SWR1 Begegnungen

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27FEB2022
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Silvia Meier © ekiba.de

Wolf-Dieter Steinmann trifft Silvia Meier, ehrenamtliche Seelsorgerin, Eichstetten am Kaiserstuhl


…zuhören, sich zurücknehmen, verschwiegen sein

Sie hat mich wieder daran erinnert: es braucht oft nicht viel, dass wir Menschen einander guttun. Wir müssen nur tun, was dran ist. Silvia Meier hat mir erzählt von einer Begegnung in Eichstetten am Kaiserstuhl. Da lebt sie. Von weitem hat sie ein Paar gesehen. Sie hat gewusst, er hat eine schwere Diagnose. Wurde abgeholt zur Therapie. Seine Frau blieb zurück.

Sie stand da an der Straße und hat dem Taxi hinterher gesehen und da habe ich sie angesprochen und das war ein sehr emotionales Gespräch. Letztendlich kann man da auch nicht viel helfen. Als ich mich verabschiedet hab, hat sie zu mir gesagt: ‚danke, dass Du mir zugehört hast.‘

Silvia Meier musste „nur“ die Straßenseite wechseln und ansprechen. - Mit einer Freundin zusammen sind sie ehrenamtliche Seelsorgerinnen. Sie hoffen, dass im Lauf der Zeit Menschen, denen was auf der Seele liegt, auch auf sie zukommen.

Wir möchten so ein bisschen darlegen, dass halt Seelsorge nicht nur ein Gespräch über ganz dramatische Dinge sein soll. Sondern, dass Seelsorge einfach etwas ist, was der Seele guttut. Dass die Leute sich trauen, zu sagen, ‚ich bräuchte einfach mal jemand, der mir zuhört. Hättest Du nicht Zeit.‘

Wie wird man ehrenamtliche Seelsorgerin? Einen starken Anstoß hat sie bekommen auf der Kinderkrebsstation. Da lag ihr kleiner Sohn mit 1 1/2. Ich mag mir so was gar nicht vorstellen. Die Medizin war prima, auch in der Krise.

Es hat nicht angeschlagen, es hat nicht funktioniert und dann habe ich geweint, da sagt doch der Arzt zu mir: ‚ah, und warum heulen Sie jetzt schon wieder?‘ Und das hat mich wahnsinnig verletzt. Und das hat mich immer begleitet: ‚das geht eigentlich gar nicht, wie man da mit den Leuten umgeht.‘

Ihr Sohn hat es damals überstanden. Sie hat später 1 ½ Jahre lang an einem Seelsorge-Kurs teilgenommen im Kirchenbezirk. Neben dem Beruf. Mit das Wichtigste, was sie auch lernen musste.

Sich selber nimmt man mal ganz zurück. Kommentieren oder gute Ratschläge sind oft auch gar nicht angebracht, sondern einfach: ‘ich nehm Dich wahr, ich höre Dir zu, und ich kann das nachempfinden, so wie Du Dich fühlst.

Hört sich doch an, als ob Sie und ich das auch könnten. Aber ich weiß, es ist schwer, wirklich den anderen zu hören. Dabei brauchen viele das. Silvia Meier hofft, dass das in ihrer Kirchengemeinde zum Profil wird.

Dass da auch ne Gruppe von Seelsorgern da ist, und dann kann auch wirklich flächendeckende Arbeit betrieben werden. Auch Seelsorge mit Menschen, die nicht an Gott glauben. Da gibt es für uns keine Unterscheidung.

Oft ist es so, dass die Leute nicht auf uns zukommen, sondern wir auf die Menschen zugehen und wenn das die Menschen wollen, dann ist das in Ordnung, und wenn sie es nicht wollen, ist es auch völlig in Ordnung. Seelsorge ist ja, „Alles darf, nichts muss.“

Doch, eins muss: Verschwiegenheit. Die gilt auch für sie als ehrenamtliche Seelsorger. Darauf kann sich jede und jeder verlassen.

Verschwiegenheitspflicht das ist oberstes Gebot. Alles was in diesem Gespräch gesagt wird, bleibt auch unter den Beteiligten.

Seelsorge ist, der Seele guttun. Wobei, Silvia Meier sieht man an, nicht nur der Seele von anderen. Ihrer auch. W

…guttun macht menschlich

Silvia Meier hat eine große Seele, glaube ich. Wirkt sehr lebendig, warmherzig. Interessiert sich echt für andere. Das passt, dass sie sich in der Gemeinde als ehrenamtliche Seelsorgerin engagiert. Neben 2 Kindern, dem Beruf und was sie sonst noch macht.

Seelsorge hat sie gelernt in einer Gruppe im Kirchenbezirk. Ist sich dabei intensiv selbst begegnet. Hat gelernt, wie man andere richtig versteht. Wie ein Gespräch gut wird.

Manchmal fehlen auch die Worte. Und dann ist es in der Gruppe wahnsinnig toll. Da kommen dann Vorschläge. Was auch toll war, ist, dass man oft von seinem eigenen Gespräch ein negativeres Bild hatte als die Gruppe.

Seelsorge macht ihr Spaß. Auch ernste und schwere Gespräche können schön sein, sagt sie. Sie prägen sie, und auch ihr Menschenbild. Was sind wir? Maschinen, die leisten und schaffen? Deren Körper und Geist immer mehr optimiert werden kann, bis wir dann abbauen?

Ich hab da immer schon dran geglaubt, dass der Mensch eine Seele hat, jetzt noch mehr. Die Seele ist für mich das, was den Menschen ausmacht. Da spielt der ‚göttliche Funke‘ auf jeden Fall eine Rolle mit. Weil wir sind alle Gottes Kinder.

Und zwar ganz eigene. Silvia Meier hat gelernt, genauer hinzuschauen, meint sie. Hinter die Alltagsgesichter. Mit denen wir uns manchmal tarnen. Viele wenden Kraft auf für die Alltagsmaske. Vielleicht, um Verletzungen zu verbergen?

Früher hat man dann gedacht: ‚oh ist der wieder schlecht drauf, wie nervig‘. Es steckt immer eine Geschichte dahinter, deswegen ist es so wichtig, genau hinzuhören. Man erfährt viele Schicksale und das verändert auch die eigene Sicht der Dinge. Man nimmt nicht mehr alles für selbstverständlich, man entwickelt so ein bisschen einen Blick für die kleinen Schönheiten.

Ihr Glaube trägt sie schon lange. Sie meint sogar, selbst wenn ihr Sohn seine Krankheit damals nicht überlebt hätte. Verloren hätte sie den Glauben nicht. Vielleicht wäre es nicht mehr so heiter.

Die Krankheit meines Sohnes hat meinen Glauben gefestigt. Er hat mir definitiv geholfen, die 2 Jahre. Ich glaube, es hätte nichts geändert. Natürlich hadert man, aber ich glaube auch daran, dass es für uns alle einen Plan gibt, dass wir in Seinen Händen sind und dass wir dann auch in den Situationen klarkommen müssen.

Was Silvia Meier mir klar macht und sehr nah bringt: Seelsorge ist nicht nur geben. Sie kriegt viel zurück: Dankbarkeit. Echo. So wie es ihr eine Frau nach einem Gespräch gesagt hat.

‚Jetzt habe ich Dir aber echt das Ohr ‚abgekaut‘ und dich vollgequatscht‘- Auf diese Art hat sie es ausgedrückt. Und dann hat sie mich in den Arm genommen und gesagt: ‚Vielen Dank, dass Du mir zugehört hast.‘ Das sind so ganz besondere Momente. Das tut einfach gut, diese Wertschätzung.

Empathie und zuhören. Silvia Meier glaubt, das können Sie und ich auch. Es würde sie freuen, wenn viele diese Gabe ausbauen. Damit mehr Menschen erleben, wir können unseren Seelen guttun. Und dem ganzen Menschen..

Es gibt ja viele unterschiedliche Einsatzgebiete, Krankenhausseelsorge oder in nem Altenheim, in der Gemeinde, und da muss man nachher auch für sich herausfinden, was einem persönlich liegt.

https://www.ekiba.de/html/content/
zentrum_fuer_seelsorge_zfs.html

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34920
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