SWR1 3vor8
Der Alte und der Junge – so könnte man die Geschichte, die in vielen evangelischen Kirchen heute im Mittelpunkt steht, grob auf den Punkt bringen. Oder vielleicht sogar „Alt gegen Jung“ „Jungspund statt altem Eisen“.
Im Predigttext von heute steckt tatsächlich auch etwas von einem Generationenkonflikt: Da ist der junge Prophet, Samuel, noch ganz unerfahren aber voller Tatendrang. Und auf der anderen Seite der alte Prophet Eli. Der ist – ehrlich gesagt – von Gott schon so halb abgeschrieben. Eli ist zu alt, und er hat einfach zu viele Fehler gemacht, um noch länger für Gott zu sprechen. Aber der alte Eli ist auch voller Lebenserfahrung und deshalb der Meister - und Samuel sein Schüler.
Die Bibel erzählt nun, wie beide sich abends schlafen legen. Plötzlich mitten in der Nacht hört der junge Samuel, dass ihn jemand ruft. Mit ihm in der Hütte ist nur der alte Eli - logisch also, dass er zu seinem Meister läuft. Aber Eli weiß von nichts. Dreimal passiert das, und dreimal läuft Samuel zu seinem Lehrer. Und dem dämmert so langsam, dass es Gott ist, den sein Schüler Samuel da hört. Der Meister weiß aus den alten Erzählungen, wie Gott manchmal ganz unerwartet seine Stimme hören lässt. Er hat Erfahrung und Wissen. Und er gibt dem ahnungslosen jungen den Tipp: Wenn du noch einmal gerufen wirst, dann antworte: „Rede, Herr, dein Knecht hört“
Ob Eli das leicht gefallen ist? Ob es ihn nicht gekränkt hat, dass Gott den jungen ruft und nicht ihn – den alten, erfahrenen?
Zusammen stellen die beiden sich in Gottes Dienst. Eli, der weiß, dass jetzt der jüngere Samuel am Drücker ist, und ihm hilft. Und Samuel, der dankbar für den Rat des erfahrenen Eli ist und die Erklärung seines Meister nicht als das Gerede eines alten Mannes abtut.
Ich wünsche mir, dass wir in der Kirche und in der Welt so an der Zukunft bauen: Dass die, deren Zeit zu handeln gekommen ist, nach Rat suchen, bei denen, die Erfahrung haben. Dass die, die eine Vision von einer himmlischen Zukunft haben mit denen im Austausch sind, die sie verwirklichen können. Das Alt und Jung einander zuhören und aufeinander sehen. Ohne dass einer den anderen als zu alt, oder als zu unerfahren abschreibt. Dass die Generationen dabei aneinander reiben und es auch mal knirscht, das ist wohl normal – und das ist auch immer schon so gewesen. Ich denke, so können wir miteinander an einer Zukunft bauen, die von Gottes himmlischem Flüstern inspiriert ist. Nie allein. Sondern mit vereinten Kräften.
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Vor fast 2000 Jahren in Jerusalem gab es diesen Moment. Da gab es keine Kameras. Und auch sonst keine Beweise. Es gab keine Beweise für das, was am Ostermorgen geschehen ist. Es gab nur diejenigen, die etwas gesehen hatten. Die Menschen, die es erlebt hatten: Wir haben Jesus gesehen. Er ist nicht mehr tot, sondern auferstanden.
Aber ist das wirklich passiert – oder ist da mit jemandem nur die Fantasie durchgegangen? Paulus fährt in der Bibel in seinem Brief an die Korinther alles auf, was er an Augenzeugen zu bieten hat. Er nennt Petrus, die übrigen Jünger, 500 weitere Menschen und schließlich sich selbst: Ihnen allen hat sich Jesus als Auferstandener gezeigt. Und so viele Zeugen können sich doch unmöglich irren.
Seither sind fast 2000 Jahre vergangen: Und noch viel mehr Menschen, haben irgendwie erlebt: Jesus ist lebendig über den Tod hinaus. Inzwischen sind es Milliarden Und trotzdem überzeugt das niemanden, der selbst nicht glaubt. Die Botschaft von der Auferstehung bleibt unglaublich, egal, wie viele es bezeugen.
Eigentlich hätte Paulus das wissen müssen. Denn er hatte die Botschaft von der Auferstehung zuerst selbst für Unsinn gehalten. Er hatte die Jesusanhängerinnen und -anhänger sogar verfolgt, egal wie glaubhaft sie ihm versicherten, dass sie den Auferstandenen gesehen haben. Aber dann hat er selbst so einen Moment erlebt. Und hat zu spüren bekommen, dass Jesus lebt. Erst da konnte auch er glauben, was eigentlich unglaublich ist.
Weil das so unglaublich ist, bin ich dankbar für all die Momente, in denen ich das glauben kann. Die Momente, in denen ich die Hoffnung spüre. Dass Gott wirklich ein Zeichen gesetzt hat, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Das am Ende nicht der Tod steht, sondern das Leben.
Solche Momente sind für mich ein kostbares Geschenk. Denn ganz egal, wie viele Menschen seit 2000 Jahren davon erzählen: Beweise gibt es für die Auferstehung nicht. Und auch wenn es nichts beweist: ich finde es trotzdem hilfreich, im Gottesdienst oder an anderer Stelle Menschen zu treffen, die die gleiche Hoffnung in sich tragen. Und sich am Ostermorgen zuzusprechen: Der Herr ist auferstanden – Er ist wahrhaftig auferstanden.
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Zwei krakelige Kreise, dazwischen ein paar wild-gekritzelte Striche und so etwas wie ein Strichmännchen mit weit-abgespreizten Fingern in alle Richtungen. Mein vierjähriges Patenkind hat mir zu meinem letzten Geburtstag ein Bild gezeichnet. Darauf: Ich und mein Fahrrad. Die Zeichnung hatte nicht viel mit mir – dem Original zu tun. Und trotzdem habe keine zwei Sekunden gebraucht, um zu erkennen, dass ich das bin auf dem Bild. Und ich habe mich gefreut! Mein kleiner Neffe kennt mich eben. Und hat mit seinen kritzeligen Strichen genau das gemalt, was für mich typisch ist. Er hat sich Zeit genommen und Mühe gegeben, um mir eine Freude zu machen. Er hat mich eben lieb.
Wenn ich in der Bibel den Brief von Paulus lese, den er an die Christen in Korinth schreibt, dann muss ich an das Geschenk von meinem Neffen denken. Paulus schreibt nämlich darüber, was die Liebe ausmacht - und dann ist das irgendwie ganz ähnlich. Da sehe ich die menschliche Liebe, die oft wie ein etwas unbeholfenes, krakeliges Abbild von der Liebe daher kommt, die Paulus beschreibt: „Die Liebe ist langmütig und freundlich,“ schreibt er, „die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“
Was für ein Anspruch! Liebe in so einer Perfektion – da muss man doch dran verzweifeln. Die Liebe, die ich mitbekomme, ob zwischen Paaren, in der Familie und Freundschaften, in unseren Kirchengemeinden oder unserer Welt – diese Liebe kann so einem Anspruch nicht gerecht werden. Da bleibt die Liebe oft krakelig und krumm, und scheint mit dem Original nicht viel zu tun zu haben.
Wie gut, dass Paulus im Korintherbrief gar nicht fordert, dass wir perfekt lieben sollen. Seine Worte sind von dem innigen Wunsch durchdrungen, dass wir überhaupt lieben. Dass wir Zeit und Mühe in die Liebe investieren. Und auch wenn wir nur ein krakeliges Abbild vom Original hinbekommen. Aus seinen Worten klingt trotzdem die Hoffnung durch, dass das Original in unserem Lieben und Geliebt werden erkennbar wird. Vielleicht etwas krumm und schief – aber erkennbar.
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Ich auf einem Rechtsrock-Konzert? Wenn mich jemand zu so einer politisch Rechts-Außen-Veranstaltung einladen würde – ich würde ziemlich komisch gucken. Genauso wenig könnte ich mir Greta Thunberg auf einem Sprit-fressenden Motorrad vorstellen – oder Donald Trump als Mitglied von Greenpeace. Wir alle haben unsere Feindbilder. Oder zumindest Menschengruppen, mit denen wir uns niemals abgeben würden. Für die einen sind das die Klimaprotestler, die die öffentliche Ordnung stören, für andere die Querdenker, die den wissenschaftlichen Konsens nicht anerkennen wollen. Zu denen geht man nicht. Das passt einfach nicht.
Und genau das haben die Menschen auch zu Jesus gesagt. Er war zu den falschen Leuten gegangen. Zu den Zöllnern zum Beispiel. Das waren die Leute, die mit den verhassten römischen Herrschern zusammengearbeitet haben. Und so nebenbei haben sie ihren eigenen Landsleuten auch noch schamlos das Geld aus der Tasche gezogen. Mit denen wollte man als anständiger Mensch einfach nichts zu tun haben.
Als nun ausgerechnet Jesus sich mit denen an einen Tisch gesetzt hat, wurde er direkt schief angeschaut. Jesus versucht nicht, sich irgendwie aus der Situation herauszureden. Er tut aber auch nicht so, als wäre nichts gewesen. Als wäre bei den Zöllnern alles gut. „Die Kranken brauchen den Arzt, nicht die Gesunden“ ist seine Antwort. Gerade weil bei den Zöllnern nicht alles gut ist, sucht er den Kontakt zu einem von ihnen. Statt ihn mit Verachtung zu strafen geht er auf Augenhöhe: Gemeinsam Essen, an einem Tisch sitzen – das verbindet. Und für den Zöllner ist es die Chance für den ersten Schritt: Um etwas zu verändern und es in Zukunft besser zu machen. Jesus eröffnet ihm diese Chance. Vielleicht ist es das, was er meint, wenn er von Barmherzigkeit spricht und sie von den Pharisäern einfordert. Eine Haltung, die nicht zuerst den Fehler bei den anderen – sondern sich stattdessen dem Menschen zuwendet.
Wie das gehen kann, habe ich gemerkt, als mein Feindbild einmal durch den Zufall überrumpelt wurde. Letzten Sommer als eine Freundin und ich in einer überfüllten Pizzeria von einem Pärchen an ihren Tisch gewunken wurden. An dem waren noch zwei Plätze frei. Ohne groß nachzudenken haben wir das nette Angebot angenommen. Wir haben uns gut unterhalten – und erst am Ende festgestellt, dass wir in manchen Punkten sehr unterschiedliche Auffassungen hatten. Und wohl im Alltag nie zueinander gefunden hatten. Da waren wir uns aber schon ohne es zu Wollen sympathisch geworden.
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