Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

  

SWR4

  

Autor*in

 

Archiv

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich liebe Hochzeiten und ich habe als Pastor schon so manche Trauungen in der Kirche gefeiert.

Aber das Paar, mit dem ich vor ein paar Wochen gesprochen habe, wollte seine Diamantene Hochzeit feiern. Ich musst erst mal überlegen, wie lange das ist: 60 Jahre! 60 Jahre sind die beiden schon miteinander verheiratet und gemeinsam in ihrem Leben unterwegs.

Als wir dann am Sonntag im Gottesdienst ihre Diamantene Hochzeit gefeiert haben, konnte ich es mir nicht verkneifen, den Jubilar, zu fragen, wie man es denn schaffen kann, solange zusammen zu bleiben. Er lachte nur und meinte, das wäre privat.

Wahrscheinlich ist es wirklich schwer, darauf eine Antwort zu finden? Als meine Frau und ich vor ein paar Jahren Silberhochzeit gefeiert haben, also 25 Jahre, da wollten wir alle unsere Freunde und Gäste am Anfang der Feier begrüßen. Ich hatte mir ein paar Worte dazu überlegt. Als ich dann so in die Gesichter all unserer Freunde und Familienmitglieder schaute, blickte ich in eine ganze Reihe von Gesichtern, deren Ehen im Laufe der Jahre zerbrochen waren. Mir wurde klar, dass sie - genauso wie ich - gewünscht hatten, dass ihre Ehe hält, aber es war anders gekommen. Und da sollte ich stolz sagen: wir beide haben alles richtig gemacht? Nein. Es geht doch gar nicht um Richtig oder Falsch. Ich kann Gott nur danken für die Liebe, der er uns beiden geschenkt hat und vor allem die Kraft, uns immer wieder zu vergeben.

Im Gottesdienst zur Diamantenen Hochzeit habe ich dann das Jubelpaar nach vorne gebeten, zusammen mit ihren Kindern, Enkeln und sogar Urenkeln. Wir alle haben ihnen die Hand aufgelegt – als Zeichen dafür, dass Sie zu einem Segen für viele geworden sind - und dann ich habe ihre Verbindung erneut gesegnet und ihnen noch weitere, gemeinsame Jahre in diesem Segen Gottes gewünscht.

Am Ende wollte der Jubilar, noch etwas sagen. Seiner Frau war das sichtlich peinlich. Aber er fasst sie an der Hand und sagte, dass er Gott danke für diese, seine Frau und für die gemeinsame Zeit, die er ihnen geschenkt war.

Ich schaute in diesem Moment auf seine Hand. Diese Hand, mit der er die Hand seiner Frau hielt, ganz fest. Vielleicht, damit sie jetzt ganz dicht bei ihm stehen blieb, aber sicher auch, weil er zeigen wollte, wie wichtig ihm diese Beziehung ist – auch nach 60 Jahren noch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27387
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich liebe Hochzeiten und ich freue mich immer, wenn ich als Pastor eine feiern darf. Ich frage dann das junge Paar in einem Vorgespräch, welches Wort der Bibel sie sich als Trauspruch ausgesucht haben, als eine Art Lebensmotto für ihre gemeinsame Zeit.

Manche machen sich da richtig viel Gedanken – so wie auch das letzte Paar. Sie haben mich überrascht mit einem Wort aus einem Brief des Johannes. Dort heißt es: „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Natürlich habe ich den beiden versprochen, darüber die Hochzeitspredigt zu halten, schließlich dreht sich hier alles um die Liebe. „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“

Was aber ist eigentlich „Liebe“? Jemand aus der Bibel sagt dazu einmal: „Und wenn ich alles besitzen würde, wenn ich alles könnte, sogar Wunder tun würde, aber ich hätte keine Liebe, dann wäre alles umsonst.“

Es gibt so viele Bücher, so viele Filme und Geschichten, die davon berichten, wie Menschen alles haben, was man sich nur wünschen kann – aber ohne Liebe in ihrem Leben einfach nur totunglücklich sind. Es geht also um das Wichtigste in meinem Leben, es geht darum, dass ohne Liebe mein ganzes Leben nichts ist.

Liebe ist, wenn mir ein anderer Mensch wichtig ist - nicht egal! Wenn ich mir für ihn Zeit nehme, wenn ich auf ihn zugehe. Liebe ist, wenn es mir wichtig ist, dass wir uns wieder versöhnen. Wenn ich mich nicht freue, wenn es ihm schlecht geht, im Gegenteil, wenn ich mir wünsche, dass es ihm wieder richtig gut geht. Das bedeutet Liebe.

Aber gibt es nicht auch Menschen, die einem das Leben schwer machen? Sollte ich diese Menschen auch lieben? Und wenn ich keine Liebe habe – wo kann ich Liebe kaufen gehen? Ich habe für mich entdeckt, wie es mir hilft, Gott darum zu bitten. Ich sage dann: „Gott, ich schaff das nicht. Ich kann diesen Menschen einfach nicht lieben. Ich habe kein Liebe mehr. Aber du bist doch die Liebe? Hilf mir, dass ich wieder lieben kann.“ Ich bin sicher, dass Gott solche offenen Gebete mag. Und ich staune, wie ein solches Gebet meine Beziehung zu einem Menschen verändern kann.

Ich habe dem jungen Paar mit auf ihren Lebensweg gegeben: Das wichtigste in unserem Leben ist die Liebe. Die Liebe, die uns Menschen hilft, gut miteinander umzugehen. Gott ist die Liebe, darum bittet Gott, dass er euch diese Liebe immer wieder neu schenkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27386
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Die Liebe ist die größte unter ihnen“, platzte es aus ihr heraus, als ich die beiden nach einem Bibelvers gefragt habe. Das junge Paar war zum Hochzeitsgespräch zu mir gekommen und brachte auch gleich einen Vorschlag für ihren Trauspruch mit.

„Aus dem Korintherbrief?“, frage ich und muss schmunzeln, denn über dieses Wort von der Liebe habe ich schon bei einigen Hochzeiten gepredigt. So schnappe ich mir meine Bibel und lese beim Apostel Paulus: „Wenn ich alle Geheimnisse wüsste, einen Glauben hätte, der Berge versetzt, wenn ich all meinen Besitz an die Armen verschenk würde und hätte keine Liebe, dann nützte es mir das gar nichts. Am Ende aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

„Die Liebe ist die größte unter ihnen… haben sie mal überlegt, was mit dem Wort Liebe gemeint ist“, frage ich die beiden, die schon ein paar Jahre zusammenleben und einiges miteinander erlebt haben. Er antwortet: „Liebe ist die Art und Weise, wie wir jeden Tag miteinander umgehen“.

Ich finde die Antwort klasse. „Liebe ist die Art und Weise, wie wir jeden Tag miteinander umgehen…“ Mir fallen sofort Beispiele ein: Wie oft passiert es mir, dass ich jemanden einen „guten Morgen“ wünsche und das gar nicht so meine? Manchmal denke ich sogar im Stillen: „lass mich heute bloß in Ruhe!“ So etwas nennen wir nicht ohne Grund: lieblos.

Es sind nicht die Worte, die ich sage oder die Dinge, die ich tue, es ist die Art und Weise, mit der ich es tue, oder einfacher gesagt: ob ich es mit Liebe tue. Wenn ich zum Beispiel meinen Kollegen, einem Freund oder wen auch immer, die Hand gebe, vielleicht sogar ein wenig lächle und dann: „Guten Morgen“ sage, merke, wie sich alles verändert.

Die Worte sind die gleichen wie jeden Morgen, aber der Andere spürt, dass mir etwas an ihm liegt, dass ich diesen Wunsch ernst meine, freut sich, wundert sich vielleicht auch - aber vor allem verändert es unser Miteinander an diesem Tag. Der Andere spürt, dass ich ihm mit Liebe begegne.

Für den Apostel Paulus ist diese Liebe die Grundlage von allem. Darum sagt er: „Wenn ich alle Geheimnisse wüsste, einen Glauben hätte, der Berge versetzt, wenn ich all meinen Besitz an die Armen verschenk würde und hätte keine Liebe, dann nützte es mir das gar nichts. Am Ende aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

Was für ein schönes Motto für eine Hochzeit!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27385
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich mag die Schwaben. Doch wirklich. Ich lebe ja auch schon seit vielen Jahren im Schwabenland. Aber eines finde ich überhaupt nicht gut, wenn die Schwaben sagen: „Nich gebruddelt is genug gelobt“.

Ich hatte einen Chef, der kam morgens ins Büro und sagte: „Dies oder jenes ist ja richtig gut gelaufen… Aber…“, es kam immer ein dickes Aber hinterher. Wenn er ins Zimmer kam, dann habe ich das Lob meist gar nicht richtig gehört – ich habe immer auf dieses Aber gewartet, denn dieses Aber hat alles Lob platt gemacht.

So richtig aufgefallen ist mir das erst, als ich einen neuen Chef bekam, einen echten Ostfriesen. Der kam auch morgens ins Büro. Er hat mich nicht immer gelobt, aber wenn, dann kam ein dickes, breites Lob – und schon war die Tür wieder zu! Ich saß dann da und starte die Türe an: hatte er nicht was vergessen? Kein Aber? Wie gesagt, er hat nicht nur gelobt – das kann ja auch nicht sein. Aber wenn er gelobt hat, dann richtig. Ohne dieses dumme Aber.

Heute ertappe ich mich selbst dabei, wie ich immer wieder ein Lob mit einem Aber versehe und es damit gleich wieder ein ganzes Stück zurücknehme. Dabei weiß ich doch, wie gut es mir tut, wenn mich jemand ehrlich lobt.

Im Buch Prediger, in der Bibel heißt es: „Alles Ding hat seine Zeit“ und dann kommt eine ganze Reihe von Dingen, die alle ihre Zeit haben. Es gibt die Zeit, wo ich einen Menschen einfach mal loben kann. Ohne ein Aber anzuhängen. Ein andermal kann ich auch sagen, was mir nicht gefällt. Aber alles Ding hat seine Zeit: Zeit zum Loben und Zeit zum Kritisieren. Ich muss nicht immer alles miteinander vermischen: etwas Lob und etwas Kritik – das ist nichts Halbes und nichts Ganzes.

So überschwänglich wie mein ostfriesischer Chef, werde ich das mit dem Loben wahrscheinlich nie hinbekommen. Aber ich versuche wenigstens, dieses dumme „Aber“ immer öfter wegzulassen. Wenn ich jemanden lobe, dann richtig und ohne Aber.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25864
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Wie wird man eigentlich glücklich? Dazu gibt es unendlich viele Bücher und Ratschläge. Das eine oder andere Buch habe ich auch schon in die Hand genommen, aber jedes Mal denke ich: Es hat noch keiner hat einen Weg gefunden, der wirklich und für jeden funktioniert.“ Liegt das vielleicht daran, dass es gar nicht funktionieren kann, mich selbst glücklich zu machen?

Ist das nicht genau so, als wenn ich im Bett liege und versuche einzuschlafen? Je mehr ich das versuche, desto weniger funktioniert es. Da hat ja jeder so seine Tricks, die mehr oder weniger funktionieren. Allen gemein ist sicher, dass wir das Einschlafen nicht erzwingen können.

Auch das Glücklichsein kann ich nicht erzwingen. Vielleicht muss ich es wirklich ganz anders anpacken? Genau das schlägt ein Mönch unserer Tage vor, wenn er sagt: „Wer dankbar ist, der kann nicht unglücklich sein“. David Steindl-Rast, so heißt der Mönch, ist der Meinung, dass wir dem Glücklichsein gar nicht nachzulaufen brauchen. Wir sollten stattdessen anfangen, dankbar zu sein, denn: „Wer dankbar ist, der kann gar nicht unglücklich sein.“

Aber wofür sollte ich dankbar sein? Heute, jetzt? Für die Menschen, die es mit mir aushalten? Für meine - mehr oder weniger – Gesundheit? Ich selber versuche, jeden Morgen mit einem Gebet zu beginnen: Kurz die Augen schließen, innenhalten und Gott danken für diesen Tag der vor mir liegt. Für all die Menschen die mir begegnen und die Situationen, die ich erleben werde. Manchmal sage ich Gott auch nur ganz einfach: „Danke. Danke, dass du mich begleitest, dass du bei mir bist.“

Das ist für mich ein kleiner Anfang von Dankbarkeit. Meist fällt es mir dann auch leichter, im Laufe des Tages anderen Danke zu sagen oder dankbar wahrzunehmen, was sie für mich tun. In solchen Momenten spüre ich, dass dieser Mönch Recht hat: „Wer dankbar ist, der kann nicht unglücklich sein.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25863
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Jetzt musste ich mir doch eine neue Taschenlampe kaufen. Leider, denn meine alte Taschenlampe war auf einmal weg. Na, ja. Taschenlampen gibt es ja wie Sand am Meer. Dachte ich. Aber in der richtigen Größe mit einem simplen Ein- und Ausschalter? Fünf Funktionen haben die neuen Lampen inzwischen und wenn man nicht aufpasst, dann blinkt die Taschenlampe SOS statt den Weg zu beleuchten.

Warum muss eine simple Taschenlampe so kompliziert sein? Ich habe nichts gegen moderne Technik und kenne mich mit meinem Handy ganz gut aus. Aber es nervt, wenn man schon für eine Taschenlampe eine Bedienungsanleitung brauch.

Ich muss dabei an einen Satz denken, den Jesus mal gesagt hat: „Eure Rede sei Ja, Ja oder Nein, Nein, alles Weitere ist von übel.“ So wünsche ich mir meine Welt. Einfach und klar. Dabei klappt das ja nicht einmal bei mir selbst! Wie oft sage ich jemanden „ja. Vielleicht“ – und bin mir fast sicher, dass ich das nicht machen werde. Oder: „mal sehen“, obwohl ich eigentlich besser gleich nein sagen sollte? Wie oft stimme ich einem Vorschlag zu, obwohl ich es nur sehr halbherzig tue?

Oft mache ich das aus Höflichkeit - ich will ja niemanden weh tun. Aber am Ende ist es einfach nur unehrlich. Lieber mal ein klares: Nein. Als immer dieses drum-herum-eiern um eine ehrliche Antwort.

Aber Gott sei Dank, kennen auch Menschen, die Ja sagen und Ja meinen oder Nein sagen und dann auch dazu stehen. Was mir an ihnen schon aufgefallen ist: Sie lassen sich mit ihrer Antwort Zeit. Sie sagen: „Du, das muss ich mir erst mal überlegen“, oder „ich weiß nicht, das bespreche ich erst mit meiner Frau“. Als Fragesteller ist man dann im Moment enttäuscht, dass man nicht gleich eine Antwort bekommt. Aber eigentlich ist es viel besser so, denn auf die spätere Antwort kann ich mich dann auch verlassen. Sich etwas Zeit lassen mit meiner Antwort, nochmals darüber nachdenken, eine Nacht darüber schlafen. Das ist vielleicht wirklich besser.

An meine neue Taschenlampe habe ich mich inzwischen gewöhnt. Ist doch gar nicht so kompliziert. An das klare Ja, Ja und Nein, Nein im Umgang mit Anderen muss ich mich noch mehr gewöhnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25862
weiterlesen...

Anstöße sonn- und feiertags

Ich liebe Schnee. Das habe ich mir aus meiner Kindheit so behalten. Ich bin in Frankfurt aufgewachsen. Da hat man dem Besen Schnee geräumt, wenn es überhaupt mal etwas Schnee gab. Und meist ist der auch sofort wieder getaut. Damals habe ich mir immer Schnee gewünscht – heute wohne ich im Schwarzwald und weiß auch, wie nervig viel Schnee sein kann. Trotzdem: Ich liebe Schnee.

Morgens, wenn ich meine Rollläden hochziehe und die Welt auf einmal weiß ist, dann sieht alles wie neu aus. Was gestern noch grau und dreckig war, ist alles von einer weißen Decke überzogen. In solchen Momenten will ich nicht an das Schneeräumen denken oder das Autofreikratzen. Ich freue mich über diese „neue“ Welt, die da vor mir liegt.

In solchen Momenten habe ich mir auch schon gewünscht, dass der Schnee auch all das Belastende, all den Streit zudecken könnte. Einfach so, über Nacht. Was mich gestern noch belastet hat – weg. Aber kaum sind die Rollläden ganz oben, denke ich an meinen Tag und all der Ärger von gestern ist wieder da. Kann man den nicht irgendwie hinter sich lassen?

Am Sonntag beten wir im Gottesdienst immer das Vater unser. Da heißt es: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wie vergeben unseren Schuldigern“. Vielleicht liegt hier der Schlüssel, wie ich den Ärger von Gestern loslassen kann: Christen bitten Gott, dass er ihnen ihre Schuld vergibt. Aber sie versprechen auch, dass sie den Menschen vergeben, die an ihnen schuldig geworden sind.

Vor ein paar Tagen habe ich das ausprobiert. Ich habe mich morgens hingesetzt und gebetet: „Vergibt mir Gott, was ich gestern bei dem Gespräch falschgemacht habe. Und ich will dem Anderen vergeben, der mich verletzt hat.“ Ich habe mir diese Person genau vorgestellt. Das hat mich wütend gemacht. Aber dann habe ich in mir drin gesagt: „Ich vergebe dir.“

Als ich dieser Person später am Tag begegnet bin, habe ich gespürt, dass sich etwas in mir verändert hat. Diese Wut, der Schmerz waren weg oder zumindest viel weniger geworden. Ich habe sogar etwas Lächeln können. Es schein zu funktionieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25861
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Kaputte Blumenvasen. Davon handelt die erste Geschichte in meinem Adventskalender.  Ich habe vor ein paar Tagen einen Adventskalender geschenkt bekommen, zwar ohne Schokolade, aber mit lauter Geschichten drin. Und da ich sehr neugierig bin, habe ich schon mal die erste Seite aufgeblättert – auch wenn es eigentlich erst übermorgen losgeht. 

Und gleich die erste Geschichte handelt von einer japanischen Reparaturmethode für zerbrochene Vasen und Schalen. Weiß ja jeder, dass es in Japan wertvolle Porzellanvasen gibt – und die gehen halt auch mal zu Bruch. Aber einfach wieder zusammenkleben? Das habe ich auch schon versucht – sieht sehr bescheiden aus, denn die Bruchstellen sieht man immer… 

Jetzt machen die Japaner etwas Verrücktes: Sie füllen die Risse mit Gold aus! Am Ende sieht man die Bruchkanten nicht nur, sie sind wie goldene Linien die sich durch die Vase oder Schale ziehen. Das sieht faszinierend aus, wie ein neues, besonderes Kunstwerk. Jetzt muss man die Brüche nicht mehr verstecken, sondern aus diesen Brüchen ist durch das Gold etwas ganz Besonderes geworden. Ein neues Kunstwerk ist entstanden. 

Dann wurde mir klar, warum das die erste Geschichte in meinem Adventskalender ist. Es ist wie ein Bild für unser Leben. Darin gibt es auch viele Brüche. Aber so sehr ich mich schon bemüht habe, die Bruchstellen zu kitten, sie bleiben immer sichtbar. Ich kann sie auch nicht verstecken. 

Aber die japanischen Kunstwerke machen mir deutlich, dass auch ein Leben mit Brüchen etwas ganz Besonderes sein kann, oder besser: werden kann, wenn ich aufhöre meine Brüche zu verstecken. Für mich ist Jesus Christus der Künstler, der die Brüche in meinem Leben angeht. Er hat kein Problem damit, sich auf die Seite der Zerbrochenen und Leidtragenden zu stellen. 

Er macht nicht alles einfach wieder gut – so wie ich mir das manchmal wünschen würde: Aber er lässt mich spüren, dass geliebt und wertvoll bin, auch mit meinen Brüchen. Er ist wie das Gold, das sich in die Bruchstellen meines Lebens legt und sie zu etwas Besonderen macht, der sagt: „das ist Okay für mich, du brauchst dich damit nicht zu verstecken“.  Ich sehe das Bild der ehemals zerbrochenen japanischen Schale vor mir: Sie sieht anders aus zuvor – aber jetzt, mit den goldenen Linien, ist sie ein neues Kunstwerk geworden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25419
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Adventskalender finde ich toll. Ich sehe sie im Laden stehen und werde immer ein wenig wehmütig. Ich erinnere mich, wie das als Kind so schön war, so spannende mit einem solchen Adventskalender.  Erst letztes Jahr habe ich mir wieder einen gekauft - und war prompt enttäuscht, dass sich die schönen Gefühle meiner Kindheit nicht einstellen wollen. Damals war alles so spannend in der Adventszeit, als Kind erhofft man sich so vieles - vor allem, dass an Weihnachten alles gut wird. 

Aber ich bin kein kleines Kind mehr und das Stück Schokolade am Morgen kann mir die schönen Kindheitsgefühle auch nicht zurückbringen oder diese Welt besser machen. Leider. Dieses Jahr will ich daher mal etwas Neues probieren: Ein Adventskalender zum Verschenken. Nein, nicht wie Sie denken: Ich habe nicht gebastelt. Ich will etwas anderes probieren. 

Dazu brauche ich lauter kleine Geschenke, nichts Besonderes und schon gar nichts Großes. Die packe ich alle in Geschenkpapier – so gut ich das kann - und stecke mir jeden Tag eines davon ein. Dann bin ich gespannt, wem ich an diesem Tag begegnen werde. Vielleicht lege ich eines meinem Kollegen auf den Tisch? Oder gebe es der alten Dame mit den traurigen Augen an der Haltestelle? 

Okay, vielleicht klappt das nicht jeden Tag, aber ich will es wenigstens versuchen. Denn ich glaube, genau darum ist Jesus Christus in diese Welt gekommen ist: Damit wir wieder zu Mitmenschen werden und uns nicht nur um uns selbst drehen. Damit wir uns anderen zuwenden. 

Wenn ich es schaffe, dass sich ein paar Menschen in den nächsten Wochen über meine kleinen Geschenke freuen, dann wird auch mir das viel Freude bereiten. Wie sagt Jesus? Wir sollen unsere Mitmenschen lieben? Da sind Worte irgendwie zu wenig – aber vielleicht geht so ein kleines Geschenk aus meinem Adventskalender? 

Sicher, dieser etwas andere Adventskalender, braucht auch ein Mut: Einfach so jemanden ein kleines Geschenk in die Hand drücken? Aber ich will es versuchen - und ich kann es ja auch mal bloß vor die Türe legen. Mal sehen wie das wird. Auf jedenfall wird das eine andere Adventszeit, ganz sicher spannend, vielleicht sogar ein wenig wie in meiner Kindheit? Ob ich noch einen Zettel mit einem kleinen Adventsgruß an die Geschenke hänge? – mal sehen… 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25418
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Kostenlos zum Mitnehmen“, stand auf den Fläschchen. Mitten im Wartezimmer meines Zahnarztes stand ein ganzer Korb mit diesen Fläschchen: Mundwasser zur Probe, „kostenlos zum Mitnehmen“. Also nahm ich mir so ein Fläschchen. Warum nicht? Kann ich ja mal ausprobieren.  Ich wollte das Fläschchen gerade in meine Jackentasche stecken, da sah ich in die Augen der alten Dame gegenüber. Hatte Sie nicht beim Reinkommen Probleme gehabt, sich auf ihren Stuhl zu setzen, beinahe hätte sie sich daneben gesetzt. Wahrscheinlich sieht sie doch gar nicht gut. Aber jetzt hatte sie mich quer durch den ganzen Raum fixiert und mir war klar: Wenn ich die Flasche einstecke, dann wird die Frau denken: „Jetzt klaut der einfach etwas aus dem Wartezimmer!“ 

„Auch Quatsch, die sind doch zum Mitnehmen“, habe ich mir gesagt und die Flasche in meine Jackentasche gleiten lassen. „Sie, was ist denn das für eine Flasche“, hat die alte Dame auch prompt quer durch das ganze Wartezimmer gefragt, „die Flasche, die sie da gerade eingesteckt haben?“  Alle Augen haben sich auf mich gerichtet und ich wäre am liebsten im Boden versunken. Es blieb mir nichts anderes übrig, als ihr vor allen Leuten im Wartezimmer zu erklären, dass dies eine kostenlose Probe sei, ein Mundwasser. Und ich war heilfroh, dass es noch eine zweite Flasche gab, die ich ihr jetzt anbieten konnte - wenn die doch schon mal kostenlos sind. 

Dieser Tage ist mir die Flasche beim Zähneputzen wieder in die Hand gefallen und ich musste an den Blick der alten Dame denken. Bin ich auch so, dass ich erst mal das Schlimmste von meinen Mitmenschen annehme: „Der wird doch sicher gleich die Flasche klauen“?  Und ich muss zugeben: Ja, manchmal bin ich so. Dann traue ich dem Anderen all das Schlechte zu, dass mir in den Kopf kommt. Da sagt jemand etwas und mir ist sofort klar: er meint es böse! Im Zweifel gegen den Angeklagten. Und weil ich denke, dass der es böse mit mir meint, antworte ich entsprechend - und die Situation eskaliert… sehr schade. 

Aber: Die alte Dame hat immerhin gefragt. Laut und quer durch das ganze Wartezimmer. Das finde ich gut. Sie hat mir damit die Möglichkeit gegeben, die Situation aufzuklären. Und ihre Frage war zwar sehr direkt, aber vielleicht gar nicht böse gemeint, einfach nur neugierig?   Von Jesus Christus heißt es in der Bibel immer wieder einmal, dass er einen Menschen ansah und ihn lieb hatte. Das bedeutet doch: Er hat die Menschen wertgeschätzt und ihnen nicht zuerst etwas Böses unterstellt. Ich glaube, das muss ich noch mehr üben. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25417
weiterlesen...