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SWR1 Begegnungen

24APR2022
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Susanne Betz

Das Beste für Kinder

Wolf-Dieter Steinmann trifft Susanne Betz.

Seele stärken – auch mit Religion

„Für unsere Kinder das Beste.“ Wer wollte das nicht. Und es ist doch nicht immer leicht. Susanne Betz ist Studienleiterin in der evangelischen Kirche in Baden für die Kitas. Und findet: Kinder sollen sich selbst und ihre Welt gut „erspielen“ können.

Eine gute Kita ermöglicht Kindern Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und Beteiligung und stärkt damit die Resilienz, also ihre seelische Widerstandskraft und hilft so, Herausforderungen gut bewältigen zu können.

Erziehung stärkt diese Kraft der Seele, wenn Kinder erleben: „Ich kann mich verlassen auf Erwachsene. Ich kann Beziehungen aufbauen. Ich kann überhaupt viel.“ Und hoffentlich erleben sie, dass die Welt und Menschen „gut“ zu ihnen sind. Z.B. Wie bei dieser Begrüßung in der Kita, die jedes Kind erleben sollte.

Diana spürt, dass sie wahrgenommen wird, so wie sie jetzt ist. Frau Mayer macht das aufgrund ihres christlichen Menschenbildes so. Dass wir Menschen uns als Ebenbild Gottes verstehen können, das hat was damit zu tun, wie wir auf uns selber schauen, aber auch wie wir auf andere schauen.

Beten zum Essen oder Lieder können das evangelische Profil erlebbar machen. Wie man gut zur Schöpfung ist. Und wie man das Jahr feiert: Weihnachten, Ostern, St. Martin. Und Susanne Betz erhofft von Erzieherinnen, dass sie hören, wie Kinder fragen.

Theologisieren mit Kindern, über Gott und die Welt im Gespräch sein und das auf Augenhöhe. Wenn Kinder ihre Welt entdecken und sie sich aneignen, dann stellen sie Fragen.

Kinder habe viele Anlagen: zur Bewegung, zur Musik und zur Religiosität. Sie sollten diese Potentiale entwickeln können. Von Anfang an. Darum ihre Bitte an Eltern. Nicht denken: „Religion erst später“.

Wir würden von Kindern nicht erwarten, dass sie sich für ein Instrument entscheiden, und wir haben sie bisher immer von Musik ferngehalten.
Und wenn ich noch nie erlebt habe, dass ich Gott einfach hinlegen kann, was mich gerade bewegt und mir das auch bestimmte Situationen leichter macht; wie soll ich mich dann später entscheiden: „ja ich will jetzt beten.“

Susanne Betz ist überzeugt, dass Religiosität menschlich angelegt ist: Wir staunen, wir haben Angst, wir suchen Sinn und Vertrauen.

Daher werbe ich dafür, Kinder von Anfang an mit Gott groß werden zu lassen, auch weil Religion da eine große Quelle ist, um diese Resilienzfaktoren stärken zu können und mit Gott als verlässlichem Wegbegleiter durchs Leben gehen zu können.

Vielleicht gerade in Zeiten wie jetzt. Was tun, wenn Krieg beunruhigt? Sie rät: Genau hören, was Kinder fragen und was tun gegen die Hilflosigkeit. Vielleicht so etwa:

Eine Kita, die haben in ihrem Schaukasten große Plakate gemacht: „Krieg ist nicht schön“ und „Wir wollen Frieden“ und haben Symbole dafür gefunden. Gott die eigenen Ängste hinlegen und Hoffnungen. Ne Kerze anzünden. Sich beteiligen an einem Hilfstransport.

Man spürt, für Susanne Betz ist eine gute evangelische Kita menschenfreundlich. Und religiös offen.

Viel Herz, Offenheit und religiöse Vielfalt

Susanne Betz begleitet Kinder mit viel Herz und Verstand, seit Jahrzehnten. Sie ist da „reingewachsen“: Kindergottesdienst als Jugendliche, Religions- und Konfirmandenunterricht im Beruf. Und heute ist sie als Studienleiterin mittelbar verantwortlich für 35000 Kinder, die in Baden in evangelische Kitas gehen.

Ich finde das total spannend wie Kinder einen ganz anderen Blick auf die Welt haben. Und dann auch zu sehen, wie die sich entwickeln. In der Kirchengemeinde war das natürlich wunderbar.

Sie konnte Kinder begleiten beim Großwerden. Manche hatte sie als Erstklässler, heute erlebt sie sie als Eltern: Eine Kirchengemeinde bietet weiten Raum für Lebensbegleitung. Für sie ist es sehr o.K., dass Kinder aus verschiedenen Motiven in kirchliche Einrichtungen gebracht werden.

Es gibt Eltern, die nehmen das evangelische Profil in Kauf und es gibt Familien, die sich ganz bewusst entscheiden. Aber z.B. habe ich öfters aus Kitas gehört, dass es muslimische Familien gibt, die ihr Kind lieber in einer evangelischen Kita anmelden, weil sie sich erhoffen, dass Religion ne Rolle spielt und auch eine verbindliche Werteerziehung.

Kein Problem, wenn so unterschiedliche Erwartungen zusammenkommen? Nein, findet Susanne Betz. Denn für sie ist Grundlage des evangelischen Profils, dass wir in religiöser und weltanschaulicher Vielfalt leben. Und dass die auch sichtbar wird.

In einer wertschätzenden Art und Weise diese Vielfalt auch stehen lassen zu können. Aber auch bewusst zu haben: ‚Wie gehen die Feste bei uns, wie gehen die Feste bei Euch? Wer betet wie?‘ Die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede. Und es geht gar nicht um richtig oder falsch, es geht nicht um Wahrheiten. Die sind bei Religionen nicht verhandelbar.

Sie hofft und geht davon aus, dass die Kita auch lebendiger Teil der Kirchengemeinde ist und wird: dass sie selbst offen in die Gemeinde hineinwirkt und von der aber auch als wichtig wahrgenommen wird.

Da geht’s um Begegnung, gemeinsame Aktionen, um gemeinsames Feiern. Und das alles bereichert die Kita. Ich denke, für viele Eltern ist Kita auch, ja, das Gesicht von Kirchengemeinde. Und wenn ne Kirchengemeinde wissen will, wie junge Familien gerade unterwegs sind, dann gucken die umgekehrt auch wieder in die Kita.

‚Wir wollen das Beste für unsere Kinder.‘ Stimmts? Müssten wir dann nicht alle mit der Zunge schnalzen, wenn jemand sagt: „ich bin „Erzieherin“? Bezahlung, Wertschätzung, Personalausstattung: Da ist sehr viel Luft nach oben. Für Susanne Betz ist es ein NoGo, wenn gesagt wird: ‚Die spielen doch bloß.‘ Da hält sie dagegen, im Interesse unserer Kinder.

Dass spielen aber Aneignung von Welt ist und elementar wichtig ist, und dann noch ganz viel drumherum dazu gehört, was die Erzieherinnen leisten, ist nicht immer so im Blick.

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SWR1 Begegnungen

17APR2022
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Hans-Joachim Eckstein, em. Professor für Neues Testament aus Tübingen

Wir leben ab und leben zugleich an

In den Tagen vor der Begegnung mit Hans-Joachim Eckstein ist mir der Tod sehr nah gekommen. Darum habe ich gehofft, dass mir unser Gespräch über Ostern und die Auferstehung Jesu selbst gut tut. Und es war so. Ostern bedeutet ihm viel: Als Professor für Neues Testament und persönlich. Schon als Kind war es sein christliches Lieblingsfest.

Es war für mich immer eine Zeit des Auflebens, es wird wieder Licht, es wird wieder warm, wir konnten wieder rausgehen und spielen, die Welt war wieder offen und hoffnungsvoll.

Eigentlich ist es kaum zu glauben, dass ein Mensch, der gestorben ist, nicht einfach tot bleibt. Aus und vorbei. Schon die Frauen und Männern, die vor 2000 Jahren mit Jesus zusammen waren, konnten das erst nicht fassen. Wird in der Bibel erzählt. Weil sie etwas nie Dagewesenes erlebt haben.

Wichtig ist, dass Ostern nicht bedeutet: Jesus ist als Scheintoter wieder auferweckt worden. Er bekommt ein neues Leben über diese Sterblichkeit hinaus.Gott braucht die Materie nicht, um uns aufzuerwecken. Damit ist Jesus der Erstgeborene, der ältere Bruder, so wie Gott an ihm handelt, wird er auch an uns handeln.

Und Hans Joachim Eckstein ist wichtig: Auferstehung bedeutet auch: Jesus ist nicht gescheitert. Seine Gegner haben nicht Recht behalten. Nächstenliebe, für Kinder, Kranke und Ausgegrenzte ganz da sein, die Welt glückselig machen. Dafür hat Jesus gelebt. Und das bleiben Werte, die ewig zählen.

Dass Gott tatsächlich alle Menschen gleich lieben soll, Verlorene oder Gerechte, Männer oder Frauen, Israeliten und Nichtisraeliten, das war das Provozierende und schließlich ist er dafür auch gekreuzigt worden. Aber Gott hat das Leben, die Verkündigung, die Person Jesu bestätigt.

Eine Ostergeschichte mag Hans Joachim Eckstein besonders: Da steht Maria, eine von seinen Jüngerinnen, todtraurig am Grab Jesu. All ihre Lebensträume scheinen geplatzt. Sie kommt sich vor, als sei ihr Leben nur noch Vergangenheit. Und dann begegnet ihr der Auferstandene, erzählt die Bibel.

Dann tritt plötzlich eine Realität in unser Leben, die alles verändert. Christus spricht sie an, warum weinst Du, wen suchst Du?
Auferstehung bedeutet nicht ein Ausblenden von Schmerzen, von Altern, von Verlust, aber es ist eine neue Hoffnung. Die mich abholt wo ich stehe und die mich einlädt zu einer neuen Begegnung, einer neuen Ursprünglichkeit.

Er macht mir deutlich: Die ersten Christen haben mit dem Glauben an die Auferstehung auch die Zeit neu erlebt und verstanden: Auf einmal kommt da noch was Neues.

Natürlicherweise leben wir ab, vom Frühling bis zum Winter.  Von der Auferstehung her leben wir zugleich an. Da machen wir gegenläufig die Erfahrung: Mit jedem Tag sind wir näher am Ziel. Und damit lebe ich natürlich auf, denn, wenn das Schönste noch vor mir liegt, dann muss ich nicht in das Grab der Vergangenheit schauen, sondern dann habe ich eine neue Perspektive.

Wir leben auf
Beweisen kann man nicht, dass Jesus auferstanden ist. Das will Hans-Joachim Eckstein auch nicht. Er hat lange als Professor und Historiker gelehrt. Da versucht man vernünftig und kritisch plausibel zu machen, was gewesen sein könnte.
Aber er glaubt auch. Und das ist für ihn kein Widerspruch: Wir sollten nicht denken, dass unser kleines Hirn die gesamte Wirklichkeit erkennen kann, findet er.

Jetzt bin ich nicht selbst gespalten als Theologe, ich kann nur genau trennen. Wann mache ich eine Aussage aus meinem Glauben heraus und wann mache ich eine Aussage als Historiker, die ich als plausibel darstelle.

Mit 17 hat er den Glauben an Ostern für sich gefunden. Es war ein Schub ins Leben, findet er. Und das beobachtet er auch an anderen Menschen: Wenn ein Mensch hofft, ich habe eine Zukunft und diese Vorfreude darauf, das belebt.

Einerseits ist in Vorfreude das Unangenehme nicht ganz so unangenehm. Und umgekehrt vor dem Urlaub zB. erfahren wir, dass wir Dinge, die wir Monate vor uns herschieben, plötzlich in Tagen bewältigen. Hoffnung relativiert und motiviert. Und so haben die ersten Christen gelebt: Mit dem Herzen im Himmel und mit beiden Füßen auf der Erde.

Eins spüre ich aus jedem Wort, das Hans-Joachim Eckstein sagt: „Auferstehung“ gibt nicht nur eine Perspektive über den Tod hinaus. „Auferstehen“ das kann ich auch jetzt schon erleben.

Wenn ich weiß, ich bin gewollt und da wo ich hingehe, da werde ich erwartet, dass das etwas freisetzt und insofern, wer an die Auferstehung glaubt, für den beginnt das ewige Leben schon hier. Der hat den Tod schon hinter sich.

Er denkt dabei vor allem daran wie wir Beziehungen leben. Ob da was von der Liebe für alle Menschen zu spüren ist wie bei Jesus. Christen glauben ja, lieben können, das verbindet uns Menschen mit Gott. Auch wenn es da diesen Unterschied gibt:

Gott mag uns vollkommen lieben, aber er ist oft nicht greifbar. Menschen sind für uns greifbar, aber sie können uns nie vollkommen lieben. Aber sie können sich gegenseitig abholen in den Tränen und abholen am leeren Grab und hinführen zum Leben, Fenster öffnen in die Zukunft.

Und er erinnert mich, was Jesus über sich gesagt hat: „Er ist wie ein Weizenkorn. Das wird gesät und vergeht. Zuerst. Aber dann wachsen neue Körner draus.“ So könnte es auch sein mit unserem Tod. Dass Neues mit uns geschieht.

Im Loslassen zu merken, ich verliere gar nicht, sondern ich gewinne. Das Korn, das in die Erde fällt und erstirbt, hat nur die Hoffnung aber nicht den Beweis. Und so werden wir alle einmal Abschied nehmen und die Verheißung, ‚es beginnt erst richtig‘, ist das, was wir glauben dürfen.

Die Begegnung mit Hans Joachim Eckstein hat meine Hoffnung aufgefrischt. Und was er zum Schluss gesagt hat, das ist wohl ein Programm fürs Leben.

Wenn ich jetzt schon meine Einsamkeit, Eitelkeit, meine Verletztheit und meine Kränkung bereit bin loszulassen. Wenn ich dem absterbe, was mein Leben mindert, mache ich die Erfahrung: ich habe gewonnen.

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SWR1 Begegnungen

27FEB2022
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Silvia Meier © ekiba.de

Wolf-Dieter Steinmann trifft Silvia Meier, ehrenamtliche Seelsorgerin, Eichstetten am Kaiserstuhl


…zuhören, sich zurücknehmen, verschwiegen sein

Sie hat mich wieder daran erinnert: es braucht oft nicht viel, dass wir Menschen einander guttun. Wir müssen nur tun, was dran ist. Silvia Meier hat mir erzählt von einer Begegnung in Eichstetten am Kaiserstuhl. Da lebt sie. Von weitem hat sie ein Paar gesehen. Sie hat gewusst, er hat eine schwere Diagnose. Wurde abgeholt zur Therapie. Seine Frau blieb zurück.

Sie stand da an der Straße und hat dem Taxi hinterher gesehen und da habe ich sie angesprochen und das war ein sehr emotionales Gespräch. Letztendlich kann man da auch nicht viel helfen. Als ich mich verabschiedet hab, hat sie zu mir gesagt: ‚danke, dass Du mir zugehört hast.‘

Silvia Meier musste „nur“ die Straßenseite wechseln und ansprechen. - Mit einer Freundin zusammen sind sie ehrenamtliche Seelsorgerinnen. Sie hoffen, dass im Lauf der Zeit Menschen, denen was auf der Seele liegt, auch auf sie zukommen.

Wir möchten so ein bisschen darlegen, dass halt Seelsorge nicht nur ein Gespräch über ganz dramatische Dinge sein soll. Sondern, dass Seelsorge einfach etwas ist, was der Seele guttut. Dass die Leute sich trauen, zu sagen, ‚ich bräuchte einfach mal jemand, der mir zuhört. Hättest Du nicht Zeit.‘

Wie wird man ehrenamtliche Seelsorgerin? Einen starken Anstoß hat sie bekommen auf der Kinderkrebsstation. Da lag ihr kleiner Sohn mit 1 1/2. Ich mag mir so was gar nicht vorstellen. Die Medizin war prima, auch in der Krise.

Es hat nicht angeschlagen, es hat nicht funktioniert und dann habe ich geweint, da sagt doch der Arzt zu mir: ‚ah, und warum heulen Sie jetzt schon wieder?‘ Und das hat mich wahnsinnig verletzt. Und das hat mich immer begleitet: ‚das geht eigentlich gar nicht, wie man da mit den Leuten umgeht.‘

Ihr Sohn hat es damals überstanden. Sie hat später 1 ½ Jahre lang an einem Seelsorge-Kurs teilgenommen im Kirchenbezirk. Neben dem Beruf. Mit das Wichtigste, was sie auch lernen musste.

Sich selber nimmt man mal ganz zurück. Kommentieren oder gute Ratschläge sind oft auch gar nicht angebracht, sondern einfach: ‘ich nehm Dich wahr, ich höre Dir zu, und ich kann das nachempfinden, so wie Du Dich fühlst.

Hört sich doch an, als ob Sie und ich das auch könnten. Aber ich weiß, es ist schwer, wirklich den anderen zu hören. Dabei brauchen viele das. Silvia Meier hofft, dass das in ihrer Kirchengemeinde zum Profil wird.

Dass da auch ne Gruppe von Seelsorgern da ist, und dann kann auch wirklich flächendeckende Arbeit betrieben werden. Auch Seelsorge mit Menschen, die nicht an Gott glauben. Da gibt es für uns keine Unterscheidung.

Oft ist es so, dass die Leute nicht auf uns zukommen, sondern wir auf die Menschen zugehen und wenn das die Menschen wollen, dann ist das in Ordnung, und wenn sie es nicht wollen, ist es auch völlig in Ordnung. Seelsorge ist ja, „Alles darf, nichts muss.“

Doch, eins muss: Verschwiegenheit. Die gilt auch für sie als ehrenamtliche Seelsorger. Darauf kann sich jede und jeder verlassen.

Verschwiegenheitspflicht das ist oberstes Gebot. Alles was in diesem Gespräch gesagt wird, bleibt auch unter den Beteiligten.

Seelsorge ist, der Seele guttun. Wobei, Silvia Meier sieht man an, nicht nur der Seele von anderen. Ihrer auch. W

…guttun macht menschlich

Silvia Meier hat eine große Seele, glaube ich. Wirkt sehr lebendig, warmherzig. Interessiert sich echt für andere. Das passt, dass sie sich in der Gemeinde als ehrenamtliche Seelsorgerin engagiert. Neben 2 Kindern, dem Beruf und was sie sonst noch macht.

Seelsorge hat sie gelernt in einer Gruppe im Kirchenbezirk. Ist sich dabei intensiv selbst begegnet. Hat gelernt, wie man andere richtig versteht. Wie ein Gespräch gut wird.

Manchmal fehlen auch die Worte. Und dann ist es in der Gruppe wahnsinnig toll. Da kommen dann Vorschläge. Was auch toll war, ist, dass man oft von seinem eigenen Gespräch ein negativeres Bild hatte als die Gruppe.

Seelsorge macht ihr Spaß. Auch ernste und schwere Gespräche können schön sein, sagt sie. Sie prägen sie, und auch ihr Menschenbild. Was sind wir? Maschinen, die leisten und schaffen? Deren Körper und Geist immer mehr optimiert werden kann, bis wir dann abbauen?

Ich hab da immer schon dran geglaubt, dass der Mensch eine Seele hat, jetzt noch mehr. Die Seele ist für mich das, was den Menschen ausmacht. Da spielt der ‚göttliche Funke‘ auf jeden Fall eine Rolle mit. Weil wir sind alle Gottes Kinder.

Und zwar ganz eigene. Silvia Meier hat gelernt, genauer hinzuschauen, meint sie. Hinter die Alltagsgesichter. Mit denen wir uns manchmal tarnen. Viele wenden Kraft auf für die Alltagsmaske. Vielleicht, um Verletzungen zu verbergen?

Früher hat man dann gedacht: ‚oh ist der wieder schlecht drauf, wie nervig‘. Es steckt immer eine Geschichte dahinter, deswegen ist es so wichtig, genau hinzuhören. Man erfährt viele Schicksale und das verändert auch die eigene Sicht der Dinge. Man nimmt nicht mehr alles für selbstverständlich, man entwickelt so ein bisschen einen Blick für die kleinen Schönheiten.

Ihr Glaube trägt sie schon lange. Sie meint sogar, selbst wenn ihr Sohn seine Krankheit damals nicht überlebt hätte. Verloren hätte sie den Glauben nicht. Vielleicht wäre es nicht mehr so heiter.

Die Krankheit meines Sohnes hat meinen Glauben gefestigt. Er hat mir definitiv geholfen, die 2 Jahre. Ich glaube, es hätte nichts geändert. Natürlich hadert man, aber ich glaube auch daran, dass es für uns alle einen Plan gibt, dass wir in Seinen Händen sind und dass wir dann auch in den Situationen klarkommen müssen.

Was Silvia Meier mir klar macht und sehr nah bringt: Seelsorge ist nicht nur geben. Sie kriegt viel zurück: Dankbarkeit. Echo. So wie es ihr eine Frau nach einem Gespräch gesagt hat.

‚Jetzt habe ich Dir aber echt das Ohr ‚abgekaut‘ und dich vollgequatscht‘- Auf diese Art hat sie es ausgedrückt. Und dann hat sie mich in den Arm genommen und gesagt: ‚Vielen Dank, dass Du mir zugehört hast.‘ Das sind so ganz besondere Momente. Das tut einfach gut, diese Wertschätzung.

Empathie und zuhören. Silvia Meier glaubt, das können Sie und ich auch. Es würde sie freuen, wenn viele diese Gabe ausbauen. Damit mehr Menschen erleben, wir können unseren Seelen guttun. Und dem ganzen Menschen..

Es gibt ja viele unterschiedliche Einsatzgebiete, Krankenhausseelsorge oder in nem Altenheim, in der Gemeinde, und da muss man nachher auch für sich herausfinden, was einem persönlich liegt.

https://www.ekiba.de/html/content/
zentrum_fuer_seelsorge_zfs.html

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SWR1 Begegnungen

30JAN2022
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Arnim Töpel

Wolf-Dieter Steinmann trifft Arnim Töpel. Musikalischer Kabarettist und Autor von kurpfälzischen Krimis. Sein 8. Fall führt in die Schattierungen und Schatten des Evangelischseins, der Liebe und der Sprache.

 

Wie rede ich, wie liebe ich, was glaube ich?

Ich mag lebenserfahrene Krimis. Weil sie mehr erzählen, als bloß ‚wer war es‘? Ein guter Autor erzählt, wie Menschen in Abgründe geraten. Wie das Leben sich verwickelt, aus Liebe oder auch aus Glaubensgründen. Arnim Töpel ist erschrocken über den Abgrund, in den sein kurpfälzischer Kommissar Günda blickt.

Wenn man sich vorstellt, dass vor 450 Jahren in Heidelberg, in einer Geistesmetropole, ein bedeutender Theologe in der Kurpfalz hingerichtet wird. Vorwurf: ‚Ketzerei, Gotteslästerung‘.

Der Fall ist passiert. 1572 wurde Johannes Sylvanus, Pfarrer, Bibelwissenschaftler, vor der Heiliggeistkirche enthauptet. Weil er die Dreieinigkeit Gottes geleugnet habe. Seine beiden kleinen Söhne mussten zusehen. -- Erstaunlich: Kaum jemand weiß davon.

Ich habe tatsächlich einen Tipp bekommen. Und in dem Fall war das ein ehemaliger Kirchenrat, Manfred Kuhn: ‚Johannes Sylvanus, das könnte doch was für Sie sein. Mir war das völlig fremd, ich kannte diese Geschichte überhaupt nicht. (geflüstert: ‚ich auch nicht‘) Das ist auch das Interessante an der Sache.

Arnim Töpel hat sich reinziehen lassen. „Voll fagnoddelt“ heißt das Ergebnis. Mit seinem Kommissar Günda, entdeckt er auch viel übers Evangelischsein. Dass es viele Schattierungen hat. Auch seine Tante macht Günda das deutlich.

Die wiederum ist total evangelisch, er auch, ich auch. Und die stößt auf einen kritischen Punkt: Seine Zukünftige ist zwar auch evangelisch, aber vunn de annere Sort: ludderisch.

Nicht reformiert oder uniert oder wie man noch evangelisch sein kann.

Hochspannend, weil man sich schon fragen muss: Woher kommt mein Glaube? Habe ich das gelernt, habe ich das erfahren? Johannes Sylvanus wird wegen seines Glaubens, oder wegen seines Zweifelns verurteilt. Etwas, was mich für ihn sehr einnimmt, weil ich Evangelischsein immer so empfunden habe: ‚Ich darf zweifeln.‘

Kommissar Günda ist nicht nur evangelisch. Er ist auch verliebt. Frisch in Rente, fagnoddelt sich sein Leben. Wird neu. Arnim Töpel glaubt nicht, dass wir ganz loslassen können, was uns prägt.

Aber es gibt immer die Chance, das Glück zu finden, und das kann man eben nicht planen. Und das fand ich eine sehr reizvolle Idee, diesen Einzelgänger, diesen notorischen Einzelgänger, auf einen anderen Weg zu bringen.

Noch was finde ich prima an seinem Günda. Er redet Dialekt. Hochdeutsch und kurpfälzisch stehen nebeneinander. Auf einer Stufe. Auch nicht selbstverständlich.

Weil man ja Dialekt verbindet mit Schlichtheit im Gemüt. Und das möchte ich auch mit dieser Figur unbedingt widerlegen. Er hat dieses Intellektuelle, aber er ist in der Lage, auf eine Art zu formulieren, dass sie verträglich ist, manchmal witzig ist, aber näher an die Leute kommt.

 Evangelisch und Dialekt – offene Heimaten

Arnim Töpel schreibt zweisprachig. Hochdeutsch und Kurpfälzisch ganz nah beieinander. Muttersprache und Heimatsprache. Auch im jüngsten Buch von seinem Kommissar Günda, auch wenn es um Liebe geht. Da fragt Inga ihren Günda: ‚Was willst Du eigentlich von mir?‘ Und er: ‚Guggemamol.‘ Wie klingt das für Sie? Nach Ausflucht? Nach Versprechen?

Da schwingt so viel mit in diesem „guggemamol“. Das kann man hochdeutsch nicht sagen. Er sucht keinen Ausweg, sondern es ist eine ganz ehrliche Äußerung, sie wiederum hat durch ihr Elternhaus Erfahrungen mit dem Kurpfälzischen, dh. ihr ist es auch nicht völlig fremd. Insofern darf er das so sagen und kann sie es eben auch verstehen.

 „Voll fagnoddelt“, heißt Kommissar Günda 8. Fall. Hochdeutsch etwa „total verwickelt“. Wie das Leben oder die Liebe sein können. Manchmal auch der Glaube. Es schreckt Arnim Töpel, wenn Glaube zum Machtinstrument wird.

Das sind Dinge, wo ich ihn dann eben auch denken und sagen lasse – und da ist er nicht fern von mir: Was hat das denn mit denn mit den Gläubigen zu tun? Ist das nicht eine akademische Diskussion, die auch oft genutzt wird – damals vor allem eben – um Macht auszuüben, andere rauszudrängen?

Evangelisch ist für ihn anders: Es hat viele Schattierungen, und doch darüber ein großes Dach, unter dem man glauben kann. Persönlich, verschieden, mal fest, mal wackeliger. Selbstkritisch, mitleidend, suchend und einander helfend. Man glaubt und diskutiert mit anderen. Könnte das nicht Modell für Religionen überhaupt sein?

Es gibt eben auch beim Glauben, ähnlich wie bei der Liebe, Ungewissheiten. Ich kann nicht genau sagen, was glaube ich morgen, wie liebe ich morgen. Das sind Versprechen, vielleicht Hoffnungen. Da ist der Glaube sehr nahe bei der Liebe.

Arnim Töpel freut sich darauf, dass er 450 Jahre nach dem Ketzerfall von Johannes Sylvanus in diesem Jahr literarische Gottesdienste gestalten kann. Zusammen mit dem Pfarrer, der ihn auf den Fall Sylvanus gebracht hat.

Also für mich das ist eine Fügung, weil, alles was ich mache - auf der Bühne – hat begonnen bei der Evangelischen Jugend. Und insofern fand ich das toll, dass da jemand kommt mit einer Geschichte, die mich fasziniert, die mich an die Wurzeln bringt und auch an meine Grenzen.

Ist das nicht gut? Glaube kann mitgehen durch Höhen und Tiefen. Meiner hat sich gewandelt beim Älterwerden. Aber mit Blick auf Jesus und in die Bibel. Ich finde Arnim Töpel hat recht: Es ist wichtig, immer wieder offen zu suchen. Aber:

Gleichwohl darf es nicht ins Beliebige. Für mich ist dann auch die Grenze da, wo die Kirche nur noch ein Sozialverein ist. Ich kann mich an Schuljahresabschlussgottesdienste erinnern, wo ich nicht wusste, wer ist denn hier der Pfarrer, was passiert hier eigentlich?
Das ist ja wiederum die Schwierigkeit gegenüber anderen Religionen von uns Evangelischen, dass wir so offen sind, dass wir immer auch mit einem ‚aber’ operieren dürfen. Das ist dann schwierig, wiederum die Grenze zu ziehen, welches Minimum an Glauben muss ich denn haben. Das finde ich alles unglaublich interessant.

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Wenn Sie Kurpfälzisch irgendwie „im Ohr haben“, lesen Sie das Buch unbedingt laut.Wenn nicht, greifen Sie sich jemand aus der Kurpfalz und lassen Sie sich vorlesen. Am besten Arnim Töpel selber:
in Apple Podcasts unter „Kommissar Günda – voll fagnoddelt“
oder unter iTunes

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34747
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SWR1 Begegnungen

28NOV2021
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Anne-Christine Langenbach Foto: Roger Schäfer

… und Anne-Christine Langenbach. Wann fühlen Sie sich richtig lebendig? Ich spür das, wenn ich was tue oder erlebe, was ich echt liebe. Obwohl, auch wenn was weh tut, spür ich das Leben, als Sehnsucht. Anne-Christine Langenbach liebt Musik und, hofft sehr, dass ihr Adventskonzert heute stattfinden kann.

Wir freuen uns natürlich am allermeisten auf die Besucher, die kommen. Wir freuen uns aber noch mehr, dass wir endlich wieder auftreten können. Und musizieren können. Gemeinsam dieses Erlebnis haben. Und dann natürlich: die Freude sehen bei den Zuhörern.

 

Dabei ist Chorsingen mit Abstand schwierig. Vor allem auch für Kinder und Jugendliche. Aber die Sehnsucht, wieder zu singen, ist größer. Und sie glaubt, die schlummert in allen.

Singen ist ja auch ein körperliches Wohlgefühl. Es macht einen glücklich. Man muss sich nur einmal überwinden und richtig laut lossingen. Und es geht einem sofort besser.

So begeistert hat sie vor 20 Jahren die Singschule an der Peterskirche in Weinheim gegründet. Eine Erfolgsstory. Mit dem „Klassik Echo“ wurden sie ausgezeichnet. In die 7 Chöre ihrer Singschule kommen jede Woche 150 Kinder und Jugendliche. 

Zunächst macht Kindern singen einfach großen Spaß. Fast allen Kindern. Man muss also nicht viel tun, um sie zum Singen zu bringen. Und sie lernen hier, einfach auch sehr, auf die anderen zu hören, und dass das Ziel, nur in der Gemeinschaft zu erreichen ist.

In der Gemeinschaft können die Einzelnen richtig wachsen. Immer wieder hat Anne Christine Langenbach das erlebt. 

Wie sich gerade ganz schüchterne, zurückhaltende Kinder entwickeln und bei unserem jährlichen Musical plötzlich -nach fünf Jahren - dastehen und ne Hauptrolle singen.

Es geht ihr nicht um Auslese der Besten, sondern um Community. Mir ist das sehr sympathisch. Auch Jungs im Stimmbruch sollen dabeibleiben können. 

‚Toll, endlich kommst Du in den Stimmbruch‘. Der wird von mir quasi auf Händen durch den Stimmbruch getragen. Ich schreibe auch extra Stimmen, damit er auf den wenigen Tönen, die er singen kann, dabei sein kann.

Bei uns ist jedes Kind willkommen. Wir haben auch immer wieder „Brummer“ dabei. Es kann jedes Kind, jeder Mensch kann singen lernen, mancher braucht halt ein bisschen länger.  

Man spürt das Credo, das Anne Christine Langenbach - ja - verkörpert: ‚Singen ist Leben‘. Gut, wenn Menschen das in der Kirche erleben können. Und eine Kirche, die lebendig ist. 

Beteiligung auch am Geschehen im Gottesdienst. Das ist das, was die Kinder reizt. Und dann finden sie es auch wichtig und toll. Und dann kommen auch die Eltern. Und es macht ja auch die Gottesdienste wirklich um vieles reicher.

So etwas ist doch eine win-win Situation. Menschen können sich echt er-leben und Gemeinde wird lebendig. Ohne Druck. 

Was wir machen, ist den Kindern über die geistlichen Lieder einfach die Glaubensinhalte ja auch nahe zu bringen. Was die Kinder und Jugendlichen hinterher damit für sich selber machen, das ist natürlich dann ihre Sache.  

Für Anne-Christine Langenbach gehört singen zum Advent, unbedingt. Und sie hat auch Tipps, wie man wieder damit anfangen könnte. In ein paar Minuten erzähle ich, wie.

 

Singen im Advent: hoffen auf Erlösung

 

Anne -Christine Langenbach ist Kirchenmusikdirektorin in Weinheim, aus Leidenschaft. Vor 20 Jahren hat sie die Singschule an der Peterskirche gegründet für Kinder und Jugendliche. Singen ist für sie Leben. Gerade auch in der Adventszeit und auf Weihnachten hin.

Wenn die Kirche voll ist und die Gemeinde singt richtig aus voller Seele mit und das ist in der Regel bei ‚Tochter Zion‘ oder später auch an Weihnachten, wenn alle ‚O Du fröhliche‘ singen, dann bin ich glücklich.  

Aber gibt es da nicht ein Problem? Kirchenmusik klingt ja oft – vorsichtig gesagt - etwas älter. Erreicht man damit noch Ohren und Herzen von Kindern und Jugendlichen? Sie erlebt: ja durchaus. 

Bei den Jugendlichen ist die TOP1 immer der Quempas, eine Renaissancestück. Aber was es gibt, sind tolle neue Arrangements, poppige oder jazzige. Und das kommt natürlich grad bei den Jugendlichen an.  

Angesagt ist zB. die Gruppe Pentatonix, wie groovend die alte Lieder singen. Und es gibt auch gute neue Lieder. Die beides ausdrücken: Dass das Leben Angst macht und diese Sehnsucht, dass es sich wenden soll zum Guten, für uns und dass es sich wenden kann. In einem Lied heißt es zB.

‚An dunklen kalten Tagen, beschleicht uns banges Fragen, was wird wohl morgen sein? Gott kommt und schafft die Wende.‘
Warten auf etwas, was uns erlöst. Ich glaube, das ist etwas ganz Besonderes, gerade in diesem Jahr. Und diese Hoffnung, dass dieses Nachdenken oder überhaupt das Singen und die Musik uns wieder näherbringt, trotz aller Abstände, im Räumlichen, aber auch der Abstände, die im Kopf entstanden sind.
 

Für Kirchenmusiker wie Anne-Christine Langenbach ist in der Adventszeit richtig volles Programm, Hektik. Wie bei vielen. Aber sie erlebt den Advent auch sehr erfüllend. Z.B. wenn sie mit Kindern und Jugendlichen singend unterwegs sein kann. 

Man braucht nur mit ein paar Kindern in ein Altenheim zu gehen. Da strahlen die Menschen. Wenn die dann ein Advents- oder Weihnachtslied singen, dann ist eine so tolle Stimmung, Und da geh ich natürlich auch ganz erfüllt von nach Hause. Wenn ich dann noch ne schöne Kerze mir anzünde, dann ist Advent.

Schöne Erfahrung, oder? Adventshektik kann wohltuend werden, wenn man anderen dabei etwas gönnt. Was ihr sehr am Herzen liegt: Gönn es Dir, selber zu singen. Am ehesten geht es vielleicht, zusammen mit Kindern. 

Also sich ein Kind suchen oder zwei und lossingen. Es gibt unheimlich viele Aufnahmen im Internet. Wir selber haben mit der Singschule letztes Jahr Advents- und Weihnachtslieder eingesungen. Natürlich gibt es jede Menge CDs. Am besten, was einlegen, laut stellen und mit einstimmen.  

Also: keine Zurückhaltung und keine Sorge vor ein paar falschen Tönen. Anne- Christine Langenbach wünscht sich und uns für den Advent.

Gesundheit und Mut zum Singen. Und dass uns das gelingt, dass wir so viel Gesundheit haben, dass die Kirchen offen bleiben dürfen für Gottesdienste, dass die Chöre an Weihnachten singen dürfen.

 

Die Singschule – in Aktion und aufgezeichnet:

https://www.youtube.com/watch?v=Ih-n0PTqn2k

https://www.youtube.com/watch?v=HK06B8vUCqc

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34376
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SWR1 Begegnungen

24OKT2021
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Sarah Köhler Foto: Michael Blaser

Mensch macht Erde (kaputt?)

Heidelberg Hauptbahnhof, da arbeitet sie. Allerdings mit Zügen hat die junge Theologin wenig zu tun. Sie ist die Referentin der Ökumenischen Arbeitsstelle Anthropozän. Und fragt: wie übersteht die Erde dieses neue Zeitalter, in das der Mensch sie gebracht hat? Was ist Anthropozän?

Eine Gegenwartsdiagnose aus der Naturwissenschaft, die besagt, dass der Mensch als Art die erste Art ist, die wirklich Einfluss im globalen Ausmaß nimmt auf erdsystemische Prozesse.

Die Klimakrise ist ein Zeichen für das Anthropozän. Und es treibt sie um, was Kirche und Theologie dazu beigetragen haben. Und sie hofft, dass sie auch eine positive Rolle spielen bei der Bewältigung der Aufgaben. Und zwar jetzt!

Wir sind am Aufwachen und wir wissen, wenn die Geschichte der Welt enden würde, endet auch der Lebensraum, in der sich die Geschichte mit Gott ereignet. Theologisch würden wir eben sagen, der „Erdling“ ist auf die Erde angewiesen.

„Erdling“: ein schönes altes Wort, dass der Mensch mit der Erde verbunden ist. Eine zweite können wir nicht schaffen.
Ja, es passiert schon Gutes in Sachen Klimakrise. Auch in den Kirchen. Aber es muss oberste Priorität bekommen.

Wenn Kipp-Punkte erreicht sind, dann leben wir als Menschheit in völlig veränderten Lebensgrundlagen, und dann sind Prozesse eingeleitet, die uns vermutlich entgleiten.


Was treibt Sarah Köhler an? Sie verblüfft mich: nicht Katastrophenangst, auch nicht der Glaube, dass sie die Erde retten könnte. Sie motiviert ein positives Bild: Die Erde kann werden wie ein großes Konzert.

Musiker üben sich noch ein und es klingt schief und schräg, und wir haben schon eine Vorstellung dessen, wie dieses Konzert sein wird. Ich glaube an die Menschheit, ich glaube an die Schaffenskraft und die Schöpferkraft und all das, was wir kulturell geleistet haben. Wir haben viele Instrumente da, um eine Welt zu einem Konzert zu spielen, wo alle Menschen zumindest eine Grundsicherung haben und wo ökologische Systeme in ihrer Regeneration bedacht werden. Und wir müssen das noch orchestrieren.

Sarah Köhler macht klar: Damit das Zusammenleben nachhaltig und gerecht werden kann, dafür müssen viele Grundlagen des Erdsystems neu gestimmt werden. Einzeln ist man überfordert.

Das größte individuelle Einflussinstrument ist demokratische Teilhabe. Wir brauchen Gesetze, die neu justiert werden, wir brauchen Wirtschaftsstrukturen, wir brauchen moralische Parameter. Die müssen systemisch verankert werden, damit es nicht zur Dauerüberforderung des Individuums kommt.

Das finde ich prima, wie sie scheinbar Gegensätzliches zusammenbringt: Politisch Druck machen und an die Menschheit glauben. Die Gefahren für die Erde laut benennen und Hoffnungsbilder entwerfen.

Es braucht Erzählungen, Geschichten, wofür wir die Sicherheit des Jetzt aufgeben und was es abzuwenden gilt. Und das in eine Sprache zu bringen, die eben nicht diese Resignation auslöst.

paradising

Sarah Köhler ist Theologin, Anfang 30. Wie viele – und wie ich finde, besonders Frauen – hat sie kapiert: Der Mensch hat die Erde in ein neues Zeitalter gebracht, ins Anthropozän. Und an Abgründe. Aber sie glaubt, dass die Menschheit Gutes schaffen kann. Mit Kollegen zusammen hat sie dafür ein neues Wort: paradising.

Wer Klarheit darüber will und Gewissheit, wofür wir was aufgeben oder umgestalten oder umbauen müssen, der darf nicht aufhören, darüber nachzudenken, wie er davon spricht. „Paradisieren“ ist ein verbaler Begriff, er triggert einen Aktivismus, ein Eingreifen und Nominalismus triggert Zustände. Wir wollen verbaler formulieren, damit es aktiviert.

„Paradisieren“ bedeutet nach vorne schauen. Aktiv Zukunft gestalten. Positive Phantasie. Und es steckt ein Paradigmenwechsel drin, wie wir uns als Menschen sehen: Wie können wir als Menschen gut werden für Menschen und die Erde?

Es geht nicht nur darum, einen Zustand in Bewahrung zu halten, sondern ökologisch zu wirken und sozial zu wirken.
Eine arbeitende Gemeinschaft, die sich im Miteinander darum kümmert, dass es sowohl den Mitmenschen gut geht und die unsere Lebenswelt komplett ernst nimmt.

Ich verstehe sie so: „lebe aktiv und bewusst, kümmere Dich um die Erde, um Mitgeschöpfe, um Menschen.“ Und wie kann ich konkret „paradisieren“? Vier Felder nennt sie. Z.B. „Paradiese schützen“:

Ökologische Systeme, wie sie teilweise stabil oder unberührt noch vorhanden sind, unberührt zu lassen.
‚Paradiese schaffen‘: Wir gestalten ganz konkret Gesellschaft und Gesellschaftsformen, die nicht nur menschliche Gesellschaften denken, sondern Mensch-Natur-Gesellschaften.
Dann ‘Paradiese sind schon da‘. Wahrnehmen, wo wir Inseln geschaffen haben.

Und das vierte: „Paradiese entstehen“. Also sie zulassen und darin lernen. Sarah Köhler macht deutlich. „Paradisieren“ braucht uns aktiv. Zurück, vors Anthropozän, geht nicht. Entscheidend ist, was wir mit unserer Macht machen. Und wo bleibt da Gott?

Der ist und bleibt der Regisseur unserer Erde, unseres Schaffens. Ich für mich als Theologin habe entschieden, mich nicht mit seinem Regisseursein zu beschäftigen, sondern mit unserer Rolle, die wir zu spielen haben in der Welt.

Noch was findet sie gut an paradising: „Paradies“ - das aktiviert auch Menschen, die nicht religiös sind. Allerdings, es gibt auch falsche Paradiese: wenn man sie nur für sich haben will. Oder welche baut, die andere kaputt machen.

Diese Vorstellung einer wunderschönen Welt, in der es mir gut geht, in der Naturraum funktioniert. Die ist allgegenwärtig. Das ist eine Sehnsucht, die ganz viele Menschen teilen.

Ich hoffe, Sarah Köhler hinterlässt bei mir diese nachhaltige Wirkung: Wir können Paradiese aktiv fördern. Für alle Geschöpfe, das Ganze.

Paradising: mehr Infos dazu finden Sie hier

zu Dr. Sarah Köhler und die Arbeitsstelle Anthropozän gibt es weitere Infos hier

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SWR1 Begegnungen

12SEP2021
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Sarah Banhardt. Theologin und Historikerin. Sie forscht über den langen Weg zur Gleichstellung für Pfarrerinnen und was heute noch fehlt.

Pfarrerinnen - gleichgestellt erst seit 50 Jahren

„Spannend, das Thema ihrer Doktorarbeit“, hab ich anfangs gedacht. Was sie mir dann erzählt hat, hat mich auch beschämt. Männer haben es den Frauen schwer gemacht, Pfarrerin zu werden. Sarah Banhardt, selbst junge Theologin und Historikerin, forscht über die ersten Theologinnen in Baden.

Im Archiv bin ich dann auf Doris Faulhaber gestoßen. Da habe ich gedacht: ‚das ist ne spannende Frau, die hat ein spannendes Leben gehabt. Und es gibt gar nicht so viel darüber, wie man erzählen könnte.‘

Gut, dass Sarah Banhardt von Doris Faulhaber erzählt. Ich habe diese vor 40 Jahren selber kennengelernt. Damals war sie 75. Den Traum, den sie schon als junge 20 Frau hatte, hatte man ihr nicht ermöglicht.

‚Du wirst schon sehen, wenn ich fertig bin, läuft das, also ich kann bestimmt Pfarrerin werden.‘ Und ich glaube, dass sie wirklich als junge Frau das gedacht hat. Und letzten Endes muss man sagen: Als die Gleichstellung kam, war sie schon im Ruhestand.

Man glaubt es kaum: Erst vor gut 100 Jahren durfte die erste Frau Examen in Theologie machen. Spannend finde ich: Zuerst haben Einzelne was bewegt, indem sie Grenzen verschoben haben. Zum Ziel, der Gleichstellung von Pfarrerinnen, wurde es ein langer Hürdenlauf, erzählt Sarah Banhardt. Mit Rückschlägen, z.B. nach 1945.

Die Männer waren im Krieg und die Frauen haben häufig nicht nur eine Pfarrstelle versehen, sondern gleich mehrere. Und nach dem Krieg war einfach Schluss. Und ich glaube, das war für die Frauen ein herber Rückschlag und ne große Verletzung, dass man jahrelang geackert und geschuftet hat und die Hoffnung hatte, jetzt haben sie endlich ihrer Kirche bewiesen, dass sie diese Aufgabe erfüllen können und dann war einfach zack, vorbei.

Doris Faulhaber und ihre Kolleginnen blieben beharrlich. Ein starkes Argument, dass Männer und Frauen gleich sind, haben sie in der Bibel gefunden.

‚Da ist nicht Mann noch Frau.‘ Für die evangelischen Theologinnen schon ein starkes Argument. Zu sagen. „Schaut doch mal, ihr argumentiert immer mit biblischen Texten: ‚wir sind dem Mann untertan.‘ Aber da steht auch, ‚weil Christus für uns am Kreuz gestorben ist, ist das egal.‘“

Was hat noch geholfen, durchzuhalten? Sarah Banhardt hat beim Forschen zweierlei gefunden: Die Theologinnen damals sind aus ihrer Vereinzelung heraus und sie waren überzeugt von ihrer Berufung:

Wir glauben, dass für unsere Kirche das wichtig und richtig ist, wenn Frauen Pfarrerinnen werden und deswegen setzen wir uns als Gruppe dafür ein.

Manches erinnert mich an katholische Frauen heute in ihrer Kirche. Darum habe ich gefragt: Kann es diesen heute was mitgeben, was evangelische Frauen erfahren haben?

Beharrlichkeit und auch dass man die Hoffnung nicht aufgeben muss. In so einer ein Stück weit aussichtslosen Situation, weiter dafür zu kämpfen. So ein bisschen die Hoffnung, auch in der katholischen Kirche kann Veränderung kommen.

1971 war es dann so weit: Eine Schülerin von Doris Faulhaber, Hilde Bitz, wurde als erste Pfarrerin gewählt, in einer Mannheimer Gemeinde. Und die beiden Frauen haben 40 Jahre gemeinsam gelebt.

Sie waren irgendwie ne Lebensgemeinschaft. Auf einem Weg unterwegs mit einem gemeinsamen Ziel durchaus: Nämlich das gleichgestellte Pfarramt für Frauen. Und sie waren auch eine Arbeitsgemeinschaft. Aber eben kein Paar.

50 Jahre sind Pfarrerin und Pfarrer gleichgestellt. Aber da ist noch Luft nach oben, findet Sarah Banhardt.

Nach 50 Jahren – Luft nach oben

Sarah Banhardt ist Theologin und Historikerin. Durch ihre Doktorarbeit ist sie Frauen nahegekommen, die vor 100 Jahren nicht mehr akzeptieren wollten, dass Frauen in der Kirche Menschen zweiter Klasse sein sollten. Was empfindet sie für Theologinnen wie Doris Faulhaber, Elsbeth Oberbeck oder Hilde Bitz?

Viel Dankbarkeit, sehr viel Respekt vor dieser Überzeugung, vor diesem Durchhaltevermögen, vor diesem Mut, der eigenen Berufung auch gegen alle äußeren Widerstände zu folgen.

Erst seit 50 Jahre sind Pfarrerin und Pfarrer in evangelischen Kirchen gleichgestellt. Noch nicht in allen, schon gar nicht weltweit. Sie ist sicher: Frauen haben das Pfarreramt verändert, auch für Männer.

Wie kann ich Pfarrerin sein und habe Kinder und wie kann ich da ne gute Balance finden?‘ Und dann tatsächlich auch die Frage für die Kirchen: ‚Wie ist das mit einer teilzeitarbeitenden Pfarrerin?‘ Und ich glaube, da haben Frauen schon noch mal – auch für die Männer, die heute Eltern werden – viel erreicht. Nämlich, dass es auch in Ordnung ist, wenn ich als Mann einige Zeit nicht arbeite, weil ich Kinder habe.

Alles gut? Nein. Junge Pfarrerinnen hören manchmal: ‚Der Herr Pfarrer hat es früher aber anders gemacht.‘ Müssen sich also an Vorgängern messen lassen und werden nicht als sie selbst geschätzt. Oder fühlen sich taxiert und kritisiert, wenn sie im Talar als Frau sichtbar werden.

Wenn Männer mich als Mädchen bezeichnen. Wenn nach dem Gottesdienst kommentiert wird, was für Ohrringe ich getragen hab. Oder wenn ich darauf hingewiesen werde, dass der Lippenstift doch abgelenkt hätte oder dass ich andere Schuhe anziehen müsste.“

Wenn Frauen immer noch grundsätzliche Ablehnung erleben, das geht Sarah Banhardt an die Nieren. Mir auch.

Und was ich wirklich schlimm finde, dass es noch viele gibt, die wirklich Anfeindungen erleben, dass sie Briefe bekommen, wo ihnen Bibelstellen aufgelistet werden, in denen ja steht, dass sie gar nicht Pfarrerin sein können.

Überraschend findet sie, dass jüngere Pfarrerinnen öfter äußern, dass sie kritisiert werden. Mehr als Pfarrerinnen der ersten Generationen. Vielleicht weil Frauen damals Pfarrerin anders waren als heute?

Ich glaube auch, dass Frauen sich da mehr auch in das Amt hineingelebt haben und heute Frauen bewusster auch sagen: ‚Ich bin in diesem Amt auch Frau.‘

Trotzdem findet sie die Bilanz für Frauen in der evangelischen Landeskirche in Baden ganz gut. Und bei den anderen im Südwesten ist es ähnlich. Bis hinein in die mittlere Führungsebene.

Ein bisschen über 40% der Pfarrstellen werden von Frauen besetzt und auch tatsächlich mehr als 40% der Dekanate werden von Frauen geleitet. Das finde ich, ist schon ganz gut. Ich finde schon schade, dass in Leitungspositionen, je höher die Position ist, desto weniger Frauen werden es. Es gibt schon noch ein bisschen Luft nach oben.

Was muss besser werden? Auf jeden Fall die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dann hat sie noch 2 Forderungen und eine besondere Hoffnung für die badische Landeskirche 2021.

Die Sexismuserfahrungen, die Frauen machen, müssen aufhören. Dass Kirche auch Frauen den Rücken stärkt. Und sagt: Wir stehen wirklich unverbrüchlich hinter der Frauenordination. Und wenn dann eine Landesbischöfin gewählt würde, 50 Jahre nach der Amtseinführung von Hilde Bitz, wäre das ein schönes Ergebnis.

Ausführlich hören können Sie das Gespräch zwischen Sarah Banhardt und Wolf-Dieter Steinmann als Podcast auf Spotify:
https://open.spotify.com/episode/2TqqIASsOYujE2RU1Pyqu2?si=79BUmI0tTiiisL8vIs_yWA

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SWR2 Wort zum Tag

31JUL2021
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So eine Covid19-Erkrankung ruft einem in Erinnerung, wie schön es ist, wenn man gut atmen kann. Und darum möchte ich heute eine Liebeserklärung an den Atem abgeben. Alle Lebenskraft kommt aus ihm. Ich könnte nicht mit Ihnen sprechen, wenn mir der Atem knapp würde.

Und wahrscheinlich gibt es keine tiefere Angst in uns, als keine Luft zu bekommen. Das Leben beginnt mit dem Atem und es endet, wenn es aufhört, in uns zu atmen.

Für die Bibel ist klar, welche große Kraft damit in uns ist.
27Mensch und Tier halten Ausschau nach dir, Gott, damit du ihnen Essen gibst zur richtigen Zeit.
Nimmst du ihnen den Lebensatem, dann sterben sie und werden zu Staub.
30Schickst du deinen Lebensatem aus, dann wird wieder neues Leben geboren. (Psalm 104)

Und was ist das für eine Erleichterung und Freude bei der Geburt eines Kindes, wenn es atmet. Selbständig und regelmäßig. Und zum Glück ist es für die meisten von uns dann ganz selbstverständlich, dass es ein Leben lang weiter so in uns atmet.

Darin liegt auch eine Kraft, mein Leben immer wieder neu zu ordnen.
Wenn ich sehr aufgeregt bin, hilft es, wenn ich mich aufs Atmen konzentriere. Wenn ich meine Gedanken wegführe von dem, was die Aufregung entfacht und mich auf das Elementare besinne. Einen ruhigeren Rhythmus suchen, bewusst ausatmen, damit dann neue Lebenskraft in mich einströmen kann.

Oder wenn uns das Leben in Panik versetzt und viel zu vieles wie eine übergroße Welle über uns hereinbricht. Da kann es passieren, dass uns vor lauter Angst der Atem stockt. Und wenn es mir dann zuflüstert, ‚vergiss das Atmen nicht.‘ Und ich tue es. Das kann sein wie eine Erlösung, wie wieder zu leben beginnen.

Ganz oft passiert es, dass ich dabei anfangen zu beten. Und beides, Lebenskraft schöpfen und mich an Gott zu wenden, das lässt mich „aufatmen“. Körperlich und seelisch. Weil ich spüre und mich wieder erinnere, ich bin im Leben nicht auf mich allein gestellt. Ich bin ein Kind Gottes. Und ER ist nah.

Jetzt habe ich über den Atem geredet, als wäre er irgendwie nur für mich allein da. Aber was für mich gilt, gilt für jedes atmende Lebewesen. Insofern gilt auch, gib den anderen ihren Platz, gönne ihnen die Luft zum Atmen, die sie brauchen. Vielleicht ist das der Anfang von Frieden.

Ich wünsche Ihnen und mir, dass Gottes Atem uns immer wieder neu belebt, Kraft gibt, aufrecht zu leben. Tapfer, zuversichtlich und aufmerksam für alles Leben, was genauso leben will wie wir.

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SWR2 Wort zum Tag

30JUL2021
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Wenn man wie ich zur Generation der Großeltern gehört, muss man sich auch fragen: Was hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln? Ich glaube, nicht nur Gutes. Wir vererben vieles. Auch die Klimakrise. Manchmal schäme ich mich dafür:
Z. B. wenn ich Kinder auf dem Spielplatz sehe. Sie spielen so frei und ahnen nichts von dem Rucksack, den wir ihnen schon aufgehängt haben. Eigentlich ist das eine große Ungerechtigkeit.

Und wenn ein Enkel fragt: „Wo bist Du gewesen, Opa, dass die Welt so werden konnte wie sie ist? Was kann ich sagen? Dabei bin ich gewesen. Mal zuschauend, mal profitierend, manchmal habe ich auch gewarnt. Aber im Ganzen muss ich zugeben: Ich bin Teil dieser Ungerechtigkeit, ich war nicht laut genug für Euer Recht als Kinder und Enkel.

Nicht so laut und wirksam wie die Frau in einem Gleichnis, das Jesus erzählt hat. Ich war oft auch bequem und habe mich zurückgelehnt wie der Mann in Jesus Story.

Erstaunlich, dass Jesus in seiner so durch und durch männlichen Welt eine Frau zum Vorbild setzt. Sie ist Witwe, kämpferisch, laut, vehement für ihr Recht und das ihrer Kinder. Und genau das, dass sie so viel Power hat, das macht sie zum Vorbild. Nur so schafft sie es, Gerechtigkeit zu erringen für ihre Kinder und sich.

Ihr Gegenpol ist ein Mann, ein Richter. Eigentlich dazu da, dass es gerecht zugeht. Die Bibel charakterisiert ihn stattdessen so: „Er hatte keine Achtung vor Gott und nahm auf keinen Menschen Rücksicht.“ Also auch nicht auf die Rechte einer Frau oder deren Kinder. Gerechtigkeit und Recht; sich dafür anzustrengen, nein. Ihn interessiert, dass er oben ist, und die Privilegien, die das bringt.
Aber die Frau lässt ihn nicht. Immer wieder wird sie vorstellig. Ausdauernd und immer eindringlicher kämpft sie. Bis er sich bequemt. „Am Ende verpasst sie mir sonst noch einen Schlag.“ Eine solche Beschämung würde ihn öffentlich unmöglich machen. Also hilft er ihr zu ihrem Recht. (Lukas 18,1ff)

Dieses Gleichnis geht mir nah: Ich weiß schon lange, wir leben ungerecht. Belastend für die Jungen. Aber ich war nie so eindringlich wie die Frau. Sie? Aber vielleicht können wir aus unserer Scham lernen und es besser machen. Keine bequemen Großeltern sein, sondern die Dickfelligkeit der Macht eindringlich bestürmen.

Noch etwas: Jesus hat diese Frau auch zum Vorbild dafür gesetzt, wie ich als Christ beten soll. Eindringlich Gott zu Hilfe rufen, dass er eintritt für seine Schöpfung. Dass alle Kinder und Enkel leben können. Unsere, die in Afrika, und die von Tieren und Pflanzen.

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SWR2 Wort zum Tag

29JUL2021
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An der Schwelle einer neuen Lebensphase zu stehen, das ist nicht ohne.
Was war gut, was nicht? Sind meine Hoffnungen und Wünsche in Erfüllung gegangen?

Mir ist beim Nachdenken ein Satz von Dietrich Bonhoeffer nahegekommen, dem evangelischen Theologen, der in den Widerstand gegangen ist: 1944, im März, hat er in einem Brief aus dem Gefängnis der Nazis geschrieben: „Es gibt erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche.“ (Widerstand und Ergebung 19.3.1944)

Das finde ich ermutigend. Wenn jemand das aus dem Gefängnis sagen kann, dann vielleicht ich auch. Er hat ja unerfüllte Wünsche: frei zu sein, dass das Naziregime stürzt. Was hilft ihm trotzdem, zu sagen: „Es gibt erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche“?

Anscheinend hat ‚erfülltes Leben‘ für ihn damit zu tun, ob man sich darauf einlässt, was das Leben jetzt und hier ausmacht. Wenn man sich daraus wegwünscht, wird es schwerer, zu leben, was nötig und möglich ist.

Noch etwas: Bonhoeffer sagt erfülltes „Leben“, als ginge es um das große Ganze. Aber dabei schaut er zuerst auf Tag heute. Ich lese mal ein paar Sätze im Kontext:
„…In meiner jetzigen Umgebung (also im Gefängnis) finde ich fast nur Menschen, die sich an ihre Wünsche klammern und dadurch für andere Menschen nichts sind, sie hören nicht mehr und sind unfähig für Nächstenliebe. Ich denke,“ schreibt er weiter, „auch hier muss man leben, als gäbe es keine Wünsche und keine Zukunft, und ganz der sein  , der man ist.“

Wenn ich das übersetze, könnte das heißen:
„Erfüllend“ ist, wenn ich da bin, in dem was ich heute tue und erlebe. Bei den Menschen, denen ich heute begegne. Wenn ich eine Aufgabe habe: Dass ich sie erfülle, vielleicht sogar gern und gut. Insofern ist erfüllt leben etwas für jeden Tag. Nicht erst das große Fazit am Ende. Das kann entlasten. Weil ich das jeden Tag neu üben kann. Auch wenn gestern nicht so erfüllt war. Jetzt ist ein neuer Tag.

Noch etwas: Versucht Bonhoeffer, uns Wünsche abzugewöhnen? Nein. Wenige Sätze weiter hat er geschrieben: „Wunschlosigkeit ist Armut.“ Er hat große Wünsche, private und politische. Und hat gesagt: „Ich glaube mehr denn je, dass wir auch der Erfüllung unserer Wünsche entgegengehen und uns keineswegs der Resignation hinzugeben haben.“ Vielleicht ist erfüllt leben beides: Heute ganz da sein und wagemutig über den Tag hinaus wünschen. Auch Großes, das für mich unerfüllt bleiben wird.

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