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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
Der November ist ein Erinnerungsmonat. Allerheiligen. Volkstrauertag. Totensonntag. Alles Gedenktage, die mit dem Erinnern zu tun haben – vor allem mit der Erinnerung an verstorbene Menschen. Es ist wichtig, unsere Toten nicht zu vergessen. Daneben finde ich es aber genauso wichtig, mich an schöne Erlebnisse zu erinnern. Gerade in der dunklen Herbst- und Winterzeit brauche ich das besonders.
Also gehe ich zum Regal und ziehe ein Fotoalbum raus. Ich komme nämlich aus der Zeit, als man noch Fotos auf Papier hatte und sie in Alben geklebt hat. Ich setze mich aufs Sofa und blättere durch das Album, Seite für Seite, und ich staune auch ein bisschen: „Das war schön. Urlaub in Trevi. Und hier: Bilder aus meiner Jugend. Wie wir alle da ausgesehen haben. Ist ja auch etwas her. Lustig. Und da: Oma und Opa. Das war doch bei der Feier von Tante Mechthild.“ Ein Bild nach dem anderen ruft Erinnerungen wach und erzählt von warmen Tagen, von fröhlichen Menschen und von schönen Augenblicken. So viel habe ich schon erlebt.
Als ich das Album zuklappe, denke ich: Gott hat auch so ein Fotoalbum – mehr noch: Gott muss ein riesiges Regal voll mit Fotoalben haben. Da sind Bilder von uns allen drin. Niemand geht verloren. Und wenn ich mir das so vorstelle, dann kommt mir ein Vers aus Psalm 139 in den Sinn: „Deine Augen sahen mich, da ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.“ (Psalm 139,16)
In Gottes Album ist mein Name aufgeschrieben, und es kleben Bilder drin, von dem, was vor mir gewesen ist. Und sogar von dem, was nach mir kommen wird. Ich bin gesehen und aufgehoben von Gott. Und ich bin sicher: nicht nur im November zieht Gott seine Fotoalben aus dem Regal und blättert sie durch. Bei Gott ist immer Erinnerungsmonat.
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Auch in der evangelischen Kirche darf man über Heilige sprechen. Sie gelten nicht als Personen, zu denen man betet, damit sie bei Gott wiederum für uns Lebende eintreten. Sondern sind einfach Menschen mit einem vorbildlichen Lebenswandel..
Heute, am 19. November, ist der Gedenktag der heiligen Elisabeth von Thüringen. Elisabeth lebte im dreizehnten Jahrhundert und war Landgräfin von Thüringen. Sie war eine sehr fromme Frau und sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, armen und kranken Menschen zu helfen. Dafür hat sie viel vom gräflichen Besitz hergegeben und auch selbst mit angepackt: Sie pflegte Leprakranke und verteilte Brot an Bettler. Das hat so manchem aus ihrer Familie nicht gefallen und es gab Ärger.
So erzählt man sich die Geschichte, dass Elisabeth wieder einmal mit einem großen Korb, voll mit frischem Brot, unterwegs war, um es an Arme zu verteilen. Auf dem Weg ist ihr ein Verwandter in den Weg getreten und hat sie zur Rede gestellt. Ob sie denn schon wieder heimlich alles an diese Elenden verprassen wolle. Die sollten lieber selbst für sich sorgen. Elisabeth solle den Korb zeigen. Leugnen zwecklos.
Als aber Elisabeth das Tuch wegzog, das über dem Korb lag, da war der ganze Korb voll mit Rosen. Die Brote hatten sich in schöne, rote Rosen verwandelt. Ein Wunder und ein wunderbares Symbol: Die Rosen als Blumen der Liebe. Und Elisabeth hatte ja ganz viel Liebe für Arme und Kranke.
Ich finde, das ist eine tolle Geschichte. Sie erzählt nämlich, wie sehr praktische Hilfe, Liebe und Schönheit zusammen gehören. Helfen und Teilen macht die Welt nicht nur besser, sondern eben auch schöner. Und „wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht, dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann wohnt er schon in unserer Welt.“ (EG 632)
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Vom Küchenfenster aus konnte ich auf die andere Flussseite schauen. Die Berge stiegen dort mit ihrem dichten Buchenwald steil auf. Unterbrochen wurden die Berghänge von kleinen Tälern. Schmale Täler. Baumvoll.
Besonders im Herbst lag morgens über dem Fluss ein dichter Nebel, der sich nur langsam auflöste. Und in den kleinen Tälern links und rechts des Flusses hielten sich die Nebelwolken besonders lange. Es sah aus, als würde es aus den Tälern heraus rauchen.
„Da rauchen die Füchse“, hat meine Oma dann gesagt. Und wenn es viel Nebel war, dann sagte sie, dass die Dachse auch dabei sind und manchmal sogar die Rehe. Und ich habe mir dann vorgestellt, wie Fuchs, Dachs und Reh einträchtig nebeneinander sitzen und rauchen. Pfeife oder Zigarre. Miteinander geredet haben sie auch. Mit eigenen Augen gesehen, habe ich es leider nie.
In der Bibel gibt es im Brief an die Hebräer auch so eine Nebelwolke. Da steht: „Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert.“ (Hebr 12,1)
Mit der Wolke der Zeugen sind diejenigen gemeint, die uns von Gottes Wundern erzählen. Mit eigenen Augen gesehen habe ich die Wunder leider auch nicht. Trotzdem besitzen die Wunder Gottes für mich viel mehr Wirklichkeit als Fuchs, Dachs und Reh mit Pfeife im Mund. Es sind nämlich viele, sehr viele Zeuginnen und Zeugen, die uns Wunderbares erzählen. Sie reden von Auferstehung und Heilung. Es sind viele, die das erzählen. Und das macht die Wunder glaubhaft. Viel mehr als die Geschichte von den rauchenden Tieren.
Aber etwas hat die Zeugenwolke und die angebliche Rauchwolke der Waldtiere doch gemeinsam. Bei beiden wird mir ganz warm ums Herz, weil es einfach so schön ist.
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Heute ist Volkstrauertag. Er wird immer zwei Wochen vor der Adventszeit begangen. Volkstrauertag ist ein staatlicher Feiertag. Seine Ursprünge reichen bis in die 1920er Jahre zurück. Damals hat man an diesem Tag an die im Krieg getöteten Soldaten des Ersten Weltkrieges erinnert. Heute denkt man an alle Opfer von Gewalt und Krieg, denkt an Kinder, Frauen und Männer aller Völker, die in den Kriegen und durch Gewaltherrschaft gestorben sind.
Vor 110 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus. Am Anfang zogen junge Freiwillige begeistert in diesen Krieg. Doch aus der anfänglichen Kriegsbegeisterung wurde schnell bittere Ernüchterung.
Im Herbst 1914 schreibt der achtzehnjährige Soldat Robert Oelbermann von der Westfront aus Frankreich an seine Freunde zu Hause: „Und dann kam die Schlacht selbst. – Mord! Nichts als Mord! Und ein Grausen packte uns. Sind wir Menschen? Oder sind wir Tiere?! Nur die Pflicht hielt viele von uns bis zuletzt. – Konnte es das sein, wonach wir uns gesehnt, wovon wir geträumt hatten? Nein und abermals nein!“ (zitiert nach: „Wir wollen eine andere Welt“ – Jugend in Deutschland 1900 - 2010. Berlin 2010. S. 69)
Robert Oelbermann musste erleben, dass der Traum von Stärke und Überlegenheit zum Albtraum werden kann. Daran zu glauben, dass man siegen wird, ist trügerisch.
Bereits viele Jahrhunderte früher hat Jesus den eifrigen Petrus ermahnt, als dieser sein Schwert zog, um für ihn zu kämpfen. „Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen,“ (Mt 26,52)
Manch einem kommt dieser Satz von Jesus heute wie ein frommer, weltfremder Wunsch vor. Trotzdem ist es eine allzu wahre Mahnung: Verlasst euch nicht auf die Sprache der Waffen. Sondern sprecht und verhandelt miteinander. Sucht den Frieden ohne Schwert und Raketen. Dieser Satz Jesu ist eine lebenswichtige Erinnerung – gerade am Volkstrauertag.
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Vor Kurzem ist Monika in Rente gegangen. Sie hat mir davon erzählt. Erst einmal ausschlafen. Keine Verpflichtungen. Den Alltag neu strukturieren. Und dann hat sie gesagt: „Und ich habe mir eine Karaokemaschine gekauft.“ Ich habe sie wohl sehr erstaunt angeguckt, denn sie hat gesagt: „Ich wollte schon immer mehr singen. Und wenn nicht jetzt, wann dann?“
Dietmar ist einundachtzig. Ich besuche ihn. Er erzählt, was er noch gerne alles machen will. Aber die Kräfte lassen nach. Und er sagt: „Ich würde mir gerne ein E-Bike kaufen, aber ich habe schon zwei Fahrräder. Aber dann könnte ich noch mal mehr Touren machen.“ Dieses Mal sage ich den Satz: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Dietmar hat sich ein E-Bike gekauft und ist jetzt viel unterwegs.
Lena arbeitet seit kurzem in einer Behinderteneinrichtung. Eigentlich hat sie mal Frisörin gelernt. Aber ihr neuer Beruf gefällt ihr total und sie sagt: „Das ist voll mein Ding. Das gibt mir so viel. Wenn ich das vorher gewusst hätte.“ Der Arbeitgeber hat ihr jetzt angeboten, noch eine Ausbildung als Heilerziehungspflegerin zu machen. Aber sie ist doch schon über Vierzig. Doch eigentlich: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Paulus hat einmal geschrieben: „Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“ ( 2Kor 6,2)
Sicherlich hat Paulus diesen Satz mit Blick auf Gottes Ewigkeit geschrieben. Aber ich finde darin auch ein Stück Himmelreich auf Erden. Wenn du nämlich hier und jetzt die Zeit findest, um dir etwas Gutes zu tun oder um Neues auszuprobieren oder um deinem Leben eine andere Richtung zu geben, dann bringt dir das heilvolle Tage. Wenn du diese Chance hast, dann ergreife sie. Denn: Wenn nicht jetzt, wann dann?
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Vor ein paar Wochen war ich in der Werkstatt eines Kunstdruckers. Er heißt Martin. Martin ist darauf spezialisiert, Bilder für Künstler zu drucken. Holzschnitt, Radierung, Mezzotinto, Linolschnitt. Das druckt er dann nach den Vorstellungen des Künstlers und der Künstlerin.
In Martins Werkstatt hängen an der Wand Bilder, die er gedruckt hat. Die habe ich mir angeschaut und plötzlich ist mein Blick gestolpert und hängen geblieben: Zwischen den Drucken, in drei Meter Höhe waren zwei Waschbecken aus Porzellan aufgehängt, hochkant, mit den Beckenöffnungen zueinander. Das war ganz eindeutig nicht zum Händewaschen, sondern auch ein Kunstwerk.
Darauf habe ich Martin angesprochen. „Das ist das erste Kunstwerk, das ich mir gekauft habe“, hat Martin gesagt. „Hab` ich auf einer Kunstmesse entdeckt und wusste sofort, das muss ich haben. Ich hab` schon überlegt. Es hat ja schon ´was gekostet. Aber dann hab` ich gedacht: Du gibst ein paar bedruckte Papierscheine her und bekommst dafür eine ganze Welt und all die Ideen, die in dem Kunstwerk stecken.“
Darüber habe ich dann erst mal nachdenken müssen. Und mir ist ein Gleichnis von Jesus aus dem Matthäusevangelium eingefallen. „Das Himmelreich gleicht einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“ ( Mt 13,45f)
Und jetzt gehören für mich das Gleichnis von der Perle und die Waschbecken an der Wand in Martins Druckwerkstatt zusammen. Und Martins Satz: „Du gibst eine paar bedruckte Scheine her und bekommst eine ganze Welt.“ Und ich frage mich: Was investiere ich für meine Perle? Und was gebe ich dafür, das Himmelreich zu finden?
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Johann ist erschüttert. Er geht mit offenen Augen durch seine Stadt. Und er sieht die Armut. Besonders die Kinder trifft es hart. Eigentlich ist Hamburg eine reiche Handelsstadt. Aber davon haben nicht alle was. Sechzig Prozent der Leute sind bitterarm.
Johann arbeitet mittlerweile als Lehrer. Er will besonders den Kindern helfen. Eine christliche Erziehung und eine Berufsausbildung für sie findet er wichtig.
Johann kennt wohlhabende Leute, die ebenfalls von der Not der Kinder schockiert sind. Mit ihrer Hilfe gelingt es ihm, Geld aufzutreiben. Vor den Toren der Stadt mietet er ein altes, reetgedecktes Bauernhaus. Man nennt es „Das Rauhe Haus“. Hier zieht er mit Schwester und Mutter ein. Sie nehmen zwölf Jungen aus ärmlichen Verhältnissen auf und geben ihnen im Rauhen Haus ein Zuhause. Sie werden unterrichtet, ausgebildet, erleben verlässliche Bindungen und Vertrauen. Und das Ganze funktioniert so gut, dass schon bald weitere Häuser gebaut werden, um noch mehr Kinder aufzunehmen.
Das ist lange her. Genau heute vor 191 Jahren, am 12. September 1833, wurde in Hamburg die sozialdiakonische Stiftung „Das Rauhe Haus“ gegründet. Heutzutage ist es ein großes Diakonieunternehmen. Aktuell werden über 1700 Menschen betreut. Kinder, Jugendliche, Menschen mit Behinderung, psychisch Erkrankte und Pflegebedürftige. Das alte Rauhe Haus ist eine Erfolgsgeschichte geworden. Sie zeigt: Mit Engagement wird aus einer guten Idee etwas Großes.
Jesus hat einmal gesagt: „Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und warf’s in seinen Garten; und es wuchs und wurde ein Baum, und die Vögel des Himmels wohnten in seinen Zweigen.“ (Lk 13,19)
Deine gute Idee muss nicht gleich zum Himmelreich werden, aber sie kann eine ordentliche Portion für eine bessere Welt liefern. Also lass dich nicht entmutigen. Mach es wie Johann. Glaube daran.
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„Narcissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide.“ Das ist eine Zeile aus dem Kirchenlied „Geh aus mein Herz und suche Freud.“ Das Lied ist gut 370 Jahre alt und wurde von Paul Gerhardt geschrieben. Heute ist es ein Klassiker im evangelischen Gesangbuch. Und ich mag es, weil es so schöne Bilder ins Ohr malt und einfach gute Laune macht.
Besonders mag ich eben die Zeile mit Narcissus und Tulipan – gemeint sind Osterglocken und Tulpen. Sie sind schöner als die seidenen Kleider von König Salomo. Von ihm und seinem Glanz kann ich in der Bibel lesen. Aber eben nur lesen. In echt sehen kann ich es nicht. Die Natur dagegen schon.
Darum kommt es mir so vor, als wollte Paul Gerhardt mit seinem Lied auch sagen: „Die Bibel, und was sie sagt, ist gut und wichtig. Da erfährst du viel von Gottes Wundern. Aber guck doch mal über die Buchseiten hinaus. Schau dir die Welt an. Da siehst du noch viel mehr von den Wundern Gottes. Und wenn der Garten der Welt schon so toll ist, wie toll wird es erst im Garten Gottes sein?“ Und Gerhardt dichtet ein paar Zeilen später: „Und läßt du’s uns so lieblich gehn auf dieser armen Erden. Welch hohe Lust, welch heller Schein wird wohl in Christi Garten sein!“
Bis es aber soweit ist, darf ich Narzissen, Tulpen, den Duft der Blumen, die Bäume, das Surren der Bienen, saubere Bächlein, das Blöken der Schafe und scheue Rehe im Wald genießen und bewundern.
Und eine Frage drängt sich mir bei soviel Naturbetrachtung noch auf: Wie gehe ich eigentlich mit der Natur um? Muss ich nicht ein Naturschützer werden, weil es dabei um Gottes Schöpfung geht? Aber das wäre ein anderes Lied und ich wünschte, Paul Gerhardt hätte auch das gedichtet. Hat er nicht.
Aber ich sollte darüber nachdenken. Ich muss kein Lied dichten. Aber ich kann etwas für die Natur tun, damit ich auch in Zukunft noch fröhlich von ihrer Schönheit singen kann.
Ich wünsche Ihnen eine tolle Sommerzeit.
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Bis heute gilt in meiner Familie der Streuselkuchen von Oma als der Beste. In den Teig, einen Hefeteig, hat sie immer etwas Salz getan. Das fand ich erstmal komisch. Aber irgendwann hat mir ein Bäcker gesagt: „In einen guten Hefeteig gehört Salz. Das ist nicht nur für den Geschmack wichtig. Das Salz verändert den Gärprozess der Hefe und macht etwas mit den Glutenverbindungen im Teig. Natürlich kommt es auf die richtige Menge Salz an.“
Beim Essen merke ich das sofort. Ist zu wenig Salz im Streuselkuchen, schmeckt er fade. Bei zu viel Salz aber schrecklich. Was bedeutet es also, wenn Jesus zu seinen Leuten sagt: „Ihr seid das Salz der Erde“?[1] Das heißt zuerst einmal: Christinnen und Christen sind wichtig für die Welt. Das tut ja auch mal gut zu hören.
Und wenn ich mir jetzt die Gesellschaft wie einen Teig vorstelle – gemischt aus verschiedenen Bestandteilen und Zutaten, dann heißt das: Das Salz der Christinnen und Christen ist wichtig in der Gesellschaft. Das Christensalz soll unterstützen, damit sich alle gut verbinden und die Gärung reguliert wird. Und am Ende schmeckt der Kuchen auch nicht fade. Aber Vorsicht: wohldosiert muss es sein, das Salz.
Klar ist natürlich auch: Salz allein, macht keinen Teig. Es braucht auch Mehl, Wasser oder Milch, möglicherweise Zucker, Butter, Eier und manch andere Zutaten. In so einem Teig darf das Salz nicht fehlen. Aber: Es ist nicht die Alleinzutat.
Ehrlich gesagt macht mich das gelassen, wenn ich an die Gesellschaft denke. So wie ein guter Teig aus verschiedenen Zutaten besteht, so besteht eine gute Gesellschaft aus verschiedenen Menschen und Kulturen und nicht nur aus Christinnen und Christen. Das Christensalz soll aber dabei helfen, dass sich alle gut verbinden. So gelingt der Gesellschaftskuchen. Und ich brauche auch keine Angst zu haben, dass ich als Christ dabei untergehe. Denn ich weiß ja, dass es Salz braucht. Eine Prise – wohldosiert.
[1] Mt 5,13
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Am 3. Juni 1924, also heute vor einhundert Jahren, ist der Schriftsteller Franz Kafka gestorben. Seine Bücher zählen zur Weltliteratur. Sie sind Schullektüre. Ich musste damals in der Schule Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ lesen. Sie beginnt mit dem Satz: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“[1] Und weiter erzählt Kafka, wie die Familie von Gregor Samsa mit ihrem zu einem riesigen Käfer verwandelten Sohn umgeht oder genauer: Ihn umbringt. – Sie merken schon: Kafka ist keine leichte Kost.
Er hat noch mehr Erzählungen und Romane geschrieben. Immer bewegen sich seine Geschichten zwischen Traum, Albtraum und Realität. Kafka erzählt von Menschen in unsicheren Situationen. Alles wirkt ausweglos.
Warum sollte man so etwas lesen? Weil Kafkas Geschichten einen Sog entwickeln können. Ein paar Erzählungen von Kafka haben mich in ihren Bann gezogen. Manchmal habe ich gedacht, „Ja, so ist das.“ Und eine Seite später wurde mir klar: „Nein, so nicht. Mein Leben ist überhaupt nicht so hoffnungslos. Es gibt einen Weg.“ Das habe ich aber gerade deswegen gemerkt, weil mich Kafkas Geschichten herausgefordert haben.
Darum finde ich, Kafka lehrt Hoffen. Er bringt mich zu einem Trotzdem. Trotz aller Widrigkeiten. Trotz der Tatsache, dass ich in einem Moment keinen Ausweg sehe.
„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“[2] Das hat Jesus mal gesagt. Auch so ein Trotzdem-Satz. Jesus spricht in ausweglose Situationen hinein, wenn mir bange ist und ich keine Lösung sehe.
Eine Geschichte von Kafka ist nur eine Geschichte. Ich kann das Buch zuschlagen und beiseitelegen. Im Gegensatz dazu merke ich: Mein Leben ist meine Geschichte. Manchmal sieht es zwar aus wie bei Kafka, aber in meinem Leben gibt es Hoffnung. Darum: Gib nicht auf!
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[1] Kafka, Franz: Die Verwandlung. In: Franz Kafka: Sämtliche Erzählungen, hg. v. Paul Raabe. Frankfurt a. M. 1993. 56-99. 56
[2] Johannes 16,33
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