SWR1 Begegnungen

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09MAI2024
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Bernd Schwenkschuster Foto: mudmates

Eine Kirche in der keine Gottesdienste gefeiert werden, sondern in der geklettert wird.  Der schwäbische Pfarrer einer methodistischen Gemeinde, Bernd Schwenkschuster, hat vor 10 Jahren mit Mitstreitern dieses besondere Projekt gestartet. Gemeinsam haben sie überlegt, wie man auch die Menschen erreichen könnte, die bisher mit Kirche wenig anfangen können. Schnell war klar: es soll was mit Sport zu tun haben:

Und viele haben gesagt, wir klettern gerne und wir tun gern Kaffeetrinken. Und da haben wir gesagt: Dann lasst uns doch mal eine Konzeption entwickeln für einen Begegnungsraum mit integrierter Kletteranlage.

Aus der Vision wurde Wirklichkeit: Dort wo früher Kanzel und Altar standen, ragen jetzt hohe Kletterwände in die Höhe. Eine Kirche in der geklettert werden kann. Den Begriff Kletterkirche verwendet Bernd Schwenkschuster trotzdem nicht so gerne.

Weil wir bewusst nicht Kirche sein wollen. Also wir wollen mit Menschen unterwegs sein, auch geistliches Leben miteinander leben. Aber die Schwelle in die Kirche zu gehen, ist hoch. Und wir haben gesagt, der Begriff Kirche, wir brauchen den nicht, wir überzeugen durch das, was wir anbieten. Und wir reden von H3. Hochklettern, herunterkommen und Halt finden. Das ist eigentlich das, was wir hier leben wollen.

Eine Besonderheit ist dabei, dass die Anlage für alle offen ist:

Wir sind die einzige Kletterhalle meines Wissens in Deutschland, die keinen Eintritt verlangt. Wir bieten Räume an, wo Menschen miteinander in Kontakt kommen. Und wenn sie dann mehr wissen wollen über uns oder über Gemeindeleben oder über Christsein, dann sind Menschen da, die Auskunft geben können.

Auch Gottesdienste gehören zum Gemeindeleben dazu. Und weil in der Kirche ja alles auf das Klettern ausgerichtet ist, finden die an ungewöhnlichen Orten statt.

Wir sind in Kneipen unterwegs. Wir sind Open Air. Es ist ein bisschen schwierig, uns zu finden. Ja, aber die, die uns finden wollen, finden uns. Wir versuchen sehr viel auf sehr einfachem Niveau zu halten. Also, wenn wir Open Air sind, haben wir einen Lautsprecher, Gitarre und Cajon. Mehr nicht. 

Mich fasziniert die Begeisterung und die Energie, die Bernd Schwenkschuster ausstrahlt und die bestimmt auch zum Gelingen des Projekts beigetragen hat. Ich selbst bin kein guter Kletterer. Und frage mich: Gäbe es in der Gemeinde auch was zu tun für Menschen wie mich, die keine passionierten Kletterer sind?

Wir kriegen alle unter. Ey, jeder ist wahnsinnig begabt. Ich finde es eine riesen Wertschätzung, wenn eine Gemeinde es ermöglicht, dir deine Begabungen so zu mir zu ermöglichen, dass du das einbringen kannst in das Ganze.

Eine Gemeinde, in der es Platz für alle gibt! Bernd Schwenkschuster und sein Team haben dazu noch mehr Ideen. 

Vor 10 Jahren hat Bernd Schwenkschuster zusammen mit einer kleinen Gruppe eine Gemeinde in Metzingen gegründet und aus der Kirche eine Kletterhalle gemacht. H3 – so haben sie sich genannt: Hochklettern, herunterkommen, Halt finden. Das Angebot ist ein voller Erfolg. Aber die Gemeinde hat noch mehr sportlichen Ehrgeiz: 

Was wäre es, wenn wir einmal ein Projekt starten, wo wir mindestens 1000 Leute zusammenbringen?

Die Idee: Ein Hindernislauf im Freien! Querfeld ein und mit viel Spaß – da gab im schwäbischen Raum und darüber hinaus noch kein gutes Angebot.

Und so sind wir 2018 in die Planung gegangen von MudMates. Und es hat uns dann ein bisschen rechts überholt, muss man gestehen. Wir hatten relativ schnell 1600 Anmeldungen der Läufer.

Insgesamt waren dann bei der ersten Auflage von MudMates, was auf deutsch so viel bedeutet wie „Schlamm-Kumpels“, 6000 Teilnehmende und Zuschauer dabei. 10 km Hindernislauf, mit Hindernissen, die nur als Team zu überwinden sind. Überhaupt: Teamwork ist bei dem ganzen Projekt ein wichtiges Stichwort. Denn nur dadurch wird so etwas großes möglich, davon ist Bernd Schwenkschuster überzeugt:

Als Team können wir wahnsinnig viel auf die Beine stellen. Und wenn die richtigen Leute zusammenkommen, dann stellst du die Welt auf den Kopf. Und wenn wir es schaffen, einen Rahmen zu bieten, wo Leute sich mit ihrem Potenzial einbringen können und uns sehen, der Mehrwert für alle ist so enorm, dass ich das als Einzelner gar nicht hinbekommen würde, dann ist meine Erfahrung, dass da Großes dabei entsteht

Was MudMates neben dem großen ehrenamtlichen Engagement auszeichnet: Es gibt keine Siegerehrung:

Jeder ist ein Gewinner. Jeder, der durchkommt, hat gewonnen.

Beim gemeinsamen Überwältigen des Hindernisparcours entsteht eine besondere Gemeinschaft.

Also das, was ich bei MudMates erlebe, ist tatsächlich, dass Menschen kommen, manchmal allein und als Team gehen. Ich kann mich 2019 erinnern, da sind Firmen Teams gekommen und danach hat mir einer gesagt: „Mir hat heute der Geschäftsführer aus dem Dreck geholfen.“

Und das verbindet die Kletterhalle mit dem Hindernislauf: Das Anliegen, Räume zu schaffen, wo sich Menschen begegnen, die sonst nicht aufeinandertreffen und Gemeinschaft entsteht:

Und auf einmal sitzt du an einem Lagerfeuer und rede über Abenteuer des Lebens. Und da sitzt einer, der im Knast war und da sitzt ein Geschäftsführer und da sitzt einer, der so Kleinkunstsachen macht,  das sind so heilige Momente, wo ich heute noch manchmal Gänsehaut kriege, wenn ich daran zurückdenke.

Heilige Momente werden möglich, wenn Himmel und Erde sich berühren. Nicht nur damals, zur Zeit Jesus, sondern auch heute noch ist das möglich davon ist Bernd Schwenkschuster überzeugt. Er meint, dazu muss man es den Jüngern nachmachen. Und das heißt: 

 …mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehen und mit dem Kopf trotzdem im Himmel schauen. Und ich glaube, das ist genau das, was das H3 und MudMates versucht. Wir wollen mit beiden Beinen im Leben stehen und trotzdem unseren Kopf ein Stück weit im Himmel haben. Und das ist vielleicht auch das, was MadMud und H3 jetzt mit Himmelfahrt verbindet, weil ich glaube, dass wir da schon etwas von diesem, von diesem Himmel auf Erden hier leben können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39865
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