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SWR3 Worte
Was nach dem Tod kommt? Wissen kann das keiner. Der Künstlerin Nele Christin Beichler hat die Hoffnung, dass niemand nach dem Tod verloren geht. Und sich doch irgendwo wiederfinden lässt. Sie schreibt:
Ich hab mal meinen Schlüssel verloren. Zumindest hab ich das gedacht. Er lag die ganze Zeit dort, wo ich ihn gelassen hab. „Ich hab auch einmal meine Jacke verloren. Eines Tages hab ich sie gefunden. Im Raum A107. Sie hing an den bunten Haken vor der gelben Wand. Ich hatte sie Wochen zuvor selbst dort aufgehängt. Ich hab so viele Sachen verloren. Und verloren waren sie, weil ich nicht wusste, wo sie waren. Etwas ist nur verloren, wenn man nicht weiß, wo es ist. Über die Jahre habe ich immer wieder Menschen verloren. Doch was ist, wenn der Himmel das Fundbüro der Erde ist? Der Himmel, das Fundbüro der Erde. Der Ort, an dem jeder vermeintlich Verlorene als gefunden gilt.“
Nele Christin Beichler, auf dem Instagramkanal nelebeichler: https://www.instagram.com/p/DHbjj98Csws/?img_index=1, (zuletzt abgerufen am 24.3.2025).
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41944SWR3 Worte
„Gott hat es gefallen, Gustav E. Lips aus dem Leben zu abzuberufen.“ So ähnlich steht es manchmal in der Zeitung in einer Traueranzeige zu lesen. Der Poet Kurt Mari hielt das für Unsinn und schrieb:
dem herrn unserem gott
hat es ganz und gar nicht gefallen
daß gustav e. lips
durch einen verkehrsunfall starb
erstens war er zu jung
zweitens seiner frau ein zärtlicher mann
drittens zwei kindern ein lustiger vater
viertens den freunden ein guter freund
fünftens erfüllt von vielen ideen
was soll jetzt ohne ihn werden?
[…]
dem herrn unserem gott
hat es ganz und gar nicht gefallen,
daß einige von euch dachten
es habe ihm solches gefallen
im namen dessen der tote erweckte
im namen des toten der auferstand:
wir protestieren gegen den tod von gustav e. lips
Kurt Marti, Leichenreden
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41943SWR3 Worte
Ich will bei dir bleiben. So könnte man die Botschaft von Gründonnerstag zusammenfassen, an dem Jesus zum letzten Mal mit seinen Freunden zusammengesessen und gegessen hat. So sieht das
Es ist Gründonnerstag – der Tag, der sagt:
Und wenn du auch bald gehen musst,
will ich mit dir und mit den anderen in Verbindung bleiben:
Dann will ich mit dir das Brot brechen.
Dann will ich mit dir den Wein teilen.
Dann will ich glauben, dass wir trotz allem gemeinsam unterwegs sein können.
Bis heute brechen Menschen auf der ganzen Welt miteinander das Brot und teilen den Wein.
Ein Gedenken an jenen Abend vor vielen Jahren,
an das Versprechen dahinter,
und an die Gemeinschaft miteinander.
Iss und trink.
Es gibt einen Platz für dich am Tisch.
Nicht nur heute.
Sondern immer.
Instagramkanal „brot.und.liebe“, Post vom 28.3.2024, https://www.instagram.com/p/C5DXy2vI2B2/?img_index=2 (zuletzt abgerufen am 24.3.2025)
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Es ist schon viel über Liebe gesagt und geschrieben worden. Auch und gerade in der Bibel. Die Kinderbuchautorin Andrea Karimé hat einen der bekanntesten Bibeltexte über Liebe in neue Worte gefasst:
„Liebe ist ein Blühwort, ein Wort zum Tun.
Liebe ist ein Haus aus Herz. Bitte jetzt einen Freund*eine Freundin trösten.
Liebe ist eine anstrengende Sache. Bleib. Eine Freundin sein.
[…]
Liebe ist ein Streiten, ein Vertragen. Bis wir ein Löwenmut sind.
Liebe ist traurig, wenn ein Unrecht bei uns geschieht. Eine Hand reichen.
[…]
Liebe ist ein Bewahre Geduld. Ein Gebet sagen.
Liebe ist ein Mühwort, Blühwort, ein Wort zum Tun.
Die Liebe bleibt.
Andrea Karimé, Liebe ist ein Wort zum Tun, in: Alle-Kinder-Bibel 2. Unsere Geschichten mit Gott
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41941SWR3 Worte
Wie rauskommen aus der Einsamkeit. Dieser Frage geht die Theologin Stephanie Hecke nach. Es gibt nicht den einen Weg, aber sie hat die Erfahrung gemacht, dass es hilft, die Einsamkeit nicht nur als unangenehmes Gefühl zu begreifen, sondern als offenen Raum. Und dann diesen Raum neu zu füllen Sie schreibt:
Eine ältere Dame, von der mir berichtet wurde, hat das getan. Sie war viele Jahre sehr traurig über ihr Alleinsein. [...] Aber diese Dame ließ sich von ihrem Einsamkeitsgefühl in Bewegung bringen, etwas zu verändern. Im Alter hat sie sich dazu entschieden, ihr Alleinsein nicht mehr als Manko anzusehen, sondern aktiv Liebe zu verschenken. Sie begann, für die Nachbarschaft zu backen und zu kochen. Denen, die neu ins Quartier zogen, schenkte sie zur Begrüßung Blumen und stellte sich ihnen vor. Sie lud die Nachbarskinder zu sich ein, bastelte mit ihnen und las ihnen vor. […] Wir können von dieser Frau lernen, dass es trotz aller unverschuldeten und schmerzhaften Einsamkeit immer auch auf die eigene Haltung ankommt.
Stephanie Hecke: Die stille Gefährtin, Einsamkeit verstehen und überwinden
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41940SWR3 Worte
Die amerikanische Bischöfin Mariann E. Budde wurde im Januar bekannt, weil sie Donald Trump bei seinem Einführungsgottesdienst dazu aufrief, barmherzig zu sein. Jetzt wurde sie gefragt, ob sie auch gegen Trumps Regierung demonstrieren wird. „Nein“, antwortet sie im Interview und begründet das so:
Weil Protest allein nicht genügt, wenn er nur Gräben vertieft. Vielleicht kommt die Zeit, in der ich auf die Straße gehe. Aber jetzt setze ich auf Mitgefühl, Anstand, Respekt, auf eine Sprache, die nicht nur Widerstand leistet, sondern auch Brücken baut. […] In der christlichen Theologie gibt es den Gedanken des Kairos – des "günstigen Augenblicks". Du kannst im Recht sein, aber wenn die Zeit nicht reif ist, verhallen Worte ungehört. Manchmal muss man lange arbeiten, um diesen Moment zu erschaffen.
Mariann E. Budde, „Uns fehlt die Einigkeit. Uns fehlt die Macht“, Interview auf Zeit Online, https://www.zeit.de/2025/12/mariann-edgar-budde-bischhoefin-donald-trump/seite-3 (zuletzt abgerufen am 24.3.2025)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41939SWR3 Worte
Ist es reine Privatsache, wenn ich an etwas glaube? Und sollten sich die Kirchen deshalb lieber raushalten aus Diskussionen übers Klima oder die Migration? Die Bloggerin Susanne Niemeyer sieht das anders und begründet das so:
[…] Heute sagen Manche: Die Kirche soll dekorativ sein und Amen sagen und nicht weiter stören. Vor allem soll sie sich nicht in Politik einmischen. Aber Jesus hat ziemlich gestört. Die Mächtigen und die Reichen […]. Eigentlich war das meiste, was er gesagt hat, unbequem und sehr radikal: Liebe deine Nächsten (auch wenn sie anders leben als du). Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. (Warum besitzen einzelne Menschen Milliarden?) Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. (Autsch.) Die Liste lässt sich fortsetzen, nachzulesen in den Evangelien.
Was Jesus sagt, ist unbequem.
[…]Die Botschaft von Jesus bleibt: Ich bin nicht gekommen, Harmonie zu verbreiten, sondern Streitgespräche zu führen. Mischt euch ein. Eine andere Welt ist möglich: Wie im Himmel so auf Erden.
Susanne Niemeyer, „Freudenwort“ vom 3. März 2025, auf: https://www.freudenwort.de/2025/03/03/n%C3%B6/ (zuletzt abgerufen am 7.4.2025)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41938SWR1 Begegnungen

75% der Deutschen haben schon einmal gebetet. Sagt eine Studie aus dem letzten Jahr. Das kommt mir realistisch vor – denn die Studie berücksichtigt auch die kleinen Stoßgebete, die fast jedem im Alltag schon einmal über die Lippen gekommen sind.[1] Täglich beten – das macht nur ein kleiner Teil der Deutschen. Manchmal ist es auch gar nicht so leicht, Zugang dazu zu finden Eine, die oft betet, die habe ich jetzt getroffen. Lisa Joy Langer hat gerade ihr Theologiestudium erfolgreich abgeschlossen und hat ein Projekt zum Thema „Beten“ gestartet. Mit ihrem Ehemann hat sie in ganz Deutschland in verschiedenen Kirchengemeinden Gebetsräume angeboten.
Die Idee hinter einem Gebetsraum ist, einen schön gestalteten Raum zu haben. So ein bisschen wie ein Wohnzimmer von der Atmosphäre her, in dem ganz viele Gebetsstationen, also Impulse zum Thema Gebet, auf kreative Weise aufgebaut sind, die man nutzen kann, um in diesem Raum zu verweilen und ins Gespräch mit sich selber und Gott zu kommen.
Klingt ein wenig abstrakt. Aber während unseres Gesprächs zählt Lisa Joy Langer ganz konkrete Beispiele auf, wie so eine Gebetsstation im Kirchenraum aussehen kann.
Man kann zum Beispiel Karten schreiben für Menschen, denen es gerade nicht so gut geht, um denen eine Ermutigung zukommen zu lassen. (...) Man kann sich eine bunte Herzchenbrille aufsetzen und darüber nachdenken. Wo habe ich Menschen vorschnell verurteilt und wo bekomme ich einen Perspektivenwechsel hin zu einem liebevollen Blick?(...) Dann gibt es jetzt zum Beispiel eine Station: „Kintsugi“- so ´ne japanische Methode, Geschirr zu reparieren, auf ganz schöne Weise mit vergoldeten Rissen, wo man das selber mal machen kann und drüber nachdenken kann: Wo kann Zerbruch in meinem eigenen Leben von etwas, was ganz mit Scham behaftet ist, hin zu etwas werden, wo ich vertraue und weiß, dass Gott auch so was nutzen kann und mich trotzdem liebt?
Die Gebetsräume haben Lisa Joy Langer und ihr Mann in ganz Deutschland angeboten. Wichtig war ihnen dabei,
… dass wir das nicht alleine machen, sondern mit Menschen vor Ort. (...) Wir bringen immer so einen Grundstock mit, aber entwickeln auch Stationen, die besonders zu dieser Gemeinde oder Gruppe passen. In Kiel zum Beispiel haben wir ganz viel mit maritimen Symbolen gearbeitet.
Die Idee für diese Gebetsräume kommt aus der internationalen 24-7 Prayer-Bewegung, zu der die beiden auch gehören.
Die Organisation hat sich gegründet aus einer Jugendgruppe, die ´ne große Sehnsucht danach hatte, einfach mal volle Kanne zu beten und die angefangen haben und für mehrere Wochen einfach nicht mehr aufgehört haben, weil sie so begeistert waren von dem, was das mit ihnen gemacht hat. Und daraus ist eine Bewegung entstanden 24-7-Prayer, die es auch in Deutschland gibt. Und das Ziel dieser Bewegung ist, dass Menschen Gebet erleben und mit Gott auf ihre Art und Weise in Berührung kommen.
Die 24-7-Prayer versucht Menschen das Gebet auf kreative Art und Weise näherzubringen. Und gleichzeitig hab ich mich gefragt. Ist beten eigentlich nicht total einfach? Braucht es dazu solche besonderen Gebetsräume?
Oft wird Gebet als irgendwie Pflicht und Aufgabe gesehen. [...] Und da ist es total hilfreich, mal zu sehen, was es für - ich sag‘ mal - Hilfsmittel geben kann, (...) damit Gebet was Schönes ist, damit es eine Begegnung ist, nicht eine Aufgabe. Und dafür brauch ich und brauchen ganz viele andere Menschen manchmal Hilfsmittel und Inspiration, die uns dabei unterstützen.
Für Lisa Joy Lang ist klar: Im Gebet - in der Begegnung mit Gott - entstehen auch ganz neue Verbindungen zu anderen Menschen. Viele der Gebetsstationen, die sie anbietet, tragen eine tiefere Sehnsucht nach Veränderung in sich – sei es für uns selbst, für unsere Mitmenschen oder für die Welt.
Für mich ist Gebet ist Begegnung mit Gott. Und in dieser Begegnung ist es auf jeden Fall ein Teil davon, dass ich hinhöre. Gott, wo schlägt dein Herz in dieser Welt? Wo habe ich ein großes Anliegen? Und uns da zu verbinden und da einzustehen? Und da würde ich sagen auf jeden Fall. Fürbitte ist ein wichtiger Teil des Gebets und da verändern sich auch Dinge. Gleichzeitig ist es auch ein großes Vertrauen und Aushalten und Mitleiden in den vielen Dingen, die in unserer Welt einfach schlecht sind.
Gebet verändert also etwas. Aber was genau?
Ich würde sagen, Gebet verändert auf jeden Fall zuerst mal Dinge in mir. Aber Gebet kann auch Dinge in dieser Welt verändern.
Veränderung auf der Welt. Mehr Gerechtigkeit, Frieden. Danach sehne nicht nur ich mich gerade. Und die Sehnsucht nach Veränderung, dass ist auch etwas, dass sich 24-7-Prayer-Bewegung auf die Fahnen geschrieben hat. Beten, Mission und Gerechtigkeit – das gehört für die Bewegung alles zusammen:
24-7-Prayer hat ein Bild geprägt, was deren Werte sehr gut zusammenfasst. Und das ist, das ganz zentral das Atmen ist. Man atmet ein im Gebet (...). Und in diesem Gebet komme ich vor Gott und richte mich aus, um dann auszuatmen, indem ich wirke, wieder in dieser Welt und aktiv werde. Und das ist gekennzeichnet durch Gerechtigkeit, Einsatz für Gerechtigkeit und Gastfreundschaft und Mission, also dass wir das auf liebevolle, demütige Weise mit Menschen teilen, was unsere Hoffnung ist.
Ich mag das Bild: Zum Gebet gehört das Einstehen für Gottes Liebe in dieser Welt und der Einsatz für Gerechtigkeit – wie eben das Ausatmen zum Einatmen gehört. So verstanden verändert Gebet auf jeden Fall die Welt. Zum Schluss: Eine Zeile, die Lisa Joy Langer den Rest ihres Lebens beten könnte:
Du herrlicher Gott, füll mich mit deiner Liebe.
[1] Umfrage zum Weltgebetstag – Jeder fünfte Deutsche hat noch nie gebetet | YouGov
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41815Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Wie genial sind eigentlich Waschhinweiszettel? Diese kleinen Zettel, die in unseren Kleidungsstücken angebracht sind, damit wir wissen, wie heiß wir sie waschen dürfen und ob sie in den Trockner können. Kleine, aber unheimlich hilfreiche Informationen genau an dem Ort, wo wir sie brauchen – immer auffindbar, eindeutig und trotzdem unauffällig.
Ich mag es, von solchen Zetteln an die Hand genommen zu werden: Benzin oder Diesel? Was muss jetzt nochmal in dieses Auto? Zack, Hinweiszettel am Tank. Wie viel Wasser braucht diese Pflanze? Zack, Hinweiszettel am Blumentopf. In welche Richtung muss ich die festgezogene Schraube aufdrehen? Zack, Hinweiszettel am Schraubendreher. Warum gibt es diese praktischen Zettel nicht in mehr Lebensbereichen?
Zum Beispiel ein Hinweiszettel, dass man den Kollegen vor seinem ersten Kaffee besser nicht ansprechen sollte. Ein Hinweiszettel, dass die Freundin gerade empfindlich auf das Thema Katzen reagiert, weil ihre eigene gestorben ist. Ein Hinweiszettel, dass der Sparkassenbeamte besonders freundlich ist, wenn man ihn auf seine schöne Krawatte anspricht.
Manchmal sehe ich aber auch Hinweiszettel, die eigentlich überflüssig sein müssten. Im Bus oder in der S-Bahn zum Beispiel der Hinweis, älteren Menschen oder Schwangeren bei Bedarf den eigenen Sitzplatz zu überlassen. Das müsste doch eigentlich selbstverständlich sein – und trotzdem braucht es wohl einen Hinweiszettel.
Der Prophet Micha formuliert so etwas wie einen Hinweiszettel für unser Leben: „Mensch, es ist dir gesagt, was gut ist, das Rechte tun, Nachsicht mit anderen haben und bewusst den Weg mit Gott gehen.“ (Micha 6,8)
Eigentlich klar und einfach. Aber: Die Umsetzung ist gar nicht so einfach. Das Rechte tun, Nachsicht mit anderen haben und den Weg mit Gott gehen – all das ist eine lebenserfüllende Aufgabe. Und manchmal sind wir Menschen vielleicht auch zu bequem, und lesen lieber nicht so genau, was da auf dem Hinweiszettel steht.
Gott ist zum Glück gnädiger als so eine Waschmaschine, bei der die Wäsche bei zu hoher Temperatur gleich eingeht. Es gibt zweite und dritte Chancen, Neuanfänge und Umkehrmöglichkeiten – auch wenn wir die Hinweise immer wieder übersehen oder nicht richtig umsetzen. Es ist, als hätte sich Gott selbst den Hinweiszettel vorgenommen: Er verspricht, Recht zu tun, Nachsicht mit uns zu haben und uns auf unserem Weg zu begleiten. Nur mit dieser Zuversicht lässt es sich gelassen auf den Hinweiszettel schauen: im Wissen, dass Gott unsere Versuche, den Hinweiszettel zu beachten, begleitet und gnädig darauf schaut.
Ich habe den Hinweiszettel vom Propheten Micha als Post-it an meinen Computerbildschirm geklebt – denn auch wenn ich weiß, dass ich immer wieder daran scheitern werde. Ab und zu daran erinnert zu werden, schadet auch nicht. Mensch es ist dir gesagt was gut ist!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41745Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
In den Wochen vor der Bundestagswahl hätte man denken können, dass die Demokratie für viele Christinnen und Christen die gottgegebene Staatsform sei. Kirchen standen öffentlich für Demokratie und Menschenwürde ein und machten kräftig Werbung, zur Wahl zu gehen. . Dabei ist es eigentlich fast überflüssig zu sagen, dass die Kirche lange Zeit ohne Demokratie ausgekommen ist. Und genauso wie Christen heute für die Demokratie eintreten, war es für sie lange Zeit selbstverständlich, in einer Monarchie zu leben.
So wie ich das sehe, gibt es keine „gottgegebene“ Staatsform. Trotzdem gibt es Formen, die ich als Christ für falsch halte. Es ist falsch, wenn irgendeine Staatsform meinen Glauben nicht zulässt. Schon zur Zeit der Reformation war klar, dass die staatliche Ordnung für Christinnen und Christen eine Sache sicherstellen muss: dass das Evangelium verkündet werden kann. Das ist noch nie so gut gelungen, wie in unserer Demokratie. Wir können in der Kirche mit großer Freiheit das Evangelium predigen und auch ganz praktisch umsetzen: Christen (und auch andere Religionen) können ohne staatliche Eingriffe Gottesdienste feiern, Gemeindearbeit betreiben und den Glauben öffentlich leben. Das ist wertvoll. Und weil ich als Christ an einen Gott der Liebe und Gerechtigkeit glaube, bin ich froh, dass in unserer Demokratie jeder das glauben kann, was er für richtig hält.
Bisher haben wir keine andere Staatsform gefunden, die es den Menschen ermöglicht, so frei und gleich zusammenzuleben wie in einer Demokratie. Sie ist eine Errungenschaft der Menschheit, aber eben auch genau das: ein Menschenwerk. Auch demokratische Systeme bergen Ungerechtigkeiten. Zum Beispiel werden Mehrheitsentscheide getroffen, die immer eine Minderheit unberücksichtigt lassen. Die Demokratie ist anfällig für Populismus und trotz aller Beteuerungen gibt es auch in der Demokratie Menschen, die mehr Macht haben.
Die Rolle der Kirche und der Christinnen und Christen muss darum – egal in welcher Staatsform – immer eine prophetische sein. Mit dem Blick darauf, wo Menschen durch die Politik benachteiligt werden, wo Unrecht besteht, wo es Widerstand braucht. Der Auftrag an Christinnen und Christen ist die Förderung von Gerechtigkeit, die Wahrung der Menschenwürde und die Schaffung von Bedingungen, die den Glauben an Christus und das Leben in seinem Namen unterstützen. Ich bin der Überzeugung, dass die Demokratie dafür eine gute Grundlage bildet und darum auch von Christinnen und Christen gefördert, unterstützt und verteidigt werden muss. Aber nicht zum Selbstzweck, sondern für das, was sie ermöglicht.
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