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SWR1

   

SWR2 / SWR Kultur

 

SWR4

 

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SWR1 3vor8

29MAI2025
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Loslassen – das fällt mir ziemlich schwer. Z.B. wenn ich etwas gerne habe, oder wenn ich mich von einem Menschen verabschieden muss, der mir wichtig ist.

Das Fest Christi Himmelfahrt kann mir beim Loslassen helfen, weil es den Jüngerinnen und Jüngern von Jesus zunächst ganz ähnlich wie mir gegangen ist. Auch sie müssen lernen loszulassen. Schon als Jesus gestorben ist, haben sie gedacht, dass sie ihn verloren hätten. Doch an Ostern sind sie ihm begegnet und danach auch immer wieder. Zwar anders als vorher, aber er war ihnen nah. Jesus hat ihnen gezeigt, dass er auferstanden ist.

Jetzt ist er ist ein letztes Mal bei ihnen, um sich endgültig zu verabschieden. Jesus geht, und sie müssen loslassen. In der Bibel heißt es da ganz schlicht: „Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben.“ (Lk 24,51)

 

Ob und wie sich das genau zugetragen hat mit dem „in den Himmel emporgehoben werden“, ist dabei gar nicht so entscheidend. Wichtig finde ich, was dann kommt, und wie die Jüngerinnen und Jünger damit umgehen.

Zunächst einmal überwinden sie ihre Schockstarre und gehen nach Jerusalem zurück. Alle zusammen. Sie bleiben also nicht allein, sondern tun sich zusammen. So merken sie: da gibt es Freundschaften und Beziehungen, die weitergehen. Es ist nicht alles zu Ende.
Dann vermute ich, dass sie viel miteinander gesprochen haben. Sie werden sich erinnert haben, wie das mit Jesus war. Was er ihnen von Gott erzählt hat, und wie er den Menschen begegnet ist. Mit diesen Erfahrungen im Gepäck sollen die Jüngerinnen und Jünger nun selbst zu den Menschen gehen und die Botschaft von Gott weitergeben. Das hat ihnen Jesus aufgetragen. Oder man könnte auch sagen, das traut Jesus ihnen zu. Er ermutigt sie, dass sie das können. Selbst wenn sie das Gefühl haben, mit leeren Händen dazustehen. Ihre Herzen sind gefüllt. Das reicht für das, was kommen wird.

Und nicht zuletzt geht Jesus nicht, ohne sie zu segnen. Die Anhängerschaft Jesu spürt: wir bleiben selbst jetzt nach der Himmelfahrt, wenn wir auf uns allein gestellt sind, mit Jesus verbunden. Er ist bei uns und stärkt uns den Rücken.

 

Die Verbundenheit mit anderen suchen, sich erinnern an die gemeinsame Zeit, den gemachten Erfahrungen trauen, von denen das Herz voll ist, und das Versprechen: auch wenn alles Vertraute weg ist, „Gott ist bei mir“ – mir hilft das, wenn ich loslassen muss. Gerade dann, wenn ich noch nicht absehen kann, was kommen wird.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27MAI2025
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Im Herbst fange ich eine neue Stelle an. Das heißt nicht nur neue Aufgaben und neue Kolleginnen und Kollegen. Sondern auch: ich muss eine neue Wohnung suchen, neue Wege zum Einkaufen, zum Sport finden und, und, und... Jede Menge Neues. In mir ist ein ganzer Gefühlscocktail aus Vorfreude und Neugier, Ängstlichkeit und Abschiedsschmerz. Und sobald ich daran denke, kreisen jede Menge Fragen durch meinen Kopf: wie wird es werden? Was erwartet mich?

In der Bibel habe ich eine Stelle entdeckt, bei der Menschen auch an so einem Übergang stehen. Ein Übergang zwischen dem, was gewohnt und vertraut ist, und dem Neuen.

Das Volk Israel ist nach dem Auszug aus Ägypten schon lange unterwegs. Und irgendwann stehen sie endlich am Jordan. Auf der anderen Seite liegt das „gelobte Land“, das sie so gerne erreichen wollen. Aber der Jordan hat Hochwasser und weit und breit ist keine Brücke in Sicht.
Da meldet sich Josua, ihr Anführer, zu Wort und sagt zu den Priestern: „Heiligt euch, denn morgen wird der HERR mitten unter euch Wunder tun. … Nehmt die Bundeslade und zieht dem Volk voran!“ (Jos 3,5f.) Das klingt zunächst etwas seltsam. „Heiligt euch“ könnte bedeuten, sich bewusst zu machen, dass der Mensch auch heilig ist, d.h. eine Verbindung nach oben hat. Und dass man sich daran erinnert: nicht alles liegt in meiner Hand. Auch wenn ich vieles kann, Gott ist größer. Es lohnt sich, mit ihm zu rechnen. Und die „Bundeslade“, die sie mitnehmen sollen, ist eine Truhe mit den Steintafeln, auf denen die zehn Gebote stehen. Sie ist ein Symbol für die Verbindung mit Gott und dafür, dass Gott sie schon lange auf diesem Weg begleitet hat.

Am nächsten Morgen wagen sich die Israeliten ins Wasser des Jordans. Und tatsächlich. Als sie ihre Füße ins Wasser tauchen, weicht der Jordan zurück. Der Weg ist frei. Ausgerechnet dieser Moment, in dem alles so aussieht, als ob es nicht weitergeht, wird zum Moment, in denen Gott ihnen besonders nah ist. Wie gut, dass sie riskiert haben, sich die Füße nass zu machen. Sonst wären sie da noch lange gestanden.

Ich wünsche allen, die gerade auch an so einem Übergang stehen, weil sie wie ich die Stelle wechseln oder nach der Schule eine Ausbildung oder ein Studium anfangen, weil sie heiraten oder sich trennen, ein Kind bekommen, umziehen, in Rente gehen oder sonst vor irgendeiner Veränderung stehen: Habt Mut die Füße ins Wasser zu stecken. Tretet Euren Ängsten entgegen und vertraut auch darauf: Gott ist mit dabei!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

26MAI2025
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Humor macht nicht alles gut, aber vieles erträglicher. Und deshalb bin ich dankbar, dass es in den Reihen der Heiligen auch so jemanden wie Philipp Neri gibt. Heute ist sein Gedenktag. Philipp Neri hat im 16. Jahrhundert in Rom gelebt und war bei den Leuten vor allem wegen seines Humors und seiner unkonventionellen Art bekannt. Mal lief er mit halb rasiertem Bart, mal mit einem Fuchsschwanz am Hinterteil umher. Wer ihn nach dem Weg fragte, wurde absichtlich in die falsche Richtung geschickt, um Neues zu entdecken. Und man erzählt sich, dass er in Predigten bewusst Wörter falsch ausgesprochen hat, um die Eliten im Vatikan zu provozieren.

Philipp Neri hat die Leute zum Lachen gebracht, aber er konnte auch den Finger in die Wunde legen. Einmal soll ihm in der Beichte eine Frau gestanden haben, dass sie oft schlecht über andere redet. Um sich zu bessern, hatte Philipp eine besondere Aufgabe für sie: „Geh auf den Markt, kauf ein Huhn und komme damit zu mir. Unterwegs musst du es so gut rupfen, dass dabei auch nicht eine Feder übrigbleibt.“ Als die Frau mit dem gerupften Huhn zu ihm kommt, verlangt Philipp Neri: „Und nun geh zurück und sammle alle Federn ein.“ Ich kann mir gut vorstellen, wie irritiert die Frau gewesen sein muss, denn sie sagt: „Das ist doch nicht möglich! Der Wind hat die Federn bereits in ganz Rom verweht.“ Doch Philipp entgegnet ganz schlicht: „Daran hättest du vorher denken sollen. Denn so ist es auch mit bösen Worte: einmal ausgesprochen, kannst du sie nie wieder zurücknehmen.“

Philipp Neri hat kein Blatt vor den Mund genommen. Vor allem aber hat er die Menschen um sich herum spüren lassen, dass sie von Gott geliebt sind und daher allen Grund haben, froh und zuversichtlich zu sein. Dazu passt auch diese kleine Geschichte, die man sich von ihm erzählt. Philipp Neri ist mit einer Schachtel unterm Arm in Rom unterwegs und tut so, als würde er etwas suchen. Als er darauf angesprochen wird, sagt er: „Ich suche eine kostbare Perle.“ Die Leute schütteln nur müde lächelnd den Kopf und antworten: „Hier, mitten in der Stadt, gibt es doch keine Perlen. Kostbare Perlen findet man am Meer.“ Doch Philipp fordert die Menschen auf: „Kommt her, schaut in meine Kiste. Ich habe schon einige gefunden.“ Er nimmt den Deckel weg und alle, die hineinschauen, fangen an zu lachen. Denn in der Schachtel ist ein Spiegel, und die kostbaren Perlen – das sind sie selbst.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

25MAI2025
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Europas Eissorte des Jahres heißt in diesem Jahr „Halleluja“. Ein Eis aus Gianduja Nougat mit gerösteten Haselnüssen und Schokolade. Und weil der Papst das Jahr 2025 zum „Heiligen Jahr“ ernannt hat, heißt die Eissorte eben „Halleluja“.
Dass aber nicht nur das Halleluja-Eis, sondern auch andere Eissorten etwas mit meinem Glauben zu tun haben könnten, darauf hat mich neulich meine Kollegin Olivia gebracht.

Sie hat an einem Samstagnachmittag mitten in Heidelberg Eis verschenkt und die Leute gefragt: „Wie schmeckt dein Glaube? Süß oder fruchtig, tränensalzig oder nach Mut?“

Ich habe mich auch mal ein bisschen durchprobiert. Das Erdbeereis hat mich sofort an meine Kindheit erinnert. An Familienausflüge und unbeschwerte Sommertage. Da steckt eine große Portion Wärme und Geborgenheit drin.
Als nächstes probiere ich Vanilleeis. Das geht immer und passt zu heißen Himbeeren und Apfelstrudel genauso wie in den Eiskaffee. Vanilleeis und auch mein Glaube: beides für mich eine solide Basis, egal, wie das Leben drumherum gerade ist.
Schokoladeneis schmeckt tröstlich. Und auch so ist mein Glaube. Gerade, wenn es mir schwer ums Herz ist.
Und manchmal schmeckt mein Glaube auch nach Zitroneneis. Einfach erfrischend und leicht.

So unterschiedlich wie die Eissorten sind auch die Antworten der Leute bei der Aktion „Wie schmeckt dein Glaube?“. Manche antworten sofort: „vielseitig“ oder „süß“. Jemand anderes meint: „zuversichtlich und immer wieder überraschend.“ Für Cornelia und Frank ist klar, ihr Glaube schmeckt „nach Liebe und Menschlichkeit“. Und ein Mann kommt zu dem Ergebnis: „Mein Glaube schmeckt auch mit sechzig Lebensjahren immer noch nach „mehr“ und mir macht es Freude immer Neues zu entdecken.“

Welch ein schöner Gedanke. Ich stelle mir vor: wie wäre es, wenn es eine Eisdiele gäbe, über deren Eingang steht: „Schmeckt…, wie gut der Herr ist“ (Ps 34,9 BB) und in deren Theke jede Menge Sorten sind. Ganz appetitlich angerichtet. Manche kenne ich gut. Die nehme ich immer wieder. Doch hin und wieder probiere ich auch eine neue Sorte. Da kann es schonmal passieren, dass in der Kugel die ein oder andere Nuss steckt, an der ich ordentlich zu knabbern habe. Und manchmal schmeckt es anders, als ich es mir erhofft habe. Doch immer mal wieder hab´ ich auch eine Kugel in meiner Eistüte, die genau meinen Geschmack trifft und die mich satt macht. Vor allem meine Seele. Und ich weiß: davon hätte ich gerne mehr.

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SWR1 3vor8

21APR2025
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Es ist ein Sonntagvormittag in München. 200 Frauen treffen sich zum Spazierengehen. Das Besondere ist: sie kennen sich nicht. Noch nicht. Erst während des Spaziergangs kommt man ins Plaudern. Nach knapp einer Stunde gehen die Frauen wieder auseinander – zufrieden über einen gemütlichen Sonntagsspaziergang in Gesellschaft, viele erfüllt von einem guten Gespräch und manche sogar mit einer Telefonnummer, um sich verabreden zu können.

Die Idee zu solchen Spaziergängen hat Clare Carrington[1] aus den USA mitgebracht. Zurück von ihrem Auslandsaufenthalt war sie so begeistert, dass sie über insta Frauen zum Spaziergang eingeladen hat. Und die Resonanz war riesig. Mittlerweile hat sich die Idee rumgesprochen, und die Spaziergänge sind ein richtiger Trend geworden. Und das nicht nur in München. Bereits in mehr als 30 Städten sind sogenannte „girlswalkingandtalking“-Gruppen zu finden, frei übersetzt „Mädels laufen und reden“.

 

Miteinander unterwegs sein, jemand anderem erzählen, wie das Leben gerade ist, und wie es mir geht – das geschieht auch in dem biblischen Text, der ganz eng zum heutigen Ostermontag gehört und in vielen katholischen Gottesdiensten zu hören ist.

Zwei Jünger sind unterwegs nach Emmaus und vertrauen einander an, was sie beschäftigt. Vor allem, wie traurig sie sind, da ihr Freund Jesus gestorben ist. Unterwegs treffen sie auf einen Fremden, der wissen will, was sie bedrückt. Sie erzählen ihm, wie enttäuscht und traurig sie sind. Er hört ihnen zu, er baut sie auf, und er erzählt, dass er voller Hoffnung ist. Erst im Nachhinein, beim Essen am Abend, kapieren sie, dass der Fremde, der mit ihnen gegangen ist, Jesus war. Und dass sie das eigentlich schon unterwegs gespürt haben. (vgl. Lk 24, 13-35)

 

Ich kann mich gut in die Situation der beiden Jünger hineinversetzen. Wenn ich traurig bin oder ein belastender Gedanke sich in meinem Kopf festgekrallt hat, dann tut es mir gut, wenn ich nicht alleine bleibe. Wenn ich rausgehe, in Bewegung komme und mich jemandem anvertrauen kann. Zu merken „Ich bin nicht allein“, macht mein Herz leichter. Und ich bin mir in solchen Momenten sicher: Jesus geht mit. Er begleitet mich, und das kann ich durch andere spüren.

 

„Ich bin nicht allein.“ Das sagt übrigens auch Clare, die mit den Frauenspaziergängen. Wenn man sie fragt, ob man zu den Spaziergängen wirklich alleine kommen kann, antwortet sie: „Genau darum geht es, das ist das Schöne: Jede kommt zwar alleine, aber keine geht alleine.“

 

[1] vgl. Fasten-Wegweiser 2025 „wandeln“ von AndereZeiten, S. 38f. oder auch: https://www.brigitte.de/aktuell/gesellschaft/clare-carrington--macherinnen-im-check-13858566.html

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SWR1 3vor8

23MRZ2025
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Mit jeder Menge Klebeband lassen sich biblische Geschichten erzählen. Das habe ich neulich auf einer Fortbildung erfahren. Da ging es um Ester, eine jüdische Königin. Ihre Geschichte ist schnell erzählt. Ein Hauptmann aus dem eigenen Heer plant, alle Juden im Land umzubringen. Sie und ihr ganzes Volk sind bedroht. Zunächst zögert Ester, weil auch sie selbst sterben könnte. Doch ein Gespräch mit ihrem Adoptivvater Mordechai macht ihr Mut. Er sagt zu ihr: „Wer weiß, ob du nicht gerade für eine Zeit wie diese jetzt Königin geworden bist.“ (Est 4,14). Ester spürt, dass Mordechai Recht hat. Genau sie braucht es jetzt. Geschickt überzeugt sie ihren Mann, den König, dass nicht die Juden sterben sollen, sondern der Hauptmann den Tod verdient und rettet so sich und ihr Volk.

Auf meiner Fortbildung wurde diese Geschichte immer wieder unterbrochen. Dann kam das Klebeband zum Einsatz. Weil der Name Ester übersetzt „Stern“ oder „die Leuchtende“ bedeutet, war die erste Aufgabe an unsere Gruppe, mit buntem Klebeband einen großen Stern auf den Boden zu kleben. Die nächste Aufgabe war schon schwerer. Mit dem Klebeband sollte jeder ein Symbol für sich selbst neben Esters Stern kleben: Ein Kreis oder ein Rechteck oder auch ein Umriss mit Beinen, Armen und Kopf. Das soll zeigen: die Ester Geschichte ist zwar schon lange her, aber sie hat auch etwas mit mir zu tun. Ich kann mich bildlich neben Ester stellen, denn auch in meinem Leben gibt es Dinge, die mich herausfordern oder mir Angst machen. Und diese Dinge sollten wir dann wieder symbolisch darstellen und um unseren Umriss herum kleben. Manche haben Wörter, wie „Krieg“ und „Machtmissbrauch“ geklebt. Andere haben mit schwarzem und weißem Klebeband ausgedrückt, wie sehr sie das schwarz-weiß-Denken belastet. Und wieder andere haben Symbole geklebt: ein Kreuz für den Tod oder ein zerbrochenes Herz für eine unglückliche Liebe.
Um all dem etwas entgegenzusetzen, war die nächste Aufgabe: Und jetzt klebt einen Mutmach-Satz in die Mitte eures Umrisses. Ein stärkendes Wort, das ihr jetzt gerade braucht. Einen Satz, so in der Art wie Ester ihn von Mordechai gesagt bekommen hat. Auf dem Boden klebte dann schnell „Just do it.“ Also: „Mach einfach“. Oder auch „Fürchte dich nicht.“ oder „Lass los, was war.“
Ich habe einen Satz auf den Boden geklebt, der mir persönlich sehr wichtig ist, und der auch heute in katholischen Gottesdiensten zu hören ist. Gott sagt ihn Mose, denn wie Ester weiß auch Mose nicht, wie es weitergehen soll. Gott verspricht: „Ich bin mit dir.“ (Ex 3,12).

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SWR Kultur Lied zum Sonntag

09MRZ2025
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Kreuze hängen in Kirchen und Wohnzimmern, stehen an Wanderwegen und auf Berggipfeln. Es ist Erkennungszeichen der Christen und zugleich irritiert es. Denn eigentlich ist das Kreuz ein Folter- und Hinrichtungsinstrument, steht für Leid und Tod. Und doch ist es für Christen ein hoffnungsvolles Zeichen.

So auch in unserem heutigen Lied zum Sonntag „Kreuz, auf das ich schaue“. Es ist ein Lied aus den 80ern und gehört damit – auch wenn das mittlerweile schon über vierzig Jahre her ist – immer noch zu den eher neueren Liedern für die Fastenzeit. Eckard Bücken, ein evangelischer Diakon aus Berlin, hat es in Anlehnung an ein altes Kirchenlied geschrieben. Schlicht und mit wenigen Worten wird in drei Strophen das Kreuz besungen. Und es geht dabei nicht um Dornenkrone und Schmerzen, sondern um Nähe und Zuversicht.

Musik 1

Kreuz, auf das ich schaue, steht als Zeichen da;
der, dem ich vertraue, ist in dir mir nah.

Ich kann nicht sagen, wie oft ich schon auf ein Kreuz geschaut habe. Häufig bleibt es schlicht und einfach ein Zeichen. Doch manchmal passiert mehr. Besonders dann, wenn meine Gefühle unsortiert sind. Wenn ich mich zerrissen fühle zwischen Himmel und Erde. Wenn ich mir Sorgen mache oder nicht weiter weiß. Dann auf ein Kreuz zu schauen, gibt mir Halt. Weil es mich daran erinnert, dass ich nicht allein bin. Dass ich mich Jesus verbunden fühlen kann. Einem, der mit mir fragt: Gott, wo bist du in all dem?

In solchen Momenten wird nicht sofort alles anders, aber meine Angst und meine Sorgen rücken in ein anderes Licht. Bekommen eine neue Farbe. Wie ein schwebender hoher Ton, der zur Melodie dazukommt. Und so heißt es in der zweiten Strophe:

Kreuz, zu dem ich fliehe aus der Dunkelheit;
statt der Angst und Mühe ist nun Hoffnungszeit.

Der Liedtext kann sich nicht richtig entscheiden. Immer wieder schwankt er hin und her. Mal geht es um das Kreuz, zu dem ich hinschauen oder hingehen kann – gerade wenn mein Lebensgepäck schwer auf meinen Schultern lastet. Und an anderen Stellen im Lied geht es um Jesus, der mir immer nahe ist. Und der mich hoffen lässt – auf jeden neuen Tag und sogar auf ein Leben nach dem Tod. Auch in der dritten und letzten Strophe des Liedes klingen beide Perspektiven an:

Musik 2

Kreuz, von dem ich gehe in den neuen Tag,
bleib in meiner Nähe, dass ich nicht verzag.

Je öfter ich mich mit dem Lied beschäftige, desto mehr mag ich, dass das Lied keine eindeutige Perspektive hat. Weil es in meinem Leben doch oft auch so ist. Dass ich irgendwo zwischen Leid und Leben stecke. Zwischen Sorgen und Hoffen. Zwischen dem Alltag, der oft mühsam ist, und einem mutigen und frischen Start in den neuen Tag.

Das heutige Lied zum Sonntag ist ein kurzes Lied. Und trotz aller Kürze leuchten in den schlichten Strophen drei Facetten des Kreuzes auf. So ist das Kreuz zunächst Orientierungspunkt, in all den Aufs und Abs meines Lebens. Dann steht es auch für Hoffnung, weil es mich daran erinnert, dass ich nicht alles alleine durchstehen muss. Und es stärkt mich, um weiterzugehen. Mit Jesus an meiner Seite – in den heutigen Sonntag hinein.

Titel: „Kreuz, auf das ich schaue“

Kirchenlied für gemischten Chor a cappella.

Komponist: Lothar Graap; Leon Tscholl

Interpret: CoroPiccolo Karlsruhe, Leitung Christian Raiser

Eigenproduktion des SWR vom 20. und 21.05.2022

SWR Archiv-Nummer: M0687557

 

Orgelaufnahmen:

KMD Dr. Markus Uhl

Chororgel in der Jesuitenkirche Heidelberg (Orgelbau Kuhn)

Aufnahme Februar 2025

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03MRZ2025
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Bei den Rosenmontagsumzügen fliegt heute wieder jede Menge Konfetti durch die Luft. Kleine, bunte Papierschnipsel, die auch nach Tagen noch in Schuhen, Wollschals oder Kapuzenpullis stecken, und die zur Fastnacht einfach dazugehören. Und das schon seit dem 18. Jahrhundert. Schon damals haben sich in Italien die Menschen an Fastnacht mit Konfetti beworfen. Allerdings waren es keine Papierschnipsel, sondern kleine Süßigkeiten, Zucker-Mandeln oder Nüsse, die im Italienischen eben „confetti“ heißen.

Wie dann aus den Süßigkeiten Papierschnipsel wurden, ist nicht ganz sicher. Aber man vermutet, dass vor ungefähr 140 Jahren der Berliner Buchbindermeister Paul Demuth einmal beim Karneval in Venedig war und dort auf die Idee kam, Konfetti aus Papier zu machen. Das ist billiger, bunter und vor allem auch weniger schmerzhaft für die, die das Konfetti abbekommen. Und es bleibt ein bisschen länger in der Luft. Ist zarter und feiner.

Wenn heute jede Menge Konfetti durch die Luft wirbelt, dann ist das für mich ein schönes Bild für Gottes Segen. Denn so wie Konfetti das Leben bunt macht, den Blick nach oben in die Höhe zieht und manchmal ganz unerwartet um mich herumwirbelt, so erlebe ich es auch mit Gott. Er berührt mich zart und sanft und wirbelt gleichzeitig manchmal alles durcheinander. Seine Liebe fällt einfach so – wie Konfetti-Regen – ohne einen Unterschied zu machen auf mich und auf alle, die um mich herum sind. Gott bringt Farbe in mein manchmal tristes Leben. Und das macht er einfach dadurch, dass er bei mir ist. Egal, wie es mir geht. Wenn ich glücklich bin genauso, wie an den Tagen, an denen ich nur heulen könnte. Mich seiner Liebe zu vergewissern und mich daran zu erinnern, dass er mir nahe ist, macht mein Leben intensiver. Bunter.

Neulich bin ich auf einen Konfetti-Segen von der ev. Vikarin Deborah Siemermann gestoßen. Und mit ihren Worten wünsche ich Ihnen einen gesegneten Rosenmontag:

„Segen für dich. Wie eine Handvoll Konfetti soll er um dich herumwirbeln. Leuchten in allen Farben dieser Welt. Rot, gelb, grün, violett, blau. Segen für dich! (…) Denn du bist wunderbar! Mit allem, was dich ausmacht. Ob du nun mit dem Leben tanzt oder der Sturm des Lebens dich durchpustet. Ob Du gerade lächelst, obwohl dein Herz Tränen verdrückt. Du gerade lieber nach grau greifst, obwohl Dir alle Farben aus dem Malkasten zur Verfügung stehen. Segen für dich! “[1]

 

 

[1]https://www.youtube.com/watch?v=jCOoxR6vi5g

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

02MRZ2025
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Fastnacht ist nicht so mein Ding. Doch einmal im Jahr mache ich eine Ausnahme. Dann bin ich auf einer Fastnachtssitzung. So ganz klassisch mit Büttenreden, Schunkelrunden und Gardetanz. Grund dafür ist meine Schwester. Sie wohnt in Mainz, und da gehört es dazu, Fastnacht zu feiern. Und so treffen sich meine beiden Brüder und ich einmal jährlich bei ihr, und wir feiern gemeinsam Fastnacht – mit Gruppenkostüm und allem, was dazu gehört. Als die vier Bremer Stadtmusikanten, als Imker und Bienenschwarm oder als vier Jahreszeiten verkleidet sitzen wir dann im Saal, und ich gebe zu: für ein paar Stunden bin ich mittendrin und genieße die ausgelassene Stimmung. Aber nicht nur das: wenn ich genauer hinschaue, kann ich einiges entdecken, was ich doch an der Fastnacht mag und beeindruckend finde.

Zum einen das enorme ehrenamtliche Engagement. Damit Fastnacht gefeiert werden kann, werden stundenlang Tänze geübt und das Geschehen in der Welt aufmerksam beobachtet, um Büttenreden zu schreiben. Da basteln Frauen und Männer an aufwendigen Kostümen und Mottowägen für die Umzüge. Lieder werden einstudiert und große Säle fastnächtlich geschmückt. Echt enorm, wie die Menschen sich da reinhängen.

Was ich mir von Fastnacht für das Jahr zu merken versuche, ist die vielleicht schlichte Einsicht: ich fühle mich in meiner Haut und in meinem Leben wohl. Ich kann in ein Kostüm schlüpfen, aber eigentlich muss ich gar nicht jemand anderes sein.

Regelrecht Gänsehaut bekomme ich, wenn zwischen den Feiernden im Lauf des Abends eine Gemeinschaft entsteht. Da mag die ein oder andere Weinschorle dazu beitragen, aber ich glaube, der Grund ist ein anderer. Es ist der Wunsch, der vermutlich tief im Menschen steckt, sich mit anderen verbunden zu fühlen. Das heißt nicht, dass es für unsere Gesellschaft und unser Land gut und sogar unglaublich wichtig ist, miteinander zu streiten, zu diskutieren und um Kompromisse zu ringen. Doch ich glaube, damit das möglich ist und niemand ausgeschlossen und vergessen wird, ist es wichtig, auch miteinander zu feiern. Und mich ohne Wenn und Aber bei der nächsten Schunkelrunde bei meinem Nachbarn einzuhaken. Egal, wie alt sie ist, und egal, wo er herkommt.

Eine eingefleischte Fastnachtsnärrin werde ich vermutlich dennoch nicht. Aber gerade dann, wenn die Zeiten komplex und schwierig sind, tut es gut, der Seele Luft zu verschaffen, zu lachen, durchzuatmen und zu feiern. Und dann habe ich auch die Kraft, wieder mit anderen traurig zu sein oder auf die Nöte in der Welt zu schauen.

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SWR1 3vor8

09FEB2025
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Ende Januar habe ich mich einer besonderen Herausforderung gestellt. Viel hat es dafür nicht gebraucht. Nur PC, Internet und ein paar Minuten Zeit. Die Challenge hieß „Everynamecounts“, also „Jeder Name zählt“. Anlass war der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und die Aufgabe war, dass innerhalb einer Woche fast 30.000 Häftlingspersonalkarten für ein online-Archiv digitalisiert werden sollten.

Gestartet haben die Challenge die Arolsen Archives, das weltweit größte Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Sie haben die Häftlingspersonalkarten eingescannt und dann Freiwillige gesucht, die mithelfen, Namen und Geschichten der KZ-Inhaftierten sichtbar zu machen. Viele haben mitgemacht und wie ich Namen und Vornamen, Geburtsdaten, letzter Wohnort, Religion, aber auch die Häftlingsnummern eingegeben. Ich musste manches Mal kräftig schlucken und tief durchatmen, wenn ich gesehen habe, wie jung die Menschen waren, als sie ins KZ gekommen sind. Und das nur, weil sie Juden waren oder homosexuell oder nicht ins System der Nazis passten.

Einmal mehr wurde mir bewusst, dass so etwas nie wieder geschehen darf, und dass es an uns allen liegt, unsere Gesellschaft mitzugestalten. Wir sollten gut aufeinander achtgeben, damit Minderheiten nicht übersehen oder noch mehr benachteiligt werden. Weil sie die Sprache nicht können, weil sie Kinder sind oder krank oder weil sie das Geld nicht haben, um gesellschaftlich mithalten zu können: Andere Klamotten, Urlaub nur zuhause. Schnell ist man außen vor.

                                                                                                       

Mir macht Mut, dass zur Zeit viele Menschen auf die Straße gehen – für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Davon wird nicht sofort alles besser, aber ich hoffe, dass viele sich dadurch aufrütteln lassen, berühren lassen und in ihrem Umfeld genauer hinsehen und hinhören. Und dass sie dann merken, was sie anpacken und verändern können. Sei es, sich so kurz vor der Bundestagswahl noch einmal gut zu informieren, oder sich für den Kollegen einzusetzen, mit dem sich viele schwer tun.

 

In katholischen Gottesdiensten ist heute der Abschnitt aus der Bibel zu hören, in dem Jesus die ersten Menschen auffordert, mit ihm zu gehen, ihm nachzufolgen. Simon, Jakobus und Johannes werden mitten aus ihrem Alltag als Fischer gerissen (vgl. Lk 5,1-11). Und was heißt „Jesus nachfolgen“ heute? Vermutlich gehört dazu, dass ich, wenn ich als Christ leben möchte, immer wieder meine Gewohnheiten überdenke. Dass ich vielleicht auch Nachteile in Kauf nehme. Dass ich mich ergreifen und hinterfragen lasse von einem Gott, der uns Menschen braucht, damit seine Botschaft in der Welt ankommen kann. Die Botschaft von einem gütigen und menschenfreundlichen Gott. Einem, der sich gerade der Schwachen annimmt. Und für den jeder Mensch zählt.

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