SWR1 3vor8
In meiner Wohnung gibt es eine Kiste mit Tagebüchern, alten Kalendern und liebevoll geschriebene Karten, die ich irgendwann mal bekommen habe. Ab und zu ist mir danach, in dieser Kiste zu stöbern und ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. Mit den Dingen in der Hand bin ich ganz schnell in der Vergangenheit. Urlaubsnotizen und Geburtstagskarten liegen da neben den Momenten, in denen ich nächtelang gegrübelt habe, wie ich diese oder jene Entscheidung treffen soll. Hoch-Zeiten neben traurigen und einsamen Stunden.
Dass es gut ist, ab und zu mal zurückzuschauen, davon ist auch Mose überzeugt. In katholischen Gottesdiensten ist heute zu hören, wie er die Israeliten auffordert, kurz bevor sie nach vielen Jahren Wüstenwanderschaft ins gelobte Land kommen: „Forsche einmal in früheren Zeiten nach.“ (Dtn 4,32 EÜ)
Und dann fängt Mose direkt selbst damit an, in die Vergangenheit zu schauen: Er erinnert sich, wie er am brennenden Dornbusch Gottes Stimme gehört hat. Wie Gott ihn und das ganze Volk aus der Knechtschaft in Ägypten befreit hat. Mose spannt den Bogen sogar noch weiter, wenn er sagt: „Geh in Gedanken zurück: Beginne bei dem Tag, an dem Gott den Menschen auf der Erde erschaffen hat! Erforsche die weite Welt: Geh von einem Ende des Himmels bis zum anderen!“ (Dtn 4,32 Basisbibel)
Mose ist überzeugt: Gott wirkt in der Geschichte. Indem ich auf die Vergangenheit zurückschaue, kann ich entdecken, wie Gott wirkt. Und im Blick auf meine eigene Lebensgeschichte, auf das, was mein Leben geprägt hat, kann ich den Weg erkennen, den Gott mit mir durch Höhen und Tiefen gegangen ist und immer noch geht.
Wenn ich in meiner Erinnerungskiste krame, dann bekomme ich davon eine Ahnung. Ich entdecke, dass manches anders geworden ist, als ich es mir vor Jahren erträumt hatte. Aber auch, dass mein Leben deswegen nicht schlechter ist - dass auch Gutes und Schönes möglich wurde.
Ich erkenne immer wiederkehrende Themen, die an verschiedenen Stellen meines Lebens auftauchen, mit denen ich noch nicht fertig bin, aber mit denen ich zu leben lerne.
Vor allem aber wächst beim Stöbern in mir die Dankbarkeit: für das, was war. Für Familie und Freunde. Und dass ich, im Nachhinein betrachtet, mich gerade auch in schweren Zeiten getragen und gehalten fühlte.
Gott war bei mir und bleibt bei mir! Auch am heutigen Sonntag.
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