die Shoa, die systematische Ermordung der europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg, hat die Einstellung der Kirchen nachhaltig verändert. Heute gibt es gottlob einen vertrauensvollen Dialog zwischen Christen und Juden.

Wenn sich ähnliches auch zwischen Juden und Muslimen entwickeln soll, dann muss das aus der islamischen Gemeinschaft heraus erfolgen. Aufgeklärte islamische Theologen rufen die Moscheengemeinden und Verbände dazu auf. So fordert etwa der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi die „Stiftung einer Erinnerungskultur, die sich (auch) mit den dunklen Seiten der islamischen Geschichte“1 beschäftigen muss. Das wird nicht einfach sein. Aber wenn wir friedlich und respektvoll miteinander leben wollen, dann gibt es dazu keine Alternative.

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15NOV2023
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Das Mittelalter war eine finstere Epoche, die Menschen damals rückständig und unwissend.

Das sind Klischees, die sich aber hartnäckig halten. In Wahrheit wurden schon im Mittelalter die Grundlagen für die Welt von heute gelegt. Und das meistens von Männern und Frauen der Kirche. Einer von ihnen ist Albert der Große, dessen Todes- und Namenstag die Kirche heute feiert. Der im Jahr 1200 in Schwaben geborene Dominikanermönch verbindet beispielhaft Glaube und Wissenschaft. Für Albert offenbart sich Gott in seiner Schöpfung. Die Naturgesetze sorgen dafür, dass die Welt funktioniert. Der Mensch kann und soll sie mit seiner Vernunft erforschen.

Alberts Interessen sind vielfältig. Er erforscht Pflanzen, Tiere, und Gesteine, untersucht Wetterphänomene, befasst sich mit Mathematik, Physik, Geographie und Astronomie. Seine Neugierde ist grenzenlos. Er seziert das Auge des Maulwurfs, analysiert den Verdauungsapparat der Bienen. Er fragt sich, warum Bimssteine auf dem Wasser schwimmen und nicht untergehen. Und er experimentiert. „Das Experiment allein gibt Gewissheit. Ein Grundsatz, der vom praktischen Versuch nicht bestätigt wird, ist kein Grundsatz“, so schreibt Albert. Das klingt nicht nur modern, das ist es auch.

Rastlos ist er in Europa unterwegs, immer zu Fuß, wie es einem Bettelmönch zukommt. In einem mehrbändigen Lexikon fasst Albert schließlich das Wissen seiner Zeit zusammen. An den Hochschulen von Paris und Köln lehrt er seine Studenten, dass sich Frömmigkeit und kritisches Denken nicht ausschließen. Glaube und Wissenschaft sind keine Gegensätze! So wird der Hl. Albertus Magnus zu einem Wegbereiter der modernen Welt.

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14NOV2023
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„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ – dieser Satz stammt vom jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber.

Nie habe ich so tief empfunden, wie wahr das ist, wie nach der Corona-Pandemie. Das Ende des Lockdowns und seiner Beschränkungen war eine Befreiung. Endlich konnten Menschen sich wieder leibhaftig begegnen, nicht nur auf dem Bildschirm. Das öffentliche Leben war zurück!

Großes Aufatmen auch in den Schulen! Nicht nur bei den Schülern, auch bei uns Lehrern. Endlich wieder Unterricht im Klassenzimmer und nicht online am PC zuhause.

Aber die lange Zeit der Schulschließung hatte ihren Preis. Untersuchungen belegen: Viele Kinder und Jugendliche wurden in ihrer Entwicklung gehemmt, ihre Leistungen sackten ab. Die sozialen Unterschiede haben sich verschärft. Die digitale Kommunikation ist eben nur ein Notbehelf. Sie kann die Dynamik eines lebendigen Unterrichts nicht ersetzen. Auch hier gilt Bubers Satz: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“.

Und wie sieht es heute in der Schule aus? Die Digitalisierung wird weiter vorangetrieben, die Künstliche Intelligenz (Stichwort Chat-GPT) ist auf dem Vormarsch.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich muss die Schule die Jugendlichen auf die digitale Zukunft vorbereiten. Aber dabei darf man nicht vergessen, dass der direkte menschliche Kontakt zwischen Lehrern und Schülern entscheidend ist für den Lernerfolg. Das zeigen viele Studien. Digitale Lernprogramme auf Tablets, Laptops und Smartphones sind dafür kein Ersatz, technische Geräte bleiben Hilfsmittel. Nicht mehr und nicht weniger.

Übrigens: In den USA schicken wohlhabende Eltern ihre Kinder in die oft teuren Privatschulen, weil dort gut ausgebildete Lehrkräfte in kleinen Gruppen ohne iPads mit den Schülern arbeiten. Damit aber wird guter Unterricht zu einem Vorrecht der Vermögenden. So sollte die Zukunft bei uns besser nicht aussehen.

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13NOV2023
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Massimo Vacchetta ist der bekannteste Tierarzt Italiens. Viele nennen ihn nur den „Igeldoktor“. Im Piemont betreibt Vacchetta zusammen mit vielen Helfern die „Casa dei ricci“, eine Klinik für kranke und verletzte Igel.

Angefangen hat alles an einem Freitagabend im Mai 2013. Massimo Vacchetta arbeitete schon einige Jahre als Veterinär für Tiere in der Landwirtschaft. Aber der Beruf machte ihm keine rechte Freude. Eigentlich suchte er eine neue Herausforderung, doch wusste er nicht so recht, was er machen sollte.

Da bat ihn ein befreundeter Tierarzt um eine Vertretung am Wochenende. Massimo fuhr zu ihm. Bevor sich der Kollege verabschiedete, zeigte er ihm eine Kiste. Darin lag ein winziges Igelbaby, vielleicht zwei, drei Tage alt, nur 25 Gramm leicht. Eine Frau hatte das Waisenkind im Garten gefunden.

Nun also sollte sich Massimo um den Winzling kümmern. Wie konnte er dieses Häufchen Elend retten? Er hatte eigentlich keine Ahnung von Igeln. Aber das Kleine rührte ihn an. Massimo machte sich kundig, fütterte den Igel alle drei bis vier Stunden mit einer Mischung aus Fencheltee und Milchpulver. Ganz vorsichtig, mit einer Spritze, Tropfen für Tropfen, damit die Flüssigkeit nicht in die Luftröhre floss. Auch in der Nacht musste er „Ninna“ versorgen, so nannte er das Igelkind. Und Ninna kam durch!

Dieses Erlebnis veränderte Massimos Leben vollständig. Ab jetzt wollte er sich nur noch um Igel kümmern. Und so machte er aus seiner Villa ein Igelkrankenhaus. 150 Tiere, krank, verletzt oder hilflos, werden hier rund um die Uhr betreut. Sind sie wieder fit, kommen sie in einen Garten, um sich langsam an die Natur zu gewöhnen. Dann entlässt Massimo sie in die Freiheit. So war es auch mit Ninna. Sich von ihr zu verabschieden, fiel ihm unendlich schwer.

Massimo Vacchetta hat seine Bestimmung gefunden. Er selbst beschreibt das so: „Ich interessiere mich nicht mehr wie früher für schicke Autos , große Villen oder Geld. Meine Energie kommt daher, dass ich für viele Tiere hier verantwortlich bin. Ich darf sie nicht im Stich lassen.“

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

12NOV2023
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„Jodeldiplom“, „Kosakenzipfel“, „Herrenboutique“, „Steinlaus“

„Ihnen kein Begriff? Ach, was“, dann sind Sie mutmaßlich unter 50.

Die Älteren unter uns wissen sofort Bescheid. Es geht um Loriot!

Heute wäre sein 100. Geburtstag. Als Vicco von Bülow kam er in Brandenburg an der Havel zur Welt. Wer die malerische Stadt besucht, stolpert überall über die gehörnten Waldmöpse mit den Ringelschwänzchen. Loriot liebte Hunde. „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“ Auch so ein Satz, der ins kollektive Gedächtnis eingegangen ist. Genauso wie „Früher war mehr Lametta!“ oder „Das Bild hängt schief!“

Loriot war ein Meister der feinen Ironie. In seinen Cartoons und Sketchen

nimmt er die kleinen menschlichen Schwächen aufs Korn. Dabei entwickeln sich aus ganz alltäglichen Situationen groteske Dramen. Ob am Frühstücktisch, beim Bettenkauf oder in der Badewanne.

„Ich glaube, dass der liebe Gott lachen kann“. So sagte Loriot einmal.

Er war überzeugt: Der Humor ist eine Gabe Gottes. Vor allem dann, wenn man auch über seine eigenen Unzulänglichkeiten schmunzeln kann. Und denen begegnet man in seinen Figuren immer wieder.

Niemand war eigentlich sicher vor Loriots spitzer Feder und scharfer Zunge. Nur über Glaube und Kirche spottete er nicht.

In seiner Geburtsstadt förderte Loriot die Restaurierung der historischen Gotthardtkirche. Dort war er getauft worden. 2009, zwei Jahre vor seinem Tod, hielt er hier seinen letzten Vortrag. Es war, wie er selbst sagte, einer der bewegendsten Momente seines Lebens.

Der letzte Satz, den Brandenburgs Ehrenbürger damals ins Gästebuch schrieb: „Die Ente bleibt draußen!“ Typisch Loriot eben.

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