Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich mag die Schwaben. Doch wirklich. Ich lebe ja auch schon seit vielen Jahren im Schwabenland. Aber eines finde ich überhaupt nicht gut, wenn die Schwaben sagen: „Nich gebruddelt is genug gelobt“.

Ich hatte einen Chef, der kam morgens ins Büro und sagte: „Dies oder jenes ist ja richtig gut gelaufen… Aber…“, es kam immer ein dickes Aber hinterher. Wenn er ins Zimmer kam, dann habe ich das Lob meist gar nicht richtig gehört – ich habe immer auf dieses Aber gewartet, denn dieses Aber hat alles Lob platt gemacht.

So richtig aufgefallen ist mir das erst, als ich einen neuen Chef bekam, einen echten Ostfriesen. Der kam auch morgens ins Büro. Er hat mich nicht immer gelobt, aber wenn, dann kam ein dickes, breites Lob – und schon war die Tür wieder zu! Ich saß dann da und starte die Türe an: hatte er nicht was vergessen? Kein Aber? Wie gesagt, er hat nicht nur gelobt – das kann ja auch nicht sein. Aber wenn er gelobt hat, dann richtig. Ohne dieses dumme Aber.

Heute ertappe ich mich selbst dabei, wie ich immer wieder ein Lob mit einem Aber versehe und es damit gleich wieder ein ganzes Stück zurücknehme. Dabei weiß ich doch, wie gut es mir tut, wenn mich jemand ehrlich lobt.

Im Buch Prediger, in der Bibel heißt es: „Alles Ding hat seine Zeit“ und dann kommt eine ganze Reihe von Dingen, die alle ihre Zeit haben. Es gibt die Zeit, wo ich einen Menschen einfach mal loben kann. Ohne ein Aber anzuhängen. Ein andermal kann ich auch sagen, was mir nicht gefällt. Aber alles Ding hat seine Zeit: Zeit zum Loben und Zeit zum Kritisieren. Ich muss nicht immer alles miteinander vermischen: etwas Lob und etwas Kritik – das ist nichts Halbes und nichts Ganzes.

So überschwänglich wie mein ostfriesischer Chef, werde ich das mit dem Loben wahrscheinlich nie hinbekommen. Aber ich versuche wenigstens, dieses dumme „Aber“ immer öfter wegzulassen. Wenn ich jemanden lobe, dann richtig und ohne Aber.

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