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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11OKT2023
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„Dankbarkeit ist ein Tor zum Leben“, das hat eine Ausbilderin von mir mal gesagt. Viele Jahre habe ich bei ihr gelernt, wie Seelsorge gehen kann. Und dabei habe ich auch ganz viel über mich selbst gelernt. In der Seelsorge geht es ja darum im Raum Gottes als Menschen miteinander in Kontakt zu kommen. Und in der Ausbildung bedeutet das ganz viel Kontakt mit sich selbst. Und das ist nicht nur schön. Ich erinnere mich an eine Zeit, in der ich dabei viel Kontakt mit meinem eigenen Schmerz hatte. Und es hat sich so angefühlt, als säße ich in einem tiefen dunkeln Loch.

„Dankbarkeit ist ein Tor zum Leben.“ Dieser Satz galt damals in der Ausbildung gar nicht mir. Aber er ist zu mir runter in mein Loch gefallen. Da lag er dann. Erst einmal war ich wütend da unten. Und habe den Schmerz so richtig rausgeschrien. Aber der Satz war immer noch da.

Mir ist und war auch damals grundsätzlich klar, dass Dankbarkeit eine Stärke sein kann. Aber tief unten konnte ich sie nicht spüren und ich wollte das damals auch gar nicht.

Monate später habe ich dann in einer Buchhandlung gestanden und habe ein kleines Notizbuch gefunden. ‚Das Leben ist schön!‘ stand vorne drauf. Ich habe es gekauft und von da ab habe ich Momente und Ereignisse und Menschen reingeschrieben, für die ich Gott dankbar bin. Immer mal wieder.

Und dadurch hat sich etwas verändert. Ich hatte das Gefühl, dass ich nun nicht mehr tief unten saß, sondern oben am Rand. Ich konnte mit den Beinen baumeln. Ich konnte runter sehen, aber auch wieder in den Himmel.

In der Ausbildung durfte ich meinen Schmerz zeigen. Und weil ich ihn zeigen durfte, konnte er sich wandeln. Er musste nicht mehr raus aus mir und weg von mir, sondern ich habe gelernt, ihn anzuschauen - fast wie einen Freund. Ja, ich kenne dich und du bist ein Teil von mir. Aber ich bin eben nicht nur traurig, sondern noch viel mehr. Ich bin auch fröhlich und mutig und unbeschwert und dankbar für so Vieles in meinem Leben.

„Dankbarkeit ist ein Tor zum Leben.“ Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute durch dieses Tor gehen können ins Leben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10OKT2023
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Zu meiner Arbeit gehört es, dass ich die unterrichte, die in unserer Kirche eine musikalische Ausbildung machen. Es sind Ehrenamtliche zwischen 11 und 65, die sich viel Zeit nehmen für ihre Liebe zur Musik. Sie lernen Orgel oder Chorleitung oder beides. Sie erhalten Stimmbildung und schulen ihr Gehör. Ich unterrichte sie nicht musikalisch. Bei mir lernen sie hoffentlich etwas über den Aufbau der Bibel, die Musik in der Bibel und der Kirchengeschichte. Oder, wie ein Gottesdienst aufgebaut ist, wie die Musik darin ihren Platz hat und warum die Musik so unbedingt zu einem Gottesdienst dazugehört.

Wenn sie dieses theoretische Wissen haben, dann füllen sie ganz praktisch mit ihrer Begabung die Gottesdienste. Sie spielen Orgel oder singen. Sie brennen oft für ihr Instrument und für die Kirchenmusik. Es macht mir viel Freude bei ihnen zu sein. Sie sind begeistert und nehmen viel auf sich mit wöchentlichem Unterricht und Werkstattwochenenden. Am Ende machen sie eine Prüfung.

Viele von ihnen strahlen das aus, wovon ich rede. Die Musik erfüllt sie und geht durch sie hindurch hinaus in die Gemeinschaft. Mit ihrer Musik loben sie Gott auf ganz besondere Weise, weil durch die Klänge der ganze Mensch ergriffen ist.

Je länger ich mehrmals im Jahr zum Unterricht zu ihnen komme, desto mehr habe ich die gewissermaßen selbstgemachte Musik in meinem Leben vermisst. Okay, ich singe im Gottesdienst oder alleine für mich. Aber ich wollte mehr davon erleben können, wovon ich ihnen erzähle. Und so habe ich mich entschlossen, Posaune zu lernen. Seit diesem Schuljahr gehe ich nun einmal in der Woche in die Musikschule, ich lerne Töne und Tonleitern, meine Lippen werden kräftiger. Bis jetzt macht mir das Spielen große Freude. Und ich habe ein Ziel. Ich möchte sehr gerne in einem Posaunenchor mitspielen können in einem Gottesdienst. Ich möchte Teil sein einer Klanggemeinschaft. Ich möchte mit dem Klang meines Posaunenspiels Gott loben und Gott danken. Auch dafür, dass ich etwas Neues in meinem Leben entdecken darf.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09OKT2023
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Ich habe überhaupt keinen grünen Daumen. Entweder ich gieße zu viel und ertränke die Pflanzen oder ich vergesse sie und sie vertrocknen. Dennoch haben wir in diesem Jahr eine tolle Ernte in unserem Hochbeet. Salate, kleine rote Chilis, rote und grüne Paprika und verschiedene Kräuter haben die Jungs im Frühjahr gesät. Ich habe noch zwei Tomatenpflanzen gesetzt und die Erdbeerpflanzen sind einfach aus dem Vorjahr wieder gewachsen. Im Frühsommer hat dann schon unsere tolle Ernte begonnen. Alle paar Tage konnten wir einen Salat essen. Die wenigen Erdbeeren haben es nur direkt in den Mund geschafft. Kräuter holen wir uns bei Bedarf und jetzt sind die Chilis und die Paprika reif. Jedes Essen erhält nun eine besonders scharfe Note, denn Chilis passen ja irgendwie überall dazu. Sie sind die Schärfe nicht nur im Essen.

Natürlich haben wir die Pflanzen gegossen und ich habe sogar ab und an ein wenig Unkraut aus dem Beet gezupft, ordentlich sieht es aber überhaupt nicht aus. Doch die gute Ernte bringt mich zum Staunen. Zum Staunen über Gottes Schöpfung. Das lässt mich über unser eigenes Hegen und Pflegen hinausschauen. Mein Staunen mündet in ein Gebet. Danke, Gott, dass du uns in diesem Jahr so reich aus unserem Hochbeet beschenkt hast.

Und mit meinem Gebet reihe ich mich ein in eine jahrtausendalte Tradition der Dankbarkeit. Und ich leihe mir Worte eines Menschen, der vor mehr als 2 ½ tausend Jahren seinen Dank vor Gott gebracht hat: „Gott, du tränkst die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte, die du schaffst.“ Auch hier höre ich das Staunen über die Schönheit. Und dieses Staunen vermag noch mehr als Dank hervorzubringen.

Im Oktober neigt sich die Ernte aus unserem Hochbeet langsam dem Ende zu. Es kommt die Zeit der Brache und des Rückzugs. Bald kann ich aus dem Hochbeet nichts mehr ernten. Aber das dankbare Staunen ist wie ein Proviant für den kommenden Winter.

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Anstöße sonn- und feiertags

08OKT2023
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Kennen Sie die pinken Schleifen? Viele Menschen tragen sie besonders im Oktober. Oft als kleine Anstecknadeln. Die Nadeln wollen aufmerksam machen auf das Thema Brustkrebs. Und der Oktober ist der Brustkrebsmonat. Es geht um Aufklärung über die Krankheit und um neue Forschungsergebnisse. An vielen Orten gibt es Veranstaltungen rund um das Thema Brustkrebs, Werbung auch für Selbsthilfegruppen. Laut einer Statistik erkrankt jede 8. Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Und die Diagnose verändert erst einmal das ganze Leben von einem auf den anderen Tag.

Vor 12 Jahren im Oktober bin ich operiert worden, zwei Wochen vorher stand die Diagnose fest. Die Operation und die folgenden Chemotherapien und Bestrahlungen haben mich oft an den Rand meiner Kräfte gebracht. Mit nur einer Brust und ohne Haare habe ich mit dem Leben, mit mir und mit Gott gehadert. Oft war ich auch einfach zornig, weil ich diesen Mist durchleiden musste.

Auch mit Hilfe einer Therapeutin habe ich zu mir zurückgefunden. Bei ihr habe ich viele Körperübungen gemacht und sie hat mir zu den Übungen einen Vers aus der Bibel ganz neu geschenkt: „Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin. Das weiß meine Seele wohl.“ So hat vor mehr als 2 ½ Tausend Jahren jemand zu Gott gebetet. Ich habe mit diesem Vers gearbeitet, ihn meditiert, ihn durchgekaut, ihn weggestoßen, ihn wieder rangeholt. Seitdem ist er einer meiner Schatzverse. Ich bin wunderbar geschaffen, so wie ich bin. Mit all meinen Wunden und Narben. Und das Wissen darum ist in mich hineingeschrieben. So übersetze ich für mich: das weiß meine Seele wohl. Gott hat mir ihren Atem eingehaucht zu Beginn meines Lebens und in diesem Atem steckt das Wissen, dass ich wunderbar gemacht bin.  Dafür bin ich so dankbar. Manchmal braucht es andere Menschen, die mich daran erinnern.

Heute bin ich gesund, auch das ist ein Wunder. Und ich trage in diesem Oktober die rosa Schleife voller Dank und in Solidarität mit den Frauen, die gerade mitten in der Behandlung stecken. Ihnen schenke ich heute Morgen diesen Vers: „Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin. Das weiß meine Seele wohl.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22JUL2023
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„Nächste Woche zieht meine Bezugsklientin aus.“ Im Gesicht meiner Freundin sehe ich eine große Freude, aber auch die Träne in ihrem Auge ist nicht zu übersehen.

Meine Freundin arbeitet in einer Wohngruppe. Hier leben vor allem Mütter und manchmal auch Väter mit ihren Kindern. Alleine schaffen sie den Alltag nicht. Oft haben die Frauen und Männer Schlimmes in ihrem Leben erlebt.

Wenn es zu Hause dann nicht mehr geht, vermittelt sie das Jugendamt in eine der Wohngruppen. Vor Ort lernen sie vor allem Struktur. Wie gestalte ich meinen Alltag. Wie ernähre ich mein Kind gesund. Es gibt geregelte Essenszeiten, die Bewohnerinnen und Bewohner kochen gemeinsam.

Jeder lebt in seinem eigenen Zimmer mit Badezimmer. Für diese Räume sind sie alleine verantwortlich. Das Wohnzimmer und die Küche nutzen sie gemeinsam. Für diese Räume gibt es einen Putzplan. Wenn es gut läuft, lernen die Bewohnerinnen und Bewohner mit den Betreuerinnen und Betreuern, wo ihre eigenen Ressourcen liegen.

Das ist echt nicht einfach, denke ich jedes Mal, wenn meine Freundin von ihrer Arbeit erzählt. Und gleichzeitig ist sie goldrichtig an diesem Ort. Sie macht ihre Arbeit mit Hingabe, vermittelt Klarheit und Struktur und traut den Bewohnerinnen und Bewohnern gleichzeitig ganz viel zu.

Sie habe ich vor Augen, wenn ich daran denke, wie Jesus sich bei seinen Freundinnen und Freunden vorstellt: „Ich bin der gute Hirte und kenne die meinen und die meinen kennen mich.“

Ein guter Hirte kennt seine Herde. Er weiß, wie viele es sind, was die Einzelnen brauchen, welche Stärken und welche Macken sie haben. Und die Herde vertraut ihrem Hirten. Sie wissen sich geschützt und aufgehoben. Und sie können sich in der Herde ausprobieren, ihren Ort und ihre Rolle finden, weil der Hirte sie im liebevollen Blick hat.

So wie die Bezugsklientin meiner Freundin. Sie ist bereit, aus der Wohngruppe auszuziehen. Sie hat es gelernt, Verantwortung zu übernehmen für sich und ihr Kind.
Und zugleich weiß sie: Sie kann sich jederzeit melden, wenn sie Unterstützung braucht. Wie gut, dass es diese Begleitung gibt.

Annette Bassler für Anja Behrens, Kaiserslautern, evangelische Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38039
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Morgen fahren wir mit der Gondel auf den Berg und laufen den Höhenweg.“ Meine Freundin und ich sitzen über der Wanderkarte. Wir planen die Tour für den nächsten Tag, wie jeden Abend.

Wir machen gemeinsam Urlaub in Südtirol. Und heute wissen wir: Am nächsten Tag wollen wir direkt in der Höhe loslaufen und nicht erst den Berg erklimmen.

Am nächsten Morgen gleiten wir mit der gelben Gondel hoch auf den Berg, die Sonne scheint, ein leichter Wind weht, perfektes Wanderwetter. Doch als wir aus der Bergstation rauskommen, wartet ein sehr steiler Anstieg auf uns. Wir müssen uns den Höhenweg also erst erarbeiten. Richtig Lust haben wir nicht, aber wir laufen los, langsam und stetig. Der Weg führt uns über eine Skipiste des Winters, hier und da liegt noch ein wenig Schnee.

Endlich erreichen wir den Höhenweg. Schmal schlängelt er sich am Berg entlang, durch einen Kiefernwald hindurch. Wir achten auf jeden unserer Schritte, denn der Weg ist sehr steinig und von Baumwurzeln durchzogen.

An einer ziemlich engen Wegstelle kommt uns ein älteres Ehepaar entgegen. Ich reiche dem Mann die Hand, denn er hat Schwierigkeiten, die Steinstufe auf dem Weg zu bewältigen.

Seine Frau macht sich Sorgen. „Wie weit ist es denn noch?“ Sie haben den Weg etwas unterschätzt. „Noch ca. 2 km“, sagen wir. Die Frau ist erleichtert und unsere Wege trennen sich wieder.

„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Hier oben auf dem Höhenweg verstehe ich diesen Satz von Jesus noch einmal neu.

Der Jesus-Weg ist nicht unbedingt leicht. Er fordert mich heraus. Ich kann nicht einfach unbedacht loslaufen. Manchmal muss ich stehenbleiben und nachdenken, wie nun der nächste Schritt aussehen kann.

Auf dem Jesus-Weg komme auch schon mal ganz schön ins Schwitzen. Und wer mein Nächster ist, ist vollkommen klar, denn hier oben kann man sich nicht aus dem Weg gehen, sondern ist anders als im Tal aufeinander angewiesen.

Meine Freundin und ich erreichen eine Lichtung und der Ausblick ist grandios. In der Ferne die schneebedeckten Gipfel der Berge, ganz unten im Tal liegt ein See. Wir bleiben mitten auf dem Weg stehen und spüren das Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38079
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

20JUL2023
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„I will follow him, follow him wherever he may go.“

Dieser Song begleitet uns aus dem Gottesdienst in der Stiftskirche in Kaiserslautern.
Ich will ihm folgen überall, wo er hingeht. Seit dem Film Sister Act ist dieser Song ein Beispiel für die Nachfolge Jesu mit voller Lebensfreude. Ich sehe vor meinem inneren Auge die Nonnen, wie sie singen und tanzen in ihren schwarzen Kutten.

Der Gottesdienst hat mir sehr viel von dieser Lebensfreude mitgegeben, nicht nur zum Ausgang. Der Hospizverein für Stadt und Landkreis Kaiserslautern hat sein 25 -jähriges Jubiläum mit einem ökumenischen Gottesdienst gefeiert.

Als ich kurz vor vier an einem sehr heißen Sonntagnachmittag ankomme, finde ich kaum einen Sitzplatz. Und dann folgen 2 Stunden mit viel Musik von verschiedenen Chören und ein Rückblick auf die Gründung des Hospizvereins.
Damals haben sich Menschen in der Stadt zusammengeschlossen, um andere auf dem letzten Weg zu begleiten. Und 25 Jahre später engagieren sich 80 ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen und -begleiter und im Ambulanten Hospiz arbeiten festangestellte Hospizschwestern.

Bei Hospiz denken viele zuerst an den Tod und den Weg dorthin, an Abschied und die damit verbundene Trauer. Doch heute geht es um den Dank für das Engagement der ehrenamtlichen Helfer. Über ein Vierteljahrhundert schon. Ohne diese Menschen gäbe es das Hospiz nicht.

Es wird deutlich, dass die Ehrenamtlichen bei ihrer Begleitung von Menschen am Ende ihres Lebens ganz viel zurückbekommen. Lebensbegleitung bis zum Tod kann also ganz erfüllend sein für beide Seiten.

Es darf gelacht werden und geweint, gesungen und geschwiegen. Es geht um den Kontakt und jedes Mal neu darum, einen Menschen auf seiner letzten Wegstrecke mitzubegleiten. Ich höre von ganz viel Leben rund um den Tod auch durch die tolle Musik.

Und ich denke daran, was Jesus einmal über sich gesagt hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“

Das erlebe ich heute hier. Klar, der Tod beendet irdische Beziehungen, er reißt Wunden und hinterlässt eine Lücke. Das ist so.

Aber bis zum Tod kann es die Fülle des Lebens geben, wenn Menschen bereit sind, Abschiede mitzugestalten. Und darin liegt für mich die Hoffnung, die über den Tod hinaus reicht.

I will follow him – ich freue mich, dass dieses Lied mich zur Nachfolge ruft. Denn sie endet nicht im Tod. Danach kommt noch was. Und das Hospiz lässt schon vor dem Tod etwas davon lebendig werden.

Annette Bassler für Anja Behrens, Kaiserslautern, evangelische Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38038
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

19JUL2023
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Ich öffne die Terrassentür, lasse die frische Morgenluft ins Haus strömen. Als ich nach draußen trete, spüre ich die kalte Luft in meinem Gesicht. Ich atme ein paarmal tief ein und aus. Dann gehe ich zurück ins Haus.

Nach der Terrassentür warten auch heute wieder andere Türen auf mich. Ich verschwinde hinter der Badezimmertür. Dann gehe ich durch die Haustür raus in den Alltag. Am Bahnsteig öffnen sich die Türen der S- Bahn und ich hoffe, dass ich beim Umsteigen nicht wieder länger warten muss als gedacht.

Die schwere Tür zum Dienstgebäude werde ich wieder mit der Schulter aufdrücken und den Schlüssel für meine Bürotür habe ich hoffentlich dabei.

Jesus sagt von sich: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; wird ein- und ausgehen und Weide finden.“ Für mich steckt da eine wundervolle Verheißung drin:

Ankommen und ausruhen können. Kommen und gehen, wie es gerade passt und doch -grundsätzlich angekommen und angenommen sein.

Ich weiß ja nicht, an welche Tür Jesus gedacht hat, um uns zu beschreiben, wie wohlig es in seiner Nähe ist. Ich sehe sofort eine Tür vor mir, die so einen Ort beschreibt.Ich erreiche sie über ein paar Stufen.

Die Tür ist alt, aus Holz mit einer Glasscheibe. Vor der Tür steht ein Schuhregal und zuerst ziehe ich meine Schuhe aus. Ich habe keinen Schlüssel zu dieser Tür, aber die Tür steht mir immer offen.

Noch im Türrahmen werde ich umarmt, fest und lang. Hier bin ich willkommen. Ich kenne mich hier aus. Ich sitze lieber im Sessel als auf dem Sofa. Ich weiß, wo die Chipstüten in der Küche liegen. Am Handtuchhaken hängt ein frisches Handtuch für mich.

Ich habe hier schon bis in die Nacht geredet, aber ich kann hier auch einfach so rumsitzen und in die Luft schauen. Und ich freue mich jedes Mal neu, wenn ich durch diese Tür hindurch gehe. Hinter dieser Tür wohnt meine Schwester. So fühlt sich angekommen sein an.

Annette Bassler für Anja Behrens, Kaiserslautern, evangelische Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38037
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18JUL2023
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„Rise up this morning, Smile with the rising sun.
Three little birds, Pitched by my doorstep,
Singing sweet songs, Of melodies pure and true.
Don`t worry about a thing. Every little thing gonna be alright.

Bob Marley hat diese Worte geschrieben. Für das Lied „Three little birds – drei kleine Vögel. Zu diesem Lied von Bob Marley sind Freunde nach ihrer kirchlichen Trauung aus der Kirche ausgezogen, eher rausgetanzt.
„Ich stehe heute Morgen auf, strahle mit der Sonne. Drei kleine Vögel sitzen vor meiner Tür. Sie singen schöne Lieder mit reinen und echten Melodien: Sorge dich um nichts, denn egal was, alles wird gut.“

Ich habe mich sehr gefreut, als sie mich im letzten Jahr gefragt haben, ob ich sie trauen mag. Mit dem Bräutigam verbindet uns als Familie eine besondere Geschichte. Wir haben ihn 2015 kennen gelernt.

Er hat aus dem Iran fliehen müssen, weil er sich für das Christentum interessiert hat. Nach seiner Flucht hat er Kontakt zur Kirchengemeinde hier in Kaiserslautern gesucht. Wir haben uns angefreundet. Oft war er bei uns zu Hause.

Wir haben Ostern und Weihnachten zusammen gefeiert oder uns einfach so zum Essen getroffen. Manchmal hat er für uns gekocht, Reis mit Berberitzen oder Kräuteromelette.

Und dann haben wir seine Taufe zusammen gefeiert. Sich in aller Öffentlichkeit zu Jesus als Licht der Welt bekennen zu können, das hat ihm sehr viel bedeutet. Vor zwei Jahren hat er seine Frau kennengelernt. Und nun haben wir eine ökumenische Trauung gefeiert in der kleinen Kapelle, in der seine Frau als Kind oft mit ihrer Oma gewesen ist.

Nach dem Gottesdienst haben wir gelacht, getanzt und auf das Leben angestoßen. Und dazu hat Bob Marley wunderbar gepasst und es war am Hochzeitstag mehr als ein Lied, es ist ihr persönliches Bekenntnis zum Licht der Welt.

Ich stehe heute Morgen auf, strahle mit der Sonne und drei kleine Vögel singen: Sorge dich um nichts, denn egal was, alles wird gut.

Annette Bassler für Anja Behrens, Kaiserslautern, evangelische Kirche.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17JUL2023
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„Was für ein großartiges Brot,“ sagt meine Mutter zwischen zwei Bissen. Ich sitze mit meinen Eltern in der Fußgängerzone in Speyer in einem großen Café. Es ist bekannt für kunstvoll belegten Brote.

Das Brot ist weich und kräftig zugleich. Wenn man ein Stück abbeißt, kracht die Kruste im Mund. Die Wahl ist uns gar nicht so leichtgefallen. Da gibt’s zum Beispiel Brot mit Humus und gegrilltem Gemüse, mit Kartoffeln und Rosmarin oder mit Curry und Huhn, alles klingt lecker.

Und dann stehen die Brote vor uns in der Sonne, um uns pulsiert das Leben. Am Nebentisch brabbelt ein Baby im Kinderwagen vor sich hin. Und wir genießen.

Nicht nur das Brot. Wir freuen uns über die gemeinsame Zeit. Denn letztes Jahr sah das mal ganz anders aus. Nach einem schweren Unfall lag meine Mutter einige Zeit auf der Intensivstation. Und wir haben uns total gefreut, als sie zum ersten Mal wieder ein kleines Stück weiches Toastbrot ohne Rinde essen konnte.

Damals hatte ich zuerst große Angst. Ich war gerade im Urlaub und konnte es kaum aushalten, dass ich so weit entfernt war. Nur, wenn wir am Tisch gesessen und gegessen haben, bin ich ein wenig zur Ruhe gekommen. Dort habe ich mich geborgen gefühlt.

 „Ich bin das Brot des Lebens.“ Das hat Jesus zu seinen Freundinnen und Freunden gesagt. Und ich sehe die Frauen und Männer damals vor mir. Sie sitzen zusammen, reden über das, was sie freut und das, was ihnen Kummer macht. Sie teilen das Brot und beißen ab, kauen, essen und schmecken die Lebenskraft, von der Jesus spricht.

Und die kann ich auch schmecken, als ich den nächsten Bissen meines leckeren Brotes in den Mund stecke - in Speyer in der Sonne.

Das Leben ist zerbrechlich. Doch das Brot des Lebens ist täglich da. Und manchmal schmeckt es weich und kräftig zugleich und die Kruste kracht im Mund.

Annette Bassler für Anja Behrens, Kaiserslautern, evangelische Kirche.

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