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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

14SEP2024
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Vor Kurzem ist Monika in Rente gegangen. Sie hat mir davon erzählt. Erst einmal ausschlafen. Keine Verpflichtungen. Den Alltag neu strukturieren. Und dann hat sie gesagt: „Und ich habe mir eine Karaokemaschine gekauft.“ Ich habe sie wohl sehr erstaunt angeguckt, denn sie hat gesagt: „Ich wollte schon immer mehr singen. Und wenn nicht jetzt, wann dann?“

Dietmar ist einundachtzig. Ich besuche ihn. Er erzählt, was er noch gerne alles machen will. Aber die Kräfte lassen nach. Und er sagt: „Ich würde mir gerne ein E-Bike kaufen, aber ich habe schon zwei Fahrräder. Aber dann könnte ich noch mal mehr Touren machen.“ Dieses Mal sage ich den Satz: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Dietmar hat sich ein E-Bike gekauft und ist jetzt viel unterwegs.

Lena arbeitet seit kurzem in einer Behinderteneinrichtung. Eigentlich hat sie mal Frisörin gelernt. Aber ihr neuer Beruf gefällt ihr total und sie sagt: „Das ist voll mein Ding. Das gibt mir so viel. Wenn ich das vorher gewusst hätte.“ Der Arbeitgeber hat ihr jetzt angeboten, noch eine Ausbildung als Heilerziehungspflegerin zu machen. Aber sie ist doch schon über Vierzig. Doch eigentlich: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Paulus hat einmal geschrieben: „Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“ ( 2Kor 6,2)

Sicherlich hat Paulus diesen Satz mit Blick auf Gottes Ewigkeit geschrieben. Aber ich finde darin auch ein Stück Himmelreich auf Erden. Wenn du nämlich hier und jetzt die Zeit findest, um dir etwas Gutes zu tun oder um Neues auszuprobieren oder um deinem Leben eine andere Richtung zu geben, dann bringt dir das heilvolle Tage. Wenn du diese Chance hast, dann ergreife sie. Denn: Wenn nicht jetzt, wann dann?

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13SEP2024
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Vor ein paar Wochen war ich in der Werkstatt eines Kunstdruckers. Er heißt Martin. Martin ist darauf spezialisiert, Bilder für Künstler zu drucken. Holzschnitt, Radierung, Mezzotinto, Linolschnitt. Das druckt er dann nach den Vorstellungen des Künstlers und der Künstlerin.

In Martins Werkstatt hängen an der Wand Bilder, die er gedruckt hat. Die habe ich mir angeschaut und plötzlich ist mein Blick gestolpert und hängen geblieben: Zwischen den Drucken, in drei Meter Höhe waren zwei Waschbecken aus Porzellan aufgehängt, hochkant, mit den Beckenöffnungen zueinander. Das war ganz  eindeutig nicht zum Händewaschen, sondern auch ein Kunstwerk.

Darauf habe ich Martin angesprochen. „Das ist das erste Kunstwerk, das ich mir gekauft habe“, hat Martin gesagt. „Hab` ich auf einer Kunstmesse entdeckt und wusste sofort, das muss ich haben. Ich hab` schon überlegt. Es hat ja schon ´was gekostet. Aber dann hab` ich gedacht: Du gibst ein paar bedruckte Papierscheine her und bekommst dafür eine ganze Welt und all die Ideen, die in dem Kunstwerk stecken.“

Darüber habe ich dann erst mal nachdenken müssen. Und mir ist ein Gleichnis von Jesus aus dem Matthäusevangelium eingefallen. „Das Himmelreich gleicht einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“ ( Mt 13,45f)

Und jetzt gehören für mich das Gleichnis von der Perle und die Waschbecken an der Wand in  Martins Druckwerkstatt zusammen. Und Martins Satz: „Du gibst eine paar bedruckte Scheine her und bekommst eine ganze Welt.“ Und ich frage mich: Was investiere ich für meine Perle? Und was gebe ich dafür, das Himmelreich zu finden?

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12SEP2024
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Johann ist erschüttert. Er geht mit offenen Augen durch seine Stadt. Und er sieht die Armut. Besonders die Kinder trifft es hart. Eigentlich ist Hamburg eine reiche Handelsstadt. Aber davon haben nicht alle was. Sechzig Prozent der Leute sind bitterarm.

Johann arbeitet mittlerweile als Lehrer. Er will besonders den Kindern helfen. Eine christliche Erziehung und eine Berufsausbildung für sie findet er wichtig.

Johann kennt wohlhabende Leute, die ebenfalls von der Not der Kinder schockiert sind. Mit ihrer Hilfe gelingt es ihm, Geld aufzutreiben. Vor den Toren der Stadt mietet er ein altes, reetgedecktes Bauernhaus. Man nennt es „Das Rauhe Haus“. Hier zieht er mit Schwester und Mutter ein. Sie nehmen zwölf Jungen aus ärmlichen Verhältnissen auf und geben ihnen im Rauhen Haus ein Zuhause. Sie werden unterrichtet, ausgebildet, erleben verlässliche Bindungen und Vertrauen. Und das Ganze funktioniert so gut, dass schon bald weitere Häuser gebaut werden, um noch mehr Kinder aufzunehmen.

Das ist lange her. Genau heute vor 191 Jahren, am 12. September 1833, wurde in Hamburg die sozialdiakonische Stiftung „Das Rauhe Haus“ gegründet. Heutzutage ist es ein großes Diakonieunternehmen. Aktuell werden über 1700 Menschen betreut. Kinder, Jugendliche, Menschen mit Behinderung, psychisch Erkrankte und Pflegebedürftige. Das alte Rauhe Haus ist eine Erfolgsgeschichte geworden. Sie zeigt: Mit Engagement wird aus einer guten Idee etwas Großes.

Jesus hat einmal gesagt: „Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und warf’s in seinen Garten; und es wuchs und wurde ein Baum, und die Vögel des Himmels wohnten in seinen Zweigen.“ (Lk 13,19)

Deine gute Idee muss nicht gleich zum Himmelreich werden, aber sie kann eine ordentliche Portion für eine bessere Welt liefern. Also lass dich nicht entmutigen. Mach es wie Johann. Glaube daran.

 

 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05JUN2024
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„Narcissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide.“ Das ist eine Zeile aus dem Kirchenlied „Geh aus mein Herz und suche Freud.“ Das Lied ist gut 370 Jahre alt und wurde von Paul Gerhardt geschrieben. Heute ist es ein Klassiker im evangelischen Gesangbuch. Und ich mag es, weil es so schöne Bilder ins Ohr malt und einfach gute Laune macht.

Besonders mag ich eben die Zeile mit Narcissus und Tulipan – gemeint sind Osterglocken und Tulpen. Sie sind schöner als die seidenen Kleider von König Salomo. Von ihm und seinem Glanz kann ich in der Bibel lesen. Aber eben nur lesen. In echt sehen kann ich es nicht. Die Natur dagegen schon.

Darum kommt es mir so vor, als wollte Paul Gerhardt mit seinem Lied auch sagen: „Die Bibel, und was sie sagt, ist gut und wichtig. Da erfährst du viel von Gottes Wundern. Aber guck doch mal über die Buchseiten hinaus. Schau dir die Welt an. Da siehst du noch viel mehr von den Wundern Gottes. Und wenn der Garten der Welt schon so toll ist, wie toll wird es erst im Garten Gottes sein?“ Und Gerhardt dichtet ein paar Zeilen später: „Und läßt du’s uns so lieblich gehn auf dieser armen Erden. Welch hohe Lust, welch heller Schein wird wohl in Christi Garten sein!“

Bis es aber soweit ist, darf ich Narzissen, Tulpen, den Duft der Blumen, die Bäume, das Surren der Bienen, saubere Bächlein, das Blöken der Schafe und scheue Rehe im Wald genießen und bewundern.

Und eine Frage drängt sich mir bei soviel Naturbetrachtung noch auf: Wie gehe ich eigentlich mit der Natur um? Muss ich nicht ein Naturschützer werden, weil es dabei um Gottes Schöpfung geht? Aber das wäre ein anderes Lied und ich wünschte, Paul Gerhardt hätte auch das gedichtet. Hat er nicht.

Aber ich sollte darüber nachdenken. Ich muss kein Lied dichten. Aber ich kann etwas für die Natur tun, damit ich auch in Zukunft noch fröhlich von ihrer Schönheit singen kann.

Ich wünsche Ihnen eine tolle Sommerzeit.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04JUN2024
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Bis heute gilt in meiner Familie der Streuselkuchen von Oma als der Beste. In den Teig, einen Hefeteig, hat sie immer etwas Salz getan. Das fand ich erstmal komisch. Aber irgendwann hat mir ein Bäcker gesagt: „In einen guten Hefeteig gehört Salz. Das ist nicht nur für den Geschmack wichtig. Das Salz verändert den Gärprozess der Hefe und macht etwas mit den Glutenverbindungen im Teig. Natürlich kommt es auf die richtige Menge Salz an.“

Beim Essen merke ich das sofort. Ist zu wenig Salz im Streuselkuchen, schmeckt er fade. Bei zu viel Salz aber schrecklich. Was bedeutet es also, wenn Jesus zu seinen Leuten sagt: „Ihr seid das Salz der Erde“?[1] Das heißt zuerst einmal: Christinnen und Christen sind wichtig für die Welt. Das tut ja auch mal gut zu hören.

Und wenn ich mir jetzt die Gesellschaft wie einen Teig vorstelle – gemischt aus verschiedenen Bestandteilen und Zutaten, dann heißt das: Das Salz der Christinnen und Christen ist wichtig in der Gesellschaft. Das Christensalz soll unterstützen, damit sich alle gut verbinden und die Gärung reguliert wird. Und am Ende schmeckt der Kuchen auch nicht fade. Aber Vorsicht: wohldosiert muss es sein, das Salz.

Klar ist natürlich auch: Salz allein, macht keinen Teig. Es braucht auch Mehl, Wasser oder Milch, möglicherweise Zucker, Butter, Eier und manch andere Zutaten. In so einem Teig darf das Salz nicht fehlen. Aber: Es ist nicht die Alleinzutat.

Ehrlich gesagt macht mich das gelassen, wenn ich an die Gesellschaft denke. So wie ein guter Teig aus verschiedenen Zutaten besteht, so besteht eine gute Gesellschaft aus verschiedenen Menschen und Kulturen und nicht nur aus Christinnen und Christen. Das Christensalz soll aber dabei helfen, dass sich alle gut verbinden. So gelingt der Gesellschaftskuchen. Und ich brauche auch keine Angst zu haben, dass ich als Christ dabei untergehe. Denn ich weiß ja, dass es Salz braucht. Eine Prise – wohldosiert.

 

[1] Mt 5,13

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03JUN2024
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Am 3. Juni 1924, also heute vor einhundert Jahren, ist der Schriftsteller Franz Kafka gestorben. Seine Bücher zählen zur Weltliteratur. Sie sind Schullektüre. Ich musste damals in der Schule Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ lesen. Sie beginnt mit dem Satz: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“[1] Und weiter erzählt Kafka, wie die Familie von Gregor Samsa mit ihrem zu einem riesigen Käfer verwandelten Sohn umgeht oder genauer: Ihn umbringt. – Sie merken schon: Kafka ist keine leichte Kost.

Er hat noch mehr Erzählungen und Romane geschrieben. Immer bewegen sich seine Geschichten zwischen Traum, Albtraum und Realität. Kafka erzählt von Menschen in unsicheren Situationen. Alles wirkt ausweglos.

Warum sollte man so etwas lesen? Weil Kafkas Geschichten einen Sog entwickeln können. Ein paar Erzählungen von Kafka haben mich in ihren Bann gezogen. Manchmal habe ich gedacht, „Ja, so ist das.“ Und eine Seite später wurde mir klar: „Nein, so nicht. Mein Leben ist überhaupt nicht so hoffnungslos. Es gibt einen Weg.“ Das habe ich aber gerade deswegen gemerkt, weil mich Kafkas Geschichten herausgefordert haben.

Darum finde ich, Kafka lehrt Hoffen. Er bringt mich zu einem Trotzdem. Trotz aller Widrigkeiten. Trotz der Tatsache, dass ich in einem Moment keinen Ausweg sehe.

„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“[2] Das hat Jesus mal gesagt. Auch so ein Trotzdem-Satz. Jesus spricht in ausweglose Situationen hinein, wenn mir bange ist und ich keine Lösung sehe.

Eine Geschichte von Kafka ist nur eine Geschichte. Ich kann das Buch zuschlagen und beiseitelegen. Im Gegensatz dazu merke ich: Mein Leben ist meine Geschichte. Manchmal sieht es zwar aus wie bei Kafka, aber in meinem Leben gibt es Hoffnung. Darum: Gib nicht auf!

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[1] Kafka, Franz: Die Verwandlung. In: Franz Kafka: Sämtliche Erzählungen, hg. v. Paul Raabe. Frankfurt a. M. 1993. 56-99. 56

[2] Johannes 16,33

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13APR2024
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Als ich zehn Jahre alt war, habe ich einen Zauberwürfel geschenkt bekommen. Kennen Sie bestimmt. Ein Würfel mit farbigen Seiten in Rot, Orange, Blau, Grün, Gelb und Weiß. Die Würfelseiten sind in neun kleinere Würfel unterteilt. Und die kann man gegeneinander verschieben und verdrehen. Wenn der Würfel ganz verdreht und durcheinander ist, dann muss man ihn wieder richtig hinbekommen – sodass jede Seite nur eine Farbe hat. Das ist gar nicht so einfach. Als Kind hat mich der Würfel fasziniert, aber ich habe es nicht geschafft, diese Knobelaufgabe zu lösen.

Vor kurzem habe ich mir wieder einen Zauberwürfel gekauft. Das wollte irgendwie mein Kind im Manne so. Ich wollte es noch mal wissen. Aber ich gebe zu, dass ich mir diesmal Hilfe geholt haben. Es gibt nämlich Anleitungen, die erklären, wie man ganz grundsätzlich den Zauberwürfel lösen kann. Die genauen Lösungswege sind dann immer noch verschieden. Trotzdem hat mir die grundsätzliche Anleitung geholfen und ich habe es diesmal geschafft. Das war ein gutes Gefühl.

„Weise mir, Gott, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit“, steht in Psalm 86. Den Zauberwürfel habe ich natürlich nicht mit Gottes Hilfe gelöst, sondern mit der Anleitung eines erfahrenen Zauberwürfellösers.

Gott gibt ganz andere Anleitung – nämlich: wie wir gut zusammenleben können. Die bekannteste Gottesanleitung heißt Nächstenliebe. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Wie ich das genau mache, ist von Mal zu Mal so verschieden wie das Lösen des Zauberwürfels. Nächstenliebe ist auch nicht immer so einfach. Aber die Anleitung funktioniert. Vor allem, das Ergebnis befriedigt am Ende nicht nur mich selbst, sondern es tut meinem Nächsten gut. Und darum sollten sich von dieser Knobelaufgabe immer wieder alle herausfordern lassen.

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12APR2024
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Ich gehe gerne ins Museum. Denn ich lasse mich gerne von Kunst zum Nachdenken herausfordern. Am liebsten von Malerei. Zum Beispiel der von William Turner. Vor ein paar Wochen habe ich eine Ausstellung mit Bildern von ihm besucht. Turner war Engländer und hat vor etwa zweihundert Jahren gelebt. Zeit seines Lebens ist er viel gereist:  England, Wales, Schottland, Italien, Frankreich, Deutschland. Immer hatte er sein Skizzenbuch und Farben dabei, um zu zeichnen, was er gesehen hat. Von seinen Skizzen hat er zu Hause dann große Ölbilder gemalt. Turner wurde in seiner Zeit geliebt und gehasst, weil er nicht immer so malte, wie man es erwartet hat.

In der Ausstellung waren links die Bilder aufgehängt, die Turner für die Öffentlichkeit gemalt hat. Rechts, die er selbst behalten wollte. Und die haben mich besonders angesprochen. Denn je älter Turner wurde, umso abstrakter hat er gemalt.

Eines der Bilder hat einen Blick in den Alpen gezeigt. Die Berggipfel konnte man nicht genau erkennen. Alles hatte Turner in hellem Gelb und Rot gemalt. Ganz viel Weiß war in dem Bild. Dunstig und durchflutet von Licht konnte ich Gipfel und Tal und ganz viel Sonne erahnen.

„Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke. Aber dann werde ich vollständig erkennen, so wie Gott mich schon jetzt vollständig kennt“, hat der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief geschrieben. Daran habe ich denken müssen, als ich Turners Bild angeschaut habe.

Denn es gibt so Vieles, das ich nicht erkennen kann – von der Welt, von Gott, von den andern. Es gibt viel mehr als das, was ich sehe – wie in dem Bild von William Turner. Ich gucke es mir an und erkenne nichts Konkretes. Es gibt aber ganz viel Licht, das aus dem Bild leuchtet. Darum spüre ich mehr, als ich erkenne. Ich muss nur lange genug hinschauen und dem Moment etwas Zeit geben. Und ich werde entdecken. Und darum lasse ich mich gerne von der Kunst herausfordern.

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11APR2024
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Heute vor siebzig Jahren, am 11. April 1954 war der langweiligste Tag im zwanzigsten Jahrhundert. Das hat ein britischer Computerwissenschaftler herausgefunden. Er hat eine Suchmaschine konstruiert und sie mit dreihundert Millionen Fakten und Ereignissen des letzten Jahrhunderts gefüttert. Und dann kam raus: am 11. April 1954 ist in der Weltgeschichte nichts Erhebliches passiert.

Jetzt widersprechen hoffentlich alle, die heute vor siebzig Jahren geboren wurden. Denn natürlich wurden auch an diesem Tag Kinder geboren, und das war mindestens für Kind und Eltern alles andere als langweilig. Und: An diesem Tag sind auch Menschen gestorben. Ein einschneidendes Ereignis. Und zwischen Geburt und Tod eines Menschen ist auch sonst ganz viel passiert. Die große Liebe gefunden. Vom Schicksal getroffen. Unvergessliches erlebt. Das waren vielleicht keine Ereignisse für die große Weltbühne. Aber es war etwas für das persönliche Leben. Und es war nicht langweilig.

„Die Himmel erzählen von der Schönheit Gottes. Vom Tun seiner Hände kündet das Firmament. Ein Tag sprudelt dem anderen Worte zu. Eine Nacht gibt der anderen Nacht Wissen weiter.“ So heißt es in Psalm Neunzehn.

Wer manche Tage langweilig nennt, der übersieht leicht, dass jeder Tag etwas zu erzählen hat. Persönliche Ereignisse. Erlebnisse. Nichts Langweiliges. Und selbst wenn: Ich persönlich finde ja sowieso: Langeweile ist gar nichts Schlechtes. Sie führt mich zu mir selbst und zu anderen. Denn sie macht mich frei, dass ich mich mehr auf andere einlasse. Weil ich nicht abgelenkt bin. Vielleicht entdecke ich an den angeblich langweiligen Tagen auch viel besser die Schönheit am Himmel und die Spuren von Gott.

So gesehen, hat die Suchmaschine ausgerechnet, dass am 11. April 1954 die Chancen am größten waren, ohne Ablenkung das Leben zu betrachten und zu bewundern. Mal schauen, was heute so geschieht.

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03JAN2024
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Endlich hängt er, unser Herrnhuter Stern. Kennen Sie bestimmt: diese Sterne mit den vielen Zacken in allen Richtungen, von innen beleuchtet, in weiß, rot oder gelb. Unser Stern ist weiß und wetterfest. Und jetzt hängt er endlich – über eine Woche nach Weihnachten.

Eigentlich hängt man den Stern zum Fest auf. Und wir hatten ihn bereits zwei Wochen vor dem Weihnachtsfest bekommen. Allerdings war so viel los, dass wir es nicht einmal geschafft haben ihn pünktlich zusammenzubauen. Erst am zweiten Feiertag nachmittags wagten wir uns an den Zusammenbau des Sterns. Dann war er fertig. Aber wo sollte er hin? Natürlich raus. War ja ein Outdoor-Stern. Aber wohin genau? Wir haben lange überlegt, und darüber haben wir das Aufhängen verschoben. Nach vier Tagen fiel der Stern, der so rumlag, wieder in unseren Blick. Aufhängen. Jetzt. Wo? Strom musste ja auch gelegt werden, damit die Glühbirne im Stern leuchten konnte. Wo war draußen eine Steckdose? Mittlerweile war es wieder Abend geworden und wir verschoben das Aufhängen.

An Silvester dachten wir: jetzt ist Zeit für den Stern rum. Sollten wir aufs nächste Weihnachtsfest warten? Nein, sollten wir nicht!

Es ist doch jedes Jahr das Gleiche. Erst bereiten wir uns so lange auf das Fest vor. Aber kaum ist eine Woche vergangen, scheint die Weihnachtsbotschaft verhallt. So wird das nie etwas mit einer besseren Welt.

Jetzt haben wir den Herrnhuter Stern noch aufgehängt. Er hängt in der Eiche vor dem Küchenfenster. Ganz klar macht das die Welt nicht besser. Da müssen wir schon mehr tun als einen Stern aufhängen. Aber solange die Nächte so lange dauern, erinnert uns der leuchtende Stern daran, die Weihnachtsbotschaft zu erzählen und wenigstens in unserer kleinen Welt für Frieden, Verständigung und Freude zu sorgen. Ich glaube, der Stern wird lange vor dem Fenster leuchten müssen.

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