Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR4

  

Autor*in

 

Archiv

SWR4 Sonntagsgedanken

Mein Opa hatte nur eine Wange im Gesicht. Die andere ist ihm weggeschossen worden. Mein Opa war nämlich Soldat. Damals, im Ersten Weltkrieg, 14/18, erst an der Front in Belgien und dann drei Jahre im Lazarett. Vielleicht hat er den Krieg nur deswegen überlebt, konnte meine Oma heiraten und eine Familie gründen. Sein zerschossenes Gesicht hat ihn sein ganzes Leben lang an die schlimme Kriegszeit erinnert. Und wir Enkelkinder haben gesehen, was dieser Erste Weltkrieg den Menschen angetan hat.

Mein Opa ist schon lange tot. So wie es ja kaum noch Zeitzeuge aus jener Zeit gibt. Und der Erste Weltkrieg ist seit hundert Jahren vorbei. Trotzdem finde ich es wichtig, an die Opfer auch dieses Krieges zu denken. So, wie das heute am Volkstrauertag überall getan wird.

Zurückschauen und Erinnern sind wichtig. Auch Jesus hat davon erzählt. Eines Tages, hat er gesagt, wird auch Gott nochmal auf die Weltgeschichte zurückschauen. Alles, was da gewesen ist, kommt also nochmal auf den Tisch. Und Gott wird dabei besonders darauf achten, wies den Kranken ergangen ist, den Fremden, den Hungernden. Diejenigen, die sich darum gekümmert haben, die werden gut wegkommen, die haben vor Gottes Urteil Bestand, hat Jesus erzählt. Und die, denen die Kranken und Hungernden egal gewesen sind, die werden endlich kapieren, was sie damit angerichtet haben. Die können vor Gott nicht bestehen. „Was ihr für einen von den Ärmsten und Geringsten getan habt, das habt ihr für mich getan.“ Ist Jesus überzeugt.

Gottes große Rückschau auf die Weltgeschichte. Ich hoffe, dass es so kommt. Vor allem wegen der Menschen, denen diese Geschichte übel mitgespielt hat. Die Regierungen hatten keine bessere Lösung gefunden für die Konflikte zwischen ihren Ländern. Und Menschen wie mein Opa, die mussten ihren Kopf hinhalten. Fremd, hungrig und nackt sind sie gewesen, die Soldaten in ihren Schützengräben, Kanonenfutter, ganz gleich in welcher Uniform. Krank, hungrig und ausgezehrt auch die Zivilbevölkerung.

Ich glaube, es ist gut, daran zu denken, auch, weil man dabei etwas über Gott erfährt. Jesus hat doch gesagt: In den Kranken, Hungrigen und Armen zeigt sich Gott. Wenn Gott sich wirklich in den Ärmsten und Geringsten zu erkennen gibt, dann ist Gott gewissermaßen auch bei den Kriegsopfern, millionenfach verhungert, verblutet, abgeschossen. Gott an der Seite von den vielen, vielen Kriegsopfern, nicht nur im Ersten Weltkrieg. Und eben nicht an der Seite von denen, die um jeden Preis die Stärkeren sein wollten und gewinnen wollen. Ich glaube „im Namen Gottes“ können keine Kriege geführt werden. Und wer wirklich vor Gott Bestand haben will, der muss andere Wege gehen.

Erinnern ist ein wichtiger Schritt, um dem Frieden näher zu kommen. Vor einigen Tagen haben auch der französische Präsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel gemeinsam an das Ende des Ersten Weltkriegs erinnert. Für mich ist es sehr bewegend, welchen Akzent der französische Präsident dabei gesetzt hat. Für ihn ist das Ende der Grande Guerre, des Großen Krieges, kein Anlass mehr, den „Sieg über den verbrecherischen Hochmut des deutschen Reiches“ zu feiern. So steht es ja auf dem Gedenkstein im Wald von Compiègne, wo das Ende des Ersten Weltkrieges besiegelt worden ist. Als sich die beiden Staats- und Regierungschefs vor einer Woche dort getroffen haben, ist dieser Stein abgedeckt worden, habe ich gelesen.

Also nicht mehr: Hier die Sieger, dort die Besiegten. Hier das Recht, dort das Unrecht. Hier die Guten, dort die Bösen. Das kann man sicher auch benennen. Ja. Aber wer nur so rechnet, glaube ich, der kommt nicht voran. Wer nur nachrechnet, abrechnet, gegeneinander aufrechnet, der bleibt in der Erinnerung stecken und findet nicht zu neuen Wegen aufeinander zu.

So verstehe ich, was Jesus von Gott erzählt hat. Wenn Gott irgendwann einmal Rückschau hält auf das, was gewesen ist, dann geht es nicht um abrechnen und aufrechnen. Gott schaut vielmehr darauf, was ein Mensch für andere getan hat. „Was ihr einem von den Ärmsten und Geringsten getan, habt, das habt ihr mir getan..“ Hat Jesus gesagt. Was für eine Ermutigung für die, die genau das tun! Ich denke an die junge Frau aus unserer Gemeinde, die ihren Freiwilligendienst in einer Kirchengemeinde in Rumänien macht. Und an einen unserer Konfirmanden, der sich bei der Jugendfeuerwehr ausbilden lässt. Jeder kann etwas für andere tun, glaube ich. Auch mein Beitrag ist wichtig, und wenn es gar nicht viel ist. Und die Politik kann auch was tun. Wie gut wäre es, wenn sich die europäischen Staaten endlich zu einer gemeinsamen Flüchtlingshilfe durchringen könnten. Wenn sie mit einer Stimme reden würden, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht. Ich vertraue darauf, dass man mit Gottes Beistand rechnen kann, wenn man – wie Gott – an die denkt, denen es nicht gut geht.

Gott steht an der Seite der Schwachen und an der Seite von denen, die sich darum bemühen, dass die Schwachen zu ihrem Recht kommen. Grad am Volkstrauertag möchte ich daran denken.

Ich wünsche Ihnen einen besinnlichen und friedlichen Sonntag, kommen Sie gut durch die neue Woche und bleiben Sie behütet

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27608
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Ab morgen möchten viele Leute wieder richtig durchstarten. Morgen beginnt ja bei uns in Baden-Württemberg das neue Schuljahr. In Rheinland-Pfalz ist man schon seit zwei Wochen wieder an der Arbeit. Da ging es wahrscheinlich gleich wieder rund und ab morgen nun auch bei mir. Ich bin gespannt, wie das wird. Und wie ich das alles hinkriege.

Bestimmt ist es gut, es langsam und mit Bedacht angehen zu lasse. Ich denke daran, wie Mose mit seinen Leuten aus Ägypten ausgezogen ist. Die Bibel erzählt davon.
Mose und seine Leute wollten damals auch durchstarten. Endlich konnten sie in ein anderes, besseres Leben aufbrechen. Und was passiert?

Gott lässt das Volk einen Umweg machen. Statt auf direktem Weg an der Mittelmeerküste entlang soll Mose seine Leute weit in die Wüste hineinführen. Dabei hätte alles viel schneller gehen können. Aufbrechen, durchmarschieren, und in einigen Tagen wäre die Sache erledigt gewesen. Doch dann heißt es erstmal: Stop! Bitte etwas langsamer. So kommt ihr besser ans Ziel. Mose will mit seinen Leuten durchstarten. Aber Gott lässt sich Zeit.

Vielleicht ist es ja wirklich ganz gut, sich erstmal etwas Zeit zu lassen. Sich erstmal in Ruhe orientieren, und nicht gleich aufs Ziel losstürmen. Umwege sind ja keine Abwege. Zumindest wenn man mit Gott unterwegs ist. Dann, hoffe ich, führen auch Umwege zum Ziel. Nur eben mit etwas mehr Bedacht. Etwas bewusster. Wenn man an einer Aufgabe wirklich wachsen will, vielleicht sogar über sich hinaus, dann kann man sie nicht nur abhaken, glaube ich. Auch in besondere Herausforderungen muss ich wohl erst allmählich hineinwachsen, wenn ich ihnen gewachsen sein will.

Das gilt besonders für Konflikte und Auseinandersetzungen, im Beruf, aber auch in der Familie. Ich streng mich an und möchte etwas erledigen, und dann heißt es plötzlich: „Ne, das hier ist mein Platz!“ „Sie wollen mit uns etwas zusammen machen? Wie stellen Sie sich das denn vor, das geht ja nun gar nicht!“

So ähnlich hätten es wohl auch Mose und seine Leute erlebt, wenn sie ruckzuck an ihr Ziel gelangt wären. Es hätte dort wahrscheinlich ganz großen Ärger mit anderen Leuten gegeben. Sie hätten kämpfen müssen, sich durchsetzen müssen. Das hätte sie nicht geschafft!  Da hätte sie angefangen zu zweifeln und sich gefragt, warum sie sich das überhaupt antun.  So geht mir das jedenfalls. Wenn ich mich überfordert fühle, dann ziehe ich mich am liebsten zurück.

Deshalb also: lieber erstmal ein Umweg. Das schützt vor Überforderung. So hat Gott Mose und seine Leute vor Überforderung geschützt. So schützt er hoffentlich auch mich davor. Grad dann, wenn ich morgen wieder richtig durchstarte.

Manchmal ist es sicher gut, wenn man sich etwas Zeit nimmt. Erstmal schauen, wo‘s hingehen soll, bevor man sich kopfüber in die neuen Aufgaben und Herausforderungen hineinstürzt. Von Mose und seinen Leuten erzählt die Bibel: „Sie zogen wohlgeordnet aus Ägyptenland.“

Wer aufbricht und durchstartet, der braucht also auch Organisation, Regeln, Strukturen. Schon Kleinigkeiten können da eine Hilfe sein, glaube ich. Manche telefonieren jeden Tag um eine bestimmte Zeit mit der Familie, andere gehen regelmäßig mit dem Hund oder starten mit einer Viertelstunde Morgengymnastik in den Tag. Manche auch mit den Herrnhuter Losungen.

Kleine Alltagsrituale, die Halt geben, grad wenn man noch nicht so ganz klar weiß, was einem der Tag bringen wird. Mose und seine Leute, so lese ich in der Bibel,  haben damals auch „die Gebeine von Josef“ mitgenommen, von dem Vorfahren also, der als erster nach Ägypten gekommen war.   

Das ist so, als würden wir alte Familienfotos einpacken oder Familienstammbücher oder die alte Bibel der Ururgroßeltern.Wahrscheinlich hilft das ja, wenn man aufbricht und durchstartet: Dass man an Bewährtes anknüpfen kann. Mir tut das, glaube ich, auch gut, wenn ich nicht immer ganz vorn anfangen muss. Es muss gar nicht alles erst- und einmalig sein. Ich kann auch auf Altbewährtes zurückgreifen. Leute in meinem Alter haben ja schon einiges an Erfahrung. Berufserfahrung. Lebenserfahrung.

Das hilft hoffentlich auch mir, mit dem, was ansteht, zurecht zu kommen. Und dann gibt es noch eine ganz wichtige Starthilfe. Gott geht mit an den Start und ist beim Aufbruch mit dabei. Auch das lese ich in der Bibel.

Als Mose mit seinen Leuten losgezogen ist, da haben sie sich tagsüber an einer Wolkensäule orientiert und nachts an einer Feuersäule. Und sie waren davon überzeugt: Mit Wolkensäule und Feuersäule zeigt uns Gott, wie wir uns orientieren sollen. Ich hoffe darauf, dass Gott mir auch solche Hinweise gibt, wo‘s langgeht: Ein interessanter Beitrag im Radio oder in der Zeitung – und plötzlich komme ich auf andere, neue Gedanken.

Eine Bekannte erzählt mir von ihren Schlafstörungen und ich denke: So geht die also damit um. Das will ich auch mal versuchen. Plötzlich wird der Kopf frei und ich sehe, was als nächstes dran ist. Irgendwie, hoffe ich, zeigt Gott mir den Weg. Mit diesem Vertrauen möchte ich durchstarten. Und Ihnen wünsche ich nun auch einen guten Start: in die neue Woche, ins neue Schuljahr, in den Herbst – was immer bei Ihnen ansteht: bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27163
weiterlesen...

SWR4 Feiertagsgedanken

„Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast, und segne, was du uns in Gnaden bescheret hast.“
So hat mein Opa früher immer gebetet, wenn wir Kinder samstags bei den Großeltern essen durften. Ich fand das herrlich und glaube bis heute: Wo man so viel Geborgenheit fühlt wie wir Kinder damals bei Oma und Opa, da ist Jesus sicher mit dabei.

Die Bibel erzählt immer wieder davon, wie Jesus mit seinen Freunden zusammen gegessen und getrunken hat. Es muss eine ganz besondere Atmosphäre gewesen sein, sehr offen, sehr weitherzig. Etwas, das sich einprägt. Das haben auch die Jünger von Jesus erlebt, die auf dem Weg von Jerusalem in das Dorf Emmaus einen Mann kennengelernt hatten. Sie kannten ihn nicht, aber sie hatten sich gut unterhalten. Es ging um die schlimmen Dinge, die ein paar Tage vorher in Jerusalem passiert waren. Die Kreuzigung von Jesus. Die beiden Jünger hatte das sehr mitgenommen. War jetzt alles vorbei, haben sie sich gefragt.  Sie hatten doch so viel Hoffnung auf Jesus gesetzt.

Der Mann, der mit ihnen ging, hat ihnen erst gut zugehört und dann erklärt, wie er die Dinge sieht. Als sie schließlich daheim in Emmaus angekommen waren, da wollten die beiden den Mann nicht einfach weiterziehen lassen. „Komm, bleib doch bei uns, es ist schon Abend!“ Und er hat sich tatsächlich von den beiden einladen lassen. Bei Tisch hat er dann das Brot so in die Hand genommen und verteilt, als wäre er selbst der Gastgeber. Und plötzlich haben die Jünger begriffen, wer bei ihnen ist. Jesus war bei ihnen! Die ganze Zeit über auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus war er bei ihnen und eben jetzt auch bei Tisch. „Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn.“

Mir gefällt das, wie die Bibel diesen Augenblick beschreibt. Ich stelle mir vor, was da passiert ist. Hier, nehmt, esst ein Stück Brot! Und trinkt einen Schluck Wein. Das war typisch Jesus. So hatte er doch auch immer Brot und Wein verteilt, wenn sie mit ihm gegessen hatten. Dadurch wurde Jesus auf einmal wieder ganz lebendig für sie. Seine Art zuzuhören, zu reden, zu trösten… Ein österliches Mahl halt!

 „Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast…“ Ich mag dieses Tischgebet, weil ich die Vorstellung mag, dass Jesus genauso lebendig mit dabei ist wie damals in Emmaus, wenn ich vor meinem Teller sitze. Was Gutes essen. Was Schönes im Radio hören. Oder viel erzählen. Was war los heute? Was gibt’s Neues? Auch mal Dampf ablassen. So stelle ich mir das vor, eine gesegnete Mahlzeit, mit der Gott Leib und Seele etwas Gutes tun will. Und grad dann, wenn ich traurig und niedergeschlagen bin, dann hoffe ich darauf, dass ich Gott an meiner Seite spüre. Das hat etwas Österliches. Das gibt Schwung und neue Kraft.

Eine schöne Vorstellung für mich: Wenn Jesus mit dabei ist, dann führt das Menschen zusammen. Manchmal ist es ja nicht ganz einfach, alle in der Familie unter einen Hut zu bringen, aber gerade deswegen ist es für mich unverzichtbar. Beim Essen und Trinken lässt sich wunderbar reden und es kommt vieles auf den Tisch. Ob es deswegen wohl auch Arbeitsessen gibt und die gemeinsame Frühstückspause im Büro? Essen muss jeder. Deswegen bringt Essen und Trinken die Menschen an einen Tisch. Und genau das hat Jesus ja auch gewollt, er wollte die Menschen an einen Tisch bringen.

Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es Tischgemeinschaften gibt, wo sich Jesus als Gast gar nicht wohlfühlt. Wie mag es ihm z.B. gehen, wenn jeder zum Essen kommt und geht, wie er will. „Wart, ich komm gleich, ich muss nur noch…“ – und dann sind die Kartoffeln schon kalt. Ob ihn das wohl auch befremdet, wenn einige Leute sich bei Tisch mehr mit ihrem Smartphone unterhalten als mit ihrem Tischnachbarn? Und wie mag es ihm wohl gehen, wenn manche Leute sich den Teller vollpacken und alles in sich hineinschlingen, ohne darüber nachzudenken, wieviel Arbeit mit so einem Essen verbunden ist, in der Küche, aber auch vorher bei der Landwirtschaft und den Produzenten. Eigentlich ist es ja sogar Gott selbst, der mit dem „täglichen Brot“ dafür sorgt, dass wir leben können. Für mich ist das Grund genug, respektvoll und achtsam mit dem umzugehen, was auf den Tisch kommt.

 „Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast…“ Ja, wenn ich so bete – wie damals mein Opa – dann hat das Konsequenzen. Er kommt nämlich wirklich, wenn man ihn einlädt, der „Herr Jesus“ so wie damals in Emmaus. Da sind die Jünger nach dem Essen aufgestanden und gleich noch mal  den ganzen Weg zurückgelaufen zu den anderen. Die sollten das doch auch erfahren, was sie erlebt hatten. Vielleicht würden denen ja auch „die Augen aufgehen“.

Ich kenne viele Menschen, die alleine am Tisch sitze. Sitzen müssen. Ich denke daran, wie viele Plätze leer bleiben. Und ich kenne viele Menschen, die sich genau deswegen zusammentun. Die drei Damen z.B., die sich jeden Freitagnachmittag zum Kaffeetrinken in ihrem Lieblingscafé verabreden…

Ich glaube: beim Essen und Trinken kann man was von Ostern erleben: wie das Leben aufblüht. An den Osterfeiertagen. Und auch danach.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete Mahlzeiten und auch heute nochmal einen ganz frohen Ostertag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26210
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Warum lassen Eltern ihre Kinder taufen?

Manche tun das, weil sie darauf hoffen, dass Gott ihr Kind beschützt. Manche wünschen sich, dass ihr Kind dazu gehört, also zu einer Kirche dazugehört, zu einer großen Gemeinschaft. Und wieder andere tun es, weil es in ihrer Familie schon immer so war.

Jesus hat sich auch taufen lassen, erzählt die Bibel. Er ist zu seinem Cousin Johannes an den Jordan gegangen. Johannes der Täufer, so nannten ihn die Leute. Sie sind in Scharen zu ihm an den Jordan gekommen, obwohl er ihnen eine richtige Standpauke gehalten hat. Er hat ihnen vorgehalten, wie sie sich und anderen schaden mit ihrem selbstsüchtigen Verhalten.

Aber er war auch überzeugt, dass es immer noch die Möglichkeit gibt, es anders und besser zu machen. Und als Zeichen dafür, dass Gott ihnen die Chance dazu gibt, hat er sie getauft.  
Aber warum hat Jesus sich taufen lassen? Er war doch sowieso Gottes Sohn. Er hätte das doch gar nicht nötig gehabt. Als er in Bethlehem geboren wurde, das haben die Engel im Himmel ein Loblied angestimmt. Und weise Männer aus dem Morgenland haben ihm Geschenke gebracht.
Was hätte denn Jesus denn anders und besser machen können? Jesus war doch sowieso von Gott geschickt, damit die Menschen seine Nähe spüren können.

Genau das hat Johannes Jesus damals auch gefragt. So die Bibel.
„Was kommst du zu mir?“ Hat er Jesus gefragt, als er plötzlich vor ihm stand.
„Eigentlich müsstest du doch mich taufen.“
Da hat Jesus zu ihm gesagt: „Das müssen wir jetzt tun. So erfüllen wir den Willen Gottes.“
Die Bibel erzählt: „Da ließ Johannes es geschehen.“ Ja. Vielleicht muss man manches einfach vielmehr geschehen lassen. So wie Johannes.

Ich stelle mir vor, wie er mit Jesus in den Jordan gegangen ist, richtig rein ins Wasser, und wie er Jesus kopfüber untergetaucht hat, so dass alles klitschnass wird. Aber das alles erzählt die Bibel nicht. Stattdessen hat sie über Johannes nur festgehalten: er ließ es geschehen. Obwohl er ja eigentlich als Täufer aktiv geworden ist.

Ich finde, schöner kann man es nicht ausdrücken, was es bedeutet, das zu tun, was Gott will. Für mich heißt das vertrauen und Gott ganz viel Raum geben. Gerade jetzt, am Anfang des Jahres. Da habe ich mir ja wieder einiges vorgenommen. Manches möchte ich auch anders machen als bisher. Gerade dabei will ich auf Gottes Hilfe vertrauen.

Ich weiß, dass viele alles daran setzten, dass es den Kindern und Enkeln gut geht, dass sie ihren Job gut machen. Ich selbst gebe mir auch Mühe, dass ich eine gute Tochter, Ehefrau, Pfarrerin bin und sich die Menschen, mit denen ich zu tun habe, auf mich verlassen können.

Wer hätte das besser als Jesus gewusst. Er ist doch von Gott, Gottes Sohn, und vielleicht ist er auch deswegen damals zu Johannes gegangen und hat sich taufen lassen. Weil auch er sich auf Gottes Beistand verlassen wollte.

 
Aber vielleicht ist es ja auch andersherum, vielleicht habe ich das ja nötig, dass Jesus gezeigt hat, wie wichtig für ihn die Taufe ist. Vielleicht will Gott ja mir dadurch helfen.
Jesus ist sich nicht zu fein dazu gewesen, wie all die die anderen in den Fluss zu steigen. Als hätte er damit zeigen wollen: Komm, du und ich, wir stehen das jetzt miteinander durch. Gott also, Seite an Seite mit den „armen Sündern“. Oder eben auch den Reichen, die das selber nicht gut finden, dass es ihnen so gut geht und viele andere so wenig haben. Gott, Seite an Seite mit dem Familienvater, der sich finanziell übernommen hat und nun nicht mehr weiß, wie er aus dem Schlamassel herauskommt. Gott, Seite an Seite mit dem Paar, das um seine Ehe kämpft, vor allem, dass für die Kinder gut gesorgt wird. Gott, auch an meiner Seite, wenn ich unzufrieden mit mir bin, mich über mich selbst ärgere und meinen eigenen Ansprüchen hinterherlaufe.

Ja, es gibt Situationen, da ist das für mich nötig, dass ich genau das höre, was Jesus gehört hat, als er damals nach seiner Taufe aus dem Wasser gestiegen ist. Da hat er nämlich eine Stimme vom Himmel gehört, die zu ihm gesagt hat: „Dies ist mein lieber Sohn.“ So erzählt die Bibel das. Und in dem Augenblick hat sich der Himmel aufgetan.

Das ist mein lieber Sohn. Und ich, ich bin seine liebe Tochter, darauf hoffe ich. Jesus hat mir Gott so nahe gezeigt, so menschlich, dass ich ein Kind Gottes bin. Genauso wie das schreiende kleine Kerlchen, das vom Papa über die Taufschale gehalten wird. Genauso wie die alte Dame, die nicht mehr weiß, wie sie heißt und zu ihrer Tochter Mama sagt.

Du bist Gottes Sohn, du bist Gottes Tochter. Ein Stück offener Himmel für mich. Gott weiß aus allem was zu machen, darauf hoffe ich.
Auch aus dunklen Stunden weiß er etwas zu machen. Er kann auf alles seinen Segen legen. Auch wenn ich mir sage: so ein Mist, das hätte doch alles ganz anders laufen müssen. Ich bin froh, wenn ich gerade dann daran erinnert werde: Gott wird mir auch in solchen Augenblicken zur Seite stehen. Daran erinnert die Taufe. Die von Jesus. Meine eigene. Und die von all den Kinder, die ihre Eltern zur Taufe bringen, weil sie hoffen, dass ihnen das gut tut.

Ich wünsche Ihnen eine guten Sonntag und morgen einen guten Start in die Woche. Bleiben Sie behütet und nicht vergessen: Sie sind ein Sohn Gottes. Sie sind eine Tochter Gottes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25690
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

38 Jahre sind eine lange Zeit. Die ganze Welt hat sich verändert. Und dann lese ich in der Bibel die Geschichte von diesem Mann, der 38 Jahre lang gelähmt gewesen ist. Am Teich Betesda vor den Toren von Jerusalem hat er darauf gewartet, dass er geheilt wird.
Unvorstellbar! Während andere eine Ausbildung machen, eine Familie gründen, im Beruf vorankommen, liegt er da und wartet.
38 Jahre lang Stillstand.

Morgens nimmt er seinen Platz in der Liegehalle nahe des Teichs ein, abends wird er wieder nach Hause gebracht und dazwischen wartet er. Wenn sich das Wasser bewegt und man als erster hineinkommt, dann wird man geheilt, heißt es. Der Mann, von dem die Bibel erzählt, hat es noch nie geschafft, als erster zum Wasser zu kommen.

In meiner Bibelübersetzung steht, er war „ausgezehrt“. Erschöpft also, frustriert, müde. Ein bisschen wie tot. 38 Jahre.
Und dann steht plötzlich jemand vor ihm und fragt ihn: „Willst du gesund werden?“ Es ist Jesus. Anscheinend hat der Mann noch nie etwas von ihm gehört.

Eigenartig, dass Jesus diesen Mann so fragt. Ja klar, was sonst, hätte der Mann entgegnen können. Aber er reagiert anders. Er erzählt davon, dass er niemanden hat, der ihm helfen könnte. Der Mann erzählt seine ganze Leidensgeschichte: Ich hab keinen. Mir hilft keiner. Die anderen sind alle schneller als ich. Ich pack das ja doch nicht.

38 Jahre lang ging das so. Und jetzt fragt ihn Jesus: „Willst du denn überhaupt gesund werden?“ Und als er seine Leidensgeschichte gehört hat, sagt er: „Steh auf! Nimm dein Bett und geh selber hin!“ Eine unglaubliche Geschichte. Ja, ich finde es unglaublich, wie Jesus hier den Stillstand überwindet. Ich denke dabei an den Stillstand, den manche Menschen in ihrem Job erleben. Oder in ihrer Ehe. Ich denke daran, wie ich selbst manchmal festgefahren bin in Gewohnheiten und Routinen. Ich glaube, dass für solche Fälle Jesus genau die richtige Frage gestellt hat. Was willst du? „Willst du gesund werden?“ Für mich klingt darin auch die Frage mit  „Willst du eigentlich, dass sich in deinem Leben etwas verändert?“ „Willst du eigentlich wachsen, dich weiterentwickeln, schaun, was in dir steckt?“ Steh auf!

Stillstand überwinden. Das geht. Auch nach 38 Jahren noch. Oder im Ruhestand. Oder aus einer gesicherten Position heraus.
Nicht warten, bis sich das Wasser bewegt und ein Wunder geschieht und man irgendwann mal dran kommt. Sondern Jesus beim Wort nehmen und darauf vertrauen, dass Gott hilft. Steh auf!

Eine ermutigende Geschichte, finde ich. Aber nicht alle finden so etwas gut. Auch der gelähmte Mann, den Jesus gesund gemacht hat, musste das leider so erfahren. Einige Leute haben sich nämlich richtig aufgeregt. Es war schließlich Feiertag, da war jede Art von Arbeit verboten. Auch Betten tragen.
Eigenartig: Statt sich zu freuen, dass jemand es geschafft hat und wieder auf eigenen Füßen steht, denken diese Leute nur an die Verordnungen.

Und der geheilte Mann? Der wusste nicht einmal, wem er das verdankt. Er hatte jemanden getroffen, der sich nicht um das gekümmert hat, was schon immer so war. Er hatte jemanden getroffen, der ihn aufgerichtet hat. Es ist eben nicht so, dass alle anderen schneller und besser waren als er. Jetzt war für diesen Mann wirklich ein Feiertag! Wahrscheinlich ist er  deswegen in den Tempel gegangen, um in diesem Gotteshaus dankeschön zu sagen für das, war er erlebt hat.

Die Bibel erzählt: Dort hat er seinen Helfer noch einmal getroffen. Noch einmal ist Jesus auf ihn zugegangen und diesmal hat er zu ihm gesagt: „Sündige ab sofort nicht mehr!“ Was hat der Mann denn wohl gesündigt, wenn er doch 38 Jahre lang bloß still da gelegen und gewartet hat, habe ich mich gefragt. Ich finde, dieses „Sündige ab sofort nicht mehr!“, das klingt wie ein Aufruf, sich von dem Stillstand frei zu machen, der manchmal gerade auch im Kopf ist.

Ich glaube, so eine Haltung kann auch lähmend sein. Ich denke an Sätze wie: „Das geht nicht!“ und „Das war schon immer so!“. Ich denke daran, wieviel Eigeninitiative gleich wieder ausgebremst wird durch den Hinweis auf Verordnungen. Ja, ich selbst bin manchmal wie gelähmt, weil ich mich absichern und nichts falsch machen möchte. Manchmal bin ich so zögerlich und traue mich nicht, die Dinge anzugehen. Aber dadurch bleibt dann auch eine Menge liegen.

Vielleicht hat der Mann damals verstanden, dass Jesus von Gott war. Dass er getan hat, was Gott will. Gott will den Menschen helfen, bei denen nichts mehr geht!

„Sündige hinfort nicht mehr!“ Für mich ist das eine Ermutigung, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Kurt Marti, ein Pfarrer und Dichter aus der Schweiz, hat das mal ausgedrückt: „Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen!“ In diesem Sinne möchte ich beherzt in die neue Woche gehen und schauen, was mich da erwartet. Mit Gottes Hilfe wird es gehen, darauf hoffe ich. Mit seiner Hilfe werde auch ich den Stillstand überwinden.

Auch Ihnen wünsche ich viel Schwung für die neue Woche und heute einen gesegneten Sonntag. Bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25215
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Ihr habt 100 Schafe – und eins ist weg! Was würdet ihr machen? So hat Jesus die Leute gefragt. Sie hatten mit ihm darüber diskutiert, warum er sich immer so mit den Außenseitern und „Asozialen“ abgibt, mit den schwarzen Schafen also, die ganz anders sind als die anderen. Lohnt sich das überhaupt? Wollten die Leute von Jesus wissen. Soviel Aufwand für das eine Prozent. Die anderen brauchen doch auch Zuwendung.

100 Schafe, eins ist weg? Was würde ich tun? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, wie ich mich freue, wenn jemand nach mir sucht. Wo bist du? Was machst du gerade? Geht’s dir gut? Ich vermiss dich. Für mich klingt das nach Fürsorge. Und nach Liebe.

Mein Mann fragt mich manchmal so. Und meine Mutter. Und Gott, dem ist es anscheinend auch ein Anliegen, dass es mir gut geht. Davon war Jesus überzeugt. Für Jesus war Gott wie der Hirte, der dem, der zurückbleibt, nachgeht und dafür lieber alle anderen zurücklässt, um diesen einen zu finden. Eine tröstliche Vorstellung für mich.

Ich denke an die Menschen, die das anders erfahren. Manche Menschen werden eben nicht mehr gesucht. Wenn sie in den Ruhestand gehen, z.B. Sie würden ja gerne noch was machen und ihren Kompetenzen einbringen, aber die werden nicht angefragt.

Auch bei einer Krankheit oder bei einer Trennung erleben manche, wie sich Bekannte zurückziehen, unsicher vielleicht oder weil sie niemandem zu nahe treten wollen. Dabei ist das doch eigentlich schön, finde ich: Gesucht werden, weil man gebraucht wird.

Gott ist so einer, der das, was ich kann – noch kann – wertschätzt. So verstehe ich die Sache mit dem Schaf. Wo bist du? Ich kann auch aus deiner kleinen Kraft was machen. Gott, einer, der mir etwas zutraut. Eine schöne Vorstellung.

Was aber, wenn ich mich nicht wohlfühle in einer Gruppe? Manche ziehen sich ja zurück, weil sie fürchten, dass es ihnen zu viel wird. Sie mögen sich nicht verpflichten, weil sie Angst haben überfordert zu werden. Mir geht das ja auch manchmal so. Und deswegen hoffe ich, dass Gott mich genau an den Platz führt, wo ich mit dem, was ich einbringen kann, willkommen bin. Wo ich mich wohl fühlen kann. 100 Schafe, eins ist weg. Was tun? Gott jedenfalls möchte auf keins verzichten. Weder auf die schwachen Schäfchen noch auf die starken, die meinen, dass sie niemanden brauchen.

Warum macht Gott sich auf die Suche nach den „verlorenen Schafen“, nach den Menschen also, die abseits stehen und nicht mehr mitkommen?
Aber was ist mit den andern? Was ist mit denen, die ganz normal beieinander bleiben und sich an die Regeln halten? Hat Jesus die eigentlich auch im Blick gehabt, als er damals den Leuten erzählt hat, dass Gott sich ganz besonders um die verlorenen Schafe kümmert?

Vermutlich fangen bei den anderen ja erstmal einige an zu meckern. Über den Ausreißer, der jetzt so viel Umstände bereitet. Aber auch über den Hirten, der sie alleine zurück lässt und sich anscheinend nur noch um das eine kümmert. Einige ganz Kecke fragen sich sogar, warum es überhaupt einen Hirten braucht, wenn der ständig weg ist.

Ich kann diese Einwände verstehen und denke dabei an die vielen tüchtigen Menschen, die arbeiten, ihre Pflicht tun, sich selten beschweren, selten auffallen. Die Mehrheit halt. Da fragen sich bestimmt manche: Sind wir denn weniger wert? Muss man sich um uns nicht auch kümmern?

Und ich weiß es auch aus eigener Erfahrung:
Auch wenn es mir eigentlich richtig gut geht und leicht von der Hand:

Ich möchte doch das Gefühl haben, dass da jemand ist, der mich beschützt und mir die nötige Kraft gibt. Jemand, den ich im Zweifelsfall um Rat fragen kann und der mir Mut macht, wenns doch mal schwierig wird. So kann ich gelassen leben Und genau daran wollte Jesus erinnern, glaube ich.

Die 99 Schafe, die zurückbleiben, die sind nicht ja gar nicht allein, auch wenn der Hirte mal mit anderem beschäftigt ist. Sie haben ja einander. Das gibt Sicherheit.  Sie sind gut versorgt. Sie brauchen also keine Angst zu haben. Ihr Hirte lässt sie nicht einfach im Stich. Und wenns wirklich mal ganz arg wird, dann wird er da sein. So ist das mit den guten Hirten.

Die Hirten sind auf der Suche. Gott ist auf der Suche. Bei ihm kommt niemand zu kurz. Ja, ich glaube, es ist gut, wenn ich mich gelegentlich daran erinnern lasse. Gott kümmert sich um jeden, auch wenn er sich nicht um jeden gleich kümmert. Sondern so, wie es nötig ist. Wo sein Beistand besonders nötig ist. Und wenn ich diesen Beistand dann mal besonders nötig habe, dann wird mich Gott finden und auch mir helfen. Darauf vertraue ich und freue mich über die anderen, die gefunden werden. So wie Gott. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag heute und kommen Sie gut durch die neue Woche: Bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24520
weiterlesen...

SWR4 Feiertagsgedanken

Noch ein Tag Ostern. Ein Tag mehr, um sich mit der Familie und lieben Freunden zu treffen. Mir tut so etwas gut. Vielleicht bringt das ja sogar neuen Schwung ins Leben.
So erzählt es jedenfalls die Bibel. Die Freunde und Freundinnen von Jesus haben damals nach seiner Hinrichtung am Kreuz die Ostertage nämlich auch gemeinsam erlebt. Essen, Reden, einfach ein bisschen zusammensitzen – nur nicht allein bleiben nach diesen schrecklichen Tagen!

Sie hatten ja miterlebt, wie Jesus gestorben ist. Das war so schlimm für sie, dass sies nicht mit ansehen konnten. Und dann das leere Grab, sogar der Leichnam von Jesus war weg. War er also doch nicht tot? Was hatte das alles zu bedeuten? Es gab also eine Menge zur bereden, stelle ich mir vor, Trauriges, aber eben auch Schönes. Wie das so ist, wenn man eine intensive Zeit miteinander verbracht hat.

Und plötzlich war er bei ihnen. Plötzlich war Jesus bei ihnen und hat zu ihnen gesagt: „Friede sei mit euch!“ So haben sie es später erzählt.
Ich glaube, so kann das auch heute sein, wenn einer nicht mehr dabei ist. Dabei sein kann. Dabei sein will. Grad an Feiertagen wird das ja schmerzlich bewusst. Mit den Kindern, die irgendwo in der Welt unterwegs ist, kann man wenigstens noch skypen. Aber Ostereier sammeln ohne den Papa, der bei der neuen Familie ist? Oder heute am zweiten Feiertag nicht wie sonst zum Opa in den Norden fahren? Manche, die einen lieben Menschen verloren haben, sagen dann: „Aber in unserer Erinnerung bleibt er ja lebendig.“ In der Tat: Wie lebendig der alte Herr nochmal für mich wird, als seine Frau von ihm erzählt. Sie muss sogar lachen, als sie von seinen beiden linken Händen erzählt, die zu manchen Missgeschicken geführt haben. Es fließen auch Tränen. Der Abschied kam einfach zu schnell. Ein anrührendes Gespräch.  
Ja, irgendwie sind sie ja doch dabei, unsere Toten, unsere Kranken, unsere Kinder, die irgendwo in der Welt unterwegs sind. So, stelle ich mir vor, war es damals auch, als Jesus gestorben war.

Ich hoffe, dass es mir in solchen Augenblicken ähnlich ergeht wie seinen Freunden damals: Plötzlich ist er da. Jesus, ganz lebendig. „Friede sei mit euch!“ Für mich heißt das: Ja, es ist schlimm, wenn jemand fehlt. Aber es wird sich ein Weg finden. Gott wird einen Weg finden. Zumindest den nächsten Schritt. „Friede sei mit euch!“ Auch in euren Tränen, in eurer miesen Stimmung, in euren Schamgefühlen. Mutet euch einander zu. Und betet! Sprecht mit Gott darüber. Das hilft. Das beruhigt die Nerven und macht die Gedanken etwas klarer.
So stelle ich ihn mir vor, den neuen Schwung, den die Auferstehung von Jesus ins Leben bringt. Auch in mein Leben.

Teil 2

Ich kann das gut verstehen. Wenn ich mir das vorstelle: Da bist du ganz unten, traurig, hast keine Ahnung, wies weitergehen soll, und dann steht da plötzlich jemand vor dir und sagt: „Friede sei mit euch!“
Das klingt doch ein bisschen abgehoben, finde ich, fast ein bisschen schwärmerisch. Ich denke an die Leute, die vielleicht gerade miterleben, wie die Familie an Streit und Konflikten kaputt geht. Und ich denke an die vielen, vielen Menschen, die auch diese Ostertage in Krieg und Terror verbringen müssen. Frieden, Auferstehung, neues Leben – sind das angesichts solcher Realitäten nicht wirklich Hirngespinste?

Diese Frage haben sich wahrscheinlich damals auch die Freundinnen und Freunde von Jesus gestellt. Und haben erzählt, was ihnen passiert ist.
Hier, meine Hände und Füße, hat Jesus zu ihnen gesagt. Guckt sie euch an. Fasst sie an, wenn ihr wollt.
Und dann gebt mir bitte mal etwas zu essen, ich hab Hunger!

Jesus ist mitten drin im Leben. Auch wo es schwer ist. So verstehe ich das. Und wo Jesus ist, da ist Gott. Jesus ist mit dabei. Und auf seinen Händen und Füßen sind sogar die Spuren der Nägel von seiner Kreuzigung noch zu sehen. Nein, das ist kein schönes Hirngespinst. Aber all die Wundmale und die Schrammen und Narben, die ein Leben hinterlässt, gehören bei Jesus mit dazu. Deshalb ist für mich die Hoffnung, die von ihm ausgeht, so realistisch. Eine Hoffnung mit Hand und Fuß.

Ich finde das sehr ermutigend und  hoffe darauf, dass Gott so auch bei mir Neues schafft. Gewissermaßen ein neues Leben im gelebten Leben. Nicht alles ist gut oder wird gut. Aber im entscheidenden Augenblick wird Gott da sein und mir dabei helfen, dass es mich nicht umhaut und ich irgendwie weitermachen kann. So ähnlich hat es einmal Vaclav Havel, der frühere tschechische Präsident, ausgedrückt: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass es gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“. Ganz nüchtern und sachlich auch er. So stelle ich mir das vor, wenn Gott heute neuen Schwung ins alte Leben bringt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute noch einen schönen Feiertag, kommen Sie gut in die Woche und bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24059
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Vierzig Tage sind lang. Vor allem, wenn man fastet und auf vieles verzichtet. Da kommt man manchmal schon an seine Grenzen, aber manchmal klärt sich da auch, was wichtig ist. Auch heute wissen das viele Menschen und fasten, gerade jetzt vor Ostern. Deshalb heißen diese Wochen ja Fastenzeit.

Jesus hat das auch so gemacht. Als er dann nach 40 Tagen Fasten so richtig ausgehungert war, da ist der Teufel zu ihm gekommen und hat ihn auf die Probe gestellt, erzählt die Bibel. Eine große Versuchung ist auf Jesus zugekommen.

Wie wäre es, wenn du diese Steine hier zu Brot verwandeln würdest, das war der verlockende Gedanke.
Steine zu Brot. Ein Wort, und das Problem wäre gelöst. Nicht nur Jesus selbst hätte etwas für sich zu essen gehabt. Nein, er hätte sogar allen Menschen etwas zu essen geben können. Die Versuchung packt also Jesus genau an dem Punkt, wo sein Herz geschlagen hat: Bei den armen Menschen hat ja sein Herz geschlagen, und immer wieder hat er sich dafür eingesetzt, dass die Armen genug haben.

Steine zu Brot. Tus doch einfach. Dann wird alles gut. Was soll man darauf erwidern? Was hätte Jesus darauf erwidern sollen? Steine zu Brot, das hört sich ja wirklich gut an. Man gibt den Leuten zu essen. Man gibt ihnen Arbeit und Brot. Das ist doch die Lösung. Gerade für die vielen Wahlkämpfer in diesem Jahr ist das eine verlockende Vorstellung. Steine zu Brot. Mehr Lohn, mehr Rente, weniger Steuern. Und alle sind zufrieden.

Der Teufel ist auch ein Populist, denke ich mir. Aber Jesus hat die verführerische Idee durchschaut und sich nicht durcheinanderbringen lassen.
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von dem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.“ So hat er gesagt. Keine einfache Antwort, aber eine, die mich nachdenklich stimmt.

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Wie wahr. Und eigentlich weiß das ja auch jeder. Brot allein, das reicht nicht, um glücklich zu sein. Brot allein, das macht ganz oft sogar unersättlich. Dann muss es immer mehr sein, immer besser, immer bequemer, immer schneller. Und die einen können sich immer mehr leisten, aber andere müssen dafür zu Hungerlöhnen arbeiten und für sie reicht es dann doch kaum für das tägliche Brot.

Brot und Wohlstand allein ist nicht genug. Menschen brauchen z.B. auch Anerkennung. Menschen brauchen das Gefühl, dass sie etwas Sinnvolles tun und ihre Arbeit belohnt wird. Das muss nicht immer Geld sein. Dank ist wichtig. Lob. Vielleicht zeigen auch eine Urkunde oder eine Ehrennadel: Wir wissen euer Engagement sehr zu schätzen.

Ich glaube, dass man damit viele Steine aus dem Weg räumen kann. Und hoffe, dass das am Ende zufriedener macht, als Steine in Brot zu verwandeln.

Teil 2

Aber wie der Teufel so ist: Die Versuchung lässt einfach nicht locker. Und so erzählt die Bibel weiter, wie sich Jesus in einer Art Traum plötzlich auf der höchsten Mauer des Tempels wiederfindet. Und dann ist da wieder diese verlockende Stimme, die ihm zuflüstert: „Lass dich fallen. Lass dich einfach in Gottes Arme fallen. „Denn Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten und dich auf Händen tragen.““

Ich liebe diesen Satz. Viele, viele Eltern lieben diesen Satz und suchen ihn für ihre Kinder als Taufspruch aus. Von Gottes Boten behütet sein, also „von guten Mächten wunderbar geborgen“, diese Vorstellung tut mir jedenfalls sehr, sehr gut.
Aber es gibt auch Situationen, wo ich aufpassen muss mit diesen wunderschönen Sätzen.

Denn es kann auch der Teufel dahinter stecken. Ein frommer Spruch, ein Zitat aus der Bibel – klingt wunderbar, und doch, manchmal hat das mit Gottvertrauen gar nichts zu tun.
Genau das hat Jesus wohl erkannt und hat sich nicht von der Tempelmauer in die Tiefe gestürzt. Weil man Gott nicht herausfordern soll, hat er es nicht getan. Weil man das Schicksal nicht herausfordern soll. Aber wie oft geschieht genau das: Da zögert man die nächste Vorsorgeuntersuchung Monat um Monat hinaus, weil: „Ich wills gar nicht so genau wissen.“

Oder einer setzt seine Ehe aufs Spiel. Aus Bequemlichkeit. Oder aus Abenteuerlust. Oder mit zu viel Arbeit. Und ist dann ganz überrascht, wenn der Ehepartner sagt: „So geht das nicht weiter, das lasse ich mir nicht gefallen.“ Und wenn dann was passiert, dann heißt es oft: „Wie konnte das nur geschehen?“
Nein, man kann die Verantwortung nicht abgeben und es anderen in die Schuhe schieben, wenn etwas schief geht. Auch Gott nicht. So verstehe ich jedenfalls, wenn Jesus dem Teufel entgegenhält: „Du sollst deinen Gott nicht versuchen.“ Vertrauen kannst du ihm und dich ganz auf seinen Beistand verlasse, aber ihn auf die Probe stellen? Das geht schief!

So hat Jesus auch diese Versuchung abgewehrt. Voller Gottvertrauen. Solches Gottvertrauen, das wächst vielleicht nochmal ganz neu, wenn man sich wie Jesus eine Zeit zurückzieht, nachdenkt, fastet. Die sechs Wochen bis Ostern, die ab heute vor uns liegen, sind sicher auch eine gute Gelegenheit, um etwas mehr inne zu halten und für sich zu klären, worauf es ankommt. Ich wünsche Ihnen jedenfalls eine gesegnete Passions- und Fastenzeit und heute einen guten Sonntag. Bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23806
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

Bukephalos, so hieß das Pferd, das einst zusammen mit seinem Reiter Geschichte geschrieben hat. Und zwar Kriegsgeschichte, Erfolgsgeschichte, Weltgeschichte.
Bukephalos war nämlich das Pferd von Alexander dem Großen und auf dem Rücken dieses wilden, furchtlosen Gauls hat der mächtigste Mann seiner Zeit so manche Schlacht geschlagen und damit sein Weltreich errichtet.
Mit Pferden lassen sich also Kriege gewinnen. Aber wie gewinnt man den Frieden?

Die Bibel sagt: Der Frieden kommt auf einem Esel. So hat es ein Prophet zu den Menschen in seinem Land gesagt, der in der Zeit des großen Königs Alexander gelebt hat. Und der hat gesehen, wie die Menschen sich Sorgen gemacht haben. Würde Alexander mit seinem Pferd auch ihr Land erobern? Und was hätten sie dem dann entgegenzusetzen?

Da hat ihnen der Prophet diesen Satz gesagt, der bei uns in der evangelischen Kirche wie ein Motto über dem ersten Advent steht: „Tochter Zion, freue dich!“ hat er gesagt, also: Jerusalem, freue dich! – „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel.“  So soll der Frieden anfangen.

Der Friede kommt also auf einem Esel.
Nicht rasant und feurig auf einem edlen Pferd. Sondern langsam, bedächtig, manchmal etwas bockig.
Was für eine Vorstellung! Der Herrscher, der auf diesem Esel reitet, der kann also nicht voran stürmen, der braucht Geduld und Ausdauer. Was er nicht gebrauchen kann, das sind schwere Waffen oder eine Rüstung. Die sind nämlich zu schwer für einen Esel.

Ich denke an Damaskus, Aleppo und Mossul. Wenn diese Städte doch auch endlich einen Anlass zur Freude hätten, mindestens einen Anlass zum Aufatmen. Denn es gibt eine Alternative zu den feurigen Schlachtrössern und den hochgerüsteten Kriegsherren. So sieht das die Bibel. Ich finde es eindrücklich, wie sie dem großen Alexander den König auf dem Esel gegenübergestellt  
Ein Gerechter ist er, einer, der hilft. Und arm ist er.

So würde ich mir alle Könige und Herrscher dieser Welt vorstellen: Herrscher, die sich für die Menschen einsetzen und nicht in die eigen Tasche wirtschaften und Klientelpolitik betreiben. Verantwortliche, die sich am Recht orientieren und sich dafür einsetzen, dass die Menschen zu ihrem Recht kommen, besonders die Schwachen, die das alleine nicht schaffen. Leute, die lieber zäh und ausdauernd verhandeln statt zu den Waffen zu greifen.

Aber ist das wirklich eine Alternative, frage ich mich?
Was kann denn so jemand ausrichten gegen die Alexanders und die Assads dieser Welt? Wird so einer nicht eher mitleidig belächelt, ein „Gutmensch“, der von der rauen Wirklichkeit überrollt wird. Mehr Fragen als Antworten. Aber eben auch gerade jetzt in der Adventszeit eine ganz große Hoffnung, dass Gott kommt und denen hilft, die sich fragen, wie es mit dem Frieden vorangeht.

 

Esel haben große Ohren, damit sie alles gut hören. Große Ohren sind wahrscheinlich oftmals viel wichtiger als ein großes Maul. Mehr zuhören als reden. Ein hohes Maß an Sensibilität, gut, wenn es Menschen gibt, die dafür ein Gespür haben.

Esel brauchen Gemeinschaft. Bei mangelndem Kontakt langweilen sie sich rasch. Als wüssten diese Tiere nur zu gut: Gemeinsam geht es besser. Gemeinsam kommt man voran. Das haben die Esel ja manchen Menschen voraus: den Einzelkämpfern und den Egoisten. Den Solisten, die alles alleine können und niemanden brauchen. Oder das zumindest denken. Hoffentlich kann ich Hilfe annehmen  und mir eingestehen, dass ich nicht alles alleine schaffe. Dem Frieden um mich herum würde es sicher nützen.

Was mich besonders beeindruckt: Esel reagieren selten kopflos. Im Gegenteil, sie sind wohl ausgesprochen besonnen, sondieren die Lage genau und lassen sich selten von ihrem Weg abbringen. Auch nicht durch Schläge oder Geschrei.

Ich glaube, auch unter uns Menschen können wir gut solche „Esel“ gebrauchen. In der Politik genauso wie im Familienkreis, bei der Polizei und bei der Feuerwehr.  Mir imponieren die Leute jedenfalls, die die Nerven behalten, wenns brenzlig wird. Durchhalten, auch unter Belastung. Nicht die Brocken hinschmeißen, wenn man nicht mehr weiter kommt.

Der Frieden kommt auf einem Esel.
Und hoffentlich finden sich viele Menschen bereit zu solchen „Eselein“, die den Frieden bringen. Damit es ein bisschen friedlicher zugeht. In Nachbarschaften. In Klassenzimmern. In Internetforen. Auch an den Kabinettstischen unserer Regierungen und den Verhandlungstischen der Sicherheitskonferenzen.

Langsam, ausdauernd, sensibel, geduldig und auch ein bisschen starrköpfig. Ich lasse mich gerne von der Bibel daran erinnern, dass das weiterbringt als aggressives Voranpreschen.

Und die Adventszeit erinnert mich an den Friedenskönig, mit dem Gott auch heute Frieden in die Welt bringen wird. Jesus, der ist auch auf einem Esel geritten.h Ich glaube, wenn wir Jesus  - und seinem Esel – nachfolgen, dann würde uns das sicher dem Frieden ein Stück näher bringen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag und eine gesegnete Adventszeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23201
weiterlesen...

SWR4 Sonntagsgedanken

 Heute morgen haben mich wieder die Glocken geweckt. Erst die Stundenschläge, dann eine kurze Pause, dann das volle Geläut. So werde ich gerne wach.
Ich stehe dann nicht gleich auf. Nein, meistens liege ich einfach da und überlege mir: Was für ein Tag ist heute?  Was muss ich erledigen? Und worauf freue ich mich?

Ein neuer Tag hat begonnen – und Gott, der ist hoffentlich auch dabei.
„All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu.“ So fängt ein bekanntes Kirchenlied an.
Wie zuversichtlich das klingt, richtig frohgemut.
Und dabei soll der Prophet Jeremia genau diesen Satz in einem Klagelied angestimmt haben. Das erzählt jedenfalls die Bibel.

Jeremia beklagt, wie schlecht es den Leuten geht. Und wie schlecht es ihm selber geht. Sein Land liegt am Boden. Fremde Herrscher haben jetzt das Sagen. Und Jeremia meint: Eigentlich sind wir ja selbst schuld an der Misere. Auch heute sind solche Klagelieder zu hören. Wie soll das nur alles weitergehen? So frage ich mich auch, gerade dieser Tage.

Vor einigen Tagen sind wir aus dem Urlaub gekommen. Das neue Schuljahr hat für viele schon vor zwei Wochen angefangen, für manche ist es morgen soweit. Neue Saison, neue Krisennachrichten, neue Aufgaben und neue Herausforderungen.

Und dann ist heute der 11. September. Dieses Datum wird für mich immer mit den Terroranschlägen von New York und Washington verbunden sein, heute vor 15 Jahren war das. Seitdem hält die Angst viele in Atem. Ja, es gibt Grund zum Klagen. Und doch – mittendrin bleibt Gottes Güte, so hoffe ich.

 „All Morgen ist ganz frisch und neu des Herrn Gnad und große Treu!“
Jeder Tag ist also eine neue Chance, die ich mit Gottes Güte in Angriff nehmen kann.
Auch das, worüber ich mir in der Nacht noch den Kopf zerbrochen habe, die Dinge, die mich nicht haben schlafen lassen – im Vertrauen auf Gottes Güte kann ich sie angehen.

Bestimmt wird dadurch nicht alles wunderbar klappen und gut werden. Aber Gottes Güte wird mir dabei helfen, dass ich es trotzdem gut sein lassen kann. Ich kann ruhig werden über dem, was nicht fertig wird, nicht perfekt. Und das Vertrauen auf Gott hilft mir auch, dass die Angst mich nicht überwältigt. So kann ich besonnen bleiben und mein Leben genießen. Trotz alledem.
Hoffentlich macht Gottes Güte mich sogar selbst ein bisschen gütiger.

Obwohl Gott ja genügend Anlass dazu hätte, traurig und enttäuscht über das zu sein, was in der Welt passiert, zieht er einen Schlussstrich. Er weiß anscheinend, dass es nur so anders und besser werden kann.  Auch unter das, was bei mir falsch gelaufen ist, zieht Gott hoffentlich einen Schlussstrich. Auch ich kann es dadurch anders und hoffentlich auch besser machen.

 Neues Schuljahr, neue Saison, neue Herausforderungen – und Gottes Güte ist auch jeden Tag neu. „All Morgen ist ganz frisch und neu, des Herrn Gnad und große Treu“ – so tönt es trotz aller Klagelieder zuversichtlich und frohgemut aus der Bibel zu mir herüber.

Ja, Gott hilft dabei, dass es neu, anders und besser werden kann. Gott hilft mir aber auch, mit dem, was neu und anders wird, umzugehen. Ich glaube, das ist nämlich gar nicht so einfach.
Neu, neu, neu – das kann ja auch richtig anstrengend sein.

Ich denke an die Leute, die jetzt nach den Ferien einen neuen Job antreten oder in eine neue Abteilung kommen. Und an die Kinder, die sich jetzt in einer neuen Schulklasse zurecht finden müssen. Bis man da erstmal Fuß gefasst hat…Ich denke an die vielen technischen Neuerungen, die neuen Computerprogrammen, die 1000 Sachen, die man mit einem Smartphone alles machen könnte – ich kann das allerdings nicht so gut und sehe da oft ziemlich alt aus. Und dann denke ich an die Menschen, die plötzlich mit einer Krankheit konfrontiert werden oder sogar einen lieben Menschen verloren haben. Für die ist das Leben ja auch ganz neu und anders. Aber eben nicht gut…

Und dann? Ich glaube, gerade unter dem Eindruck von ganz viel Neuem tut Beständigkeit not. Ein fester Tagesablauf. Kleine persönliche Alltagsrituale. Das gibt Halt. Wie das Glockenläuten, das einen an Gottes Güte erinnern kann. Wie gut, wenn viele gute Erinnerungen und Erfahrungen fest im Kopf und im Herzen abgespeichert sind. Reiseerinnerungen z.B. oder Bilder von Familienfesten. Ich kenne einen Mann, der noch mal  Gedichte und Lieder auswendig lernt, auch Lieder aus dem Gesangbuch – weil das doch mitgeht durchs Leben, sagt er. Und dann denke ich vor allem an die Familie und treue Freunde, diese altbewährten Kontakte, die auch in neuen Lebenssituationen nicht abbrechen. Ich glaube, dass in dieser Beständigkeit auch etwas von der Beständigkeit Gottes zu spüren ist.

 „All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu!“ Gott ist treu – sich selber, seinem Wort, dem, was er sich vorgenommen hat. Und hoffentlich auch mir.
Neu ist zwar an jedem Tag Gottes Güte, aber er selber bleibt der Alte. Gott steht zu dem, was er versprochen hat. Er steht hoffentlich auch zu mir und geht mit, wenn das Leben neu und anders wird.

Heute Vormittag läuten landauf, landab viele Glocken. Lassen Sie sich ermutigen, wenn Sie so eine Glocke hören: Gottes Güte, alle Morgen neu – und damit eben auch heute und in der neuen Woche. Einen guten Sonntag also und morgen wieder einen guten Start!  Bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22727
weiterlesen...