SWR1 3vor8

SWR1 3vor8

29MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in
Lichtkreuz von Ludger Hinse Copyright: Kath. Stadtkirche Heidelberg / Gülay Keskin

Ich habe etwas bei mir festgestellt, dass mich nachdenklich gemacht hat: Der sterbende Jesus am Kreuz – diese Darstellung habe ich schon so oft gesehen, dass sie mich gar nicht mehr aufrüttelt oder provoziert.

Aber das geht nicht nur mir so. Dass der Anblick des Kreuzes für viele völlig normal geworden ist, hat auch der Künstler Ludger Hinse beobachtet. In einem Interview hat er mal gesagt: „Diese ganzen Leidenskreuze, die tausend, zehntausendfach überall hängen, die erregen ja gar nichts mehr… es kommt darauf an, dass ein Kreuz Aufsehen erregt.“

Die Kreuze von Ludger Hinse sehen deshalb ganz anders aus. Eines seiner Kunstwerke hängt seit ein paar Jahren auch in der Jesuitenkirche in Heidelberg und es fasziniert mich immer wieder, wenn ich es anschaue. Es ist ein Kreuz ganz aus Glas, und je nach Einfall des Lichtes ist es manchmal fast durchsichtig und kaum zu erkennen. Und dann ist es wieder ganz präsent und zaubert in unterschiedlichen Farben buntes Licht in den Kirchenraum: mal blau-grün, mal pink-violett. Und weil der Luftzug es sanft bewegt und es dadurch immer wieder anders aussieht, meint man fast, dass das Kreuz selbst lebendig ist.

Ludger Hinse knüpft mit seinen Lichtkreuzen an die Kreuzdarstellungen der Romanik an. Diese waren Heils- und Segenszeichen, und deshalb wurde Christus nicht leidend und mit hängendem Kopf dargestellt, sondern als Lebender: aufrecht und wie ein Sieger über den Tod. Im Lauf der Jahrhunderte hat sich das verändert und Jesus am Kreuz – so beschreibt es Ludger Hinse – „fiel in sich zusammen. Immer mehr Leid, immer mehr Leid“, sagt er. Doch für ihn ist klar: „Wir brauchen Jesus als einen, der segnet. Und das ist eben Licht und nicht Elend und Neid und Not. (…) Wir brauchen Zeichen, an denen wir uns entwickeln können, an denen wir auf-gehen, auf-steigen können.“

                                                                     

Der Blick auf Hinses Lichtkreuz ist für mich mit seiner Leichtigkeit und seinen sanften Farben ein wunderbares Zeichen für das Leben. Und das tut mir in diesem Jahr gut. Gerade weil mir der Tod von Menschen in den letzten Wochen nahegegangen ist. Und auch, weil das Leid an vielen Orten in der Welt so riesig und schrecklich ist. Ich möchte all das nicht ausblenden oder verdrängen. Gerade heute, am Karfreitag, ist es gut, dass ich wieder aufgefordert bin, ganz bewusst auf den sterbenden Jesus am Kreuz zu schauen und mich daran zu erinnern, dass Gott dem Leid nicht ausweicht, sondern mitleidet. Doch das ist eben nicht alles. Denn die Stärke des christlichen Kreuzes ist es, dass es nicht nur Zeichen des Leidens, sondern letztlich ein Hoffnungszeichen ist, ein Zeichen für das Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39604
weiterlesen...