SWR4 Sonntagsgedanken

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Ihr habt 100 Schafe – und eins ist weg! Was würdet ihr machen? So hat Jesus die Leute gefragt. Sie hatten mit ihm darüber diskutiert, warum er sich immer so mit den Außenseitern und „Asozialen“ abgibt, mit den schwarzen Schafen also, die ganz anders sind als die anderen. Lohnt sich das überhaupt? Wollten die Leute von Jesus wissen. Soviel Aufwand für das eine Prozent. Die anderen brauchen doch auch Zuwendung.

100 Schafe, eins ist weg? Was würde ich tun? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, wie ich mich freue, wenn jemand nach mir sucht. Wo bist du? Was machst du gerade? Geht’s dir gut? Ich vermiss dich. Für mich klingt das nach Fürsorge. Und nach Liebe.

Mein Mann fragt mich manchmal so. Und meine Mutter. Und Gott, dem ist es anscheinend auch ein Anliegen, dass es mir gut geht. Davon war Jesus überzeugt. Für Jesus war Gott wie der Hirte, der dem, der zurückbleibt, nachgeht und dafür lieber alle anderen zurücklässt, um diesen einen zu finden. Eine tröstliche Vorstellung für mich.

Ich denke an die Menschen, die das anders erfahren. Manche Menschen werden eben nicht mehr gesucht. Wenn sie in den Ruhestand gehen, z.B. Sie würden ja gerne noch was machen und ihren Kompetenzen einbringen, aber die werden nicht angefragt.

Auch bei einer Krankheit oder bei einer Trennung erleben manche, wie sich Bekannte zurückziehen, unsicher vielleicht oder weil sie niemandem zu nahe treten wollen. Dabei ist das doch eigentlich schön, finde ich: Gesucht werden, weil man gebraucht wird.

Gott ist so einer, der das, was ich kann – noch kann – wertschätzt. So verstehe ich die Sache mit dem Schaf. Wo bist du? Ich kann auch aus deiner kleinen Kraft was machen. Gott, einer, der mir etwas zutraut. Eine schöne Vorstellung.

Was aber, wenn ich mich nicht wohlfühle in einer Gruppe? Manche ziehen sich ja zurück, weil sie fürchten, dass es ihnen zu viel wird. Sie mögen sich nicht verpflichten, weil sie Angst haben überfordert zu werden. Mir geht das ja auch manchmal so. Und deswegen hoffe ich, dass Gott mich genau an den Platz führt, wo ich mit dem, was ich einbringen kann, willkommen bin. Wo ich mich wohl fühlen kann. 100 Schafe, eins ist weg. Was tun? Gott jedenfalls möchte auf keins verzichten. Weder auf die schwachen Schäfchen noch auf die starken, die meinen, dass sie niemanden brauchen.

Warum macht Gott sich auf die Suche nach den „verlorenen Schafen“, nach den Menschen also, die abseits stehen und nicht mehr mitkommen?
Aber was ist mit den andern? Was ist mit denen, die ganz normal beieinander bleiben und sich an die Regeln halten? Hat Jesus die eigentlich auch im Blick gehabt, als er damals den Leuten erzählt hat, dass Gott sich ganz besonders um die verlorenen Schafe kümmert?

Vermutlich fangen bei den anderen ja erstmal einige an zu meckern. Über den Ausreißer, der jetzt so viel Umstände bereitet. Aber auch über den Hirten, der sie alleine zurück lässt und sich anscheinend nur noch um das eine kümmert. Einige ganz Kecke fragen sich sogar, warum es überhaupt einen Hirten braucht, wenn der ständig weg ist.

Ich kann diese Einwände verstehen und denke dabei an die vielen tüchtigen Menschen, die arbeiten, ihre Pflicht tun, sich selten beschweren, selten auffallen. Die Mehrheit halt. Da fragen sich bestimmt manche: Sind wir denn weniger wert? Muss man sich um uns nicht auch kümmern?

Und ich weiß es auch aus eigener Erfahrung:
Auch wenn es mir eigentlich richtig gut geht und leicht von der Hand:

Ich möchte doch das Gefühl haben, dass da jemand ist, der mich beschützt und mir die nötige Kraft gibt. Jemand, den ich im Zweifelsfall um Rat fragen kann und der mir Mut macht, wenns doch mal schwierig wird. So kann ich gelassen leben Und genau daran wollte Jesus erinnern, glaube ich.

Die 99 Schafe, die zurückbleiben, die sind nicht ja gar nicht allein, auch wenn der Hirte mal mit anderem beschäftigt ist. Sie haben ja einander. Das gibt Sicherheit.  Sie sind gut versorgt. Sie brauchen also keine Angst zu haben. Ihr Hirte lässt sie nicht einfach im Stich. Und wenns wirklich mal ganz arg wird, dann wird er da sein. So ist das mit den guten Hirten.

Die Hirten sind auf der Suche. Gott ist auf der Suche. Bei ihm kommt niemand zu kurz. Ja, ich glaube, es ist gut, wenn ich mich gelegentlich daran erinnern lasse. Gott kümmert sich um jeden, auch wenn er sich nicht um jeden gleich kümmert. Sondern so, wie es nötig ist. Wo sein Beistand besonders nötig ist. Und wenn ich diesen Beistand dann mal besonders nötig habe, dann wird mich Gott finden und auch mir helfen. Darauf vertraue ich und freue mich über die anderen, die gefunden werden. So wie Gott. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag heute und kommen Sie gut durch die neue Woche: Bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24520
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