SWR1 Begegnungen

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17APR2022
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Hans-Joachim Eckstein, em. Professor für Neues Testament aus Tübingen

Wir leben ab und leben zugleich an

In den Tagen vor der Begegnung mit Hans-Joachim Eckstein ist mir der Tod sehr nah gekommen. Darum habe ich gehofft, dass mir unser Gespräch über Ostern und die Auferstehung Jesu selbst gut tut. Und es war so. Ostern bedeutet ihm viel: Als Professor für Neues Testament und persönlich. Schon als Kind war es sein christliches Lieblingsfest.

Es war für mich immer eine Zeit des Auflebens, es wird wieder Licht, es wird wieder warm, wir konnten wieder rausgehen und spielen, die Welt war wieder offen und hoffnungsvoll.

Eigentlich ist es kaum zu glauben, dass ein Mensch, der gestorben ist, nicht einfach tot bleibt. Aus und vorbei. Schon die Frauen und Männern, die vor 2000 Jahren mit Jesus zusammen waren, konnten das erst nicht fassen. Wird in der Bibel erzählt. Weil sie etwas nie Dagewesenes erlebt haben.

Wichtig ist, dass Ostern nicht bedeutet: Jesus ist als Scheintoter wieder auferweckt worden. Er bekommt ein neues Leben über diese Sterblichkeit hinaus.Gott braucht die Materie nicht, um uns aufzuerwecken. Damit ist Jesus der Erstgeborene, der ältere Bruder, so wie Gott an ihm handelt, wird er auch an uns handeln.

Und Hans Joachim Eckstein ist wichtig: Auferstehung bedeutet auch: Jesus ist nicht gescheitert. Seine Gegner haben nicht Recht behalten. Nächstenliebe, für Kinder, Kranke und Ausgegrenzte ganz da sein, die Welt glückselig machen. Dafür hat Jesus gelebt. Und das bleiben Werte, die ewig zählen.

Dass Gott tatsächlich alle Menschen gleich lieben soll, Verlorene oder Gerechte, Männer oder Frauen, Israeliten und Nichtisraeliten, das war das Provozierende und schließlich ist er dafür auch gekreuzigt worden. Aber Gott hat das Leben, die Verkündigung, die Person Jesu bestätigt.

Eine Ostergeschichte mag Hans Joachim Eckstein besonders: Da steht Maria, eine von seinen Jüngerinnen, todtraurig am Grab Jesu. All ihre Lebensträume scheinen geplatzt. Sie kommt sich vor, als sei ihr Leben nur noch Vergangenheit. Und dann begegnet ihr der Auferstandene, erzählt die Bibel.

Dann tritt plötzlich eine Realität in unser Leben, die alles verändert. Christus spricht sie an, warum weinst Du, wen suchst Du?
Auferstehung bedeutet nicht ein Ausblenden von Schmerzen, von Altern, von Verlust, aber es ist eine neue Hoffnung. Die mich abholt wo ich stehe und die mich einlädt zu einer neuen Begegnung, einer neuen Ursprünglichkeit.

Er macht mir deutlich: Die ersten Christen haben mit dem Glauben an die Auferstehung auch die Zeit neu erlebt und verstanden: Auf einmal kommt da noch was Neues.

Natürlicherweise leben wir ab, vom Frühling bis zum Winter.  Von der Auferstehung her leben wir zugleich an. Da machen wir gegenläufig die Erfahrung: Mit jedem Tag sind wir näher am Ziel. Und damit lebe ich natürlich auf, denn, wenn das Schönste noch vor mir liegt, dann muss ich nicht in das Grab der Vergangenheit schauen, sondern dann habe ich eine neue Perspektive.

Wir leben auf
Beweisen kann man nicht, dass Jesus auferstanden ist. Das will Hans-Joachim Eckstein auch nicht. Er hat lange als Professor und Historiker gelehrt. Da versucht man vernünftig und kritisch plausibel zu machen, was gewesen sein könnte.
Aber er glaubt auch. Und das ist für ihn kein Widerspruch: Wir sollten nicht denken, dass unser kleines Hirn die gesamte Wirklichkeit erkennen kann, findet er.

Jetzt bin ich nicht selbst gespalten als Theologe, ich kann nur genau trennen. Wann mache ich eine Aussage aus meinem Glauben heraus und wann mache ich eine Aussage als Historiker, die ich als plausibel darstelle.

Mit 17 hat er den Glauben an Ostern für sich gefunden. Es war ein Schub ins Leben, findet er. Und das beobachtet er auch an anderen Menschen: Wenn ein Mensch hofft, ich habe eine Zukunft und diese Vorfreude darauf, das belebt.

Einerseits ist in Vorfreude das Unangenehme nicht ganz so unangenehm. Und umgekehrt vor dem Urlaub zB. erfahren wir, dass wir Dinge, die wir Monate vor uns herschieben, plötzlich in Tagen bewältigen. Hoffnung relativiert und motiviert. Und so haben die ersten Christen gelebt: Mit dem Herzen im Himmel und mit beiden Füßen auf der Erde.

Eins spüre ich aus jedem Wort, das Hans-Joachim Eckstein sagt: „Auferstehung“ gibt nicht nur eine Perspektive über den Tod hinaus. „Auferstehen“ das kann ich auch jetzt schon erleben.

Wenn ich weiß, ich bin gewollt und da wo ich hingehe, da werde ich erwartet, dass das etwas freisetzt und insofern, wer an die Auferstehung glaubt, für den beginnt das ewige Leben schon hier. Der hat den Tod schon hinter sich.

Er denkt dabei vor allem daran wie wir Beziehungen leben. Ob da was von der Liebe für alle Menschen zu spüren ist wie bei Jesus. Christen glauben ja, lieben können, das verbindet uns Menschen mit Gott. Auch wenn es da diesen Unterschied gibt:

Gott mag uns vollkommen lieben, aber er ist oft nicht greifbar. Menschen sind für uns greifbar, aber sie können uns nie vollkommen lieben. Aber sie können sich gegenseitig abholen in den Tränen und abholen am leeren Grab und hinführen zum Leben, Fenster öffnen in die Zukunft.

Und er erinnert mich, was Jesus über sich gesagt hat: „Er ist wie ein Weizenkorn. Das wird gesät und vergeht. Zuerst. Aber dann wachsen neue Körner draus.“ So könnte es auch sein mit unserem Tod. Dass Neues mit uns geschieht.

Im Loslassen zu merken, ich verliere gar nicht, sondern ich gewinne. Das Korn, das in die Erde fällt und erstirbt, hat nur die Hoffnung aber nicht den Beweis. Und so werden wir alle einmal Abschied nehmen und die Verheißung, ‚es beginnt erst richtig‘, ist das, was wir glauben dürfen.

Die Begegnung mit Hans Joachim Eckstein hat meine Hoffnung aufgefrischt. Und was er zum Schluss gesagt hat, das ist wohl ein Programm fürs Leben.

Wenn ich jetzt schon meine Einsamkeit, Eitelkeit, meine Verletztheit und meine Kränkung bereit bin loszulassen. Wenn ich dem absterbe, was mein Leben mindert, mache ich die Erfahrung: ich habe gewonnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35235
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